Kapitel 10 - Luis
Es war eine Katastrophe. Sie könnten nicht tiefer in der Klemme stecken. Die meisten, wenn nicht sogar alle anderen, hatte sie und das raue Terrain bereits passiert.
Nur Luis hatte es nicht geschafft, gemeinsam mit drei weiteren.
Finn - langes Kinn, ein nun verstaubter Afro, mit sicheren Wurzeln in Äthiopien und einer Affinität für Luft und Flora.
Tessa - fast zwei Meter groß, mit einem dicken schwedischen Akzent. Definitiv magisch veranlagt.
Mila - sirenenäugig, sah aus, als würde sie sich auf einem Motorrad zurechtfinden, 100% aus Berlin.
Zwei von den dreien - Finn und Tessa - besaßen angeborene Magie, keine besonders starke aber dennoch: könnte vielleicht nützlich werden.
Luis presste seinen Rücken gegen Fels und drückte den Schal um Nase und Mund, als der Drache erneut an ihnen vorbeifegte. Feuer kitzelte seine Wangen, der aufgewehte Staub schwer in seiner Lunge. Ohne den sicheren Punkt wären sie längst Toast.
"Irgendwelche Ideen?", rief Mila über das Brüllen des Drachen. Das Biest hatte aber auch einen Appetit. Irgendetwas mussten sie doch machen können. Etwas, das nicht die Verfütterung von einen von ihnen beinhaltete. Wenn Luis nur mehr eingepackt hätte. Seine Kletterausrüstung konnte nicht gerade gut mit Vieh mithalten.
"Eine. Ihr kennst doch Olivia", sagte Finn und oh Gott, er meinte doch nicht-?
Tessa verzog ungläubig die Stirn, ihr war es also auch aufgefallen. "Olivia? Olivia wie in Kontrolle?" Und ja, wie er es geahnt hatte, färbten sich Finns Wangen rot. Er stand auf die Halbgöttin. Kein Zweifel. Nur ihre Groupies - und so einige Reporter - sprachen von Kontrolle mit ihrem Vornamen. Luis würde jede Wette eingehen, dass er Selfinsert-Fanfiction mit ihr las. Na hallo y/n. Dachte nicht, dass ich dich je wiedersehe.
"Ja, Kontrolle. Genau sie." Finn nickte energisch mit dem Kopf, er konnte kaum älter als achtzehn sein. "Sie hat doch diese ganzen Tricks praktiziert wie auf nem Hoverboard, nur halt auf Alltagskram."
"Und?", entgegnete Mila.
"Na ja, wenn wir mit dem Drachen hier unten nicht fertig werden, warum bringen wir den Kampf dann nicht zu ihm rauf? Wie es der Zufall möchte, bin ich nämlich ein ausgezeichneter Flieger. Zweiter im Schulturnier, drei Jahre hintereinander."
Luis seufzte. "Y/n nichts gegen dich, du bist bestimmt super, aber hat man dir ins Hirn g'schissen? Du kannst doch nicht - we are not going skyward, wo das verdammte Ding auch noch einen Heimvorteil hat. Außer du willst Spanferkel werden, dann, by all means, tob dich aus."
Er winkte ab. "Wird nicht passieren, meine Schule war wirklich Wettstreitausgelegt."
Mila wieder: "Und die Schule steht, wo genau?"
"Hawaii." Luis hätte lachen können, lachen oder weinen, vielleicht auch beides. Hawaii?
"Das ist ja, als würdest du sagen, du bist ein Skifahrer aus Südafrika." Surfen geht da zwar gut, aber fliegen? Er konnte nie höher als zwanzig Meter geflogen sein. Der Drache würde ihn bestimmt auf hundert jagen. Minimum.
"Eigentlich", warf Tessa ein, "haben die jetzt schon dort drei Skigebiete und sogar ein hoch dekoriertes Team. Ich sag, wir lassen es ihn versuchen. Was haben wir schon zu verlieren?"
"Wir?", prustete Luis. "Nichts. Er? Arme, Beine, Oberkörper, Hoden, seinen Schädel, jedes bisschen Haut auf seinem Körper. Take your pick!"
Finn schluckte. Gut so. Vielleicht verstand er langsam, dass 'Kampf gegen Drache' zwar super und heroisch klang, aber hauptsächlich nur mit viel Geschreie und panischer Beinarbeit einherging. "Mag schon sein, aber außer du hast irgendeine andere Idee, versuche ich es zumindest. Oder willst du, dass wir irgendwann als letzter eintrudeln? Am besten Stunden nachdem das Essen serviert wurde, hm?" Finn schüttelte den Kopf und wühlte durch die Felsbrocken, bis er zwei gleich große fand - beide ein wenig breiter als seine Füße. "Nein. Keine Chance - hat jemand etwas zum Abschleifen?"
"Nein, aber-" Tessa nahm ihm die beiden Steine mit einem verlegenen Lächeln ab und hielt sie in den Händen. "zufällig liegt der Steinbau bei uns im Familiengeschäft."
Eine Unschärfe legte sich um ihre Hände, eine Art reflektierender Glanz, nicht unähnlich dem von Metall. Dann knackte es. Ein Riss überzog die beiden Brocken und lies die oberste Schicht glatt von ihnen gleiten. Nichts als glatte Festigkeit hinterblieb, als sie die Steine Finn wieder aushändigte.
Mit einem gemurmelten 'Danke' nahm er sie entgegen. Luis bemerkte sehr wohl, wie lange sich ihre Finger dabei streiften. Ob sich die beiden näher kannten - immerhin hatten sie, schon bevor er auf sie getroffen war, miteinander gearbeitet.
"Nur fürs Protokoll, ich halte das für eine scheiß Idee", merkte Luis an, als Finn sich auf die Steine stellte.
"Notiert", sagte Mila. "Überstimmt ist jedoch überstimmt." Mit einem Schnippen hoben die Steine vom Boden ab. Finn wackelte ein wenig, fand jedoch schnell die Balance.
Mit einem letzten Nicken verließ er den sicher Punkt und schnellte in die Höhe. Er war gut, doch der Drache hatte ihn auch noch nicht bemerkt.
Lange würde es jedoch nicht so bleiben. Das Biest war riesig, locker so groß wie ein dreistöckiges Gebäude. Luis hatte noch nie etwas Gleichwertiges gesehen. Sein ganzer Körper schien wie aus Glas gegossen. Raues, ungeschliffenes Glas. Ein vergilbter Ton, der es einem unmöglich machte, hindurch zu blicken, aber dennoch Glas. Es krümmte sich von seinem Körper in seltsamen Formen. Beinahe als hätte es jemand gefroren, während es von seinem Körper tropfte.
Und dann sah es ihn. Es zögerte keinen Moment, - Gott hatte niemand das Ding gefüttert? - sondern preschte gleich herab. Finn steuerte zu Boden, versuchte wahrscheinlich, sich den Größenunterschied zum Vorteil zu machen, indem er rasch hochzog und den Drachen in mehrere Felsen krachen ließ. Es würde nicht funktionieren, sein Körper würde gleich durchbrechen. Das Vieh öffnete sein Maul. Die Flammen kräuselten sich bereits darin. Er würde es nicht schaffen.
"Runter!" Luis reagierte, noch bevor er es realisierte und stürzte, sich gemeinsam mit Finn zu Boden. Die Steine taumelten irgendwo dahin. Das Feuer fegte über ihre Haut, leckte drohend an den Fäden ihrer Kleidung und versenkte sie. Doch wie durch ein Wunder hatte es sie nicht verschlungen. Keuchend rollte Luis sich von Finn. Am liebsten wäre er gleich liegen geblieben. Spitze Steine hin oder her. Doch dafür fehlte ihnen die Zeit. Der Drache könnte jeden Moment erneut auf sie herabstürzen.
Mit einem festen Griff zog er Finn auf die Beine. Er sah nicht gerade gut aus. Stand nicht ganz richtig. Wahrscheinlich eine Gehirnerschütterung. Immerhin hatte Luis ihn gerade vom Himmel gerissen.
"Kannst du dich bewegen?", fragte er, obwohl sie beide wussten, dass ein 'Nein' keine Option war.
„Ja. Geht schon. Danke." Gemeinsam stolperten sie zurück in Richtung Deckung. Luis musste ihn fast den gesamten Weg zerren. Glücklicherweise hatten sich die anderen beiden nicht dazu gestürzt. Dieses Chaos hätten sie sich nicht leisten können. Mit schwerem Atem ließen sich Finn und Luis gegen den Felsen fallen.
"Na, das hat ja super geklappt", murmelte Mila.
Tessa jedoch schien mehr wütend als alles andere. Mit vorsichtigen Händen und festen Fingern untersuchte sie Finn, während sie keifte: "Was hast du dir nur dabei gedacht? Er hätte es hinbekommen, wenn du nicht reingegrätscht wärst."
Finn schüttelte den Kopf. "Hätte ich nicht. Er war zu schnell. Die Flügelspanne zu groß."
"In der Luft geht's also nicht. Der Boden ist auch nicht sicher. Zu offen. Wir haben unsere Chance verspielt." Luis legte seinen Kopf in die Hand. Mila hatte schon irgendwie recht. Alle anderen waren an dem Biest vorbeigeschlichen, während es Luis angepeilt hatte. Die drei waren einfach zu nah bei ihm gewesen, sodass ihnen das gleiche Glück zuteilwurde. Warum war das Vieh auch so fixiert auf ihn?
Luis nahm einen tiefen Atemzug, der Duft von Lavendel berauschend auf seiner Zunge. Irgendwie mussten sie doch noch gewinnen können. Ein kleiner Unitest - er hatte doch bereits so viel Schlimmeres überstanden.
Sein Blick wanderte über das Feld. Es gab nichts, dass ihnen nützlich werden könnte. Abgesehen von Kies und ein paar Steinen war die Landschaft karg. Der Drache hatte bereits jede Deckung niedergerissen. Nichts würde sie vor den Flammen schützen, wenn sie auf das Feld traten. Sie hatten ohnehin schon mehr Glück als Verstand, denn der Drache wagte es nicht, sich den Bäumen zu näher und den Raum zwischen den Sektoren zu betreten. Verdammt, vermisste Luis den zwei-Kilometer-Lauf von vorhin. Dennoch, etwas kam ihm komisch an dem Ganzen vor. Wenn der Drache ununterbrochen Feuer spuckte, wo waren dann-?
"There are no scorch marks", flüsterte er zu sich selbst. Das Terrain war - alles, auf dem sie standen, war - natürlich. Es machte alles einen Sinn. Ohne a fighting chance hätten sie sie dem Drachen nicht ausgesetzt. Tote konnte sich keine Uni leisten.
"Was zur Hölle laberst du da?"
"Es gibt keine Brandspuren. Denk drüber nach, Mila, der Drache spuckt fast ununterbrochen Feuer, die Steine sind jedoch noch nicht geschmolzen - nicht einmal angesengt. Während wir also seinem Feuer nicht standhalten können-"
"-können es die Steine schon." Er nickte. Jetzt hatte sie es verstanden.
Verständnis machte sich auch in den anderen breit.
"Na, Tessa? Bereit die Ärmel hochzukrempeln?"
Mit grinsenden Augen blickte sie ihm entgegen.
"Woran hast du gedacht?" Und so erklärte Luis ihnen sein Unterfangen. Es war unorthodox, gewiss auch ein wenig riskant, doch es würde auch Eindruck schaffen. Mit der Nummer könnte kein Zweig sie mehr abweisen, letzte im Glied hin oder her.
Er wandte sich zu Finn. "Glaubst du, du schaffst das? Koordinieren und abwehren?"
"Sollte hinhauen. Kies hat nicht gerade viel Gewicht, vielleicht könnte ich ihn sogar am Boden halten. Würde die Chance verringern, dass du Rostbraten wirst. Ich mach mir eher um was anderes Sorgen. Tessa, glaubst du, du kriegst ihn gefesselt?"
Sie nickte und schmolz sogleich die ersten Steine aneinander. Es war nicht gerade ein ansehnliches Stück, doch es würde seinen Zweck erfüllen.
"Solange du mich nah genug bringst."
Damit wäre die Sache geklärt. Ihr Plan stand. Sogar Mila, die hier auf sie warten sollte, da sie weder Magie noch sonst eine Möglichkeit der Verteidigung besaß, gab sich damit zufrieden. Wenn auch ein wenig mürrisch.
---
Meira sprang vom Tisch und klopfte sich den eingebildeten Staub von der Hose. „Sieht so aus, als wären wir hier fertig. Aus dem Desaster kommen die eh nicht mehr raus. Schade irgendwie. Warum dieser verdammte Drache deinem Was-auch-immer auch so an den Fersen hängt. Hast du ihn darauf angesetzt?"
Meiras Frage lief ihn stutzig. Was konnte er schon sagen? 'Nein, aber aus irgendeinem Grund klebt Valeries Magie an ihm, du weißt schon, die Halbgöttin Desire? Klar bleibt er in seiner Nähe, klar konnten die anderen einfach so vorbei, er riecht sein Frauchen, du Stutzige. Verlangen und Kontrolle waren es, die diese Schönheit in der Nähe der Schule angesiedelt haben und sie über sie wachen ließen. Etwas, das du wüsstest, wenn du ab und an mal ein Buch in die Hand nehmen würdest oder zumindest aufpassen würdest, wenn man dir im Unterricht etwas erzählt."? Nicht nur würde das nicht gut bei ihr ankommen, er würde ihr auch gleichsam sein Blatt offenbaren. Meira war nicht dumm, offiziell testeten sie nicht auf magische Signaturen. Diese Information konnte er nur wissen, weil er speziell danach gesucht hatte.
"Vielleicht-" Er räusperte sich, eine Lüge rasch gefunden. "Vielleicht ist es der Lavendel? Ich gebe bei allen von ihnen immer etwas rauf - Tradition, frag nicht nach - und da die letzten immer den Wasserweg genommen haben, hab ich die Dosis erhöht. Er muss glauben, dass ich das bin - du weißt ja, wie sehr er mich mag. Vermutlich will er nur spielen."
Sie zuckte mit den Schultern, weder zustimmend noch komplett ablehnend. Ein spielender Drache würde wohl kaum Feuerspeien - er konnte sich ihre Zweifel wohl denken. Und ja, ein normaler Drache würde vermutlich nicht so agieren, doch einer, der zwei Halbgötter begleitet hatte? Das klang um einiges plausibler. Wer wusste schon, was für einen Blödsinn die beiden ihr beigebracht haben? Dennoch lenkte er ein.
"Na gut, du hast mich erwischt. Er hat mich genervt, also hab ich ihm eingeheizt."
Sie nickte. Gut. Sie glaubte ihm. James konnte es in ihren Augen lesen.
"Wie auch immer", sagte Meira, "der Flieger sollte sie bald holen. Ihre Zeit ist langsam um und an dem Drachen kommen sie ohnehin nicht vorbei. Ich gehe mich mal für das Bankett vorbereiten. Die alten Tanzschuhe rausholen. Solltest du auch." Sie begab sich zur Tür, doch diese weigerte sich, sie hindurch zu lassen. Sie versuchte es mit Magie, eine adäquate Lösung, wenn es ein technisches Problem gewesen wäre. Doch das war es nicht. "James", grunzte sie schließlich, "lass mich raus."
Kopfschüttelnd winkte er ihre Forderung ab. "Er kriegt das hin." Da war er sich sicher. Er hatte seine Akte gelesen. Luis war gut, indem was er tat. Hatte eine spitzen Erfolgsrate. Er war flink auf den Füßen. Verloren hatte er noch lange nicht. "Wir warten noch."
"Warum?" Sie schnaubte. "Wenn er sich nicht eine Flöte aus dem Arsch zieht und tralala, um den Drachen frohlockt, ist die Sache gelaufen." James verdrehte die Augen. Warum auch jeder darauf rumtrampel musste, Angelina hielt ihm seine Herangehensweise schon oft genug vor.
"Erstens kann ich keine Flöte spielen und frohlockt bin ich auch nicht", verteidigte er sich. Doch sie lachte nur in ihre Hand.
"Du hast nen Drachen in den Schlaf gesungen, Schneewittchen. Frohlockender geht es kaum."
"Es war eine geniale Idee und ich habe es satt, mich dafür-" Er brach abrupt ab, als sich etwas auf dem Bildschirm regte.
Luis kam aus seinem Versteck heraus.
Das Weiß seiner Kleidung war fast braun vor Schmutz. Was hatten sie dort hinten angestellt? Sich durch den Dreck gewühlt?
Ein Kerl, derselbe, den Luis vorhin zu Boden geschmissen hatte, stieg in die Höh auf einem einzigen großen Stein. Wir waren also wieder bei der Olivia-Nachmache. Grandios. Seine Hand hatte er um die Hüfte einer Frau gelegt, die deutlich über ihn ragte.
Irgendetwas braute sich da zusammen. James erkannte einen Coupe, wenn er ihn sah.
Der Vierte von ihnen, diabolisches Mädchen, schlich in Richtung Ausgang. Eine perfektere Kandidatin für den Deceptionzweig hatte er schon lange nicht mehr gesehen.
Als der Drache Luis sah, blies er ihm sogleich einen Schwall Feuer entgegen. James gähnte, Reality-Tv wäre spannender als das. Und oh, wer hätte es gedacht, die beiden Neulinge auf dem fliegenden Stein wehrten das Feuer mit einer Kieselsteinbarrikade ab. Was für eine Überraschung. Sie hatten also erkannt, dass das Feuer nicht so feurig war wie gedacht. Warum sie sich die Barrikade überhaupt antaten, konnte James zwar nicht verstehen, aber hey, vielleicht wollten sie sich einfach wichtig fühlen. Keine Ahnung.
Ehrlich gesagt, interessierte es ihn kaum. Solange Luis es ins Ziel schaffte, konnte er sich den ärgsten Blödsinn ausdenken. So würde James ihn wenigsten leichter in Deceptions Zweig bringen können. Sollte er ruhig den komplizierten Weg nehmen.
Luis pfiff in die Finger und lenkte die Aufmerksamkeit des Drachen, von den zwei fliegenden Katastrophen mit einer wedelnden Hand wieder auf sich. Jetzt hatte er auch Meiras Aufmerksamkeit wieder.
Luis näherte sich dem Drachen, während die beiden Flugmäuse diesen tatkräftig ablenkten. Immer wieder schnellten sie über das Feld, wichen dem Feuer aus, ehe sie es erneut blockierten. Sie ließen ihn nicht wegfliegen.
Es war ödes Hin und Her, komplett nutzlos. Das Einzige, was sie bisher bewirkt hatten, war die Landung des Drachen und das auch nur, weil Kies auf Glas sich nicht gerade gut anfühlte. Die Schöne hatte sich deswegen schon oft genug bei James beschwert und ihre Rüstung von ihm wieder aufpolieren lassen.
Mit einem Gedanken schickte er sogleich eine Nachricht an den lokalen Metzger. Hoffentlich würde der Großeinkauf sie ein wenig besänftigen. Nur weniges auf dieser Welt war so grauenhaft wie ein gereizter Drache. Die kleine Ausreißerin hatte das erkannt.
Dann wurde es doch auf einmal spannend. Sie hatten es doch tatsächlich geschafft, das Ende des Spielfelds zu erreichen.
Der Drache hatte Luis eingekesselt.
---
Ja, Luis war zu langsam. Logisch. Natürlich konnte er keinem Drachen davonlaufen. Mit loderndem Maul thronte die Bestie über ihm. Ein Grollen drang aus seinem Mund und - igitt - putzte niemand dem Ding die Zähne? Vergiss die Todesangst - obwohl es schwer war, das getrocknete Blut um das Maul des Drachen zu ignorieren. Bei den Göttern, war der Gestank schlimm.
"Wer zur Hölle füttert dich?", murrte er hinter seiner Hand hervor. Über sich bemerkte er dann auch schon Finn und Tessa. Sie hatten das Geschirr parat. Gut. Luis schnalzte die Zunge. "Wer auch immer es ist, sollte wirklich ein paar Minzpastillen dazu hauen." Er redete einfach weiter. Weiter und weiter. Es schien die Kreatur abzulenken. Anscheinend hatte sie doch genug Erziehung, um mindestens zu zögern, bevor sie ihm die Haut vom Leib brannte. Über sich, weit über sich, hörte er Tessa arbeiten. Wenig Magie, sagte er ja. Andernfalls würde sie nicht so lange brauchen.
Allmählich, umso länger er über Mundgeruch und Verdauung sprach - ist es wegen dem Feuerspeien oder...? - hielt das Ding still. Da! Das sollte Tessa die Arbeit ein wenig erleichtern. Er meinte schon zu sehen, wie Tessa ihm das makeshift Geschirr umlegte, da reckte der Drache seinen Kopf nach vorn. Eine glasscharfe Schnauze war auf einmal alles, was er sehen konnte. Okay. Kein Ding. Definitiv kein Ding.
Heiße Luft schnaubte ihm entgegen. Luis hatte so gut mit allem gerechnet, doch dann drückte der Drache sich gegen den Schal, der um seinen Mund gewickelt war.
Luis hatte kaum eine Sekunde, um zu verstehen, wie ihm geschah, warum eine Kreatur, die ihn eben erst noch zerfleischen wollte, ihn jetzt wie ihren Liebling abschnupperte, als ein steinernes Seil von oben zu seiner Hüfte herabfiel. Er packte es. Dann ging alles sehr schnell. Der Drache bemerkte das Geschirr an seinem Körper. Er reckte seinen Kopf empor und riss Luis in die Luft. Immer höher und höher, bis er mit zwei Körpern kollidierte.
Er nahm alles zurück. Finn hatte es offensichtlich drauf. Irgendwie schaffte er es, sie auf den Hals der Kreatur zu befördern, wo Tessa vom ersten Moment an begonnen hatte, das Glas nieder zu schleifen. Gemeinsam landeten sie unbeschadet auf der rauen Haut. Und hoben sie auch schon ab.
Es war unglaublich. Luis war noch nie so hoch oben gewesen. Seine Finger streiften die Wolken und dabei hatte er sie noch nicht einmal ausgestreckt.
Er hatte erwartet, dass der Drache durchdrehen würde, bereit, alles zu tun, um seine Passagiere wieder loszuwerden. Aber dem war nicht so. Vielleicht lag es an der Leine, an dem Duft von Lavendel oder vielleicht hatte das Tier auch nur gute Laune, doch er blieb ruhig. Und bei den Göttern, war er schnell. Der Boden sauste verschwommen an ihnen vorbei. Der Drache hatte sich vorhin wirklich zurückgehalten.
Tat er, was er wollte, er konnte das breite Lächeln nicht unterdrücken, das sich auf seinem Gesicht ausbreitete. Der Wind zerrte an ihm, riss in seinen Pullover und umwirbelte seine Haare. Laut lachend schrie er das Adrenalin heraus.
Er bemerkte weder, dass Mila sich nicht mehr gezeigt hat noch wie Finn und Tessa zu dem Tor des Zweigs ihrer Wahl herabsprangen. Er flog sogar direkt an dem von Kontrolle vorbei.
Der Drache war es, der sich schließlich zur Landung entschied. Nicht Luis. Wenn es nach ihm ginge, hätten sie den Himmel nie verlassen. Doch die Kreatur entschied sich nicht für irgendeine dahergelaufene Lichtung, nein, sie landete inmitten der Arena vor hunderten von neuen Studenten. Darunter sogar Tessa und Finn. Luis' Blick huschte zu den Eingängen. Zwölf insgesamt. Ah, das erklärte es. Die Bögen waren von einem feinen Schimmer durchzogen, vermutlich also per Teleportation mit den Toren verbunden.
Der Drache senkte seinen Kopf, doch erst nachdem Luis von seinem Hals gerutscht war, realisierte er, dass die Geste nicht um seiner Willen war. Der Drache rieb sich an keinem anderen als James Monroe. Getuschel breitete sich unter der Menge aus, alle Blicke auf Luis gerichtet. Doch als sich seine Augen Monroes trafen, spielte all das keine Rolle.
---
Hi! Das war Kapitel 10. Ein eher lustiges Kapitel vor dem kommenden Drama. Seid auf jeden Fall aufs nächste Kapitel gespannt, es wird ebenso lang wie dieses und...sugar and spice and everything nice, sag ich nur dazu. Ihr werdet es lieben!
Was haltet ihr von diesem Kapitel? Was hat euch besonders gut gefallen?
Was haltet ihr von den drei neuen Charakteren? Was sagt ihr zu Mila? Zu Finn und Tessa?
Und was ist mit Meira? Glaubt ihr, sie ist eine der Guten oder eine blöde Kuh?
PS: Irgendwer muss Luis bei seinen nicht vorhandenen Führungsqualitäten helfen.
Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top