Zum Tode verurteilt
Keuchend saß Annika auf dem Stuhl. Sie wusste, ohne ihre kräftige, laute Stimme würde sie niemals früh genug gefunden werden. Aber ohne ihre Stimme würde sie auch niemanden warnen können. Nicht einmal Ivy.
Zitternd krümmte sich Annika auf dem Stuhl zusammen, dann sah sie verzweifelt zu Boden.
Panisch wandte sie ihren Kopf um sich, hin und her, sah alles an, sah den Regal, den dreckigen, alten Spiegel, den kleinen Holztisch, einen kleinen Schrank und noch einen Stuhl, etwas abseits vom Tisch, in dem kleinen Häuschen stehen, in dem sie gefangen war.
Dann dachte sie an ihr Pferd. Das Pferd, das sie am meisten liebte. Dreaming of Sunshine Yellow Darkness.
Ihre Stute war ihr lieb und teuer, sowie Dreamheart Ivy lieb und teuer war. Sie wusste, was passieren würde, wenn Ivy Dreamheart verliert. Und sie wusste, wie ihr Pferd auf ihren Tod oder ihre Entführung reagieren würde. Sunshine würde sie suchen. Und das, was sie finden würde, wäre das Erbärmliche, das sie niemals sehen sollte.
Annika hob den Blick, sah über den Tisch hinweg und entdeckte ein kleines Fenster. Quadratisch und vollkommen verstaubt. Das Glas war kaum noch durchsehbar, sie konnte nichts da durch sehen.
Plötzlich fiel es ihr wie Schuppen von den Augen. Sunshine würde kommen, ich muss sie nur rufen. , dachte sie.
Dann wurde ihr Blickfeld klar.
Annika P.O.V
Ich habe viel geschafft. Aber nichts ohne Sunny.
Ich kämpfte mit den Tränen. Ich war ihr für alles dankbar. Sie war immer mein Fels in der Brandung. Sie würde immer an meiner Seite sein. Immer.
Egal, ob ich in dem Moment sterbe oder brenne, sie würde dennoch da sein, mich mit glänzenden Augen ansehen, und ihr Vertrauen in mich, mich spüren lassen, dass sie mich liebte.
Ich senkte den Kopf, schloss meine Augen, dachte an alles, was wir erlebt haben. Die Welle des Vertrauens und der Liebe schoss durch mich, als ich daran dachte, dass ich mit Sunshine alles hatte und niemals etwas anderes brauchen würde. Ich wusste, dasselbe galt für Ivy und Dreamheart.
Ich würde nicht zulassen, dass die beiden schon so früh ein Ende ihrer gemeinsamen Zeit hätten, auch wenn es vielleicht für Dreamheart gerade jetzt das Beste war, aber seine Seele war nicht tödlich verletzt worden. Er hat nur eine tiefe Wunde in seiner Seele, die blutet, so stark, wie Ivys Liebe zu ihm groß war.
Ein Pferd kann viel tun, wenn man es zulässt., hörte ich meine Trainerin sagen. Und ich wusste, es stimmte.
*
Ein durchdringendes, schrilles Wiehern schallte über den Hof. Es war laut, kämpferisch und geradezu gnadenlos.
Jule Brückner, die Hofbesitzerin, seufzte. Es war wieder einmal Sunshine, die riesige Stute, die wieder einmal zeigte, welche Kraft in ihr steckte. Dieses Mal versuchte sie nicht, einen Zaun umzulaufen. Nein, sie versuchte, aus ihrer Box zu kommen, wo sie nur eingesperrt war, weil sie sonst mit Lost Thing, Christianas Hengst, auf der Weide stand und trächtig werden könnte. Sunshine war gerade rossig und es galt alles, um zu verhindern, dass sie ein weiteres Mal trächtig wurde.
Plötzlich ging alles rasend schnell. Ein lautes Krachen war aus dem großem Stallgebäude zu hören und dann Hufgeklapper. Dumpf trommelten die Hufe eines großen Pferdes auf dem Betonboden der Stallgasse und schon sah man es durch die Lücke des Stalltores stürmen. Es war Sunshine.
Jule sah entsetzt zu der großen, hellen Stute und ihr wurde klar, dass sie das Pferd höchstens auf der Weide wieder einfangen könnte.
"Melanie, Alexandra und Sarah, mitkommen! Wir müssen ein Pferd einfangen."
Die drei angesprochenen jungen Frauen gingen zielstrebig in den Stall, nahmen wahllos irgendwelche Pferde aus den Boxen, klickten Führstricke in die Halfter und schwangen sich auf die blanken Rücken, wo sie die Stricke zu geschlossenen Zügeln zusammen banden. Dann ritten sie im Schritt aus der Stallgasse auf den Hof und Jule war ebenfalls bereit. Sie hatte ihre gesattelte Stute Candylight bei sich, eine hübsche fuchsfarbene Hannoveranerstute, die sehr ambitioniert geritten worden war und ein absolutes Traumpferd ist.
Jule sah zu den Mädels.
"Sunny ist es wieder einmal, aber ich denke, ihr habt gesehen, dass sie abgehauen ist. Sehr wahrscheinlich ist sie zu Lost Thing gelaufen. Also sucht auf ihrer, seiner und erst dann auf jeder anderen Weide."
"Aye, aye, Captain.", sagte Sarah und nickte, bevor alle ihre Pferde wendeten und in unterschiedliche Richtungen davonstürmten.
Stunden später versammelten sich alle. "Sunshine ist wieder einmal spurlos verschwunden. Und das ist nicht das einzige Problem. Annika, die ja ihre Besitzerin ist, antwortet nicht auf meine Anrufe oder die von irgendwem unter uns. Dementsprechend komme ich jetzt zu der Annahme, dass ihr etwas passiert ist und Sunshine weiß, was genau überhaupt passiert ist. Und wo, wahrscheinlich auch.", erklärte Jule und ging dann aus dem Raum, um klare Gedanken zu fassen.
Sehr geehrte junge Ivonne Chenningway,
Ich muss Dir mitteilen, dass unsere und deine Beste Freundin Annika scheinbar spurlos verschwunden ist. Wir wissen weder, was passiert war, noch was der Grund für ihr Verschwinden ist.
Aber ich nehme an, es ist Dein gestohlenes Pferd, das der Grund für Annikas Verschwinden ist.
Ich habe nämlich von Annika vor ihrer Abreise erfahren, sie müsste Dir helfen, da Dein Hengst verschwunden sei. Ebenso habe ich die Meldung später in den Nachrichten gesehen und es tut mir aufrichtig leid für Dich, aber ich erwarte Professionalität von Dir, da nun ein Menschenleben ebenso in Gefahr ist, wie Dein Pferd.
Wenn Du Annika opferst, wirst Du dafür von der ganzen Welt Vergeltung erfahren und ich möchte nicht, dass es soweit kommt, also bitte ich Dich, die Nachricht von Annikas Verschwinden weltweit zu verbreiten, damit Du nicht am Ende als die Schuldige angesehen wirst.
Mit freundlichen Grüßen,
Juliana Brückner
Als Jule den Brief unterschrieben hatte, steckte sie ihn in einen Umschlag und hoffte, dass er früh genug ankam, bevor irgendetwas passierte.
Ivy P.O.V
Ich sah zum Fenster hinaus, während die Bäume an uns vorbeirauschten und wir hofften, früh genug anzukommen. Wenn Annika Recht hatte, würde Dreamheart vielleicht bereits tot sein.
*Dreamheart*
Der Mann führte mich durch die geoße Halle, band mich zwischen zwei dicken Stangen aus eiskaltem, schwerem Metall an eine Stange vor mir an und meinte grinsend:"Gleich schlägt es 12. Und dann hat deine letzte Stunde geschlagen, Dicker. Danach bist du Pferdewurst."
Ein kalter Schauer zog sich über meinen Rücken. Der Mann schien mich zu hassen und umbringen zu wollen.
Ich wollte fliehen, doch ich hatte nach all meinen Kämpfen keine Kraft mehr, um mich zu wehren und für immer zu verschwinden. Ich musste meinem Schicksal in die Augen sehen, auch wenn es so grausam war, wie es aussah.
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