Vertrauen braucht Zeit, nicht nur Liebe

Ivy trat zurück, sah noch einmal Dreamheart an, dann nahm sie ihn am Halfter und versuchte, ihn zu führen. Dreamheart aber schien nicht mitkommen zu wollen, er hielt dem Druck ihrer Kraft Stand und stemmte die Beine widerwillig in den Boden. Ivy drehte sich ihm zu und bat: "Bitte, Dream. Ich bring dich doch nur nach Hause. In unser neues Zuhause.  Komm, bitte.", dann zupfte sie leicht am Halfter und machte wieder ein paar Schritte, doch dann wurde sie plötzlich zurück gerissen, weil Dreamheart ruckartig den Kopf hob und in die entgegengesetzte Richtung gehen wollte. "Nein, Dream. Hier geht's lang. Hier lang!" 

Doch Dreamheart ignorierte Ivy und riss sich einfach los.  Er trabte einige  Meter davon, bevor er buckelnd über die Wiese um Ivy herum galoppierte. Dann wechselte er zurück in den Trab und trabte zu Ivy zurück, blieb jedoch auf Abstand. Sie sah ihn enttäuscht an und wandte sich von ihm ab, um zurück zum Gut zu gehen. Ohne sich noch einmal umzudrehen, ging sie los und bemerkte nicht, wie Dr3amheart ohne Zögern ihr langsam folgte, als wäre es selbstverständlich.
Ivy ging von erdigen Waldweg auf den gepflasterten Steinweg, der zum Gut führte, und hörte verwundert die klockenden Schritten eines Pferdes hinter sich. Sie blickte über ihre Schulter und starrte verwundert Dreamheart an, der ihr unverhofft und vollkommen selbstverständlich folgte, als würde er das immer so tun.

Adrian sah etwas verwirrt und überrascht zu Ivy, der Dreamheart folgte und die scheinbar nicht im Geringsten darüber verwundert ist, obwohl sie ihn nicht am Führstrick über das Gutsgelände führte, sondern einfach ganz normal lief und dabei förmlich von ihrem Hengst verfolgt wurde. Grinsend blieb sie vor ihm stehen und sagte:"Ich denke, wir kommen unserer früheren Freundschaft wieder näher."
Adrian schüttelte den Kopf. "Ein kluges Mädchen hat mal zu mir gesagt, sie gebe niemals auf, weder mit ihrem Pferd, noch irgendeinen Wettkampf. Aber sie würde verzweifeln, wenn die Zeit stehen bleibe. Wenn die Zeit plötzlich das Grauen für sie ist. Und noch kann ich, ehrlich gesagt,nicht glauben, dass ihr wieder wie früher gemeinsam durch Dick und Dünn gehen werdet, zumindest nicht in so kurzer Zeit, oder eher nach so kurzer Zeit."
Ivy schüttelte ebenfalls den Kopf, aber sie lächelte. "Wir sind aber kurz davor. Kurz davor, wieder gemeinsam füreinander zu kämpfen. Ich denke, bald wird Dream wieder wie früher mich auf seinen Rücken lassen und alles mitmachen."
Adrian nickte. "Mag sein. Aber so schnell wird es sicher nicht gehen."

Zwei Monate später...

Ivy legte den Sattel auf die Bank, kontrollierte, ob die Putzbox vollständig war und nahm einen schwarzen Führstrick. Sie ging zur Weide, pfiff, als sie am Gattertor angelangt war und hörte von ganz weit hinten ein lautes, glückliches Wiehern zur Begrüßung. Und dann kam auch schon ein schwarzer Punkt auf sie zu, schnell wurde er größer und aus dem Punkt die Umrisse eines schönen Pferdes, bis Dreamheart abrupt wenige Zentimeter vor ihr stehen blieb, schnaubte und ihr seinen Atem ins Gesicht blies. Ivy pustete einen Hauch Atem ihm in die Nüstern, begrüßte ihn auf diese Weise und nahm den Führstrick, hakte ihn am Lederhalfter ihres Hengstes ein und öffnete das Gattertor. Sie führte Dreamheart von der Weide zum Stall, am Putzplatz vor dem Stall angekommen, blieb sie stehen und band ihn an. Dreamheart ruckte am Strick, um auszutesten, ob er sich befreien könnte, doch der Knoten hielt seiner Kraft stand. Enttäuscht über seine hoffnungslose Situation am Strick, ließ er den Kopf hängen, gerade auf Höhe des Sattels, der auf der Bank lag. Er zuckte mit den Wimpern und starrte irritiert den Sattel an. Dann riss er plötzlich den Kopf hoch und wieherte wütend. Geradezu stoisch verhielt er sich gegenüber Ivy, die versuchte, ihn zu beruhigen, um ihn striegeln zu können. Doch Dreamheart ließ sich nicht von ihrer Ruhe beeinflussen. Er ignorierte sie vollkommen und trat ihr ohne hinzusehen auf den Fuß.
"Au! Dreamheart! Verdammt, mein Fuß! "
Der Hengst sah sie siegessicher an, da merkte sie, was sich gerade bei ihm abspielte. "Hey, ist okay. Ich weiß, du willst es nicht. Und dass du ihn am Liebsten irgendwo im Müll sehen wollen würdest, aber es muss sein. Wir müssen meine Eltern davon überzeugen, dass sie Unrecht haben und dass du definitiv immer noch der brave, vernünftige Dreamheart bist, der du mal warst und vielleicht... vielleicht auch wieder sein wirst."
Dreamheart schüttelte widerwillig den Kopf und schnaubte schon fast belustigt.

Ivy schnalzte und Dreamheart wechselte an der Longe vom Schritt zum Trab, seine Ohren zuckten aufmerksam und er achtete genau auf ihre Körperhaltung und Handzeichen. Ivy lächelte und machte das Handzeichen zum langsamen Trab, denn Dreamheart trabte sehr beschwingt und energisch, schien zwar sehr aufmerksam zu sein, war aber schnell abgelenkt, weil er bei jedem kleinsten Geräusch wegsah und kurz nicht mehr auf Ivy achtete. Dreamheart wechselte nach einer Weile in seinen langsameren Trab und wurde wieder etwas entspannter, als er nicht mehr hörte, wie irgendein Pferd wieherte oder Adrian die Schubkarre über das Gutsgelände schob, natürlich mit klappernder Mistgabel und Schaufel, und scheinbar keinem Stroh in der Schubkarre.  

Plötzlich krachte es außerhalb der Reithalle und Dreamheart erschrak so heftig, dass er an der Longe stieg und sich losriss. Vollkommen panisch galoppierte er in der Reithalle hin und her und versuchte einen Ausweg zu finden. Dann sah er die schmale Lücke zwischen den Hallentüren und galoppierte darauf zu. Die Lücke war zwar schmal, aber Dreamheart schaffte es, durch die Lücke hindurch nach draußen zu laufen. Ivy stand schockiert in der Mitte der Halle und überlegte gerade, was überhaupt passiert war. Sie war völlig gefangen in ihrer Schockstarre.

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