Ivys größter Wunsch und ein freilaufender Dreamheart

Ivy starrte schockiert auf die Lücke zwischen den Hallentüren. Sie kam sich so verloren vor. Dreamheart war wieder nicht bei ihr. Er war wieder weggelaufen.  Ivy vergrub ihr Gesicht in ihren Händen, hoffte, dass es nur Einbildung war... nur ein dummer Albtraum. Und doch... als sie die Hände von ihrem Gesicht nahm, bot sich ihr dasselbe Bild. Die Lücke, die Hufspuren von Dreamheart... Adrian trat in die Halle, kam auf Ivy zu und fragte: "Was ist los? Wo ist Dreamheart? Ivy...?" Ivy antwortete nicht. Ihr lief nur eine Träne über die Wange.  Adrian sah sofort, dass Ivy wegen Dreamheart weinte. Weil er wieder fortgelaufen war. Wütend auf den Hengst, schien Adrian fast durchzudrehen. Er wollte nicht, dass sie traurig war. Er liebte sie doch! Ohne Zögern nahm er sie in den Arm und sagte ihr:" Es wird schon wieder werden. Irgendwann wird er wieder zu dir finden. Lass ihm nur Zeit. Besuche ihn, fordere nichts. Irgendwann kommt er von alleine auf dich zu und macht wieder mit wie früher.  Er braucht Zeit. Dass er dir einmal freiwillig gefolgt ist, heißt noch lange nicht, dass er dir wieder vertraut oder genauso wie früher vertraut." Ivy vergrub ihr Gesicht an seiner Schulter und weinte seinen dunkelgrauen Hoodie voll. Adrian klopfte ihr tröstend aufs Schulterblatt und ließ den Tränenfluss eine Weile über sich ergehen, bevor er meinte: "Ich will ja nichts sagen, aber wäre es nicht langsam Zeit, um Dark Fever zu holen und Dreamheart zu suchen?" Ivy nickte an seine Schulter gelehnt und beruhigte sich langsam. Umso ruhiger sie wurde und weniger weinte, umso entschlossener war Ivy, Dreamheart zu finden und zurück zu bringen. 

*Dreamheart*

Die Wiese lag still und einsam da, doch ich empfand das größte Glücksgefühl seit langer, langer Zeit, sie so vorzufinden. Ohne Zögern trabte ich ein paar Runden über die Wiese, genoss die Ruhe und das Vogelgezwitscher, während ich sah, wie die Natur langsam farbenfroh und doch rauer und kälter wurde. Der Sommer war fast vorbei und der Herbst folgte auf dem Fuß. Es schien wie eine Ewigkeit zu währen, während ich mich umsah. Als Ivy mich hier traf, hatte ich kaum Zeit, all dieser Schönheit und diesem Freiheitsgefühl Beachtung zu schenken. Nun konnte ich es umso mehr genießen. In stolzer Haltung trabte ich auf die Mitte der Wiese zu, schnaubte und stieg auf meine Hinterbeine. Wild wirbelten meine Vorderbeine in der Luft und schienen stärker als je zuvor, bevor sie zurück auf die Erde bretterten und ich aus dem Stand losgaloppierte. Wild und frei wieherte ich laut und tobte mich aus. Haken schlagend und buckelnd sprengte ich freudig über die Wiese. Spürte meine alte Lebenslust und das Adrenalin, das mich antrieb. Ich genoss meine Freiheit und kämpfte nach Lust und Laune gegen unsichtbare Monster, die ich mir vorstellte. Nach einer Weile wurde ich aber müde und ließ das Kämpfen und Toben sein. Ruhiger als zuvor trabte ich nun auf der Wiese, zog meine Kreise, sah aufmerksam umher und betrachtete eine Weile immer wieder die Bäume, die mich umgaben. Irgendwann blieb ich in der Mitte stehen und fing an, friedlich zu grasen. Wie es früher die Wildpferde in ihren Herden gemeinsam taten. Nur dass heutzutage sehr wenige Wildpferde noch frei leben und ihre Freiheit genießen können. Und ich leider definitiv keines bin, egal, wie sehr ich lieber ein Wildpferd sein würde. 

Der Unfall hat mich vielleicht verändert, aber ich weiß genau, dass dieses Mädchen Ivy überhaupt keine Schuld daran trägt, sondern nur dabei war. Sie war auf meinem Rücken. Wir sind zusammen gesprungen und gestürzt. Aber sie war nicht schuld. Ich war zu schnell. Es war meine Schuld. Und deshalb darf sie nie wieder auf meinen Rücken. Sonst... würde ich ihr wieder etwas antun. Dann wäre sie vielleicht sogar schwerer verletzt als beim letzten Mal, wenn wieder etwas passiert. Das wäre der Beweis, dass ich ein Monster für die Menschen bin. Sie würden mich loswerden wollen, aber dann... dann endgültig. Ich würde sicher sterben. Durch den Schuss eines Jägers. Durch die Kugel eines Gewehrs... Ich würde dann niemals wieder irgendetwas tun können. Ich würde nichts mehr erleben oder sehen, hören, fühlen, riechen können.

**

Ivy sprang auf Dark Fevers blanken Pferderücken und griff mit einer Hand in seine Mähne und hielt mit der anderen den Führstrick fest im Griff. Dark Fever galoppierte ohne Zögern los und raste Richtung Wald. Er beeilte sich und versuchte, so schnell wie möglich zu sein, um Ivy nicht zu enttäuschen. Ivy hingegen klammerte sich an ihm fest und duckte sich über seinem Hals, um möglichst dem entgegen wehendem Wind nicht ausgesetzt zu sein. Dark Fevers Hufe gruben in den feuchten Erdboden und hielten direkt auf den großen Wald an, da hörten sie ein wildes Wiehern. Dreamheart!, dachte Ivy und drückte ihre Schenkel an Dark Fevers Bauch, während ihre Fersen gleichzeitig in die Flanken des Hengstes stießen.  Sie wünschte sich so sehr, Dreamheart wiederzufinden und irgendwann sein Vertrauen zu gewinnen.


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