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Ich habe Angst. Schreckliche Angst. Das ist das einzige was ich zurzeit fühle. Dieses Gefühl ist so stark, dass ich denke ich würde dran ersticken. Mein Herz schlägt wie verrückt und lässt sich nicht beruhigen, während ich hier sitze und vor Angst sterbe.

Der bittere Geschmack von Blut liegt mir auf der Zunge und ich habe fürchterliche Kopfschmerzen. Ich kann nichts sehen und bekomme schlecht Luft. Ich versuche mich zu bewegen, doch irgendwas hält meine Arme und Beine fest, so als wäre ich an irgendwas gefesselt und jede Bewegung schmerzt höllisch.

-Wo bin ich hier? Und was mach ich hier? Wie bin ich eigentlich hier her gekommen?-

Diese, aber auch unzählige andere Fragen schwirren in meinen Gedanken herum und werden begleitet von der schrecklichen Angst, die ich die ganze Zeit fühle. Panisch drehe ich meinen Kopf nach links und rechts und realisiere, dass mir die Augen verbunden wurden, weswegen ich auch nichts sah. Auch hat mir jemand ein Stück Stoff in den Mund gesteckt. Der Stofffetzen schmeckt so scheußlich, irgendwie vergammelt. Auch schmecke ich Blut. Angewidert fange ich an zu würgen, schlucke aber die brennende Magensäure, die in mir aufsteigt, wieder runter.

Panisch versuche ich es noch mal, mich irgendwie zu bewegen, doch je mehr ich mich wehrte und versuchte meine Arme und Beine zu befreien, desto mehr schnitt mir das Band, welches mich festhielt, immer tiefer in mein Fleisch. Vor schmerz wimmerte ich auf, jedoch wurde dies durch das Tuch in meinem Mund gedämpft. Völlig hilflos drehe ich meinen Kopf wieder hin und her und versuche etwas zu hören. Irgendwas. Ein Geräusch, das mir verrät, wo ich bin oder ob jemand in meiner nähe ist, doch das einzige was ich vernehme, ist mein wild schlagenes Herz. Tief atme ich durch die Nase ein, um mich so etwas zu beruhigen, doch das bring herzlich wenig. Also atme ich weiter durch die Nase ein und aus. Dabei stieg mir der Geruch von Rauch und Holz in die Nase. Verwundert schnupper ich noch einmal in der Luft. Eindeutig Rauch und Holz.

-Aber warum riecht es hier nach Holz und Rauch? Wo bin ich?-

Die Angst in mir lindert sich etwas, aber bleibt trotzdem an mir hängen. Wieder versuche ich angestrengt etwas zu hören und tatsächlich: Leises knistern dringt in meine Ohren. Fast so wie ein..., wie ein Feuer! Eindeutig ein Feuer, daher muss auch der Rauch Geruch stammen! Brennt es etwa hier in der nähe? Wieder stieg die Angst in mir und als ich plötzlich ein quietschen höre und darauf Schritte folgen, steigt die Angst ins unermessliche und die Panik übernimmt die Kontrolle über meinen Körper. Verzweifelt zerre ich an meinen Fesseln und Tränen steigen mir in die Augen. Die Schritte kommen immer näher und ein leises Summen höre ich jetzt auch. Diese Geräusche werden jedoch wieder von meinem wild schlagenden Herzen übertönt.

Ich höre nichts weiter, als meinen eigenen Herzschlag und dem rauschen meines Blutes, welches mir durch meine Adern fließt.

Auf einmal spüre ich, wie sich zwei starke Hände auf meine Schultern legen und sie fest drückten. Vor Schreck und Angst schreie ich auf, was jedoch wieder vom Tuch gedämpft wird, was mich aber nicht dran hindert, weiter zu schrein. Die Tränen strömen jetzt regelrecht aus meinen Augen und durchnässt die Augenbinde.

Ich habe Todesangst.

Die Hände auf meinen Schultern bewegen sich etwas, was ich aber kaum mitbekomme, jedoch höre ich auf zu schreien, als mir mit einem ruck das Tuch vor den Augen entfernt wurde. Vor Schreck zucke ich zurück und ziehe an meinen Armen, was wiederum schmerzen in mir auslöst, welche ich aber nicht beachte. Überrascht von der plötzlichen Helligkeit blinzel ich ein paar mal. Meine Augen können sich nur schlecht an das Licht gewöhnen, jedoch erahnen ich eine Sil­hou­et­te vor mir und meine Augen richten sich starr vor Angst auf sie. Die Person vor mir beugt sich weiter zu mir runter und langsam erahne ich ein Männliches Gesicht.

"Ah, endlich bist du wach, ich dachte schon du kommst gar nicht mehr zu dir!", lacht eine dunkle Stimme vor mir. Ängstlich starre ich die Person weiter an und neue Tränen laufen mir die Wange herunter. Bruchstücke von Erinnerungen steigen nun auch langsam in mir auf und ich erinnere mich daran, dass ich aus meinem Wagen gestiegen bin und mich auf dem Weg zu meiner Wohnung machte. Aber warte mal... Mein Wagen? Ich-

Meine Gedanken wurden von der Person vor mir unterbrochen, da er seine Hände jetzt auf meine Wange ablegte und mir grob die Tränen weg wischte. Unter der Berührung seiner Hände, zucke ich wieder vor Schreck zurück, was ihn auch auffiel.

"Keine Angst meine Hübsche. Du brauchst doch nicht zu weinen. Auch brauchst du keine Angst vor mir zu haben", er schnurrt die Wörter ja schon fast, als er zu mir sprach. "Weißt du, ich beobachte dich schon seit einer Weile, ich kenne dich und du bist viel hübscher, als ich es von der Entfernung immer sah. Ja wirklich und weist du was? Du veränderst einfach mein ganzes Leben. Ich muss Tagein, Tagaus an dich denken und endlich bist du bei mir! Wir werden so viel Spaß haben!"

Langsam entfernt der Mann sich von mir und ich kann ihn jetzt genauer betrachten. Er ist groß und wahrscheinlich Mitte zwanzig oder Anfang dreißig. Er trägt ein rot-schwarz kariertes Hemd, welches sich um seine breiten Schulter spannt und eng an seinem Körper anliegt, außerdem trägt er eine schwarze, zerissene Hose. Als ich sein Gesicht betrachte, fallen mir viele kleine Narben auf, die über sein Gesicht verteilt sind, so als hätten ihn viele kleine Scherben das Gesicht zerschnitten. Seine Augen starren mich fasziniert an, so als wäre ich eine Art Trophäe, was mich beunruhigte. Auch liegt in seinem Blick etwas verrücktes.

Schnell lasse ich mein Blick in meiner Umgebung umher irren, um schnell einen Fluchtweg zu finden. Zumindest wenn ich es schaffe, irgendwie meine Fesseln zu lösen. Rechts von mir sehe ich einen riesigen Kamin, in dem ein Feuer brennt.

-Davon kommt also der Geruch von Rauch.-
Außerdem sind die kompletten Wände und der Fußboden mit Holz verkleidet, und über unserem Köpfen sind Holzbalken.

-Und davon kommt wohl der ganze Holz Geruch.-

Genau vor mir, knapp zehn Schritte entfernt ist eine Holztür. Sie ist die einzige Tür in dieser Hütte, außer der einen Treppe die links von mir ist und wahrscheinlich aufs Dach führt. Während ich weiter die Tür anstarrte hörte ich, wie der Mann sich von mir entfernte, aber ich bin zu konzentriert damit, die Tür an zustarren und an meinen Fesseln zu zerren. Als er aber plötzlich wieder vor mir stand, verkrampfte ich mich auf dem Holzstuhl und Blicke mit vor Schreck aufgerissenen Augen zu ihm auf.

Lässig hält er ein Messer in der einen, und ein Glas mit Wasser in der anderen Hand und steht mit einem breiten Lächeln vor mir. Also zumindest nehme ich an, dass es Wasser ist, da die Flüssigkeit im Glas durchsichtig ist. Nun schaue ich das Messer an und schüttelte panisch meinen Kopf. Auch drang ein krächzen, aus meiner Kehle.
Immer noch lächelnd geht der Mann vor mir in die Hocke und schwenkte dabei das Messer gefährlich nahe in meine Richtung. Ich ließ es nicht aus den Augen.

"Hast du Durst Schätzchen? Wenn ja, dann kann ich dir das eklige Tuch aus den Mund nehmen."

Ich schlucke stark und nicke ohne nachzudenken. Und wie Durst ich habe. Immer wenn ich schlucke, fühlt sich außerdem mein Hals an, als würde ich viele kleine Steine verschlucken. Nicht sehr angenehm.

Nun stellt der Mann das Wasser auf dem Boden ab und machte mir mit der freien Hand das Tuch endlich ab. Nachdem das dämliche Stück Stoff endlich aus meinem Mund entfernt wurde, atme ich einmal kräftig ein und aus. Endlich! Endlich ist dieser vergammelte Lappen aus meinem Mund weg!

Langsam nahm der Mann nun das Wasserglas in die Hand und hielt es mir an die Lippen. Hastig nahm ich einen großen Schluck.

Schwerer Fehler.

Sofort verschluckte ich mich und fing an zu Husten. Verzweifelt versuche ich wieder Sauerstoff in meine Lungen zu pumpen, was mir nur halb gelang. Der Mann vor mir lachte aber nur und nahm das Glas wieder von meinen Lippen.

"Nicht so schnell", lachte er weiter, wobei jeder seiner Worte fast unter seinem Lachen erstickte. So wie ich am Sauerstoff mangel.

"Stirb mir ja nicht weg, nur weil du dich am Wasser verschluckst. Das wollte ich doch machen. Mit dem Messer hier!", nun klang er nicht mehr so belustigt und mit einer schnellen Bewegungen stieß er mir das Messer ins Bein. Erschrocken schreie ich erstickt auf und wieder laufen mir Tränen über die Wange. Immer noch am husten, fange ich noch heftiger an zu schreien, da mein Bein regelrecht wie unter Feuer brannte. Blut quillt aus der Wunde und an meinem Bein hinunter, tropfte auf den Boden und sammelte sich zu einer Lache zusammen. Den Schmerz kann ich kaum ertragen und mir wurde schlecht. Schnell drehe ich meinen Kopf zur Seite, um dann meinen gesamten Mageninhalt auszukotzen.

Der bittere Geschmack von Magensäure lag mir noch auf der Zunge, als ich meinen Kopf wieder hob. Der Psycho vor mir rollte nur mit den Augen, sah mich immer noch verärgert aber auch glücklich an. "Habe ich es dir nicht gesagt", flüstert er mir jetzt zu. "Wir werden noch eine menge Spaß zusammen haben!" Mit diesen Worten zog er mir das Messer aus dem Bein und ich fing an zu kreischen.

***

Meine eigenen schreie reißen mich aus dem Schlaf. Kerzengerade sitze ich auf mein Bett und Presse mir meine Decke an die Brust. Schwer atme ich ein und aus, aber trotzdem geht mein Atem schnell und unregelmäßig. Meine Haare kleben mir verschwitzt am Rücken fest und mir ist unerträglich heiß. In meinem Zimmer ist es ziemlich dunkel und verängstigt greife ich hinter mir und versuche den Schalter für die Lichterkette zu finden, die über meinem Bett hängt. Als ich ihn finde, drücke ich schnell den Schalter um und ein schwacher Schein spendet mein Zimmer etwas Licht. Schnell greife ich mir ans Bein und ziehe ihn unter der Decke hervor.

Kein Blut.

Kein Messer.

Keine Wunde.

Nur mein Bein.

Erleichterung breitet sich in mir aus und ich atme erleichtert die Luft aus, die ich unbemerkt angehalten hatte.

Nun greife ich auch nach meinem Handy, um zu sehen wie spät es ist.

3:30 Uhr.

Halb vier. Wir haben halb vier Uhr morgens. Froh darüber, dass ich endlich aus diesem Traum erwacht bin, seufzte ich kurz und falle zurück in meine Kissen. Das war ein echt realistischer Traum. Alles wirkte so echt, so real! Ich habe gefühlt, wie mir das Messer ins Bein gestochen wurde, wie mein Blut aus der Wunde floss. Die schmerzen, die schreckliche Panik, selbst die Gerüche habe ich wahrgenommen! So einen schrecklichen Traum hatte ich noch nie. Wirklich nie.

Kurz werfe ich einen Blick auf mein Fenster, wo auch mein neuer Traumfänger hing. Die Federn bewegen sich etwas und die Perlen in der Mitte des Netzes, funkelt im schwachen Licht der Licherkette, aber sonst hängt er ganz ruhig vor dem Fenster.

Wie ein ganz normaler Traumfänger.

So friedlich.

Mein persönlicher Beschützer vor Albträumen.

Der heute aber versagte.

Schnell wende ich den Blick von ihm los und starre meine Zimmerdecke an.

Da mir unerträglich heiß ist, reiße ich mir nun die Decke vom Leib. Mir ist so warm, dass mir selbst mein T-Shirt regelrecht am Oberkörper klebt.

Ans schlafen will ich erstmal nicht mehr denken, daher stehe ich kurzer Hand einfach auf und verlasse mein Zimmer. Kurz gehe ich ins Badezimmer um mir mein Gesicht zu waschen. Einen kurzen Blick in den Spiegel verrät mir, das ich fürchterlich aussehe. Dunkel heben sich tiefe Tränensäcke unter meinen Augen hervor und meine Haut ist unnatürlich blass, selbst für meine Verhältnisse. Ich sehe echt scheußlich aus.

Seufzend klatsche ich mit noch eine Ladung Wasser ins Gesicht und drehe dann den Wasserhahn zu. Rasch trockne ich noch mein Gesicht ab und mache mich dann auf zur Treppe, um nach unten in die Küche zu gehen. Als ich schon halb die Treppe runter war, erkenne ich, dass noch Licht in der Küche brennt und der schwache Geruch von Keksen nehme ich auch war. Neugierig laufe ich die letzten drei Stufen runter, wobei ich die letzte übersprang, da sie unter meinen Füßen sonst laut quietschen würde.

Als ich am Türrahmen der Küche stehen bleibe, sehe ich das meine Mutter vor dem Backofen stand und ein Backblech voll mit Chocolate-Chip-Cookies heraus nahm und sie auf den Herd stellt. Der süße Geruch von geschmolzene Schokolade und Butter erfüllt die Küche und ich trat näher. Hmm... lecker!

"Kann ich welche haben?"

Erschrocken dreht meine Mutter sich um und schaut mich geschockt an.

Ups.

Verlegen lächle ich sie an und deute auf die Cookies. Als meine Mom mich schließlich erkannte, beruhigt sie sich wieder und dreht sich wieder zum Ofen.

"Hast du mich erschrocken Valeska! Mach das nicht immer", lachte sie jetzt. Ich lache nun auch mit ihr und stelle mich neben sie an den Herd, zu den Cookies. "'tschuldigung", murmel ich leise und gucke hungrig die Kekse an. Jetzt gibt sie mir einen und ich beiße herzlich rein. Das der Keks ziemlich heiß ist und mir die Zunge verbrennt, beachte ich nicht. Ich liebe Cookies! Und Kuchen. Eigentlich ALLES was meine Mutter backt und verkauft.

"Konntest du auch nicht schlafen?", frage ich nach ein paar Sekunden, die ich brauchte um den Keks aufzuessen.
Meine Mutter schüttelt den Kopf und seufzt.

"Ich hatte die ganze Zeit eine neue Idee für ein Cookie Rezept. Ich musste es einfach ausprobieren und da ich eh in einer Stunde aufstehe um in den Laden zu gehen, dachte ich mir, dass ich das Rezept jetzt mal teste." Jetzt nahm sie sich auch einen Cookie. "Und du Mäuschen? Warum bist du wach?"

Ich greife nach meinen dritten Keks und beiße rein. "Ich hatte einen Albtraum. Keine Ahnung warum, aber der war ziemlich heftig. Ich wurde entführt und ja. Der Traum verblasst schon. Ich kann mich nicht wirklich dran erinnern."

Aus nachdenklichen Augen sah sie mich an. "Hast du dir nicht einen neuen Traumfänger gekauft? Der hätte dich eigentlich beschützen sollen", jetzt lacht sie leicht und ich schnaube nur. "Naja, hättest dir wohl in letzter Zeit nicht so viele Horrorfilme ansehen sollen."

Stimmt. In letzter Zeit schauen sich Mila und ich immer mehr Horrorfilme an. Bei vielen müssen wir nur lachen, aber bei manchen hatten wir schon schiss. Vor kurzem haben wir uns 'Conjuring' angesehen und wir beide lieben diesen Film und freuen uns schon auf den zweiten Teil, der in ein paar Monaten kommen soll.

Ergeben nicke ich und stimme meiner Mutter zu. Dann nehme ich mir noch einen Keks und gehe zum Kühlschrank, um mir ein Glas Milch einzuschenken. Meine Mutter reiht mir ein Glas und nachdem ich mir ein wenig Milch einschenkte, trank ich es in zwei Schlucken aus. Schnell aß ich meinen Keks auf und legte den Milchkarton zurück.

"Okay du solltest noch etwas schlafen. Leg dich hin und hör Musik, das hilft dir beim einschlafen." Meine Mom gab mir einen Kuss auf die Wange und schiebt mich aus der Küche. "Gute Nacht", sage ich noch, bevor ich wieder hoch in mein Zimmer ging.

Wieder in meinem Bett, mit einem frischen T-Shirt und leiser Musik, versuche ich mich zu entspannen und einzuschlafen. Jedoch geistern mir die Szenen aus meinem Traum, nein eher Albtraum, durch den Kopf und ließen es nicht zu. Nach knapp einer Stunde gewann aber meine Müdigkeit und mit ein wenig Angst schlief ich ein.

*-*-*

Es tut mir leid. Ich bin schrecklich. Tut mir Leid.

Dafür ist aber das Kapitel ziemlich lang geworden. Zumindest für meine Verhältnisse. Hoffe es gefällt euch.

Fühlt euch umarmt.

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