04. Niamh

Mit einem letzten prüfenden Blick in den Spiegel schritt ich um Punkt zehn Uhr abends aus meiner Wohnung. 


Da mich sowieso niemand erkennen konnte, nutzte ich die Gunst der Stunde und nahm die U-Bahn. Es war ein ungewohntes Gefühl, die Treppen in Stöckelschuhen hinab zu steigen. Ich musste mich stark konzentrieren, um nicht auf die Nase zu fliegen. Doch ich schaffte es irgendwie, unbeschadet am Bahnsteig anzukommen. Sämtliche männliche Augenpaare folgten mir, was mich in der Annahme bestätigte, dass ich das beste Date von allen haben würde. Ich bekam sogar einen Sitzplatz in der Bahn, weil ein Mann aufstand, um mir diesen anzubieten.


Zwei Stationen später hatte ich es geschafft. Harry ging sowieso immer in dieselbe Bar, weshalb ich ihn gar nicht erst suchen musste. Die anderen Jungs hingen dort bestimmt schon seit einer Stunde rum, um meinen Auftritt nicht zu verpassen. Ich würde ihnen zeigen, wie Frau es richtig machte. 


Wie zu erwarten, stand Harry bereits an der Bar und verleibte sich seinen Lieblingscocktail ein, Sex on the Beach. Das Weichei stand echt auf Frauencocktails. Natürlich hatte ich mir schon den perfekten Plan zurechtgelegt und im Gegensatz zu den anderen würde bei mir absolut nichts schieflaufen. Mit einem eleganten Hüftschwung und meinem schönsten Lächeln schritt ich an Harry vorbei, der sich sofort nach mir umdrehte, als er den Geruch meines Parfüms wahrnahm. Dieses hatte ich mir von Eleanor geliehen. Ich wusste nämlich, dass er total darauf stand. Ihm zu drohen, das Louis zu erzählen, war meine Geheimwaffe, die ich immer nutzte, wenn er irgendwas für mich erledigen sollte.

Doch zurück zum Geschehen in der Bar.


Ich würdigte ihn jedenfalls keines Blickes, wohl wissend, dass er sich dadurch animiert fühlte, mich anzubaggern. Mein Weg führte mich auf die Terrasse, wo ich eine Zigarette aus meiner schwarzen Clutch fummelte. Diese hatte ich mir ebenfalls von Eleanor geborgt. Amüsiert betrachtete ich aus dem Augenwinkel, wie Harry mir nachging. Als er schon direkt hinter mir stand, drehte ich mich lächelnd zu ihm um und fragte: „Hast du vielleicht Feuer?" 


„Und ob ich welches habe! Ähm, ich meine natürlich ... ich kann welches besorgen", stammelte er. Der Fisch hatte angebissen! 

Als seine Augen sich auf mein wohlgeformtes Dekolleté richteten, das ich mit meinem schwarzen Kleid mit V-Ausschnitt betonte, wanderten seine Gedanken ganz offensichtlich schon in eine andere Richtung. Tatsächlich organisierte Harry mir von irgendwoher ein Feuerzeug, und das in Rekordtempo. Ich musste wirklich gut aussehen, wenn er sich so viel Mühe gab.

„Hier, bitte", sagte er, und zündete das Feuerzeug direkt vor meinen Augen an. „Ich heiße übrigens Harry." 


„Ich bin Niamh", stellte ich mich ebenfalls vor. 


„Was ist denn das für ein Name?", fragte Harry verwundert. 


„Ein Irischer", antwortete ich stolz. 


„Oh, ich liebe irische Namen!" Schleimer


„Ach ja?", fragte ich mit einem verführerischen Augenaufschlag und blies den Rauch ein wenig zur Seite. Harry fraß mir bereits aus der Hand. 


„Also, Niamh", begann er, „darf ich dich vielleicht auf einen Sex on the Beach einladen?" 


„Ich stehe nicht so auf Cocktails", antwortete ich wahrheitsgetreu. „Ich hätte lieber ein Bier, wenn das für dich ok ist." 


Er schien kurz überrascht, aber dann sagte er: „Natürlich, warum nicht? Ich mag übrigens Frauen, die Bier trinken." 


Schleimer, dachte ich, aber folgte ihm wieder ins Innere der Bar und suchte uns einen freien Tisch. 


Eigenartigerweise störte es mich nicht, dass er mit einem kleinen Bier, anstatt einem Pint ankam. Das mussten die weiblichen Hormone sein, die in mir steckten. Das kleine Bier sollte seinen Zweck aber anderweitig erfüllen. 


Gerade als Harry mir eine Frage stellen wollte, stand plötzlich irgendeine Tussi neben unserem Tisch. Da ich meinen Plan schon platzen sah, sprang ich kurzerhand auf, kippte ihr mein Bier über und fauchte: „Hau ab, das ist mein Date!" Sie kam meiner Aufforderung heulend nach.
Harry schaute zwar etwas verwundert drein, störte sich jedoch nicht weiter daran und wandte seine Aufmerksamkeit wieder meinem Dekolleté zu, nachdem er mir ein neues Bier spendiert hatte. Gott, sah ich als Frau perfekt aus. 


Mein Blick wanderte durch den Raum und ich sah die Anderen. Sie saßen an einem Tisch zu Harrys Rücken und grinsten bis über beide Ohren. 


„Kommst du öfter in diese Bar?", wollte der Lockenkopf plötzlich wissen. „Ich habe dich hier noch nie gesehen. So eine Hübsche wie du wäre mir bereits aufgefallen." 


Ich war als Frau schon eine Augenweide. Ich hatte gerade geantwortet, dass es mein erstes Mal hier wäre, und wollte meine lange blonde Mähne zurückwerfen, da stellte ich fest, dass ich vergessen hatte, meine Beine zu rasieren. Dabei hatte Louis mich extra noch daran erinnert! Und wenn ich die Beine vergessen hatte, waren mir auch Haare an anderen Stellen durch die Lappen gegangen. Oh Gott, Niall, heb bloß nicht deine Arme hoch! 


Da ich genau wusste, wie ich Harry am Besten schmeicheln konnte, machte ich ihm nun ein Kompliment: „Ich finde deinen Hut übrigens wahnsinnig toll, der steht dir super. Wo hast du ihn dir gekauft?" Unter dem Tisch kreuzte ich die Finger. Dieses Pailetten-Ding war der absolute Schrott. 


Harry sprang sofort auf den Zug auf und berichtete mir ausführlich, wo, wann, mit wem und warum er diesen Hut gekauft hatte. Ich beschloss, Louis eine reinzuhauen, weil er ihn nicht davon abgehalten hatte. 


Allerdings hatte ich nun das perfekte Gespräch in Gang gesetzt, das ich nun nur noch am Laufen halten musste. Deshalb stellte ich die nächste Frage: „Trägst du oft Hüte?"


Harry bejahte und prompt komplimentierte ich ihm wieder: „Du siehst damit auch gut aus, im Gegensatz zu manch anderen."


„Danke für die vielen Komplimente", entgegnete er strahlend. „Aber jetzt reden wir mal über dich. Dein Kleid ist einfach der Hammer! Und deine Schuhe und deine Handtasche sind voll darauf abgestimmt. Gefällt mir." 


Ich dachte schon, das war es, aber dann setzte er noch einen obendrauf. Er fügte hinzu: „Du hast total faszinierende Augen, Niamh." 


Der Arsch guckte genau auf meine Brüste. So viel zu dem Thema! Männer waren alle gleich. Ich tat, als hätte ich das nicht bemerkt und bedankte mich artig.


„Ich meine das wirklich ernst", beteuerte Harry, der meine Skepsis irgendwie bemerkt haben musste. „Sie sind so wunderschön blau. Ich liebe blaue Augen." 


Ja, super. Erstens wusste ich das. Und zweitens, mochte er auch kleine Titten und hässliche Hüte. Wenn ich im wahren Leben tatsächlich eine Frau wäre, hätte ich mir ihn nicht mal aufgerissen, wenn er der letzte Mann auf Erden wäre.


„Sag mal", er warf einen Blick auf seine Uhr, „bald wird es hier unerträglich voll. Wollen wir nicht lieber zu mir gehen?"


Ich verkniff mir ein Lachen. Ich hatte ja geahnt, dass das witzig werden würde, aber dass Harry mich tatsächlich nach einer Stunde schon vögeln wollte, war mir nicht ansatzweise in den Sinn gekommen.


Jetzt wurde es erst richtig interessant.


Ich schenkte ihm mein schönstes Lächeln und hauchte: „Ja klar."


Moment ... wieso klang meine Stimme plötzlich so tief?!

~~*~~*~~

Mein Herz klopfte. Sie hatte tatsächlich zugesagt. Allerdings ... seltsamerweise erinnerten mich ihr irischer Akzent und ihre Tonlage doch an Niall. Das war irgendwie ekelhaft. Um von meiner Verwirrung abzulenken, schaute ich wieder in ihren Ausschnitt und erstarrte vor Schreck. 

Das konnte und durfte jetzt nicht wahr sein!


~~*~~*~~


Oh, oh, was mag nun passieren? Wie ihr sicher bemerkt habt, ist der letzte Teil des Kapitel aus Harrys Sicht geschrieben. :D
Wir hoffen, ihr seid nun gespannt auf das nächste (letzte) Kapitel!
LG, Catrifa, Jadina und Ambi xxx

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