ich liebe euch

hallo ihr. ich bitte euch, die folgenden zeilen zu lesen, auch wenn ihr euch anfangs vielleicht so denkt wtf.

die idee kam mir eben beim  zähneputzen, als mir bewusst wurde, dass in den letzten tagen einige wattyfreunde mir anvertraut haben, wie schlecht es ihnen wirklich geht. und ich erzähle ihnen immer, dass ich das gefühl, das sie nachts nicht schlafen lässt, kenne und dass sie stärker sind, als sie denken.

und jetzt habe ich beschlossen, euch ein bisschen meine geschichte zu erzählen, obwohl es anfangs vielleicht wirken könnte, als wollte ich euch angst machen oder mitleid erheischen - dem ist absolut nicht so. viel eher möchte ich euch mut machen, denn ich kann mich erinnern, wie sehr ich so etwas damals gebraucht hätte: jemand, der mir nicht nur sagt, wie stark ich bin, sondern jemand der sagt: ey scheiße, du wirst denken, dass du stirbst. so viele male wirst du scheitern und heulen. du wirst die hölle durchschreiten, aber dann. dann bist du frei. man kann es schaffen.

und es stimmt. man kann es schaffen.

ich kam 1998 auf die welt - 6 wochen zu früh und mit schwerer atemnot, sodass ich fast nicht überlebt hätte. gerade mal 1500 gramm hab ich gewogen - die hälfte von dem, was ein neugeborenes eigentlich wiegen sollte. durch die atemnot ist in meinem gehirn (überspitzt gesagt) irgendwas schief gelaufen und bei mir wurde eine halbseitenlähmung festgestellt. erst dachten die ärzte sogar, ich sei zusätzlich geistig behindert und prophezeiten meinen eltern, ich würde ein kompletter pflegefall sein, der weder laufen noch sprechen kann.

nun ja. ich denke, dass ich diesen scheißärzten gepflegt in ihren arsch getreten habe, denn ich kann sehr wohl laufen und sprechen, ja sogar skifahren, reiten & autofahren. und nächstes jahr mach ich mein abi.

also lasst euch bitte von niemandem einreden, ihr könntet etwas nicht erreichen, weil das nämlich totaler bullshit ist. klar habe ich eine behinderung, meine linke seite funktioniert nicht so, wie sie sollte, aber ich lebe. ich atme. ich kann sein, was immer ich will.

doch natürlich versucht mister leben, der manchmal ziemlich beschissene laune hat, einem erneut eins reinzuwürgen. sobald ich vier war, trennten sich meine eltern und ab da brach eine welt für mich zusammen, da ab da sehr viel in unserer familie schief gelaufen ist, ich sogar mehrere jahre keinen kontakt zu meinem vater und bruder hatte.

zusätzlich kam hinzu, dass meine mum und ich umgezogen sind und ich schon in der ersten klasse von so kleinen scheißkindern gemobbt wurde und die meine soziale unsicherheit und mein hohes harmoniebedürfnis ausnutzten, um mich dumm anzumachen.

noch heute krieg ich panik, wenn ich eine tür nicht sofort öffnen kann, weil ich früher in die schultoilette eingesperrt wurde. danke dafür.

nun gut, der wahnsinn setzte sich im gymnasium fort, weil ich auch dort gemobbt wurde. krüppel hörte ich ziemlich oft, mir wurde gedroht, man würde mich verprügeln und freunde kehrten sich von mir ab. deshalb war ich ziemlich einsam und mit 14 litt ich so unter liebeskummer, dass ich mich noch mehr zurückzog und one direction entdeckte.

die jungs, aber besonders harry gaben mir das gefühl, etwas wert zu sein. endlich fühlte ich mich etwas verstanden, zusätzlich wuchsen meine beste freundin und ich dadurch zusammen und verbrachten viele nachmittage damit, fünf jungs aus groß britannien anzuhimmeln.

aber trotzdem ging es mir immer schlechter und ich rutschte tatsächlich in depressionen, die einen heftigen streit mit meiner besten freundin versursachten, woraufhin ich wieder allein war. ich wollte mich umbringen und ich kann mich heute noch genau an die nacht erinnern, in der ich kurz davor war, alles zu beenden.

danach hatte ich einen plan: in den sommerferien wollte ich nicht mehr leben. ich plante alles und spürte plötzlich eine verquere weise von befriedigung, schließlich würde bald der ganze schmerz vorbei sein. bald wäre ich frei.

zum glück kam etwas anderes dazwischen (also glück im unglück). ich wurde sexuell genötigt und weil meine mutter und mein stiefvater natürlich für mich da waren und quasi auf mich aufpassten, weil ich die ersten tage nur in trance verbrachte und andauernd weinte, kamen sie auch dahinter, dass ich mich selbst verletzte.

und ab da wusste ich, dass ich verstanden werde. meine mutter versprach mir, beim kämpfen zu helfen und hielt meine hand, wenn ich wieder am verzweifeln war. um dennoch sicherzugehen, dass ich mich nicht umbrachte, beschloss ich, in eine klinik zu kommen.

und ab da begann mein steiniger weg zu dem heutigen ich, das hier gerade in der dunkelheit sitzt und sich fragt, ob das nicht doch  ne beschissene idee ist, euch das so auf die nase zu binden. doch wenn ich euch gelangweilt hätte, würdet ihr schon nicht mehr lesen - zumindest denke ich das.

damals war ich 15 und nach 8 wochen ging es mir eigentlich prächtig. ich fühlte mich wohl und hatte mich tatsächlich mit mir selbst angefreundet. allerdings verschwieg ich jedem, dass ich heimlich kalorien zählte und insgeheim tierische angst vor dem zunehmen hatte. ich redete mir ein, das sei normal und ich hätte es unter kontrolle.

ja pustekuchen. mit 16, nach einem jahr in dem ich mich nur auf die schule und meine figur konzentriert hatte, war ich so überfordert, dass ich gar nichts mehr machen konnte, alles zu anstrengend war.

also begab ich mich wieder in stationäre therapie, nahm kontakt zu meinem vater auf und lernte, mich von meinen gedanklichen fesseln zu lösen, immer alles perfekt machen zu müssen.

jedoch hielt der frieden auch nicht lange an, denn kaum war ich zuhause, litt ich unter panikattacken und permanenter übelkeit, weshalb ich aufhörte, zu essen. ich kehrte zurück in die klinik, um dort wieder fuß zu fassen, was aber nicht gelang.

ich aß immer noch nicht und hatte richtige angst vor meiner zukunft, so wie ich sie noch nie gehabt hatte. echt, es war unglaublich, da ich mir partout nicht vorstellen konnte, je wieder ein normales leben zu leben. mein herz zog sich jeden morgen direkt nach dem aufwachen schmerzhaft zusammen, weil ich registrierte, dass ich immer noch lebte, immer noch nicht wusste, was ich zu tun hatte.

ich war fast 17, fühlte mich aber wie ein kleinkind: hilflos und unfähig, irgendwas allein zu tun. da ich nach einer weile eine richtige essstörung hatte, die an magersucht grenzte, wechselte ich die klinik zu einer, die sich um esspatienten kümmerte.

und hier durchschritt ich die nächste hölle: plötzlich hatte ich einen essplan, leute, die mir beim essen zusahen und mich jeden morgen um 6 zum wiegen weckten. ich musste mich plötzlich mit anderen teenagern auseinandersetzen und mit meiner therapeutin zusammen das sichere haus verlassen.

aber obwohl ich den folgenden 3 monaten aufenthalt alles durchlebte, was man durchleben konnte (also zweifel, angst, depression, selbstmordgedanken, essensverweigerung, heimweh etc.) lernte ich, was es bedeutet, zu leben.

nämlich dass es nicht darum geht, immer happy zu sein. dass man sachen macht, auch wenn man angst hat. dass man selbst seine grenzen überschreiten muss. und am ende des tages doch genießen kann, wer und was man ist.

mein leben ist nicht kunterbunt. aber ich liebe mich und weiß, was ich will bzw kann. auch ich hab selbstzweifel und war gestern nacht kurz davor, wieder einen diätplan zu schreiben, weil ich in den ferien ein bisschen an gewicht zugelegt habe - zumindest verraten mir das meine hosen, die sonst immer ziemlich locker sitzen und die ich jetzt ohne gürtel tragen kann.

aber vorhin beim abschminken hab ich mich angeguckt und dachte mir so: ernsthaft sina? eineinhalb jahre ohne magersucht und du denkst wieder an so ne scheiße? kann nicht angehen.

und dann hab ich mich angelächelt. das strahlen in meinen augen bemerkt. und plötzlich wusste ich wieder, dass ich gut so bin, wie ich bin.

und das war nicht das einzige mal. in den letzten eineinhalb jahren, seizdem ich wieder zuhause bin, habe ich so oft gelitten. war einsam, ja hab mich sogar einmal wieder geschnitten. ich trauere noch heute um meinen bruder und manchmal weiß auch ich nicht weiter.

doch nach jedem tief kommt ein hoch und ich nehme mich und meine umwelt so anders wahr, finde in jedem und allem etwas gutes, weiß, dass ich mir und meinen engsten freunden bzw verwandten vertrauen kann.

puh, das waren jetzt über 1000 wörter, aber ich hoffe, dass ihr versteht, was ich meine.

so oft denkt man, es ginge nicht mehr weiter. und dann geht es das sehr wohl. manchmal kommt die kraft erst, wenn man ganz am boden ist. egal, was ihr gerade durchmacht, ihr werdet wieder buntere zeiten sehen.

bleibt stark, ihr verdient es, glücklich zu sein.

ich bin immer für euch da, egal bei was.

ich liebe euch, weil ihr alle so unterschiedlich und einzigartig seid. jeder von euch ist ein leuchtender stern am himmel dieses wundervollen universums und ihr könnt alles erreichen, glaubt mir.

ich liebe euch. gute nacht. ❤



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