Schemen

Ceana konnte nur langsam zu den Zwergen aufschließen. Sie biss die Zähne zusammen und versuchte sich nichts anmerken zu lassen, doch es war nicht schwer zu erkennen, dass ihr das Laufen sichtlich schwer fiel. Die Wunde in ihrem Bein stach schmerzhaft bei jedem Schritt und ihre rechte Seite brannte fürchterlich. Ein weiterer Moment in dem sie froh war, nicht in ihrer menschlicher Gestalt zu sein. In dieser wäre Ceana wohl schon am Ende, schwach wie sie als Mensch war.

Fili, der sich nach der nassen Landung sofort nach der Jägerin umschaute, bemerkte dass diese Schwierigkeiten hatte und ging ihr schnell einige Schritte entgegen. Er blieb etwa drei Schritte vor der großen Wölfin stehen und seine hellblauen Augen musterten sie sorgenvoll.

Ceana kniff die Augen zusammen und funkelte ihn warnend an.

"Wage es nicht, wieder irgendeinen ruhmreichen Spruch von dir zu lassen!"

"Verzeih", raunte der blonde Zwerg und senkte seinen Blick. "Es lag mir wirklich fern dich zu beleidigen."

Die Züge der schwarzen Wölfin wurden weicher und sie lächelte innerlich. Sie konnte ihm einfach nicht lange böse sein, zumal sie dem Zwerg glaubte, das es ihm wirklich Leid tat.

Sie sagte nichts weiter zu dem Thema, stieß ihn mit ihrer Nase sanft an die Schulter und hielt ihm ihren Kopf entgegen.

Der Blonde verstand, lächelte und strich ihr mit einer Hand durch das noch nasse Fell.

Ceana schloss für einen Moment ihre Augen. Seine Berührung war wie Balsam für ihre angekratzte Seele, und sie könnte sich das noch stundenlang gefallen lassen.

Fili musterte dabei erneut ihre Narbe, allerdings darauf bedacht unauffällig zu sein. Er wollte ihr nicht noch einmal zu Nahe treten, und sie vielleicht später nach der Ursache fragen. Dennoch konnte er sich nicht gänzlich zurück halten.

"Du bist verwundet." Fili war bei weiterer Musterung die leichte Blutspur aufgefallen, die Ceana auf den Steinen hinterlassen hatte.

"Es ist nicht so schlimm wie es scheint", versuchte sie ihm zu versichern und hob den Kopf wieder an. "Das ist bloß ein Kratzer und braucht sicher nur etwas Ruhe."

Der Zwerg schluckte ein Kommentar herunter und verengte nur ungläubig die Augenbrauen. Die Aussage stellte ihn nicht ansatzweise zufrieden, zum einen weil er ihr den Schmerz ansah, und zum anderen war das frische Blut nicht zu übersehen. Er machte sich Sorgen, doch seine Gedanken wurden durch eine laute Stimme unterbrochen.

"Lass uns zu den anderen gehen", merkte Fili an, da Thorin zum Aufbruch drängte. Die Gruppe hatte nicht mehr viel Zeit um in den Erebor zu gelangen, und erstmal mussten sie ihn auch erreichen.

Die beiden gingen in Ceanas Tempo zu den anderen Zwergen, als die Schwarze plötzlich mit den Ohren zuckte und laut knurrte.

Die Zwerge waren davon sofort alarmiert, doch ehe einer von ihnen richtig reagieren konnte, flog ein Pfeil knapp an Ori vorbei und prallte an Bombur's Schild ab. Kili griff sofort zu seinem Bogen und schoss einen Pfeil zurück, welcher sein Ziel jedoch verfehlte. Die Gruppe verharrte, als ein weiterer Pfeil auf sie gerichtet wurde.

Macht das noch einmal und ihr seid tot!", drohte der schwarzhaarige Schütze und ließ keinen von ihnen auch nur kurz aus den Augen.

"Wer wird denn gleich so unfreundlich sein", knurrte Ceana und schaute ihn warnend an.

"Was seid ihr für ein Wesen?"

"Wenn Ihr es genau wissen wollt", entgegnete die Wölfin ihm misstrauisch "...ein Heimatloses."

Der Bogenschütze musterte die ungewöhnliche Gruppe vor ihm kritisch, senkte aber schließlich doch seinen Bogen. "Wenn Ihr meint."

Der Fremde stellte sich als Bard vor, und erzählte das er aus der Seestadt kommt. Balin ging daraufhin mit ihm in Verhandlung. Ein Boot kam den Zwergen sehr gelegen, zumal es über den Celduin deutlich schneller zum Erebor ging, als am Fluss entlang und anschließen um den See drumherum laufen zu müssen.

Ceana beobachtete das Treiben, in das sich auch einige der anderen Zwerge dazu mischten, und ließ sich leise stöhnend nieder. Ihre Wunden schmerzten.

Das entging einem bestimmten blonden Zwerg natürlich nicht und sofort war Fili wieder an ihrer Seite.

"Ceana"

"Es geht schon, keine Sorge", versicherte sie ihm erneut "Ich wollte nur kurz ausruhen."

Fili spannte den Kiefer an und atmete tief ein. Er wollte eigentlich nicht mit ihr diskutieren, aber einfach mit anschauen konnte er sich das auch nicht weiter.

Wortlos ging er zu Oin, sprach kurz mit dem alten Zwerg und kam mit mehreren Verbänden zu ihr zurück.

Ceana murmelte missmutig, als der Blonde bei ihr ankam, doch der ließ sich davon nicht beirren. So konnte sie schließlich nicht weiter gehen.

"Versuch es gar nicht erst Ceana. Ich glaub dir kein Wort und werde mir das auch nicht länger mit ansehen", machte Fili ihr unmissverständlich klar und ließ auch keine weiteren Widerworte zu. Er wandte sich ohne weitere Worte zu ihrem Hinterbein, und begann ihr so vorsichtig wie möglich den Verband anzulegen.

Ceana gab sich fürs Erste geschlagen und gab dem Zwerg freie Hand. Fili gab sich die größte Mühe ihr keine unnötigen Schmerzen dabei zu bereiten, allerdings sorgte eine kleine Unaufmerksamkeit dafür, das der Blonde sie einmal falsch berührte.

"Hey!", begehrte die Wölfin auch prompt auf und haute ihm beinahe ihren zotteligen Schwanz um die Ohren.

"Verzeih", kam es nur knapp von dem Zwerg, dessen Ohren eine leicht rote Färbung annahmen. Er versuchte sich nichts weiter anmerken zu lassen und verknotete ordentlich den Verband damit dieser nicht verrutschen konnte. Mit dieser Arbeit zufrieden, wandte er sich zu der Wunde an ihrer rechten Seite und wiederholte die Prozedur. Ceana ließ es über sich ergehen und hing einigen Gedanken nach.

Eine ungewöhnlich kalte Brise wehte plötzlich durch das Fell der Jägerin. Ceana besah sich ihre nahe Umgebung und beobachtete wie die Blätter der Bäume sich fast geräuschlos im Wind wiegten.

Still...es war zu still...als drohte ein Unheil.

Ein kleiner Vogel sprang munter durch das lose Laub am nahen Waldrand und schien etwas zu suchen. Er zwitscherte fröhlich, doch etwas stimmte dennoch nicht. Ein lautes Kreischen und ein Falke holte sich blitzschnell den kleinen Vogel im Flug. Die Jägerin schaute ihm kurz nach und wandte ihren Blick dann zurück zu den Bäumen.

Für den Bruchteil einer Sekunde sah sie ihn im Schatten der Bäume und ihr Herz hämmerte plötzlich so laut, das es in ihren Ohren widerhallte. Stechend gelbe Augen hatten sich in ihre Seele gebohrt.

"Ceana!"

Aufgeschreckt sah sie zu dem blonden Zwerg neben sich, zu dem sich sein Bruder gesellt hatte, der die beiden musterte und anscheinend auch etwas von ihnen wollte.

"Thorin drängt zur Weiterreise und Bard wäre eventuell bereit uns morgen gegen Bezahlung mit seinem Kahn mit über den Fluss zur Seestadt zu nehmen", gab er den beiden Bescheid, woraufhin diese nickten. "Ein kleines Stück Flussabwärts liegt das Boot am Steg. Wir schlagen dort ein Lager auf und Gloin bereitet ein Feuer für die Nacht vor."

"Dann lass uns zu den anderen aufschließen", nickte Fili noch einmal zustimmend und erhob sich. Leicht besorgt musterte er die Jägerin neben sich. "Kannst du laufen?"

"Es wird gehen."

Ceana sah noch einmal zu den Bäumen, doch der weiße Schemen war verschwunden. Sie spielte mit dem Gedanken sich den Schatten nur eingebildet zu haben. Nichts um sie herum ließ auf seine Anwesenheit schließen, geschweige denn das er je dagewesen war.

Es erinnerte Ceana schlagartig wieder an ihr eigentliches Vorhaben und die Aufgabe, der sie sich noch stellen musste. Sie hatte den Weißen nicht gänzlich vergessen, doch die weitere Reise und die Anwesenheit der Zwerge, die sie fürwahr als Freunde bezeichnen konnte, hatten es geschafft diese Gedanken in den Hintergrund zu drängen.

Innerlich hatte Ceana immer noch die kleine Hoffnung gehabt, dass es so weit vielleicht doch nicht kommen müsste, auch wenn sie genau wusste dass sie ihren Bruder endgültig an Sauron verloren hatte.

Ceana wusste das ihre beiden Schicksale miteinander verbunden waren, und sie wusste auch, was das für sie bedeuten sollte.

Die Jägerin schüttelte die Gedanken vorerst aus ihrem Kopf und erhob sich langsam. Sie bereute es sofort sich hingelegt zu haben. Ihr Bein schmerzte durch die Ruhe beim Auftreten nun mehr als vorher, doch der Verband stützte es zum Glück etwas.

Sie unterdrückte den aufkommenden Schmerzenslaut und humpelte langsam los.

Die beiden Brüder liefen jeweils zu ihrer rechten und linken Seite, und stützten die Wölfin soweit es ihnen möglich war, wenn die steinige Uferzone beschwerlich wurde. Die Zwerge hatten eine geeignete Stelle für die Nacht gefunden. In der Nähe des Steges, wo sie bei Tagesanbruch gleich mit dem Boot weiter Richtung Seestadt können, und den Wald im Rücken, sollten sie soweit sicher sein. Dieser Teil gehörte noch zu Thranduils Reich und die Elben halten ihn frei von irgendwelchen Untieren und anderen Wesen.

Ceana, Fili und Kili schlossen zum Rest der Gruppe auf, von denen einige schon ihre Kleidung am Feuer trockneten oder noch etwas Holz herbei holten.

Auch Ceana und die Brüder ließen sich in unmittelbarer Nähe des Feuers nieder. Ihre Kleidung und Fell waren ebenfalls noch nass und sofern die Sonne hinter dem Horizont verschwunden war, konnte es jetzt, Anfang Herbst, schon recht kalt in diesen Landen werden. Und krank werden, das wollte keiner von ihnen.

Nach der ganzen Aufregung seit Sonnenaufgang, verlief der restliche Tag nun recht ruhig und die Zwerge und Ceana konnten sich von den vergangenen Strapazen erholen. Für die meisten von ihnen war es wohl am schlimmsten gewesen, in den Kerkern gefangen zu sein.

Nach einigen Stunden verschwand die Sonne langsam und die Gruppe legte sich zur Ruhe. Ceana war damit einverstanden die erste Nachtwache zu übernehmen, und legte sich so ab das sie alles im Blick behalten konnte. Der aufziehende Nebel hing schwer zwischen den Bäumen und schien die wachende Wölfin verschlingen zu wollen.

Die Jägerin genoss die Ruhe und hing ihren Gedanken nach, während sie die um sich schlafenden Zwerge hin und wieder beobachtete. Ab und an schritt sie zum Feuer und warf etwas Holz hinein, um die Glut es nicht gänzlich erlöschen zu lassen. Es war wie erwartet empfindlich kalt geworden.

Ein plötzliches Knacken im Unterholz alarmierte Ceana. Die Schwarze spitzte die Ohren, setzte sich auf und schaute angespannt in die sie umgebende Dunkelheit.

Außer diese konnte Ceana auch nichts bedrohliches erkennen, wobei es der dichte Nebel auch schwer machte etwas zu erkennen, selbst für ihre scharfen Augen.

Gerade als Ceana sich wieder nieder legen wollte sah sie eine Bewegung im Augenwinkel, doch so schnell wie sie auftauchte war sie auch schon wieder verschwunden. Nichts rührte sich und es herrschte eine Totenstille. Selbst der Wald schien tief zu schlafen. Es war eigentlich schon wieder zu ruhig und in Ceana keimte ein Verdacht auf.

Die Jägerin haderte noch einige Momente mit sich selbst, schaute dann noch einmal zu der Gruppe Zwerge die friedlich schliefen, und verschwand dann leise im dichten Nebel und der Dunkelheit.

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