2. Unbrechbarer Schwur
PoV Draco
Immer mehr Tränen liefen über meine Wangen, während meine Mutter sich an meine Finger klammerte, mich festhielt und mir so jede Möglichkeit nahm, mich loszureißen und vor ihr zu fliehen. Die grünen Flammen schlängelten sich langsam um unsere Handgelenke und Finger und ich flüsterte mit bebenden Lippen, immer wieder einen Schluchzer unterdrückend, die Worte, die nötig waren, um den Schwur zu besiegeln.
Nachdem ich das letzte Wort gesagt hatte, presste ich meine Augen zu und versuchte krampfhaft die Worte meiner Mutter auszublenden, doch im Gegensatz zu mir sprach sie laut und deutlich, sodass ich alles mit anhören musste.
Endlich war es vorbei und ich riss mich augenblicklich aus dem Griff meiner Mutter los, um in mein Zimmer zu stürmen. Dort verschloss ich die Türe und warf mich schluchzend auf mein Bett. Neben mir war in der Wand ein klaffendes Loch, in dem ein Stein fehlte. Hätte ich ein Bisschen besser aufgepasst, den Stein wieder säuberlich zurecht gerückt und wäre nicht gestresst nach unten gelaufen, weil Besuch da war, hätte meine Mutter wohl nie bemerkt, dass der Ziegel locker war, hätte ihn nicht heraus gezogen und gefunden, was nie jemand hätte sehen dürfen.
Die Briefe. Jeden einzelnen hatte sie gelesen und dann vor meinen Augen verbrannt. Liebesbriefe. Mein Vater hatte mich angeschrien, dass ich eine Schande für die Familie war. Briefe an Harry Potter. Mein Erzfeind, der Erzfeind der Malfoys, der Erzfeind des dunklen Lords. Und ich hatte mich in ihn verliebt.
Und deswegen hatte mich meine Mutter zu diesem Schwur gezwungen. Ich hatte schwören müssen, nie jemandem von meinen Gefühlen zu erzählen, erst recht nicht Harry. Und jetzt, nachdem ich das Gelübde abgelegt hatte, würde ich sterben, wenn ich es doch tat.
Ich gab normalerweise nie die Hoffnung auf, doch diese Situation war wirklich aussichtslos. Ich konnte ihm meine Gefühle nie gestehen, ich würde zusehen müssen, wie sich Ginny weiter an ihn heran machte und war dazu verdammt, tatenlos daneben zu sitzen.
Ich redete kein Wort mit meinen Eltern.
Nicht an diesem Tag, nicht am darauffolgenden, die ganze Woche lang nicht. Ich hörte ihnen nur dabei zu, wie sie mir abwechselnd entschuldigende und tadelnde Vorträge hielten, doch ich vergaß die Worte, sobald ich sie hörte schon wieder. Ich wollte keine Strafpredigten und erst recht keine Entschuldigungen hören. Die Beiden hatten mir Schlimmeres angetan, als es irgendein Fluch gekonnt hatte. Selbst der Avada Kedavra erschien mir gerade als gar kein so schlimmes Schicksal.
Ich hatte es am Ende des Schuljahres gerade geschafft gehabt, ein normales Gespräch mit Harry zu führen, nachdem ich ihn ein halbes Jahr lang mit Beleidigungen verschont hatte und jetzt machten mir meine Eltern alles kaputt. Ich hatte vorgehabt, mich mit ihm anzufreunden, doch es schien alles so sinnlos, jetzt, wo ich die Worte, die ich mich nie zu sagen getraut hatte, nie würde aussprechen können.
Auch der Tag, an dem wir uns auf den Weg zum Bahnhof King's Cross machten, war für mich trist und grau, denn das Wiedersehen mit meinen Freunden würde ziemlich deprimierend verlaufen. Keiner wusste von meinen Gefühlen und jetzt würde ich auch niemandem mehr davon erzählen können. Ohne auch nur ein einziges Mal zu lächeln, begrüßte ich einige Slytherins und rastete dann innerlich aus, als ich einen gewissen Griffindor sah. Der Junge machte mich verrückt; allein sein Anblick ließ mein Herz doppelt so schnell schlagen. Als er dann auch noch plötzlich auf mich zukam, wurde mein Mund trocken und meine Hände fingen an zu schwitzen.
Mit fröhlich funkelnden Augen sah er mich an und ich musste einfach zurück lächeln. Er schien mir wirklich verziehen zu haben! Allerdings brachte mir das jetzt auch nicht mehr viel... Kurz unterhielten wir uns über Belangloses, dann kam Hermine an, die Harry in Richtung eines Abteils zog. Kurz spielte ich mit dem Gedanken, den Beiden zu folgen, doch dann entschied ich mich, hinter meinen Freunden her zu trotten und mich mit ihnen in ein Abteil zu setzen.
Die Zugfahrt über starrte ich missmutig auf die vom Regen aufgeweichte Erde vor den Zugfenstern oder beobachtete Regentropfen, die an der Scheibe abperlten. Ich sprach die ganze Fahrt lang kein Wort, was den Anderen aber nicht einmal aufzufallen schien, denn sie lachten und redeten durcheinander, als wäre nichts passiert. Naja – ihnen war auch nichts passiert, sie hatten nicht einsehen müssen, dass sie sowohl den Menschen, den sie liebten, als auch die eigenen Eltern nicht mehr an sich heran lassen konnten.
An der Schule angekommen betrat ich die Eingangshalle, lief in die große Halle und nahm am Slytherin Tisch Platz. Sah bei der Auswahl der Fünftklässler zu. Aß. Schlief. Ging in den Unterricht. Machte Hausaufgaben. Lernte. Weinte mich abends in den Schlaf, um an Morgen aufzustehen und die Maske ohne Emotionen wieder aufzusetzen.
Ich saß hier und sah das Treiben um mich herum. Menschen, die lachten, miteinander redeten, Spaß hatten. Pärchen, die sich verliebt in die Augen sahen und sich küssten. Jeder in meiner Nähe schien glücklich zu sein, nur in mir war ein schwarzes Loch, das wie ein Dementor das Glück aus mir heraus saugte.
Ein Monat verging, in dem ich mich immer mehr in mich zurückzog. Bald hatte ich das Gefühl, nicht mehr sehr viel lebendiger zu sein, als ein Geist. Das Einzige, was mich manchmal dazu brachte, zu lächeln, war Harry, wenn er mit mir sprach. Er schien sich wirklich mit mir anfreunden zu wollen, doch ich ging ihm immer öfter aus dem Weg, da es einfach wehtat, ihn so nah und doch so fern zu wissen.
Innerlich hatte ich meine Mutter schon so oft dafür verflucht, dass sie mein Leben auf so brutale Weise zerstört hatte, doch niemand konnte den Schwur wieder rückgängig machen.
Ein halbes Jahr.
Das schrecklichste meines Lebens.
Ich war nur noch ein Schatten meiner selbst, jeden Tag tiefe Augenringe, ungepflegte Haare, verrutschte Klamotten, falsch gebundene Krawatte. Meine äußere Erscheinung war immer heruntergekommener, doch nichts im Vergleich zu meinem Innenleben. Ich lebte inzwischen nur noch, um in Harrys Augen sehen zu können. War er bei mir, schien alles Sinn zu ergeben, doch ging er wieder, strömten all die bedrückenden Gedanken auf mich ein, sodass ich doch wieder weinend in meinem Zimmer endete, wo ich immer öfter den Cruciatus Fluch bei mir selbst anwendete, um über die Schmerzen meinen Kummer zu vergessen.
Und heute fällte ich eine Entscheidung.
Ich konnte nicht weiter machen wie bisher. Ich musste etwas tun und wenn es das Letzte war, was ich in meinem Leben machte. Ich würde es Harry sagen. Ich würde dann zwar sterben, doch sogar der Tod schien mir gerade einladender als das das Stück Dreck, das sich mein Leben nannte.
Ich schlurfte also zum Frühstück und löffelte ein winziges Schälchen Müsli, dann wartete ich hibbelig darauf, dass Harry auch fertig wurde. Es störte mich nicht im Geringsten, dass ich gleich sterben würde, ich war nur so aufgeregt, weil ich Harry heute zum letzten Mal nah sein würde.
Endlich stand der Griffindor auf und ich ebenfalls. Ich folgte ihm aus der großen Halle, wo sich der Kleinere auf den Weg zu einem Klassenraum machen wollte, doch ich packte ihn an der Schulter und sagte: „Harry, können wir kurz reden?"
Der Kleinere nickte leicht verwundert und folgte mir, als ich mich auf den Weg in ein verlassenes Klassenzimmer machte. Dort ließ ich mich auf das Lehrerpult fallen und starrte kurz in die Luft, bis ich anfing zu reden:
„Harry, ich habe einen unbrechbaren Schwur abgelegt. Meine Mutter hat mich dazu gezwungen, zu schwören, dass ich eine bestimmte Sache niemandem verrate. Aber ich werde es jetzt tun, denn es zu verschweigen macht mein Leben schlimmer, als der Tod jemals sein könnte." Ich machte eine kurze Pause, in der ich leise ausatmete. Gerade wollte ich weiter sprechen, da fragte Harry ungläubig: „Du... du hast nicht vor, jetzt zu sterben, oder? Also... Draco nein! Das kannst du nicht machen!"
Entgeistert sah mich der Jüngere an und ich erkannte pure Panik und Verzweiflung in seinen Augen. War ich ihm so wichtig? Bei dem Gedanken machte mein Herz einen Sprung und ich flüsterte: „Harry, es ist okay. Der Tod ist für mich eine Erleichterung. Lass mich bitte gehen!" Doch der Schwarzhaarige dachte nicht einmal daran. Er lief auf mich zu und packte meine Handgelenke.
Ein Schauer überlief meinen ganzen Körper, als seine warmen Hände meine Haut streiften und ich schloss verzweifelt die Augen. Dann murmelte ich: „Harry, es ist so; ich..." Doch den Rest des Satzes, der mich umgebracht hätte, konnte ich nicht mehr aussprechen, da etwas Weiches auf meinen Lippen lag. Erschrocken riss ich die Augen auf und sah Harry, dessen Gesicht nur ein winziges Stückchen von meinem entfernt war.
Er hatte mich geküsst!
Mit aufgerissenen Augen sah ich ihn, während mich die verschiedensten Emotionen durchzuckten. Angst, Unsicherheit, Argwohn, Liebe, Erleichterung, Verwirrung und unbändige Freude. Harry sah mich mit roten Wangen an und flüsterte: „Ich äh... sorry." Anstatt zu antworten legte ich meine Lippen wieder auf seine und vereinte sie zu einem weiteren, längeren, intensiveren Kuss. Als wir uns voneinander lösten, murmelte ich: „Das war der Schwur. Ich darf es niemandem sagen."
Harry riss ungläubig seine Augen auf, nur um sich im nächsten Moment in meine Arme zu werfen, die ich glücklich um den Kleinen legte. Der graue Schleier der letzten Monate schien sich gelichtet zu haben. Natürlich würde es schwer werden, aber ich hatte das Gefühl, dass wir zusammen alles schaffen konnten.
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Hatte die Idee schon länger und wollte sie einfach mal aufschreiben. War nicht geplant, dass der Os so lang wird xD
Wünsche, Kritik, Lob, Hunger?
Bye!
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