Kapitel 9

Langsam wandte sie sich zu ihm um. Abwartend stand sie da, die Arme vor der Brust verschränkt, stets darauf bedacht ihm nicht näher zu kommen als unbedingt notwendig war. Und dann erzählte Malfoy ihr von all dem dass er seit er zurück war erlebt hatte. Angefangen von dem Brief, der wohl so gar nicht existieren sollte, bis hin zu dem was Katelin ihm erzählt hatte.

Und mit einem Mal kam sich Hermione unglaublich dumm vor. Er war wegen seiner Mutter zurückgekehrt, nicht wegen ihr. Sie wusste nicht was sie erwartet hatte, aber ihr Unterbewusstsein hatte ihr doch still und heimlich eingeredet, dass sie der Grund für sein plötzliches Auftauchen war. Dass er sie vermisst hatte, genauso wie auch sie ihn vermisste. Doch so war es scheinbar nicht und dieses Wissen trieb dem Mädchen die Tränen in die Augen.

Sie wandte sich von ihm ab, sah stur aus dem Fenster, sodass er ihr Gesicht nicht sehen konnte und versuchte krampfhaft den Drang zu weinen zu unterdrücken.

"Ich weiß ehrlich nicht wie das alles zusammenhängt und warum ich überhaupt diesen Brief erhalten habe, doch ich muss einfach wissen wie es ihr geht!" sagte Malfoy hörbar verzweifelt. Hermione atmete einmal tief durch, bis sie glaubte ihre Stimme wieder unter Kontrolle zu haben. Dann antwortete sie: "Es tut mir wirklich leid das zu hören. Es muss schrecklich sein sie nicht sehen zu dürfen, doch..." sie schluckte einmal ehe sie sich ihm komplett zuwand und weiter sprach: "was hat das mit mir zu tun? Wieso tauchst du hier mitten in der Nacht auf? Doch wohl nicht nur um dich zu erklären."

Jetzt war es Malfoy der für einige Sekunden schwieg. Er sah sie an, dann zu Boden und schließlich aus dem Fenster. Als er den Blick wieder auf sie richtete waren seine Augen voller Schwermut. Sie konnte das Dilemma, welches sich in ihm abspielte förmlich sehen. "Ich brauche den Schlüssel zum Büro deines Freundes und wollte dich bitten ihn mir zu bringen."

Augenblicklich klappte Hermiones Mund auf und sie sah ihn ungläubig an. Das konnte nicht sein Ernst sein! Das meinte er doch nicht tatsächlich! "Du willst was von mir?" fragte sie rhetorisch ehe die Wut sie vollkommen überkam. "Du denkst also tatsächlich dass, nachdem du mich mit lügen und betrügen dazu gebracht hattest dir bei deiner Freilassung zu helfen, du hier her kommen kannst um mich zu bitten dir erneut einen Gefallen zu erweisen? Deshalb tauchst du hier auf? Deshalb entschuldigst du dich bei mir? Weil ich dir wieder mal helfen soll? Weil du mich schon wieder benutzen willst?" sie lachte hart und trocken. Die Tränen waren versiebt und es blieb lediglich die blanke Wut über seine Dreistigkeit bestehen. "Und was bitte soll mein Freund damit zu tun haben?"

"Hermione..." setzte er an doch wurde ruppig von ihr unterbrochen : "Nenn mich nicht so!" Malfoy sah sie ungläubig an. "Fein! Granger." er machte eine kurze Pause und blickte ihr herausfordernd in die Augen. Dann atmete er langsam aus und fuhr fort: "Ich weiß wie das klingt aber du bist meine einzige Chance meine Mutter noch einmal lebend zu sehen. Ich brauche diesen Schlüssel weil dort die Akten für die Lieferung aufbewahrt werden und wenn ich recht habe, steht dort auch der Name des Chefarztes drin." sagte er ungeduldig, dann setzte er etwas sanfter ein "Bitte." hinterher.

Hermione rollte nur mit den Augen. Es tat ihr ehrlich leid um seine Mutter aber sie konnte und wollte nicht erneut Teil seines dämlichen Spiels werden. Also sagte sie hart: "Dann frag Christian selbst danach. Ich werde ihm sicher nicht seinen Schlüssel stehlen! Und jetzt geh!"

Flehend betrachtete der Blonde die ehemalige Gryffindor. "Aber..." versuchte er es erneut doch wurde wieder unterbrochen. "Nichts aber! Ich will dass du gehst und zwar sofort! Andernfalls hetze ich dir einen Flederwichtfluch auf den Hals!" giftete sie ihn an und zog bedrohlich ihren Zauberstab.

Für ein paar Augenblicke sah er sie noch an, dann drehte er sich um und sprach beim hinausgehen: "Es tut mir leid. Ehrlich!" Und ehe sie darauf noch eingehen konnte, war er auch schon verschwunden.

Still starrte sie ihm nach, dann hörte sie die Haustür geräuschvoll zu knallen und im selben Moment, brachen die sorgsam unterdrückten Tränen aus ihr heraus. Er wollte sie nur benutzen, schon wieder. Sie bedeutete ihm rein gar nichts, vermutlich sogar weniger als nichts. Sie war ein Werkzeug um seine Ziele zu erreichen. Dabei dachte er nicht an sie, nicht an andere, sondern nur an sich selbst. Und was tat sie? Sie glaubte doch tatsächlich noch dass er sich ändern könnte. Sie war ja so naiv und blind!

Sie wollte schreien, beißen, kratzen. Sie wollte jemanden weh tun, ihre Wut herauslassen. Sie trat gegen ihren Bettpfosten, spürte den Schmerz nicht einmal, er war durch das Adrenalin wie betäubt. Wie konnte sie nur glauben er würde es wirklich ernst meinen? Wäre hier um alles wieder gut zu machen? Warum hatte sie aus ihren Fehlern nicht gelernt?

Sie schnappte sich ein Kissen und pfefferte es gegen die Wand. Ein dumpfes Geräusch entstand, dann fiel es einfach zu Boden. Wütend lief sie zu der Stelle, schnappte sich den weichen Stoff und riss ihn verzweifelt in zwei. Dann sah sie auf die Federn die herausquollen und sich wie von selbst überall im Zimmer verteilten.

Die Wut verrauchte und sie ließ sich plump auf den harten Boden fallen. Sie gab sich ganz der Verzweiflung hin, schluchzte hemmungslos in das zerrissene Kissen und fragte sich immer wieder, warum sie auch nur eine Sekunde auf ihn eingegangen war. Abermals ging sie in Gedanken all die Momente die sie mit Malfoy geteilt hatte durch, betrachtete sie von einem neuen Licht, was ihr nur noch mehr Tränen bescherte. Sie wusste nicht wie lange sie so dort saß bis ihre Gedanken abdrifteten, schwerer wurden und ihre Lider wie von selbst herunterfielen. Irgendwann gab sie sich dem dankbaren Nichts voll und ganz hin und kurz darauf war sie auch schon eingeschlafen.

***

"Es ist deinetwegen. Wegen dir bin ich wieder da! Wegen dir Hermione!" schrie Malfoy sie an und ehe sie etwas erwidern konnte hatte er sie auch schon gepackt und in einen harten, leidenschaftlichen Kuss gezogen. Seine weichen Lippen fügten sich perfekt auf ihre, als wären sie extra für sie erschaffen worden. Sein Geschmack durchströmte sie und versetzte sie in einen wunderbaren Rausch der Ekstase. Sie wollte mehr, wollte diesen Mann endlich wieder spüren, ihn bei sich haben.

Sie merkte wie zwei wunderbar warme Hände um ihren Körper griffen, sie fest an sich drückten und ihr das Gefühl gaben, geborgen zu sein. Nach so langer Zeit endlich wieder Zuhause anzukommen. Und sie liebte es. Ihr Herz hüpfte in unglaublichem Tempo in ihrer Brust umher, ließ sie beinahe glauben es könnte jeden Moment explodieren. Seine Lippen wanderten, knabberten ihren Hals entlang und hinterließen an jeder Stelle ein sehnsüchtiges Kribbeln. "Oh Draco." entfuhr es ihr, ehe sie seinen Körper noch näher zu sich heran zog.

"Was?" fragte er dann und hörte plötzlich auf sie zu küssen. Verwirrt öffnete sie die Augen, sah in seine Sturmgrauen und bemerkte schlagartig, wie sein Gesicht anfing zu schmelzen. Geschockt setzte sie sich auf ehe sie laut anfing zu schreien.

"Beruhig dich!" rief ihr jemand von weit weg entgegen und augenblicklich wurde ihr bewusst, dass diese Person sie auch an den Schultern festhielt. "Hermione, wach auf." Die Stimme kam näher, rückte mehr und mehr in ihre Gedanken ehe sich der Traum vor ihr in Luft auflöste und sie verwirrt und gleichzeitig erleichtert die Augen aufschlug.

Sie saß kerzengerade auf ihrem Bett und starrte direkt in die beinahe schwarzen Augen ihres Freundes. "Was ist passiert?" fragte sie durcheinander und sah sich in dem Raum um. Wie war sie in das Bett gekommen? Hatte Christian sie etwa hier hoch getragen ohne dass sie es gemerkt hatte? Oder hatte sie es gemerkt, war aber zu versunken in den erschreckend lebhaften Traum gewesen?

Augenblicklich schämte sie sich dafür. Was war denn nur los mit ihr? Wie konnte ihr Unterbewusstsein sich nach all dem derart auf Draco versteifen? Nachdem sie erfahren hatte dass er sie wie immer nur benutzen wollte. Wieder stiegen die Tränen in dem Mädchen auf. Sie fühlte sich so hilflos, so verwirrt. Sie wusste nicht was sie tun sollte, was das Richtige war. Es war als würde ein tonnenschwerer Abraxaner auf ihrer Brust sitzen und sie daran hindern richtig Luft zu holen.

"Was hast du mit diesem Todesser Malfoy noch zu schaffen? Ich dachte das Thema wäre für dich durch? Das hattest du mir zumindest gesagt!" fragte Christian dann plötzlich, nachdem er merkte wie ihre Atmung wieder ruhiger wurde. Immer noch etwas abwesend sah Hermione ihn an, solange bis seine Worte in ihrem Gehirn einen Sinn ergaben. Dann griff sie mit Nachdruck an seinen Oberarm. "Das ist es ja auch, das weißt du doch. Wie kommst du jetzt darauf?"

Christian lachte einmal bitter auf, dann löste er sich von ihrer Berührung und erhob sich von dem Bett. "Weil du im Schlaf seinen Namen gesagt hast. Und zwar ziemlich leidenschaftlich." Augenblicklich wurde Hermione knall rot. Verdammt! Das hatte sie wirklich laut gesagt?

Sofort sprang auch sie auf. Sie wollte nicht dass er dachte Draco wäre ihr noch wichtig. Er war es ja auch nicht! Also fing sie an zu lachen und legte einen amüsierten Gesichtsausdruck auf. "Das war ein Traum Liebling. Nur ein Traum, ich weiß noch nicht einmal was ich geträumt habe, als ich deine wunderschönen Augen sah, hatte ich es bereits vergessen." sagte sie überzeugend und war gleichzeitig tief von sich schockiert dass ihr diese Lüge so leicht über die Lippen ging.

Christian starrte sie wütend an. "Ach ja? Wen willst du hier eigentlich zum Narren halten? Seit er zurück ist, bist du emotional total aufgewirbelt. Erzähl mir nicht dass das ein Zufall ist!" Erneut lachte das Mädchen. Dann wurde sie leicht ärgerlich und meinte: "Sag mal hörst du was du da sagst? Das ist doch lächerlich. Hör auf mit dieser verdammten Eifersucht, das war schon so als Harry und Ron zurück kamen!"

"Und das war etwa nicht gerechtfertigt? Jeder Blinde sieht doch dass dieser rothaarige Lernbehinderte was von dir will!" schrie er sie nun wütend an, während seine Augen vor Zorn funkelten. Hermione gab nur einen genervten Laut von sich, dann verschränkte sie stur die Arme und meinte: "Selbst wenn das so wäre, was es nicht ist, liegt es immer noch an mir mich auf ihn einzulassen. Dein Problem ist, dass du mir nicht genug vertraust!"

Jetzt lachte Christian verächtlich. "So was dummes hab ich ja noch nie gehört! Aber na schön! Wenn du mir hier und jetzt in die Augen sehen kannst und mir sagen kannst, dass du es vollkommen ausschließt, dass du jemals wieder etwas mit Malfoy haben könntest, bin ich sofort still und entschuldige mich!" herausfordernd funkelte er sie an und verschränkte dann abwartend seine Arme.

Hermione war für ein paar Sekunden sprachlos und konnte nichts anderes tun als ihn anzustarren. Beinahe hätte sie laut los gelacht. Diese Bitte war doch lächerlich! Wie konnte er von ihr erwarten dass sie so etwas banales sagte? So etwas offensichtliches? Nach einiger Zeit fand sie ihre Stimme wieder und fragte: "Ist das dein Ernst? Das willst du von mir hören?"

Dann erschien ein kurzes, seltsames Lächeln auf Christians Gesicht ehe er meinte: "Siehst du, du kannst es nicht mal verneinen." Bitter sah er sie an, dann wandte er dem fassungslosen Mädchen den Rücken zu und war dabei zu gehen.

Sofort entflammte ein furchtbar schlechtes Gewissen in der ehemaligen Gryffindor. Sie konnte ihn so nicht davon gehen lassen. Es war doch ganz normal dass er sich Sorgen machte oder? Würde sie an seiner Stelle nicht genauso reagieren? Wenn seine Ex-Freundin plötzlich hier auftauchen würde? Kurz darauf löste sich Hermione aus ihrer Starre und hielt ihn auf. Sie blickte ihm für einen schier ewigen Moment tief in die Augen, dann meinte sie ernst: "Ich werde nie wieder etwas mit Malfoy anfangen! Nie wieder!" für einen Augenblick war es still, dann fragte sie: "Wieso musst du das erst hören? Wieso kannst du es nicht einfach wissen?" wehleidig sah sie ihn an. Sie hatte auf einmal das furchtbare Gefühl ihn zu verlieren, doch das konnte sie nicht! Neben Harry und Ron war er der Einzige, der über diese schwere Zeit hinweg an ihrer Seite war. Sie wollte ihn nicht einfach so aufgeben, vor allem nicht wegen Malfoy!

Jetzt wurde auch Christians Ausdruck wieder weich. Er griff nach ihrer Hand auf seiner Schulter und drückte sie kurz. Dann sagte er leise: "Du weißt es doch selbst nicht einmal, wie soll ich es dann wissen?" und mit dieser offenen Frage ließ er die ehemalige Gryffindor zurück. Sie wollte ihm nachgehen, ihm schwören dass sie es wusste, doch ihre Gliedmaßen gehorchten ihr nicht mehr und so blieb sie wie angewurzelt einfach nur stehen.

Vielleicht hatte er recht. Vielleicht hatte Malfoy sie wirklich verwirrt. Sein plötzliches Auftauchen brachte ihre Gefühle auf Hochtouren. Sie konnte von Glück zu Trauer, von Verzweiflung zu Wut und von Liebe zu Hass in nur einer einzigen Sekunde springen wenn er bei ihr war. Und dennoch war sie sich sicher dass das zwischen ihnen nie wieder funktionieren würde und dass sie Christian liebte. 

Sie liebte ihn. 

Nur ihn.

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