Kapitel 4
"Wo bist du denn die ganze Nacht gewesen Hermione? Hast du eine Ahnung wie lange wir dich gesucht haben? Wir waren kurz davor eine Vermisstenmeldung raus zu geben!" blaffte Ron sie an diesem Morgen wütend an. Harry stand nickend daneben, hatte die Arme verschränkt und die Augenbrauen streng zusammen gezogen.
Aus irgendeinem Grund musste Hermione plötzlich anfangen zu lachen. Sie führten sich auf wie ein altes Ehepaar dessen dreijährige Tochter am Spielplatz verloren gegangen ist. "Warum lachst du denn jetzt? Wir haben uns Sorgen gemacht!" fragte der Rothaarige entgeistert als sie gar nicht mehr aufhören wollte.
"Es tut mir leid. Ihr seht nur so witzig aus." meinte sie nachdem sie sich beruhigt hatte. Amüsiert beobachtete sie wie die Beiden sich verständnislos betrachteten dann fügte sie hinzu: "Jungs, keine Sorge, ihr müsst nicht auf mich aufpassen. Habt ihrs vergessen? Ich bin lange genug allein klar gekommen als ihr auf eurer Ausbildung wart. Aber ich danke euch trotzdem für eure Sorge!" Liebevoll ging sie zuerst zu Ron, danach zu Harry und gab jeden von ihnen einen freundschaftlichen Kuss auf die Wange. Dann verzog sie sich in ihr Schlafzimmer, zog sich altagstaugliche Kleidung an, schnappte ihre Handtasche und wollte zur Türe hinaus.
"Und wo willst du jetzt schon wieder hin?" rief ihr Ron erneut hinterher. Lächelnd drehte sie sich um und meinte: "Ich sollte mal wieder meinen Freund besuchen. Ich hab das Gefühl es ist eine Ewigkeit her als ich ihn zuletzt gesehen habe. Macht euch einen schönen Tag und wartet bitte nicht auf mich, es könnte spät werden."
Dann verschwand sie hinter der Tür und ließ ihre beiden besten Freunde verdutzt in ihrer Wohnung stehen. Verwirrt sahen sie sich an. Warum war sie denn so gut gelaunt nach den Worten die sie gestern über sich ergehen lassen musste? Sie erinnerten sich nur zu gut daran wie sie Hermione damals direkt nach der Verhandlung aufgefunden hatten. Sie war ein Wrack.
"Vielleicht hat sie es überwunden. Mal ehrlich, wie lange kann man schon jemanden wie Malfoy hinterher trauern?" sprach Harry die einzig logische Erklärung für ihr Verhalten aus und Ron zuckte nur unentschlossen mit den Schultern. "Vermutlich." war alles was er dazu zu sagen hatte, dann saß er sich gemeinsam mit seinen besten Freund an den Küchentisch und sie begannen das Frühstück, welches sie für Hermione zur Aufmunterung gezaubert hatten, selbst zu verspeisen.
***
"Das ist doch nicht zu glauben! Ich will endlich meine Mutter sehen! Was ist das denn hier für ein Saftladen?" sagte er verzweifelt zu der Frau hinter dem Tresen des Sankt Mungos Hospital. Diesmal war es nicht Katelins Schwester die er da anbrüllte, deswegen war sie aber nicht weniger unfähig ihm zu helfen. Für was war er denn her gekommen? Das er sich hier im Wartezimmer des Krankenhauses aufhalten konnte, weil seine Mutter angeblich nicht hier unter gekommen war?
"Es tut mir leid Sir aber mehr kann ich nicht für Sie tun. Ich weiß auch nicht wie Sie auf den Gedanken kommen ihre Mutter würde hier behandelt werden, aber ich versichere Ihnen dass es nicht so ist." sagte die ältere, etwas ründliche Dame stur und funkelte ihn zornig an. Genervt rollte Draco mit den Augen: "Ich weiß verdammt nochmal dass sie hier ist!" knurrte er, bekam allerdings keine Antwort mehr zurück.
Frustriert raufte er sich die Haare und lief wie ein Tiger im Käfig auf und ab. Katelin hatte ihm gesagt dass seine Mutter offiziell nicht im Sankt Mungos behandelt wurde. Doch warum sollte jemand verheimlichen dass sie hier ist? Befürchtete das Ministerium das Menschenmassen hier auftauchen würden, um sie anzugaffen wie die Tiere im Zoo?
Möglich wäre es. Es gibt bestimmt noch einige Hexen und Zauberer die einen Groll ihr gegenüber hegten. Oder mehr gegen Todesser im Allgemeinen. Und sie konnte dann nicht fliehen, sie war immerhin in Quarantäne. Vielleicht geschah das alles zu ihrem Schutz. Doch andererseits, warum sollten sie dann verhindern wollen dass ihr eigener Sohn sie besuchte? Worin lag da der Sinn? Und wenn sie nicht wollten das er es tat, wozu dann der Brief?
Es sei denn... der Brief war eine Fälschung und jemand hatte ihn mutwillig zurück nach London gelockt. Doch warum sollte jemand so etwas tun? Um sich an ihm zu rächen? Sofort kam ihm Tarry in den Sinn, doch er verwarf den Gedanken schnell wieder. Warum sollte sie das machen? Jetzt auf einmal, nachdem zwei Jahre vergangen waren in denen er London komplett lebewohl gesagt hatte. Außerdem hielt er sie nicht für intelligent genug um solch einen Brief fälschen zu können, geschweige denn überhaupt auf die Idee zu kommen.
Trotzdem, irgendetwas an dieser Sache war faul und er würde schon noch herausfinden was. Aber zuerst wollte er seine Mutter sehen. Immerhin hatten die Drachenpocken sie heimgesucht, keine Krankheit mit der man leichtfertig umgehen konnte. Er wusste nicht in welcher Verfassung sie war oder wie lange ihr noch blieb. Ob sie gesund werden würde, oder ob sie der Krankheit genau wie sein Großvater erlegen war.
Und verdammt! Sie war doch seine Mutter. Auch wenn er immer wieder Zweifel an ihr gehegt hatte, so wusste er doch tief in seinem Inneren immer dass sie ihn liebte. Sie hatte nur die falschen Mittel und Wege gewählt es ihm zu zeigen. Und egal wie sehr er sie dafür verabscheute dass sie nicht mehr getan hatte, immer den Worten seines Vaters gehorchte, so wusste er auch dass er sie liebte. Er würde es nicht ertragen wenn sie diese Welt verließ ohne ihr auf Wiedersehen gesagt zu haben.
Er musste etwas tun! Jetzt! Also sprang er auf, wandte sich erneut an die dickliche Frau am Schalter und fragte: "Könnten Sie mir bitte Katelin herschicken?" Vielleicht, so dachte der ehemalige Slytherin, konnte sie ihm helfen in das Zimmer zu gelangen in welchem seine Mutter lag. Oder ihr zumindest die Information entlocken. Er wollte sie doch nur ein einziges Mal noch sehen, einmal in ihre blauen, klaren Augen blicken um Hoffnung daraus zu schöpfen, dass sie es schaffte. Es war eine Tortur nicht zu wissen in welchem Zustand sie war. Ein ständiger Gedanke in seinem Kopf welcher sich nagend an ihm zu schaffen machte.
"Was bei Merlin suchst du denn hier? Hatte ich mich nicht klar ausgedrückt? Du solltest nicht hier sein!" ertönte da leise Katelins glockenklare Stimme und riss ihn somit aus seinen Gedanken. Er wirbelte auf dem Absatz herum und stieß dabei beinahe mit seiner Nase an ihren Kopf. Er hatte gar nicht bemerkt wie nahe sie ihm gekommen war.
"Bitte Kitty, ich brauche deine Hilfe. Ich muss meine Mutter einfach sehen." meinte er mit einem feinen flehenden Ton in der Stimme und brachte gleichzeitig etwas Abstand zwischen die beiden. Die Blonde schüttelte lediglich den Kopf. "Es tut mir wirklich leid, das musst du mir glauben, aber es geht einfach nicht." sagte sie dann nach einer Weile entschlossen, aber mit aufrichtigem Beileid in der Stimme.
Draco sah sie nachsichtig an, dann legte er ihr sanft eine Hand auf den Arm und flüsterte: "Bitte. Was ist wenn sie stirbt und ich ihr nicht einmal lebewohl sagen konnte? Das würde ich mir nie verzeihen." Seine sturmgrauen Augen wurden groß und das Mädchen konnte deutlich die Verzweiflung darin erkennen. "Bitte. Ich weiß nicht wer mir sonst helfen könnte." wiederholte er nachdem sie für weitere zähe Augenblicke schwieg.
Unsicher sah Katelin sich um. Die Dame am Schalter beäugte sie wie ein hungriger Wolf ein Reh und als sie sich wieder zu ihm zurück wandte sagte sie entschlossen: "Es tut mir leid Draco. Ich kann nichts für dich tun." Dann machte sie auf dem Absatz kehrt ehe er noch etwas erwidern konnte.
Woher bei Salazar hatte sie nur das Talent einfach immer so zu verschwinden? Wütend starrte er die dicke Frau an, welche mit einem zufriedenen Lächeln hinter dem Tresen saß. Dann stürmte er zornig aus dem Krankenhaus, den festen Entschluss gefasst diesen Laden wenn es sein musste nieder zu brennen. Es durfte doch nicht wahr sein, wie sie hier mit einem Gast umsprangen.
Doch in dem Moment als er sich bereits ausmalte wie dieses Gemäuer hier in Flammen aufging, sprang ihm plötzlich ein silber-blauer Feldhase vor die Füße und sprach mit Katelins Stimme: "Heute Abend, Hermiones Cafè." Und ehe er sich versah löste sich der Patronus in Luft auf und verschwand wie Nebelschwaden im Wind.
Draco lächelte, doch schon im nächsten Moment froren seine Gesichtszüge ein und er starrte entgeistert auf den Fleck an dem der Hase sich aufgelöst hatte. In Grangers Cafè? Bei Merlin erst gestern hatte die ehemalige Gryffindor ihm deutlich gemacht dass sie nicht an seinen Erklärungen interessiert war und nun? Sollte er in ihr Lokal spazieren und sich dort mit Katelin treffen. Dass das allein schon nicht besonders gut aussah war dabei nebensächlich, viel wichtiger war, dass er damit absichtlich ihren Wunsch missachtete und sie mit ziemlicher Gewissheit provozierte.
Erschlagen stöhnte er auf. Warum nur ausgerechnet dort? Aber nun gut, er konnte jetzt nichts daran ändern und so sehr er sie auch nicht weiter verletzen wollte, seine Mutter war ihm in diesen Moment wichtiger.
Und zeitgleich war da diese kleine Stimme in seinem Kopf, beinahe so leise das er sie kaum wahr nahm. Die Stimme die hoffnungsvoll säuselte das Hermione ihm vielleicht diesmal zuhören wollte. Dass sie ihn alles erklären ließ und ihn vielleicht verstand. Ihm verzeihen konnte. Draco schnaubte verächtlich, als ob das jemals passieren würde. Er war wegen seiner Mutter hier, nicht wegen der kleinen Hexe. Sobald er sich über ihren Gesundheitszustand im Klaren war, würde er wieder verschwinden.
***
"Das können Sie nicht tun!" wisperte die hellblonde, beinahe weißhaarige Frau erschöpft und mit brüchiger Stimme zu dem Herrn im weißen Kittel und Atemmaske. Er antwortete ihr nicht, wieder einmal. Nie antwortete er ihr. Beinahe glaubte sie er könne sie gar nicht hören.
Schwach versuchte sie die Schläuche aus ihrem Unterarm zu zeihen, doch die Fesseln, mit denen sie an das Bett gebunden war hinderten sie daran. Schmerzerfüllt stöhnte sie auf, während ihr der Schweiß von der Stirn perlte.
Sie wusste nicht wie lange sie schon hier war, geschweige denn wo hier überhaupt war. Stetig herrschte eine unheimlich tiefe Müdigkeit in ihr, der sie sich nur mit extremer Anstrengung widersetzen konnte. Hinzu kam dieser furchtbare Geschmack in ihrem Mund. Schal, trocken und abgestanden. Je mehr sie sich darauf konzentrierte desto schlimmer wurde es. Trieb ihr die Galle die Kehle herauf und brachte sie zum würgen.
Plötzlich war da wieder dieser tiefe Schmerz in ihren Venen, als wollte jemand versuchen mit einem dünnen Strohhalm das Blut aus ihnen herauszusaugen. Krampfhaft versuchte sie sich in dem Bett, welches ihr mehr vorkam wie ein Gefängnis, zu wälzen, doch je mehr sie sich wehrte desto enger wurden die rauen Seile um ihre Handgelenke und scheuerten schmerzhafte Striemen in ihre hauchzarte Haut. Sie fing an zu schreien und merkte wie ihre Kehle dabei brannte, beinahe in Flammen stand. Viel zu lange hatte sie nichts mehr getrunken.
Seltsamer Weise hörten sich die Schreie fremd an, als wären sie nicht von ihr. Sie wirkten dumpf, wie durch Wasser und dann überkam sie die Erschöpfung mit einem Mal wie ein Fausthieb und sie viel zurück in diesen traumlosen Schlaf, welcher stetig und erbarmungslos an ihren Kräften zerrte.
Zufrieden sah der Doktor auf sie herab. Von der einstigen Schönheit und Anmut dieser Frau war nichts mehr übrig geblieben. Ihr Haar wirkte strohig und trocken, ihre Haut war wie nasse weiße Seide über ihren Körper gespannt, blaue Äderchen stachen kristallklar daraus hervor und an beinah jeder Stelle schienen die Drachenpocken unbarmherzig auf den Betrachter.
Wenn sie es schaffte die Augen zu öffnen waren diese blutrot, wirkten schier vom Wahnsinn besessen. Und wenn sie schrie, könnte man denken jemand hätte ihr gerade ihr Neugeborenes aus dem Mutterleib gerissen und sie mit all den körperlichen und emotionalen Wunden zurück gelassen. Er lachte hämisch. Sie konnte schreien so viel sie wollte, dank des Muffliato wird sie niemand hören. Niemand wird je auch nur ahnen dass sie hier ist, sie ist eine Kriegsverbrecherin. Eine Antiheldin. Keiner wird sie vermissen, denn die Gesellschaft denkt sie wäre in Askaban. Und er? Er konnte dem nachgehen was er tun musste. Was war denn schon das kleine Opfer einer widerwärtigen Person um die sich niemand auch nur im Ansatz scherte, wenn er dafür das Leben von vielen retten konnte?
Er hatte hier das perfekte Versuchsobjekt um endlich seine Impfungen gegen einige der abscheulichsten Krankheiten dieser schändlichen Welt auszuprobieren und wenn dieses Miststück Glück hatte, und das konnte bei seiner brillanten Intelligenz definitiv passieren, würde sie das hier auch noch überleben.
Mit einem hauchdünnen Lächeln auf den Lippen spannte er die nächste Spritze auf, summte dabei leise ein altes Kinderlied welches ihm ohne Grund plötzlich durch den Kopf schoss. Präzise drückte er die Luft nach oben bis eine Winzigkeit der klaren Flüssigkeit aus der Öffnung kam und stach dann das spitze Ende in das zarte Fleisch seiner Patientin. Sie zuckte ein wenig und kniff die bereits geschlossenen Augen enger zusammen, dann entspannte sich ihr Körper und hörte endlich auf Widerstand zu leisten. Mal sehen was nun passieren würde.
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