Kapitel 3

Es war der Wind der ihr die Kälte in die Knochen trieb und ihr somit dabei half die Trauer zu bekämpfen. Sie wusste weder wie lange sie auf diesem gottverdammten Boden saß, noch wann sie angefangen hatte zu zittern. Es mussten Stunden vergangen sein ohne dass sie es gemerkt hatte, Stunden in denen sie einfach nur vor sich hin geweint hatte. Zuerst schamlos laut, ohne sich darum zu scheren ob Passanten sie bemerkten, doch je mehr Zeit vergangen war, desto ruhiger wurden ihre Atemzüge, bis die Tränen schließlich ganz verebbten. 

Je tiefer die Nacht voran schritt desto mehr wurde ihr bewusst wie kalt es nun war. Fröstelnd zog sie sich die dünne Sweatshirt Jacke enger um ihren Körper, dann stand sie auf nur um gleich darauf festzustellen, dass sie keine Ahnung hatte wo sie sich befand. Etwas hilflos blickte sie sich in der Gegend um, in welche sie ihre Beine getragen hatten. Es war absolut still, nicht das kleinste Geräusch war zu hören, nicht einmal das nächtliche Schuhu einer Eule. Generell wirkte es hier ziemlich verlassen. Die Häuser die sie vor sich hatte waren alle stock finster, nicht ein einziges Licht war zu sehen bis auf den hellen Schein des Mondes. Die Fassaden waren abgesplittert, teilweise waren sogar ganze Ziegel zu erkennen. Alles in allem sah es so aus, als hätte seit ewigen Zeiten niemand mehr darin gewohnt.

Verdammt! Ron und Harry machten sich mittlerweile bestimmt schreckliche Sorgen! Am besten sie apparierte zurück zu ihrem Café, von dort aus kannte sie den Weg zu der kleinen Bar. Aufgeregt sah sie sich nach ihrer Tasche um in welcher ihr Zauberstab gut verstaut war. Dann fiel es ihr wie Schuppen von den Augen. Oh nein! Sie hatte ohne darüber nachzudenken ihre Sachen in Rons Obhut gelassen. Sie war durch Malfoys Worte zu verwirrt gewesen um klar bei Verstand zu sein und jetzt stand sie hier, mitten im Nirgendwo und wusste den Weg nicht zurück. 

Wütend stampfte sie mit dem Fuß auf den Boden. Sie wusste nicht einmal aus welcher Richtung sie gekommen war. Verzweifelt ließ sie sich wieder auf die eiskalte Straße sinken und vergrub ihren Kopf in ihren Händen. Was sollte sie denn nun tun? Sie konnte schlecht hier sitzen bleiben. Bis die Morgendämmerung einsetzte waren es sicherlich noch einige Stunden. 

Dann plötzlich hörte sie in der gespenstischen Stille schnelle Schritte. Dort lief jemand. Verwirrt blickte sie auf. Wer ging denn um diese Uhrzeit joggen? Doch als sie den Kopf in die Richtung wandte aus der die Schritte kamen, hielt sie ruckartig den Atem an. 

Sie hätte diese weiß blonden Haare, welche so wunderschön Mondlicht schimmerten und dadurch noch seidiger wirkten, überall erkannt. Es war Malfoy den sie da erblickte und scheinbar war er auf der Suche nach ihr. Er musste schnell gelaufen sein, sie konnte deutlich hören wie unregelmäßig seine Atemzüge gingen und wie viel Anstrengung ihn der Weg gekostet haben musste. War er ihr etwa tatsächlich nach gelaufen? Wozu? Hatte er nicht bereits alles gesagt? Wollte er noch weiter Salz in die Wunde streuen?

Augenblicklich kauerte sie sich noch mehr zusammen, machte sich klein und vergrub ihren Kopf zwischen ihren Beinen. Sie wollte ihn nicht sehen, wollte nicht seine Stimme hören, also hoffte sie darauf er würde einfach weiter gehen.

Es war dumm von ihr zu glauben er könnte sie übersehen, immerhin saß sie ungeschützt auf einer offenen Straße, doch vielleicht, so hatte sie gedacht, würde die Dunkelheit sie verschlingen und für ihn unsichtbar werden lassen. Doch natürlich war das nicht so. Sie bemerkte wie die einst schnellen Schritte immer langsamer wurden und wie er direkt auf ihr furchtbares Versteck zuging.

"Hey kleine Hexe." sagte er sanft, beinahe vorsichtig und am liebsten wäre sie ihm dafür an die Gurgel gesprungen. Doch gleichzeitig jagte ihr seine unverkennbare, tiefe Stimme einen angenehmen Schauer über den Rücken. Sie blieb stumm, vergrub weiterhin ihren Kopf stur zwischen den Beinen. Wenn sie ihn lange genug ignorierte würde er schon abhauen. Das war es was sie sich wünschte, dass er wieder verschwand.

"Hermione, dir ist hoffentlich klar dass, nur weil du mich nicht siehst, ich es trotzdem tue." ertönte nach einer Weile der Stille erneut seine Stimme. Beinahe hätte sie aufgelacht. Natürlich wusste sie dass er sie sah, sie war kein kleines Kind mehr. Sie wollte ihn nur einfach nicht sehen oder mit ihm sprechen. Sie wollte einer direkten Konfrontation mit ihm aus dem Weg gehen, denn sie wusste nicht wie sie sich verhalten würde und das machte ihr Angst. Also schien es der einfachste Weg zu sein, einfach den Kopf zwischen die Beine zu stecken und zu hoffen dass alles schnell vorbei ging. Dass er schnell das Interesse verlor und weiter ging.

Doch obwohl er danach lange Zeit nichts mehr weiter sagte, konnte sie seine Anwesenheit ganz deutlich spüren. Es war als hätte er eine Hand auf ihre Schulter gelegt. Sie hasste dieses Gefühl ihn in ihrer Nähe zu wissen. Warum respektierte er ihren Wunsch nicht? Hatte er denn nicht schon genug Schaden angerichtet? Wollte er unbedingt dass die alten Wunden noch mehr aufrissen, als sie es sowieso schon taten? 

"Hau ab." sagte sie ganz leise, zu ihrer Überraschung aber ziemlich selbstsicher. Da war kein weinerlicher Ton in ihrer Stimme, viel mehr Wut. Wut darüber dass er sich so schamlos vor sie stellte als wäre nie etwas geschehen und dann auch noch den Nerv dazu hatte, sich über sie lustig zu machen. 

Wieder hörte sie Schritte und sofort kamen sowohl Hoffnung als Verzweiflung in ihr auf. Beides aus dem selben Grund: Was wenn er wirklich ging? Sie wollte dass er geht, doch scheinbar auch irgendwie nicht. Sie konnte es sich selbst nicht erklären, hasste sich dafür so zu fühlen. Doch statt ihrem Wunsch nachzukommen trat er nur neben sie und ließ sich an ihrer Seite auf den Boden sinken. 

Noch bevor er die kalte Straße berührte konnte sie die Wärme, welche sein Körper ausstrahlte, auf ihrem eigenen spüren und nun schien diese Nacht gar nicht mehr so kalt wie noch vor wenigen Minuten. Es war unangenehm und gleichzeitig hinterließ seine Anwesenheit ein mysteriöses Prickeln in ihrem Bauch. Was war denn nur los mit ihr? Warum brachte dieser Mann, selbst nach all den schrecklichen Dingen die er ihr angetan hatte, sie dazu sich zu ihm hingezogen zu fühlen? Es war unerträglich ihn bei sich zu wissen doch noch viel unerträglicher es nicht zu tun. Sie verabscheute sich selbst für ihre Schwäche. 

"Hau ab." wiederholte sie deshalb, diesmal noch etwas lauter. "Ich kann nicht." kam es von ihm zurück und dieser eine kleine Satz brachte ihr Herz dazu einen Salto rückwärts zu schlagen. Dann sah sie auf, zum ersten Mal seit er zu ihr gegangen war und starrte direkt in wunderschöne graue Augen, welche sie traurig anblickten. 

Was sollte das? War das wieder eine seiner Shows? Was konnte sie ihm noch geben, nachdem er doch nun scheinbar alles hatte was er wollte. Wut kochte in ihr hoch. Wut auf sich selbst, aber vor allem auch auf Draco. Was bildete er sich ein einfach so aus dem Nichts wieder aufzutauchen und so zu tun, als sei nie etwas gewesen? 

Sie konnte sich nicht mit ihm unterhalten, dafür hatte sie keine Kraft und da sie wusste woher er kam, wusste sie nun auch wo sie lang musste um zurück zu finden. "Fein." zischte sie bitter, sprang wie von der Acromantula gestochen auf und stürmte davon. Sie hörte wie ihre Schritte wütend auf dem Teerboden stampften und in den verlassenen, alten Häusern widerhallten. Und sie hörte wie ein weiters Paar Füße in die selbe Richtung marschierte wie sie selbst. 

Schneller als sie selbst. Viel schneller als sie selbst. Und ehe sie sich versah hatte sie eine warme Hand an der Schulter gepackt und in einem festen Ruck zu sich herum gerissen. "Bitte hör mir zu." ertönte dann seine sanfte Stimme die den Schmerz, den sie kurz in der Schulter verspürt hatte, sofort wieder wett machte. Seine sturmgrauen Augen betrachteten sie aus einer seltsamen Mischung aus Trauer und Glück und wieder konnte sie nicht anders als das tiefe Bedürfnis zu verspüren sich einfach in seine Arme fallen zu lassen. 

Zumindest für einen Augenblick, dann holte sie die Realität wieder ein und sie schlug voller Zorn seine Hand von sich. Dann sah sie ihm für weitere Sekunden stumm in die Augen, ehe sie wie aus dem Nichts ausholte und ihm mit flacher Hand und voller Kraft auf die bereits gerötete Wange schlug. Sofort spürte sie den feinen Schmerz welcher durch ihre Handfläche zuckte und erkannte trotz der Dunkelheit den Abdruck in seinem Gesicht. Und als sie weiter ging, ohne ein Wort über ihre Lippen kommen zu lassen, blieb Draco einfach stehen. 

Gut so! Soll er ihr vom Leib bleiben! Dachte sie wütend, doch auch diesen Wunsch erfüllte er ihr nicht, denn als er sich von dem Schock erholt hatte, lief er ihr erneut hinterher. "Bitte Hermione, bleib stehen und hör mir zu! Es ist nicht so wie du denkst, lass es mich erklären!" rief er mit deutlicher Verzweiflung in der Stimme, was für Hermione das Fass zum überlaufen brachte. 

Ruckartig hielt sie an und wandte sich dem jungen Mann entgegen, dann schrie sie unverblümt: "Was bildest du dir eigentlich ein Malfoy? Was genau hast du erwartet? Dass du hier her kommst, nach all den Jahren, und ich dir einfach so mir nichts dir nichts vergebe? Dass ich plötzlich vergesse was du mir und noch vielen anderen angetan hast? Dass ich vergesse was für ein sadistischer, egoistischer Vollidiot du bist?" sie lachte hart auf ehe sie fortfuhr: "Dann liegst du gewaltig falsch mein Lieber. Ich will dich nicht sehen! Ich will nicht mit dir reden! Und erst recht, will ich dir nicht zu hören! Also tu mir bitte den Gefallen und verschwinde endlich!" 

Entrüstet wandte sie sich wieder um und stürmte davon. Diesmal blieb er endgültig stehen, das wusste sie ohne sich umdrehen zu müssen, denn durch jeden Schritt den sie tat, nahm sie seine Anwesenheit weniger war. Und es war gut so. Sie wollte sich nicht diesem schrecklichen Gefühl der Ungewissheit aussetzen. Sich ständig selbst dafür hassen, für das was er einfach so in ihr auslösen konnte. Sie wollte diesen Teil von sich vergessen, den Teil der ihn immer noch liebte, selbst nach all den Fehlern die er begangen hatte. Und so genoss sie es ihn aus ihrem Blickfeld zu haben und gleichzeitig überkam sie ein seltsames Gefühl des Verlustes. 

Diesmal war sie es die einfach so ging, doch je weiter sie sich entfernte desto mehr sehnte sie sich danach noch einmal in seine Augen sehen zu können. Noch einmal seinen einzigartigen Duft einzuatmen, ihn zu verinnerlichen und zu speichern, damit sie ihn nicht mehr vergessen konnte. Ein letztes Mal seine Lippen mit den ihren zu berühren, nur um das Gefühl zu bewahren wie es ist wenn dreitausend Feuerwerke auf einmal in ihr explodierten. Denn nur er hatte es bis jetzt geschafft dies in ihr auszulösen und egal wie sehr sie ihn hassen sollte, sie war sich sicher das es nach ihm keiner mehr konnte. Zu verwirrt war ihr armes Herz um zu wissen was nun richtig oder was falsch war. 

Sie wusste nur eins: Wenn es um Draco ging durfte ihr Herz nicht mehr mitreden. Die frische Luft strömte klärend in ihren Kopf und brachte den Nebel, der ihr Gehirn umfing sobald er in der Nähe war, sich zu lüften. Es war das Richtige. Das einzig Richtige. Sie musste sich von ihm fernhalten wenn sie nicht riskieren wollte erneut so verletzt zu werden.

Außerdem hatte sie doch einen wunderbaren, hübschen Freund der ihr jeden Wunsch von den Lippen ablas. Den sie liebte. Sie musste sich das nur wieder in Erinnerung rufen. Viel zu lange hatte sie ihn schon nicht mehr gesehen, es wurde Zeit das sie ihn besuchte. Fest entschlossen ballte sie ihre kleinen Hände zu Fäusten. Morgen, dachte sie. Morgen würde sie zu ihm gehen.

Nachdem sie gefühlte Stunden in der Nacht unterwegs war kam sie endlich wieder an die kleine Bar zurück. Doch als sie das Lokal betrat bemerkte sie das Harry und Ron bereits gegangen waren und mit ihnen ihre Tasche. Erschöpft stöhnte sie auf. Na gut, dann musste sie eben den restlichen Weg auch noch laufen.

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