Kapitel 15

"Das gibts doch nicht!" rief er verzweifelt und warf die Akten rücksichtslos in die Luft. Die Mappen öffneten sich und verteilten Unmengen an Papier im ganzen Raum. Es war ein heilloses durcheinander. "Nichts! Hier ist rein gar nichts über das Krankenhaus! Dabei weiß ich genau dass diese Firma für sie braut!" Seit nunmehr zwei Stunden waren sie jetzt in Botjevs Büro. Jeder Schrank, jede Schublade und jede Mappe wurde gründlichst durchsucht. Doch es gab scheinbar keine greifbare Verbindung zum Sankt Mungos.

"Ich gebs auf. Der Brief war eine Fälschung, Katelin hat mich angelogen. Vielleicht wollte sie sich an mir rächen." jammerte Draco verzweifelt. Dann war es einen Moment still. Nur das erbarmungslose  Ticken der Uhr war noch zu hören. Ihnen lief die Zeit davon.

"Hier muss etwas sein." hörte Hermione sich selbst sagen. "Das kann kein Zufall sein!" Sie wirkte entschlossen. "Granger, wir haben alles durchgeschaut. Jeden Zauber versucht um etwas Verstecktes zu finden. Siehs ein! Hier ist nichts. Das war reine Zeitverschwendung!" meinte Draco frustriert.

Es war einfach nur ein langweiliges Büro, indem langweilige Geschäfte geschlossen werden. Hier war kein Hinweis, kein Funken, der erahnen ließe worauf er hinaus wollte. Hatte er sich tatsächlich so geirrt? War das alles nur reine Einbildung? Hatte er verzweifelt nach einem Grund gesucht um... hier zu bleiben? Sein Blick richtete sich auf Hermione, die mit ihrem süßen, grüblerischen Gesichtsausdruck den Raum betrachtete. Hatte er nur versucht bei ihr zu bleiben? 

Er erhob sich und schritt achtlos über das verstreute Papier am Boden hinweg. Auf sie zu. "Es tut mir leid." sagte er mit voller Stimme und sah sie an. "Ich kann dir gar nicht sagen wie sehr es mir leid tut, dass ich dich verlassen habe." Sie richtete den Blick auf ihn. Für einen kurzen Moment wurde ihr Ausdruck traurig. Sie wirkte so zerbrechlich, so klein. Doch dann übernahm sie wieder die Kontrolle, war gefasst. "Das ist jetzt nicht der richtige Zeitpunkt dafür." meinte sie sachlich, als würde sie ein Buch zitieren. 

Aus irgendeinem Grund machte das Draco wütend. "Das ist der perfekte Zeitpunkt!" schrie er und war mit drei schnellen Schritten bei ihr. So nah, dass er sie fast berührte. Er konnte ihre Hitze spüren, merkte wir ihre Atmung schneller wurde. "Ich habe es mir eingeredet, verstehst du? Ich wollte bei dir bleiben. In deiner Nähe sein, auch wenn ich dich nie mehr so haben könnte wie ich es früher konnte. Deine Anwesenheit macht mich schwach. Ich habe mehr und mehr das Gefühl ich würde einer Sucht nachgeben. Je mehr ich dich berühre, je mehr du bei mir bist oder ich dich auch einfach nur sehe. Und gestern Nacht... war für mich einfach unglaublich." 

Ihr Gesicht schien aus Stein zu bestehen. Nicht die kleinste Regung war zu beobachten. Als würde er zu einer Statue sprechen. "Was ist dann mit Ruby? Wenn ich dir doch so wichtig bin, warum hast du mir nichts von ihr erzählt? Wieso lügst du mich immer noch an? Denkst du ich merke nicht, dass du mich wieder einmal für deine Zwecke missbrauchst?" fragte sie dann spöttisch und trieb ihm somit die Verzweiflung in die Knochen.

"Hast du Ruby nicht mit eigenen Augen gesehen?" fragte er fassungslos und griff nach ihren Oberarmen um sie leicht zu schütteln. "Es war mir nie bewusst, bis sie dort gestern plötzlich aufgetaucht ist. Als sie da stand, am Bettende und du, neben mir. Sie sieht aus wie du." erklärte er und der Griff um ihre Oberarme wurde eindringlicher. 

"Als ich nach Schottland ging, war ich voller Schmerz. Ich hasste mich dafür was ich dir angetan habe, hasste dich dafür dass du meine sorgsam gebaute Mauer aus Eis schmelzen gelassen hast. Ich sehnte mich nach der Gefühlslosigkeit, doch ich bekam sie nicht wieder. Du hast sie mir genommen. Doch dich konnte ich auch nicht vergessen. Und dann standest du plötzlich vor mir. Nur dass es nicht du warst und ich hatte auf einmal die Chance, diesmal alles richtig zu machen." er machte eine Pause damit sie seine Worte realisieren konnte. 

Seine Hände wanderten von ihren Oberarmen zu ihrem Gesicht, umfassten es wie einen unbezahlbaren Schatz, dann fuhr er mit sanfter Stimme fort: "Ich hab mit ihr nur versucht, dich zu ersetzen und eine Weile hat das wirklich funktioniert. Doch dann war ich zurück und deine ganze Persönlichkeit hat mich einfach umgehauen. Gefühle, von denen ich glaubte sie wären längst verschwunden, brachen aus mir hervor wie ein Schmetterling aus seinem Kokon. Zuerst ganz langsam, doch einmal in der Luft, nicht mehr vom fliegen abzuhalten. Ich habs verdrängt, verstehst du. Viel zu lange habe ich mir eingeredet dass es so besser für alle ist. Aber wie kann es besser sein, wenn es so noch viel mehr weh tut? Ich brauche dich Hermione. Ich liebe dich. Immer noch. Ich hab nie damit aufgehört."

Ihre Maske brach. Er konnte deutlich sehen wie sich ihre Augen im schwachen Schein des Lumos mit Wasser füllten und doch, schaffte sie es nicht zu weinen. Warum machte er sie nur immer traurig, wo er sich doch eigentlich nur ihr Glück wünschte? "Verstehst du das nicht?" fragte sie mit einem unterdrückten Wimmern in der Stimme. "Ich will dich nicht mehr sehen. Nicht mehr spüren. Nicht mehr deine Anwesenheit wahrnehmen. Ich will mich nicht an dich erinnern. Ich will nur das du gehst." sie wandte sich aus seinem Griff und starrte ausdruckslos zur Wand. 

Wie konnte er ihr das nur antun? Ihr solche Dinge sagen, die sie komplett aus der Fassung brachten. Alles nur um seine Ziele zu erreichen. Oder? Sie musste sich davor schützen, doch sie hatte in letzter Zeit das Gefühl, dass das bereits zu spät ist. Viel zu oft hatte sie sich seit er zurück ist gefragt, wie es wohl wieder ohne ihn sein würde. Würde jemand kommen der seinen Platz einnehmen konnte? War es wirklich Christian den sie wollte? Oder war er einfach nur eine gute Ausrede um ihre Gefühle für Malfoy zu unterdrücken? Rannte sie vor ihrem Herzen davon? Vor ihren Hoffnungen? Doch die Angst abermals so tief in sein schwarzes Loch zu fallen, war zu groß um sich erneut auf ihn einzulassen. Vielleicht würde sie nie wieder jemanden so qualvoll lieben wie sie ihn liebte, doch dann konnte sie auch niemand je wieder so schmerzlich verletzen. 

Sie merkte wie er ihr nachkam. Wie er sanft ihre Haare nach hinten strich, sodass sie seidig über ihren Rücken fielen konnten. Ein Kribbeln machte sich dort breit, wo seine Finger sie berührt hatten. Dann nahm sie seine Hitze wahr, sein Gesicht das plötzlich neben ihrem auftauchte. "Ich kann aber nicht gehen." flüsterte er ihr ins Ohr. Sie verkrampfte sich, versuchte seine Nähe nicht auf sich wirken zu lassen. "Wieso nicht? Wieso tust du nicht einmal das worum ich dich Bitte? Hab ich das nicht verdient?" fragte sie schluchzend während die hart unterdrückten Tränen blitzartig über ihre Wangen schossen. Dann drehte sie sich um, um ihn mit schmerzerfülltem Blick anzusehen. 

Er strich ihr eine Haarsträhne aus dem Gesicht, die durch den Schwung dort hin gerutscht war. "Weil ich dir nicht glaube." sagte er schlicht. "Ich glaube dir nicht dass du mich nicht mehr bei dir haben willst. Merkst du nicht, wie schnell dein Atem geht nur weil ich dich ansehe? Und spürst du nicht, wie schnell mein Herz schlägt, nur weil ich dich berühre?" fragte er, nahm ihre Hand und legte sie auf seine donnernde Brust. "Vielleicht ist es falsch. Vielleicht sind wir Gift füreinander. Vermutlich wäre es besser wenn wir nicht zusammen sind. Doch ich kann das einfach nicht mehr. Ich kann nicht länger so tun als würde nicht jede einzelne Faser meines Körpers rund um die Uhr bei dir sein wollen. Und ich weiß dir geht es genauso nicht wahr? Also tu du nicht so, als würdest du mich nicht mehr lieben. Denn das glaube ich dir einfach nicht."

Lange schaute sie ihm einfach nur in die wunderschönen grauen Augen. Erkannte den Sturm der darin wütete, der ihr Aufregung versprach, Donner und Blitze und gleichzeitig auch einen atemberaubenden Regenbogen. Er hatte Recht. Er hatte sowas von Recht. Seit er zurück war fühlte sie sich so. Sie wollte auch bei ihm sein, wollte ihn küssen und lieben. Doch sie konnte nicht einfach so alles vergessen. Wie sollte sie denn?

Erneut löste sie sich von ihm, diesmal härter, schubste ihn rücksichtslos zurück. Wut überkam sie. Sie war verwirrt. Wusste nicht was sie glauben sollte. War das alles wieder nur ein Spiel? Sagte er ihr was sie hören wollte? "Hau ab!" schrie sie ihn verzweifelt an. Ahnungslos was sie sonst tun konnte. Es war zu viel, es war einfach alles zu viel. 

Er bewegte sich nicht, starrte sie nur aus verzweifelten Augen heraus an. Dann überkam es sie, wie ein Reflex. Ihre Beine machten sich selbstständig, bewegten sich in rasender Geschwindigkeit über das Parkett hinweg und nicht einmal eine Sekunde später, lag sie voller Sehnsucht in seinen Armen und küsste ihn so heftig, dass der Boden zu wackeln schien. Ihre Hände krallten sich in seinen Rücken, so fest dass ihre Nägel sein T-shirt zerfetzten. Er erwiderte sehnsüchtig den Kuss, drückte sie näher zu sich heran. Seine Hände lagen auf ihrer Hüfte, dann packte er ihre Oberschenkel und hob sie einfach zu sich herauf. Sie unterbrachen den Kuss nicht, es war ein Rausch der ihn durchströmte. Ihr reiner Geschmack, ungebrochen diesmal, nicht durch den Alkohol verfälscht, breitete sich wie ein Tornado in ihm aus und ließ die Endorphine tanzen. Er war betäubt. Für eine Sekunde war sein Orientierungssinn weg, alles war weg. Es gab nur noch ihn und Hermione. 

Dann landeten sie krachend im Bücherregal und keine Sekunde darauf, lagen beide auf dem Boden. Verdammt! Er musste sich wohl nach hinten bewegt haben. Er stützte sich auf und fing ihren Blick ein. Dann fingen sie beide an zu lachen. Er kam ihr erneut näher, berührte sanft ihre Wange und sah ihr tief in die Augen. "Dein Lachen klingt so bezaubernd. Bitte hör nie wieder damit auf." sagte er und beugte sich zu ihr hinab. Doch diesmal hielt sie ihn davon ab. "Das bedeutet nicht das ich dir verzeihe." Sie legte eine Hand auf seine Brust und erwiderte den Blick. Draco sah verwirrt aus. "Was muss ich dafür tun?" fragte er sie. 

Sie schwieg. Das war eine gute Frage, dachte sie sich. Was wäre dafür nötig. Wie könnte sie ihm je wieder vertrauen? Die Antwort darauf lag irgendwo tief in ihrem Herzen vergraben, doch sie konnte sie einfach nicht finden. Dafür fand sie in diesem Moment aber etwas ganz anderes. Als sie nichts auf seine Frage erwiderte ließ er etwas frustriert die Hand von ihrer Wange achtlos auf den Boden krachen, wobei ein nachhallendes Geräusch erklang. 

"Hast du das gehört?" fragte Hermione ihn, vor Aufregung kribbelten ihre Hände. "Was meinst du?" fragte Malfoy und sah sich im Raum um. "Keine Sorge es kommt noch keiner. Wir haben mitten in der Nacht." versuchte er sie dann zu beruhigen. Die ehemalige Gryffindor schüttelte entschlossen den Kopf. "Das hab ich nicht gemeint!" sie setzte sich etwas aufrechter hin, dann klopfte sie zweimal gegen das Parkett. Diesmal war der tiefe Ton lauter, hallte noch etwas mehr nach als zuvor. "Ich meinte das." sagte sie aufgeregt. "Hier ist ein Hohlraum. Verstehst du? Vielleicht versteckt Christian etwas unter den Dielen? Hilf mir mal!" forderte sie ihn auf. Dann hoben beide das Brett an und sofort stach ihnen eine notizblockzettelgelbe Akte ins Auge, mit der dicken Aufschrift Sankt Mungos.

"Ich wusste es!" murmelte Draco und zog die etwas verstaubte Unterlage aus ihrem Versteck. Dann hörten sie plötzlich eine Tür von draußen knallen und sahen sich erschrocken an. "Du hast gesagt hier kommt niemand her mitten in der Nacht." flüsterte Hermione energisch. "Ist eigentlich auch so." verteidigte sich Draco. "Wir haben sowieso was wir brauchen, schnell mach eine Kopie wie mit dem Schlüssel und dann verschwinden wir." meinte er und drückte ihr die Mappe in den Arm.

Mit der flachen Hand schlug sie ihm einmal hart auf den Kopf. "Sag mal hast du eigentlich im Unterricht nie aufgepasst? Man kann nicht einfach mal schnell eine Kopie machen. Ich muss ganz genau wissen was da drin steht um es exakt anzufertigen. Und ich befürchte, dass wir nicht die Zeit dafür haben." wies sie ihn zurecht. Die Schritte auf dem Flur schienen näher zu kommen und sich zu verdoppeln. Es waren zwei Menschen! "Nimm sie einfach mit!" forderte sie Malfoy auf. Dann hörten sie ein fröhliches Pfeifen. Hermione kam das Lied sofort bekannt vor. Es war ein Muggelkinderlied. Hänsel und Gretel, wenn sie nicht alles täuschte. 

"Los weg hier!" flüsterte Draco, schnappte sich Hermiones Hand und zog sie zum Fenster. Gut dass sie nur im Erdgeschoss waren. Die ehemalige Gryffindor presste die Akte gegen ihre Brust und murmelte noch schnell einen Ratzeputz ehe der Blonde das Laden nach oben gedrückt hatte. Sie sahen dabei zu wie die verstreuten Blätter alle ihren Weg zurück zu ihrem Platz fanden, dann kletterten sie hinaus. Keine Sekunde zu früh, denn als ihre Füße auf der harten Straße aufschlugen hörten sie einen lauten Schrei aus dem Büro kommen.

Erschrocken starrte Hermione nach oben. Wurden sie soeben erwischt? Fragte sie sich, als Malfoy plötzlich mit seinem Zauberstab auf ihren Kopf tippte und es sich in der nächsten Sekunde so anfühlte, als hätte er ein Ei darüber zerschlagen, das langsam und kühl ihren ganzen Körper hinab floss. 

Ein Desillusionierungszauber. Warum war sie nicht auf diese Idee gekommen? Doch sie konnte nicht länger darüber nachdenken, denn der ehemalige Slytherin packte sie nun erneut an der Hand und zog sie die Straße hinab.

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