Kapitel 14
Unsicher tappte sie von einem Fuß auf den anderen. Was tat sie hier nur? War es wirklich die richtige Entscheidung hier zu sein? Immer wieder schossen ihr dergleichen Fragen durch den Kopf, weswegen sie nun schon gut seit einer halben Stunde vor Malfoys Eingangstüre stand und wiederholt kurz davor war anzuklopfen.
Warum nur schlug ihr Herz dabei so schnell? Es war ein guter Plan! So würde sich alles wieder einrenken, alles würde wieder normal werden. Warum also fiel es ihr so schwer an dieser Wohnung zu klopfen? Mit einem Mal schien es ihr unmöglich die vielen Pros und Kontras abzuwiegen. Doch dass musste sie nun auch nicht mehr, denn zu allem Überfluss wurde ihr die Entscheidung mit einem Ruck aus der Hand genommen. Denn genau in diesem Moment glitt die Tür auf und schlug ihr mit einem pfeffernden Knall direkt gegen die Stirn. Hermione taumelte, die Schwärze ergriff ihre Augen und ehe sie schmerzvoll auf dem Boden aufschlug, verlor sie das Bewusstsein.
Als sie zu sich kam war es bereits Nacht. Ihr Kopf dröhnte als würde jemand stetig von innen einen Presslufthammer dagegen schlagen, während in ihren Ohren ein dumpfes Rauschen nachhallte. Nach und nach nahm sie ihre Umgebung wahr. Zuerst war da der nasse, lauwarme Lappen auf ihrer Stirn, der vermutlich mal kühl gewesen war. Dann bemerkte sie das weiche Bett in dem sie komplett eingekuschelt lag und zu guter Letzt, die wunderschönen stechenden grauen Augen die sie von einem Stuhl ihr gegenüber betrachteten. Dann fiel ihr plötzlich wieder ein wo sie war und sofort richtete sie sich auf.
„Wie spät ist es?" war das Erste dass ihr über die Lippen kam. Malfoy fing aus irgendeinem Grund an zu grinsen: „Kurz vor Mitternacht." war seine Antwort darauf. Geschockt sah Hermione ihn an. „Was?" Doch darauf reagierte er nicht mehr. „Was machst du hier?" fragte er stattdessen und als ihr den Grund für ihre Anwesenheit einfiel sah sie sich panisch um. Das kühle Metall des kleinen Objektes in ihrer Hand, das sie die ganze Zeit vor seiner Wohnungstür beruhigt hatte, war plötzlich verschwunden. „Wo ist der Schlüssel?"
„Welcher Schlüssel?" fragte Malfoy und zog mit einem undefinierbaren Ausdruck im Gesicht eine Augenbraue nach oben. Verdammt! Sie musste ihn fallen gelassen haben als sie in Ohnmacht gefallen war. Nein! Dachte sie verzweifelt. Ohne den Schlüssel war ihr ganzer Plan zunichte gemacht. „Wir müssen ihn finden!" rief sie und war in der nächsten Sekunde schon aus dem Bett gesprungen. Sie taumelte kurz wegen der schnellen Bewegung, weshalb Malfoy gleich darauf schon bei ihr war und sie stützend an der Hüfte festhielt.
Seine warmen Hände an ihrem Körper und sein umwerfender Duft trafen sie härter als vorhin die Tür. Sie sahen sich einige Sekunden lang in die Augen, bis Hermione plötzlich die Ereignisse der letzten Wochen wieder in den Sinn kamen und sie sich ruckartig von ihm löste. „Fass mich nicht an!" fauchte sie wütend. Am liebsten würde sie ihm alles vor den Kopf werfen was geschehen ist. Ihn anbrüllen, boxen und ihm so vielleicht etwas von dem Schmerz zurück geben, den er ihr beschert hatte. Doch jetzt war nicht der richtige Zeitpunkt dafür, sie musste sich auf ihren, zugegeben ziemlich unausgefeilten, Plan konzentrieren.
Scheinbar sah Malfoy das etwas anders, denn er griff sich mit einer etwas unsicheren Geste hinter den Kopf und meinte: „Hermione... wegen heute Morgen..." Schnell unterbrach sie ihn mit einer abwertenden Handbewegung. „Nicht jetzt." sagte sie. „Wir müssen den Schlüssel finden!" Er runzelte die Stirn und fragte erneut: „Welchen Schlüssel?"
„Den zu Christians Büro." sagte sie als wäre es etwas ganz Alltägliches. Malfoy stutzte. „Was?" fragte er als hätte er sich verhört. „Ich dacht du... Wieso hast du... ?" Hermione winkte erneut ab. „Lass das mal lieber meine Sorge sein." meinte sie ruppig.
Malfoy wirkte nachdenklich. So als hätte er etwas zu verbergen und sofort ging der ehemaligen Gryffindor ein Licht auf. "Du hast ihn! Wo ist er?" Ihre Augen funkelten zornig als sie den Zeigefinger ausstreckte um ihm energisch gegen die Brust zu tippen. "Ja. Er ist dir aus der Hand gefallen als ich dich auffing." sagte er gelassen, antwortete aber nicht auf die andere Frage.
Hermione schoss für einen kurzen Moment die Röte in die Wangen als sie daran dachte, wie er sie beschützend in sein Schlafzimmer getragen haben musste um sich um sie zu kümmern. Doch dann klopfte der Zorn wieder an ihren Pforten und die Röte verblasste. "Gib ihn mir." forderte sie und streckte die Hand danach aus. Malfoy schüttelte den Kopf. Stutzig starrte sie ihn an.
"Du wolltest ihn zu mir bringen. Jetzt hab ich ihn. Und ich danke dir dafür." erklärte er auf ihren Blick hin. Hermiones Gesichtszüge entglitten ihr. Das war doch wohl nicht sein Ernst? Er hatte tatsächlich vor das Ganze allein durchzuziehen. Sie schnaubte verächtlich. Das war ja klar, was hatte sie denn auch erwartet? Er brauchte sie nun nicht mehr, wie immer eben. Doch diesmal nicht! Sie hatte sich gewappnet.
"Ich komme mit!" sagte sie mit einer Stimme die keinen Widerspruch duldete. Doch Malfoy schüttelte erneut den Kopf. "Du kannst nicht mit. Was denkst du was passiert wenn wir erwischt werden? Das ist erstens für deine Beziehung nicht gut und zweitens, könntest du wegen Einbruch und Diebstahl sensibler Daten verurteilt werden. Ganz zu schweigen von der Zusammenarbeit mit einem Todesser." auch sein Ton ließ keine Gegenrede zu.
Hermione lachte schnippisch. "Für meine Beziehung war nicht gut mit dir geschlafen zu haben und für mein Urteilsvermögen erst recht nicht." sagte sie trocken und machte eine dramatische Pause damit das sacken konnte. Malfoy schluckte hart. "Außerdem, was denkst du wem sie die Schuld geben, dass du den Schlüssel überhaupt hast? Das Ministerium kennt unsere Vergangenheit. Und du bist längst kein Todesser mehr. Du wurdest freigesprochen schon vergessen?"
Er sah sie lange an, dann atmete er einmal tief durch. "Ein Freispruch ändert nichts an dem was ich bin." sagte er bedauernd und fasste sich mit einer reflexartigen Geste an den Unterarm. "Du kommst nicht mit! Punkt!" setzte er dann nach. Jetzt wurde die Brünette richtig sauer. "Fein! Dann geh ruhig allein, wenn du am Ende wieder vor verschlossenen Türen stehen willst! Ohne mich kommst du da nicht rein!" meinte sie entrüstend und verschränkte wütend die Arme.
"Was meinst du damit?" fragte Draco verwirrt. Nun lächelte sie überlegen. "Der Schlüssel zerfällt zu Staub wenn ich nicht in der Nähe bin. Wenn du Pech hast, ist er es bereits als du ihn meinen kalten Händen entrissen hast." Zufrieden sah sie dabei zu wie die Kinnlade ihres Feindes nach unten klappte. "Du hast ihn verhext?" fragte er schockiert. Sie nickte.
"Hast du im Ernst geglaubt ich würde dir je wieder vertrauen?" Ihre Stimme war kalt, herzlos. Sie ließ ihm das Blut in den Adern gefrieren. Er wusste dass sie ihn verurteilte für all die Fehler die er begangen hatte, doch es nochmal so direkt aus ihrem Mund zu hören, traf ihn härter als er erwartet hätte.
Zähneknirschend gab er nun nach. "Na gut. Aber wir gehen sofort." stellte er fest, zog den kleinen Schlüssel aus seiner Hosentasche und drückte ihn in Hermiones Hand. Siegreich lächelte die ehemalige Gryffindor. "Auf dass du bald wieder verschwindest." sagte sie und hielt den Schlüssel siegreich nach oben.
***
Es war eiskalt als er an diesem Abend das Krankenhaus verließ. In der frischen Luft wurde sein Atem deutlich sichtbar. Es war mal wieder ein guter Tag für ihn gewesen, er war seinem Ziel die Drachenpocken zu heilen deutlich näher gekommen. Narzissa war zwar inzwischen kaum mehr als ein atmender Knochen, doch die Krankheit hörte auf sich auszubreiten. Es war unglaublich dass er ihm diese Chance ermöglicht hat. Sie war das perfekte Versuchsobjekt. Eine Todesserin aus Askaban, die niemand vermissen würde. Niemand wusste dass sie in seiner Obhut war und zudem war sie äußerst stark. Wenn es jemand schaffen konnte das zu überleben, so glaubte er, wäre sie es. Doch viel Hoffnung hegte er dabei nicht. Er würde sie in den Wahnsinn treiben, ihr Qualen und Schmerzen bereiten, denn etwas anderes hatte sie nicht verdient.
Zufrieden stahl sich ein Lächeln auf sein Gesicht. So würde er zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen. Er würde die Todesserin sterben sehen und gleichzeitig eine für unheilbar erklärte Krankheit heilen. Der Ruhm würde nie vergehen, er würde in die Geschichtsbücher einkehren.
Er ging eine Weile die verlassenen Straßen Londons entlang, genoss die Ruhe. Langsam konnte er ihre Schreie nicht mehr ertragen. Vielleicht würde er sie stumm werden lassen. Plötzlich bemerkte er in dem einsamen Licht der Straßenlaterne einen Schatten. "Wer ist da?" fragte er sogleich. Einige Zeit blieb es still, dann hörte er ganz deutlich kleine Schritte widerhallen, die direkt auf ihn zukamen.
Als er das zierliche Mädchen entdeckte, welches sich ihm da näherte, runzelte er verwirrt die Stirn. "Wer bist du?" fragte er in die Nacht hinein. "Das ist egal. Wichtig ist wer Sie sind, Dr. Gris." Das blanke Entsetzen stand dem Mann ins Gesicht geschrieben. So hatte ihn seit Jahren niemand mehr genannt. Woher wusste sie von seinem richtigen Namen?
"Keine Sorge." sagte das Mädchen mit den roten Haaren. "Ich bin mir sicher dass wir uns einig werden. Erzählen Sie mir von Narzissa Malfoy."
***
Das Metall des Schlüssels kratzte hilflos über das Schlüsselloch. Es war so dunkel, dass Hermione nicht einmal die eigene Hand vor Augen sehen konnte und mit jeder Sekunde die verstrich, wurde sie zunehmend nervöser. Warum passte dieses verfluchte Teil nicht?
"Was machst du denn da?" drang da plötzlich Malfoys Stimme flüsternd an ihr Ohr. Sein heißer Atem kitzelte ihre Haut und sofort lief ihr eine Gänsehaut den Rücken herunter. "Ich seh nichts verdammt!" beschwerte sie sich und wandte etwas zu ruckartig ihren Kopf zu ihm um. Sie spürte wie ihre Lippen für eine winzige Sekunde über seine Wange streiften und merkte wie sie knall rot wurde. Nun war sie Dankbar für die Dunkelheit.
"Hast du gerade versucht mich zu küssen?" fragte er amüsiert und kassierte prompt ihren Ellenbogen in seinen Rippen. "Ganz bestimmt nicht." fauchte sie, dann fand der Schlüssel endlich sein Ziel und die zwei huschten beinahe lautlos in Botjevs Büro.
Mit einem Lumos erhellten sie das Zimmer sobald die Türe ins Schloss gefallen war. Das Licht blendete ihre Augen und für einen kurzen Moment, waren sie beide vollkommen orientierungslos. "Gut, wonach suchen wir?" fragte Hermione als sie sich an den Schein gewöhnt hatte. "Einer Akte. Irgendwas das ans Krankenhaus ging. Wir brauchen die Unterschrift vom Chefarzt, damit wir einen Namen bekommen und ich so herausfinden kann wer meine Mutter in seiner Gewalt hat." meinte Malfoy konzentriert. "In seiner Gewalt?" fragte Hermione spöttisch und zog eine Augenbraue nach oben.
"Ist nur logisch oder?" antwortete er während er die ersten Schubladen aufzog. "Keiner weiß von ihrem Aufenthalt, alles wird verschwiegen und verschleiert und dieser kuriose Arzt besitzt scheinbar keinen Namen. Was würdest du denn denken?" seine Stimme wurde etwas aggressiver und Hermione merkte wie sehr es ihn belastete nichts von Narzissa zu wissen. Obwohl es damals so schien als wollte er nichts mehr mit ihr zu tun haben. Dennoch war sie seine Mutter.
"Was ist dann mit dem Brief?" fragte sie. Malfoy stöhnte. "Ich weiß es nicht. Ich weiß nur dass ich sie da raus holen muss okay. Deshalb bin ich hier." er hielt mit der Sucherei inne und betrachtete sie für ein paar Sekunden. Dann setzte er kaum hörbar nach: "Zumindest war das der Grund für meine Heimkehr."
Hoffnung. Ein Gefühl das ohne ihren Willen in ihr nach oben stieg. Hoffnung dass es doch noch etwas anderes gab, das ihn hier hielt. Und sofort verfluchte sie sich dafür. Sie tat das hier um ihn los zu werden, warum fiel es ihr so unglaublich schwer ihn endlich zu vergessen. Er war nicht gut für sie und doch hatte jedes seiner Worte die Macht sie entweder glücklich oder traurig zu machen.
Sie ignorierte das Kribbeln in ihrem Bauch, den Engelschor der plötzlich anfing zu singen. Konzentrierte sich auf die Tatsachen. Er hatte sie mehr als nur einmal belogen. Hatte sie benutzt. Und das Schlimmste: Er hatte sie nach all dem verlassen. Sie durfte sich nicht erneut emotional auf ihn einlassen, denn ihn hielt scheinbar nichts davon ab es wieder zu tun.
Und dann? Würde sie erneut hier in London sein. Allein und gebrochen.
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