[9] Like father like son

Hallöchen Ihr Lieben! :)

Nach mehr als drei (!!!) Jahren kommt endlich mal wieder ein neuer Oneshot, der schon eine Weile auf meinem iPad herumlungert und nur darauf gewartet hat, endlich beendet zu werden.

In diesem Sinne wünsche ich Euch viel Spaß beim Lesen :) <3

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Draco Malfoy nahm einen letzten, tiefen Atemzug, bevor er an der Tür des kleinen Häuschens klingelte, das der Bücherwurm Hermine Granger-Weasley mit ihrer Tochter Rose bewohnte. Sein Sohn Scorpius war mit der Vierzehnjährigen befreundet und hatte sich an diesem Tag mit ihr verabredet. Die beiden hatten zwar gerade Sommerferien, gingen aber in Hogwarts zur Schule, waren im selben Jahrgang und hatten sich im Laufe der letzten drei Jahre immer wieder unterhalten und sich auch außerhalb des Unterrichts getroffen, woraus inzwischen eine enge Freundschaft geworden war.

Anfangs war der millionenschwere Malfoy-Erbe nicht sonderlich begeistert gewesen, dass sein reinblütiger Sohn ausgerechnet mit dem Kind eines Blutverräters und einer Muggelgeborenen befreundet war, doch inzwischen hatte er sich einigermaßen damit abgefunden. Was blieb ihm denn auch anderes übrig? Sie waren ein Herz und eine Seele, Blutstatus hin oder her.

Normalerweise hatte Draco seinen Sohn immer am Haus der Granger-Weasley-Familie abgeholt, das nur ein paar Meter vom Fuchsbau entfernt war, doch wie er vor wenigen Tagen von Scorpius erfahren hatte, waren Granger und ihre Tochter in ein kleineres Haus gezogen, das sich etwas außerhalb, in einer ländlichen Region Londons befand. Er wusste nicht warum, ehrlich gesagt war es ihm aber auch relativ egal. Es ging ihn ja ohnehin nichts an.

Er hörte ein leises Poltern im Inneren, gefolgt von einem langgezogenen, frustrierten Seufzen, ehe ihm eine blasse - um nicht zu sagen kalkweiße - Hermine die Tür öffnete und ihn mit nichts als einem genervten Augenrollen begrüßte.

„Freut mich ebenfalls dich zu sehen, Granger.", erwiderte er nicht weniger abfällig, erst dann fiel ihm der kleine Apparat auf, den sie bis gerade eben noch an ihr Ohr gedrückt hatte, nun hielt sie die untere Hälfte davon zu und wandte sich an ihren Besucher. Soweit er sich erinnern konnte, nannten die Muggel es Telefon, doch außer, dass man mithilfe dieses Gerätes kommunizieren konnte, hatte er keinen blassen Schimmer, was es damit auf sich hatte.

„Die beiden sind noch nicht zurück. Entweder du wartest hier oder du wartest im Wohnzimmer, aber wehe du fasst irgendwas an!", kam es bissig von ihr zurück, dann führte sie besagtes Telefon zurück an ihr Ohr.

„Bin wieder da, ich musste nur kurz die Tür öffnen und-" Sie brach ab, hielt einen Moment inne und lachte kurze Zeit später empört auf. „Das geht dich doch nichts an!" Erneute Pause. „Nein, es geht dich einen Scheiß an, wer mich besuchen kommt! Das ist mein Haus!"

Mit einer Handbewegung forderte sie den Blonden dazu auf, ihre vier Wände zu betreten, doch nur zaghaft und merklich unsicher kam er dem nach, da er sich unausgesprochen fehl am Platz fühlte. Er wollte einfach nur seinen Sohn abholen, er hatte nicht damit gerechnet, von Hermine Granger ins Haus gebeten zu werden. Noch dazu in diesem Gemütszustand. So begannen doch 90% der Horrorgeschichten, in denen der Protagonist elendig starb, oder nicht?

Egal, sagte er sich und kam ihrer Aufforderung nach.

Seine Schuhe hingegen streifte er völlig unaufgefordert von seinen Füßen, was die ehemalige Gryffindor vollkommen überrascht zur Kenntnis nahm - allerdings im positiven Sinne -, wenn sie zum Beispiel an ihren Exmann und seine nicht vorhandenen Manieren dachte.

Apropos Exmann...

„Du willst mir etwas von Vertrauen und Ehrlichkeit erzählen, du verlogenes-" Sie verstummte und räusperte sich sichtlich verlegen, als sie in die vor Schock aufgerissenen Augen ihres Gegenübers blickte, dann machte sie kehrt und stolzierte den Gang entlang, um kurz darauf in einem der drei angrenzenden Räume zu verschwinden.

Draco folgte ihr einfach, allerdings schleichend und nicht einmal ansatzweise so schnell wie sie, bis er allem Anschein nach das Wohnzimmer erreichte und sich neugierig umsah.

Viel gab es jedoch nicht zu bestaunen, da außer einem Sofa und einem großen, rechteckigen, schwarzen Bildschirm, der auf einem schwarzen Regal stand, nichts zu sehen war. An den freien Stellen stapelte sich nämlich eine Unmenge an Umzugskartons und anderen verpackten Gegenständen, die er nicht identifizieren konnte. 

Er wollte gerne sagen, dass es gemütlich und wohnlich aussah, doch das wäre eine hochkarätige Lüge gewesen. Wenn er es nicht besser wüsste, hätte er gesagt, sie hätten das kleine Häuschen erst heute bezogen. Durch ihre Arbeit im Ministerium - soweit er sich erinnern konnte, arbeitete sie in der Abteilung für internationale magische Zusammenarbeit - war sie wohl noch nicht dazu gekommen, die ganzen Sachen auszupacken.

„Du willst mich doch komplett verarschen, oder?!", wurde er plötzlich von einem lauten Brüllen aus seinen Gedanken gerissen. „Sind deine letzten drei Gehirnzellen jetzt auch noch abgestorben oder stellst du dich nur so dumm?!"

Weasley, definitiv!, ging es dem millionenschweren Malfoy Erben durch den Kopf, er musste sich ein Lachen verkneifen, denn, worum auch immer es gerade ging, an Weasleys Stelle würde er sich lieber nicht mit Granger anlegen. Seine Nase schmerzte heute noch, wenn er an ihren Schlag im dritten Schuljahr zurückdachte.

„Du- ARGH!", schrie sie in ihr Telefon, bevor sie wie eine Bekloppte darauf herumtippte und es gewaltsam auf einen der Umzugskartons knallte. Anschließend fuhr sie sich über das Gesicht, das sie wenig später erneut in Dracos Richtung drehte.

„Tut mir leid, ich... setz dich einfach hin, Scorpius und Rose sind noch im Park und..." Sie warf einen Blick auf die schwarze Armbanduhr, die ihr dünnes Handgelenk zierte. „Sie wollten schon seit einer halben Stunde zurück sein, aber-"

„Schon gut.", unterbrach er ihr wirres Gestotter „Ich warte hier und... du tust einfach was auch immer du tun musst." und nahm auf dem Sofa Platz.

Bitte lass die beiden so schnell wie möglich zurückkehren, damit ich wieder verschwinden kann, fügte er in Gedanken hinzu, sprach es jedoch nicht aus. Er wollte Granger nicht noch wütender machen als sie ohnehin schon zu sein schien.

Mit einem Nicken und einem frustrierten Seufzen machte sie kehrt und verschwand durch eine weitere Tür, hinter der sich die Küche befand.

Der Blondschopf zuckte zusammen, als plötzlich ein lautes Geräusch zu hören war, ein lautes Mahlen, das von der Kaffeemaschine herrührte, an der sich Hermine gerade einen schwarzen Kaffee herunterließ. Den fünften an diesem Tag.

Kaum war dieser Lärm vorbei, ertönte auch schon ein helles Piepsen, das in eine Melodie überging und aus der Richtung dieses komischen Apparats kam, mit dem die junge Mutter bis gerade eben noch telefoniert hatte.

Wenig später begleiteten ihre Schritte dieses Klingeln, ein genervtes Schnauben verließ ihren Mund, als sie zurück ins Wohnzimmer kam und zähneknirschend den Anruf entgegennahm.

„Wie oft soll ich dir noch sagen, dass du-" Sie stoppte, weitete überrascht die Augen. „Oh, d-das... tut mir leid, Ginny, ich dachte du wärst Ron." Ein entschuldigendes, schuldbewusstes Lächeln machte sich auf ihrem Gesicht breit und sie ließ ergeben ihre Schultern nach unten sinken. Sie seufzte erneut.

„Frag am besten gar nicht! Ich könnte ihn umbringen!"

Neugierig, aber dennoch nicht allzu auffällig konzentrierte sich Malfoy auf dieses leise Rauschen, das aus dem Hörer des Telefons kam, in der Hoffnung den Kontext zu verstehen und herauszufinden, worum es überhaupt ging und warum die ehemalige Gryffindor so aufgebracht war. Er hielt sogar extra den Atem an, doch er scheiterte, verstand kein einziges Wort und konnte nur erahnen, was die Rothaarige am anderen Ende der Leitung von sich gab. Dass es nichts Erfreuliches war, konnte er sich aufgrund von Grangers Antworten und Reaktionen allerdings denken.

Als er irgendwann bemerkte, dass es sowieso keinen Sinn hatte, beugte er sich ein Stück nach vorne und begutachtete die offene, braune Papierbox, die vor ihm auf dem Couchtisch stand. Ganz oben lag nämlich ein roter Bilderrahmen, dessen Glas zerbrochen war und in dem sich ein Bild befand, auf dem Granger, Weasley und Rose abgebildet waren. Alle lächelten und strahlten, als wäre die Welt ein heiler und friedlicher Ort. Er nahm den Rahmen in die Hand, darunter stapelten sich etwa ein dutzend weitere, mehr als die Hälfte davon war ebenfalls beschädigt.

„Das versuch ich doch die ganze Zeit, aber er lässt mich einfach nicht in Ruhe! Er ruft mich ständig an und will mir irgendwelche Predigten halten von wegen es war alles meine Schuld, weil ich- Ehm... Geht's noch?!", brach sie ab und wandte sich stattdessen wütend an Malfoy, der sofort hochschreckte „Ich wäre dir wirklich sehr verbunden, wenn du meine Sachen stehenlassen würdest! Ich hab dir doch gesagt, dass du nichts anfassen sollst!", ehe sie sich wieder dem hitzigen Telefonat widmete.

„Sorry Ginny, ich hab nur- Nein nein, ich hab nicht mit dir geredet. Malfoy ist da und-" Kurze Pause. „Oh mein- Ginny! Nein! Er holt nur Scorpius ab!" 

Das Gesicht der ehemaligen Gryffindor verwandelte sich binnen weniger Sekunden in eine hochrote Tomate, weshalb sie sich, so schnell wie nur irgendwie möglich, umdrehte, um erneut in die Küche zu flüchten. Was den Blonden wiederum dazu veranlasste ihr zu folgen, immerhin sprach sie gerade über ihn und das wollte er sich natürlich nicht entgehen lassen. 

Ihm war grundsätzlich zwar egal, was sie über ihn dachte, aber weil seine Neugier jetzt endgültig geweckt war, erhob er sich langsam vom Sofa und steuerte die weiße, geschlossene Tür an, durch die sie gerade verschwunden war, und lehnte sich vorsichtig gegen die Wand, um zu lauschen.

Und er dankte Merlin im Stillen, dass er seinem Instinkt und somit auch ihr gefolgt war.

„Du- ARGH! Bist du bescheuert? Da läuft nichts, Ginny! Rose und Scorpius waren unterwegs und- Er- Er holt nur- er holt Scorpius ab, das- ... wie- was denkst du denn?! Natürlich sieht er gut aus, aber das spielt überhaupt keine Rolle, kapiert? Ich bin fertig mit den Männern!"

Sie fand also, dass er gut aussah? Ein breites Grinsen legte sich über seine Lippen und er war sich sicher, dass dieses heute nicht mehr verschwinden würde.

„Du bist unmöglich, weißt du das? Lass uns später reden, er ist alleine in meinem Wohnzimmer, durchsucht vermutlich schon wieder meine Sachen und ich traue diesem Idioten nicht."

Ja danke, dachte sich Draco.

„Ja ja, du mich auch. Ciao!"

Fuck.

Sie hatte offenbar aufgehört zu telefonieren und würde jeden Moment zurückkehren, was den Blonden leicht in Panik versetzte. Er hatte genau zwei Möglichkeiten. Entweder würde er so schnell wie möglich zum Sofa zurücklaufen, um sich nichts anmerken zu lassen, oder aber er würde sie endgültig in Verlegenheit bringen und sie mit besagtem Grinsen empfangen, welches ihr signalisieren sollte, dass er alles mitgehört hatte.

Weil ihm die Zeit ausging und ihm allein die Vorstellung ihres schockierten Gesichtes eine absolute Genugtuung war, blieb er an Ort und Stelle stehen, zog seine Mundwinkel aber noch ein kleines Stückchen weiter nach oben. Keine Sekunde später wurde auch schon die Klinke heruntergedrückt und die Tür mit einem Schwung geöffnet, gab somit den Blick auf Hermine frei, die einen erstickten Schrei von sich gab.

„Malfoy!", keifte sie und fasste sich augenblicklich ans Herz. Das sich gerade überschlug vor Schreck. Der Blonde hingegen grinste frech.

„Du findest also, ich sehe gut aus?"

Oh Halleluja, war Hermines erster Gedanke. Das durfte jetzt wirklich nicht wahr sein.

„Woher- Hast du mich belauscht?!", keifte sie den ehemaligen Slytherin an, dessen hämisches Grinsen immer breiter wurde. Am liebsten wollte sie ihm dieses aus dem Gesicht prügeln.

„Was, ich? Nicht doch." Weil Draco plötzlich riesengroße Angst davor hatte, dass sie ihn mit einem Fluch niederstrecken würde, tat er das, was er am besten konnte. Versuchen, den Unschuldigen zu spielen. 

Kurzzeitig überlegte Hermine, ob er das vielleicht wirklich war, immerhin hatte ihr überlautes Gerede bestimmt auch der schwerhörige Nachbar fünf Straßen weiter gehört, aber... sie kannte ihren früheren Feind viel zu gut. Er hatte seine Ohren überall und die Tatsache, dass er vom Sofa aufgestanden war und sich an die Tür geschlichen hatte, verriet ihn.

„Eigentlich... wollte ich nur fragen, ob du mir auch einen Kaffee machen könntest. Dann ist mein Name gefallen und... was soll ich sagen? Ich wurde neugierig."

Draco glaubte diese Lüge beinahe selbst, so überzeugend brachte er diese rüber. Die Brünette schluckte schwer. Sie hatte ihm noch nicht einmal etwas zu Trinken angeboten, was war sie bitte für eine miserable Gastgeberin?

„Oh, d-das..." Sie errötete. „Tut mir leid, ich... möchtest du... also, soll ich... Kaffee?" Ihr Stottern ließ sie wie eine Idioten dastehen, da war sie sich sicher. Sie war Hermine Granger, verdammt. Sie war das schlaue Köpfchen des Goldenen Trios, hatte sämtliche Todesser bekämpft und eine entscheidende Rolle im Kampf gegen Voldemort gespielt, warum um Himmels Willen ließ sie sich gerade so verunsichern? Nur weil dieser attraktive Troll vor ihr stand? 

„Lass gut sein, wie ich sehe, hast du genug Anderes zu tun.", lehnte er zu ihrer Überraschung ab, machte zwinkernd kehrt und ließ sich wieder auf dem Sofa nieder. Hermine fühlte sich wie im falschen Film. Hatte er nicht gerade noch gesagt, dass er... Sie knurrte. Dieser Idiot. Dass ihr Zuhause momentan aussah, als hätte eine Bombe eingeschlagen, wusste sie selbst, er musste es nicht auch noch laut aussprechen. Sie hatte nunmal - anders als Malfoy - kein Reinigungspersonal, das sich darum kümmerte.

Sie betete inständig, dass Rose und Scorpius gleich nachhause kommen würden, um sie aus dieser peinlichen Lage zu befreien, doch allmählich beschlich sie das Gefühl, dass das Universum ihr diesen Gefallen nicht tun wollte.

„Rose meinte eigentlich, dass sie nicht allzu lange bleiben würden, ich-", versuchte sie sich irgendwie zu retten und das Thema zu wechseln, doch Malfoy fiel ihr ungeniert ins Wort.

„Also wenn es nach mir geht, können sie gerne länger wegbleiben. Ich finde es hier gerade ziemlich amüsant."

Der Blick, den Hermine ihm daraufhin zuwarf, hätte ihn innerhalb einer Millisekunde umbringen können. Sie hasste es bloßgestellt zu werden und Draco wusste nur zu gut, wie er das anstellen konnte. Sie wollte nur noch im Erdboden versinken. Ihr Leben war sowieso schon die reinste Katastrophe, warum nur musste sie jetzt auch noch diese zutiefst peinliche Situation bestreiten?

Weil sie sich jetzt dringend ablenken musste, widmete sie sich ihren Umzugskartons, die sie am liebsten samt Inhalt aus dem Fenster werfen würde. Alles darin schrie nach ihrer gescheiterten Ehe mit Ron. Nach diesem immensen Schmerz, den sie in den letzten Wochen ertragen musste. Ihr war wie so oft in letzter Zeit nach heulen zumute, aber... nicht jetzt. Nicht, wenn Draco Malfoy in ihrem Wohnzimmer saß und es sich zur Aufgabe machte, sich über sie lustig zu machen.

„Mal ehrlich. Findest du es nicht irgendwie seltsam, dass unsere Kinder sich so gut verstehen? Ich meine... wenn man mal uns beide und unsere Vergangenheit betrachtet... Hast du gar keine Angst, dass Scorpius und ich deiner kleinen Rose schaden könnten?"

Hermine war sich nicht ganz sicher, ob er das gerade ernst meinte oder es einmal mehr einer seiner Späße war. Natürlich hatte sie sich bereits des öfteren über genau diese Frage den Kopf zerbrochen, aber...

„Klar hab ich mir Gedanken gemacht, aber... Scorpius ist ein Engel." Ein dicker Kloß bildete sich in ihrer Kehle. „Und Rose, sie... sie hätte keinen besseren besten Freund finden können. Er ist für sie da, ist zuvorkommend, höflich... Eigentlich... kaum zu glauben, dass er dein Sohn ist."

„Er hat viel von Astoria.", schwelgte Draco rührselig in Erinnerungen an seine Frau. „Genau genommen hat er alles Gute und alles Positive von ihr." Ein kleines Schmunzeln entkam ihm. Hermine hingegen versetzten diese Worte einen Stich ins Herz.

„Tut mir leid. Was mit Astoria passiert ist, meine ich.", sagte sie ruhig. Sie hatte es damals von Scorpius beziehungsweise durch Erzählungen von Rose mitbekommen, dass Malfoys Frau vor knapp zwei Jahren an einer unheilbaren Erbkrankheit gestorben war. Sie hatte monatelang um ihr Leben gekämpft, hatte mehr Zeit im St. Mungos als Zuhause verbracht und war schließlich im Kreise ihrer Liebsten eingeschlafen. 

Scorpius war damals vom Unterricht in Hogwarts befreit worden, um bei seiner Mutter sein zu können und Abschied zu nehmen. Rose hatte ihm in seiner Abwesenheit alle Hausaufgaben und Unterlagen gesammelt, geordnet und ergänzt, wenn etwas unklar gewesen war. Typisch Granger eben.

In den darauffolgenden Ferien waren die beiden so gut wie jeden Tag zusammen gewesen, da Draco derart um seine Frau getrauert hatte, dass er mehr Zeit mit Trinken als mit seinem Sohn verbracht hatte. Noch heute machte er sich riesengroße Vorwürfe deswegen.

„Danke.", antwortete er ehrlich, sah der ehemaligen Gryffindor aber nicht in die Augen. Er spürte, wie der tiefe Schmerz in seinem Inneren mal wieder drohte sein Herz zu zerquetschen. Vor seinem Therapeuten darüber zu reden war für ihn inzwischen kein Problem mehr; vor Hermine Granger aber schon.

Wenn man den Gerüchten Glauben schenken durfte, war ihr Leben im Moment aber genauso verkorkst wie seines. Zwar anders, aber verkorkst. Genug von ihm.

„Und bei euch so? Wie man hört ist die Ehe des Jahrhundertehepaares Weasley-Granger gescheitert?"

Am liebsten wollte er sich noch während er sprach eine Ohrfeige verpassen, aber... er konnte nicht anders. Er hätte beinahe seine verletzliche Seite gezeigt, das war für den millionenschweren Malfoy-Erben ein absolutes No-Go. Er hatte seinen Schmerz schon immer mit Taktlosigkeit zu überspielen versucht und würde damit vermutlich nie aufhören. Auf diese Weise war es einfacher für ihn. Irgendwie.

Er wartete darauf erneut von ihr angepöbelt, angeschrien oder sogar aus dem Haus geschmissen zu werden, aber zu seinem allergrößten Erstaunen nickte sie bloß.

„Hja... unsere ach so perfekte Bilderbuchehe ist gescheitert.", bestätigte sie und biss sich auf die Lippe. „Würde mich nicht wundern, wenn die gesamte Muggelwelt inzwischen auch davon gehört hätte."

„Ich will ungern an deiner Intelligenz zweifeln, aber war das nicht irgendwie zu erwarten? Weasley war doch schon immer ein Idiot."

„Du doch auch! Und trotzdem hast du eine tolle Frau abbekommen!", konterte sie sofort, musste allerdings zugeben, dass er nicht ganz unrecht hatte. Ron war ja in der Tat schon immer kompliziert gewesen. Und doch hatten sie eine schöne Ehe geführt, eine wundervolle Tochter großgezogen.

„Hat er dich wirklich...", er verstummte, als er ihren genervten Blick wahrnahm. War das unhöflich sie danach zu fragen? Der Tagesprophet hatte ja alles Mögliche geschrieben und zusammengereimt. Zuletzt hatte man Weasley vorgeworfen er wäre der attraktiven Kriegsheldin fremdgegangen.

„Was? Betrogen? Warum auf einmal so bescheiden, Malfoy?" Auch sie hatte jeden einzelnen Artikel über ihre gescheiterte Ehe gelesen. „Ja, es stimmt. Er hat monatelang mit seiner höchstattraktiven Arbeitskollegin gevögelt, falls du's genau wissen willst! Zufrieden?"

Okay, das war direkt.

„Ich wollte nicht-"

„Jaja, spar's dir einfach, ich kann's ehrlich nicht mehr hören." Zum Haare raufen war das.

Soweit Draco wusste, arbeitete Weasley im Ministerium als Auror und war oftmals tagelang außer Landes im Einsatz. Jetzt wusste er auch, wie er in den vergangenen Monaten seine Freizeit verbracht hatte.

Er hatte noch nie verstanden, wie man seinem Partner fremdgehen konnte. Er mochte früher vielleicht ein Arschloch gewesen sein, aber er hätte es niemals mit seinem Gewissen vereinbaren können, seine Frau, die neben Scorpius sein größtes Heiligtum gewesen war, zu betrügen.

Weasley war seiner Meinung nach keine Augenweide, er hätte froh sein sollen, eine Frau wie Granger abbekommen zu haben. Immerhin... hübsch war sie ja. Und intelligent. Und in diesem knielangen weißen Kleid, das sie heute trug, sah sie auch noch ziemlich hei- Stopp!, tadelte Draco sich selbst. Das tat hier nichts zur Sache.

„Du solltest froh sein ihn los zu haben. Du verdienst was Besseres.", sprach er seine Gedanken laut aus. Was Hermine verwirrt dreinschauen ließ.

„Ach ja?" „Komm schon... was er getan hat ist das Allerletzte! Dich zu betrügen und dich mit eurer Tochter alleine zu lassen... das ist feige! Das hast selbst du nicht verdient."

Das war vermutlich das netteste, was Malfoy jemals zu ihr gesagt hatte. In ihren Ohren klang es fast schon wie ein Kompliment, was es natürlich nicht war.

„Ohne Ginny und ohne Rose hätte ich das alles bestimmt nicht geschafft. Die letzten Wochen waren wirklich... die Hölle." Sie kämpfte mit den Tränen, wollte am liebsten ihr komplettes Herz ausschütten und ihre tiefsten Gedanken mit Malfoy teilen, aber... als ob ihn das interessierte. Schließlich hassten sie sich. Irgendwie. 

Und doch ergriff Hermine erneut das Wort. Sie musste es ihm einfach sagen. Er hatte viel falsch gemacht, das stand außer Frage. Dass er sich noch heute Vorwürfe deswegen machte, ebenfalls. Doch neben all seinen Fehlern, die ihn einfach nur menschlich machten, verdiente er zu wissen, dass er eine Sache definitiv richtig gemacht hatte.

„Weißt du... Scorpius hat viel dazu beigetragen, dass es Rose momentan so gut geht. Sie hat es nie zugegeben, aber... es war schlimm für sie, mitansehen zu müssen wie... ihre Eltern es nicht auf die Reihe kriegen, normal miteinander zu reden und... und ich... bin wirklich unendlich dankbar, dass sie ihn hat. Er heitert sie auf, bringt sie zum Lachen... lenkt sie ab. Er ist einfach nur für sie da und hört ihr zu, wenn es ihr schlecht geht. Er ist so selbstlos und... das bewundere ich." So jemanden bräuchte ich auch, wollte sie beinahe sagen, verhinderte es aber in letzter Sekunde. Sie wirkte schon schwach genug, sie wollte sich ihm gegenüber nicht noch fragiler zeigen als ohnehin schon.

„Dann sind die beiden jetzt wohl quitt. Rose war damals genauso für Scorpius da, wie er jetzt für sie da ist." Zwei kaputte Menschen, die sich gegenseitig heilen, ging es dem ehemaligen Slytherin zudem durch den Kopf. Und ohrfeigte sich daraufhin fast selbst, als er dabei an sich und Granger dachte. Denn das wäre wirklich... unmöglich.

„Hja... da hast du recht.", pflichtete sie Draco Malfoy zum allerersten Mal in ihrem Leben bei. Verkorkste Welt. Hoffentlich wurde sie nicht krank.

Wobei sie zugeben musste, dass er sich im Vergleich zu ihrer gemeinsamen Schulzeit stark verändert hatte. Das war ihr bereits die letzten Male aufgefallen, wenn er Scorpius abgeholt hatte. Man könnte sogar meinen, er wäre ein ganz neuer Mensch. Er zog sie nach all den Jahren zwar immer noch mit allem auf, neckte sie wann immer es ihm möglich war, aber das würde man ihm vermutlich nie ganz austreiben können. Und dennoch. Er war viel ruhiger als früher, entspannter. Attraktiver... Wobei - gut ausgesehen hatte er in Hermines Augen schon immer. Sein scheinbar neuer Charakter machte ihn dennoch um einiges attraktiver.

Irgendetwas sagte ihr, dass sie gerade zur richtigen Zeit am richtigen Ort war. Dass es einen Grund hatte, warum Rose und Scorpius später nachhause kamen, wo sie doch sonst immer so pünktlich waren. Oder warum sich plötzlich eine Gänsehaut auf ihren Armen bildete, je länger sie in die strahlend blauen Augen ihres Gegenübers sah. 

Das Universum, von dem sie seit Malfoys Ankunft immer wieder glaubte, es würde es nicht gut mit ihr meinen, meinte es vielleicht sogar sehr gut mit ihr.

Sie wusste nur eines - sie wäre enttäuscht, wenn die Kinder gleich hereinspazieren und Draco und Scorpius das Haus verlassen würden. Wenn er einfach gehen würde, wo so viel Ungesagtes zwischen ihnen zu stehen schien.

„Ich- ehm... möchtest du jetzt vielleicht einen Kaffee? Wasser? W-Wein?", bot sie ihm an, um ihn zumindest für ein Getränk bei sich zu behalten. Was vielleicht krankhaft klang, aber sie brauchte gerade einen Zuhörer, der weder ihrer noch Rons Familie angehörte.

Und Draco ging es nicht anders.

„Ich nehme gerne ein Glas Wein.", bejahte er unverzüglich, was Hermine sich nicht zweimal sagen ließ.

Es war mehr ein Stolpern als ein Gehen, das sie in die Küche beförderte, denn ihre Knie fühlten sich gerade viel zu weich an. Und obwohl es draußen kühle 15 Grad hatte, war ihr gerade so warm, als würde sie mitten im Hochsommer in der prallen Mittagssonne stehen. Vielleicht wurde sie ja wirklich krank.

Sie kramte ihre Rotweingläser aus den Umzugskartons heraus und den Wein aus ihrer kleinen Speisekammer, den sie mit zitternden, schwitzigen Händen eingoss. Das süße Aroma stieg ihr sofort in die Nase und drohte ihre Sinne zu vernebeln. 

Hermine war kein großer Fan von Alkohol, da sie das Gefühl von Kontrollverlust absolut nicht leiden konnte. Sie trank zu besonderen Anlässen wie Hochzeiten, Geburtstage und an Weihnachten, aber auch da höchstens ein Glas und über ein bis zwei Stunden verteilt.

„Danke.", bedankte sich ihr blonder - nicht mehr ganz so ungebetener - Gast, als sie zurück ins Wohnzimmer kam und ihm sein Glas reichte. Das Sofa war bedauerlicherweise nicht sehr groß, weshalb sie dicht neben ihm Platz nahm und ihren Kopf mit einem Seufzen auf der Rückenlehne ablegte.

„Nicht dein Tag, hm?", mutmaßte Draco, während er den Wein etwas genauer inspizierte. Er neigte vorsichtig das Glas, begutachtete den leicht öligen Film und die kräftige rote Farbe, die ihn an frisches, flüssiges Blut erinnerte. 

„Wohl eher nicht mein Jahr. Oder mein Leben." Sie hasste es, wehleidig und pessimistisch zu sein, aber die letzten Monate hatten es ihr verdammt schwer gemacht, auch nur einen Hauch positiver Gedanken zu haben. Sie hatte vorhin nicht gelogen - ohne Rose und Ginny hätte sie all das vermutlich wirklich nicht überstanden.

„Willkommen im Club.", schmunzelte der Blondschopf und stieß sein Glas vorsichtig gegen ihres. Das leise Klirren war wie ein Weckruf für sie, der sie ins Hier und Jetzt zurückholte. Ihre Gedanken hätten sie beinahe abtauchen lassen, wegkatapultiert. 

Sie nahm einen großen Schluck, ließ ihn in ihrem Mund kreisen und schluckte ihn anschließend ganz langsam herunter, als wäre es der letzte Tropfen Wasser in der Wüste. Ihre Augen hatten sich wie von selbst geschlossen, um sich voll und ganz auf den Geschmack konzentrieren zu können - und bei Merlins weißem Bart - es war wie Balsam für die Seele.  Sie konnte nicht anders als zu schmunzeln, was dem Blonden natürlich nicht entging.

„Warum lachst du?"

„Ich sitze mit Draco Malfoy in meinem Wohnzimmer und trinke Wein.", resümierte die ehemalige Gryffindor, wobei ihr ein weiteres Lachen entkam. Draco tat es ihr gleich.

„Gut erkannt, Sherlock." „Sherlock?", kicherte Hermine ungläubig. „Sag bloß, du kennst Sherlock Holmes." 

„Was denn? Ganz hinter dem Mond lebe ich auch nicht.", stänkerte Draco. „Seit Scorps euren komischen Fernschauer gesehen hat-" „Fernseher!", korrigierte sie ihn sofort. Er schnaubte. War ja klar. „Wie auch immer. Jedenfalls... wollte er auch unbedingt so ein Gerät haben. Und was soll ich sagen? Ich benutze dieses Ding inzwischen öfter als er."

„Ich bin beeindruckt. Draco Malfoy besitzt einen Fernseher. Was kommt als nächstes? Ein Auto?" „Gut möglich. Ich finde ja, dass mir ein hübscher Sportwagen unheimlich gut stehen würde."


Aus einem Glas Wein wurden zwei und der Tag wurde zum späten Abend, während das Kriegsbeil mit jedem Lachen, mit jedem Wort Stück für Stück begraben wurde, zur Erinnerung wurde wie die alten, verstaubten Bilder in Hermines Umzugskartons.

Und so bekamen die beiden auch nur am Rande mit, als Rose und Scorpius nachhause kamen und sich mit einem breiten, zufriedenen Lächeln ins Zimmer der Vierzehnjährigen schlichen. Es würde für immer ihr kleines Geheimnis bleiben, dass sie ganz bewusst so spät zurückgekommen waren, da sie bereits zuvor etwas gesehen hatten, für das die beiden Erwachsenen noch zu blind gewesen waren.

Sie hatten das Schicksal herausgefordert. Wissend, dass das, was sich zwischen ihren Eltern entwickelte, all den Schmerz der letzten Monate vertreiben könnte.


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