10. Großer Bruder

,,Grandma?
Wann kommen Mum und Dad wieder?
Ich vermisse sie so schrecklich!" jammerte der erst vier Jahre alte Scorpius Malfoy, und machte ein unzufriedenes Gesicht.

,,Scorp, weißt du, als deine Mutter dich bekommen hat, hat das auch eine Weile gedauert.
Es braucht halt seine Zeit, ein Kind zu bekommen.

Ich weiß, wie du dich fühlst.
Als ich meinen ersten Enkel,
-dich- bekam, bin ich auch fast vor Neugierde geplatzt!"

Narcissa Malfoy konnte sich noch genau daran erinnern, wie sie vor vier Jahren, genau so aufgeregt war, wie der kleine Scorpius jetzt, als sie Großmutter geworden ist.

,,Ich weiß wie wir uns beide die Zeit vertreiben können."
sprach sie und lächelte als sie sah wie die grauen Augen des hellblonden Jungens zu leuchten begannen.

,,Wie denn?"

Narcissa grinste verschwörerisch, stand auf und lief auf ein Bücherregal zu, welches ein wenig verloren in einer Sessellandschaft stand.

Sie strich mit ihrem Zeigefinger über den Ledereinband eines Buches.

,,Ich lese dir vor.
Als dein Vater noch klein war, hat er das Buch geliebt.
Ich hab gedacht, es würde dir gefallen."

Sie setzte sich wieder neben ihn, und ließ ihn das Buch beäugen.

,,Grandma, was steht da?"

,,Das Märchen der drei Brüder."

,,Klingt interessant!"

Gutmütig strich sie dem kleinen Neugierigen eine blonde Strähne hinters Ohr.

,,Möchtest du dass ihr dir nun vorlese?"

,,Au ja!"

,,Es waren einmal drei Brüder, die wanderten auf einsamen, gewundenen Straßen in der Abenddämmerung dahin. Nach einiger Zeit kamen die drei Brüder zu einem Fluss, der war so tief, dass sie nicht hindurchwaten konnten, und so gefährlich, dass sie nicht ans andere Ufer schwimmen konnten. Doch die Brüder waren der magischen Künste kundig, und so schwangen sie einfach ihre Zauberstäbe und ließen eine Brücke über dem tückischen Wasser erscheinen. Sie hatten die Brücke halb überquert, da trat ihnen eine Kapuzengestalt in den Weg.Und der Tod sprach zu ihnen. Er war zornig, weil er um drei neue Opfer betrogen war, denn für gewöhnlich ertranken Wandersleute im Flus. Doch der Tod war gerissen. Er tat, als würde er den drei Brüdern zu ihrer Zauberkunst gratulieren, und sagte, weil sie so klug gewesen seien, ihm zu entrinnen, verdiene jeder von ihnen einen Lohn. So verlangte denn der älteste Bruder, der ein kämpferischer Mann war, einen Zauberstab, der mächtiger als alle anderen sein sollte: einen Zauberstab, der seinem Besitzer in jedem Duell zum Sieg verhelfen würde, einen Zauberstab, der eines Zauberers würdig war, der den Tod besiegt hatte! Also ging der Tod zu einem Elderbaum am Ufer des Flusses, formte einen Zauberstab aus einem Zweig, der dort hing, und schenkte ihn dem ältesten Bruder. Dann beschloss der zweite Bruder, der ein hochmütiger Mann war, den Tod noch mehr zu demütigen, und verlangte nach der Macht, andere aus dem Tod zurückzurufen. Also nahm der Tod einen Stein vom Flussufer und schenkte ihn dem zweiten Bruder, und er sagte ihm, das der Stein die Macht haben werde, die Toten zurückzuholen. Und dann fragte der Tod den dritten und jüngsten Bruder nach seinem Wunsch. Der jüngste Bruder war der genügsamste und auch der weisesten der Brüder, und er traute dem Tod nicht. Also bat er um etwas, das es ihm ermöglichen würde, von dannen zu gehen, ohne das ihn der Tod verfolgte. Und der Tod übergab ihm, höchst widerwillig, seinen eigenen Umhang, der unsichtbar machte. Nun trat der Tod beiseite und erlaubte den drei Brüdern, ihre Reise fortzusetzen, und dies taten sie und sprachen voller Staunen über das Abenteuer, das sie erlebt hatten, und bewunderten die Geschenke des Todes. Bald darauf trennten sich die Brüder und ein jeder ging seines Weges. Der erste? Bruder war über eine Woche auf Wanderschaft, als er in ein fernes Dorf gelangte, wo er sich einen anderen Zauberer suchte, mit dem er einen Streit begann. Natürlich konnte er mit dem Elderstab als Waffe in dem Duell, das darauf folgte, nur gewinnen. Der älteste Bruder ließ seinen Gegner tot auf der Erde liegen und begab sich in ein Wirtshaus, wo er lautstark mit dem mächtigen Zauberstab prahlte, den er dem Tod selber entrissen habe und der ihn unbesiegbar mache. Noch in der selben Nacht schlich sich ein anderer Zauberer an den ältesten Bruder heran, der trunken vom Wein auf seinem Bett lag. Der Dieb nahm den Zauberstab und schnitt dem ältesten Bruder die Kehle durch. Und so machte sich der Tod den ersten Bruder zu eigen. Unterdessen wanderte der zweite Bruder nach Hause. Hier nahm er den Stein hervor, der die Macht hatte, die Toten zurückzurufen, und drehte ihn dreimal in der Hand. Zu seiner Verwunderung und Freude erschien vor ihm sogleich die Gestalt jenes Mädchens, das er hatte heiraten wollen, ehe sie vorzeitig gestorben war. Doch sie war traurig und kühl, wie durch einen Schleier von ihm getrennt. Obgleich sie in die Welt der Sterblichen zurückgekehrt war gehörte sie in Wahrheit nicht dort hin und litt. Schließlich wurde der zweite Bruder wahnsinnig vor unerfüllbarer Sehnsucht, und er tötete sich, um wirklich bei ihr zu sein. Und so machte sich der Tod den zweiten Bruder zu eigen. Doch obwohl der Tod viele Jahre lang nach dem dritten Bruder suchte, konnte er ihn niemals finden. Erst als der jüngste Bruder ein hohes Alter erreicht hatte, legte er schließlich den Umhang ab, der unsichtbar machte, und schenkte ihn seinem Sohn. Und dann hieß er den Tod als alten Freund willkommen und ging freudig mit ihm, und ebenbürtig verließen sie dieses Leben."

,,Wow!"
Stieß Scorpius begeistert aus und seine Augen leuchteten, als Narcissa geendet hatte.

,,Kannst du sie mir nochmal vorlesen?"
Fragte er und als Narcissa antworten wollte, hörten sie plötzlich einen Schlüssel in der Eingangshalle im Schloss rumdrehen.

,,Mum und Dad sind da!"
Rief er begeistert aus, und war schon auf dem Weg nach unten.

Die ältere Zauberin brauchte da schon etwas länger.

‡‡

Als der Junge seine Eltern erblickte liefen seine kleinen Beinchen nur noch schneller auf sie zu.

,,Mum, Dad!"
Krakelte er und umarmte seinen Vater der sich schon hingekniet und seine Arme geöffnet hatte.

,,Ich hab euch so vermisst."
Draco hob ihn hoch und strubbelte ihm durch seine Haare, die ihm so ähnlich waren.

,,Aber wir waren doch nur knapp zwei Tage weg.
So schlimm war Grandma doch nicht, oder?"

,,Nein!
Aber trotzdem.

Grandma hat mir eine Geschichte vorgelesen.
Sie hat gesagt dass du das Buch früher gemocht hast.

Märchen vom Bruder.. Oder so ähnlich."

,,Ja, das hab ich damals wirklich gerne gemocht ich-"

,,Darf ich meinem Sohn auch mal »Hallo« sagen?!"
Ertönte die belustigte Stimme von Hermine Malfoy, die nun neben Draco trat und ihm einen Kuss auf die Wange drückte.

,,Mummy!"
Jubelte nun auch Scorp und löste sich aus der Umarmung seines Vaters und lief nun auf seine Mutter zu.

,,Nicht so stürmisch!" lachte sie, und drückte ihren Sohn mit einem Arm an sich.

,,Wieso bist du plötzlich wieder so dünn?
Bevor ihr gegangen seit, warst du noch viel dicker!"

,,Weißt du Schatz, dein Schwesterchen wollte raus, und dann sind wir ganz schnell ins Mungos gefloht, und da hab ich dann dort deine kleine Schwester zur Welt gebracht."

Hermine beugte sich zu ihrem ersten Sohn hinunter und hielt ihm ein Bündel hin, welches sie im anderen Arm hielt.

,,Ist sie das?
Die hat ja gar keine Haare."
Stellte er naserümpfend fest, und beugte sich prüfend über das kleine Gesichtchen.

,,Ja, das ist deine kleine Schwester; Rose Narcissa Malfoy."

,,Sie heißt ja so wie Omi!"
Rief er laut aus, und das Neugeborene in dem Arm Hermines verzog das Gesicht bevor es anfing zu schreien.

Hermine wog das Bündel hin und her, und als sie sich beruhigt hatte, legte sie Rose sanft in Dracos Arme.
Dieser lächelte seine Frau stolz an und sah dann grinsend auf das, mittlerweile wieder schlafende Baby hinunter.

,,Hermine, Draco!
Lasst euch ansehen!
Wie geht es dir Hermine?
Wie ist die Geburt verlaufen?"
Bombardierte Narcissa das Ehepaar mit Fragen, sobald sie ihn die Eingashalle trat.

,,Soweit ganz gut, schmerzhaft..
Aber sonst ohne Komplikationen."

,,Warhaftig gut gemeistert, Schatz."
Draco beugte sich zu seiner Frau hinunter und gab ihr einen langen Kuss auf die Lippen, worauf das Baby in der Mitte der beiden, zu glucksen begann, und Scorpius sich kichernd wegdrehte.

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