20. Kapitel: Unliebsame Begegnung

Atreus:
Fest umklammerten meine Hände den eisernen Schild, sowie den Griff des silbernen Krummschwertes, während ich durch den schmalen, nur von ein paar Fackeln erhellten Gang lief. Ich wusste nicht genau woher, aber aus irgendeinem Grund lenkte mich etwas an jeder Abzweigung immer in eine ganz bestimmte Richtung. Dann schließlich vor einer leichten Kurve, die der Tunnel machte, bekam ich auf einmal ein dumpfes Gefühl in der Magengegend. Augenblicklich warf ich mich seitlich gegen die Wand, als in der nächsten Sekunde auch schon eine dunkel gekleidete Gestalt mit einem Bogen in der Hand um die Ecke trat. Binnen eines Momentes hatte der Mann einen Pfeil abgeschossen und hätte mich sicherlich damit getroffen, sofern ich nicht vorher zur Seite gehechtet wäre. Ich wollte schon nach vorne auf ihn zueilen, um sein Leben auf der Stelle zu beenden, doch schon hatte die Gestalt einen weiteren Pfeil an die Sehne gelegt und ihn auf mich gerichtet. Also riss ich stattdessen lieber meinen Schild hoch und deckte meinen Körper damit so gut es ging, woraufhin mein Gegenüber tatsächlich zögerte, das Geschoss auf seinen Weg zu schicken. „Ich erinnere mich an dich", murmelte der Mann plötzlich und wartete weiterhin mit seinem nächsten Schuss. Im selben Augenblick wurde mir klar, dass ich diese Gestalt noch aus meinem früheren Leben kannte, eigentlich hätte ich schon darauf kommen müssen, als ich deren Helm gesehen hatte. Es war Drachenauge, einer der Drachenkrallen und ihr Scharfschütze, genauer gesagt ein Schütze, welcher sein Ziel nur selten verfehlte. 

„Was genau machst du hier?", fragte Auge schließlich und neigte den Kopf ein wenig. Ich wollte mich darauf allerdings nicht mal im Entferntesten einlassen, weshalb ich mich stattdessen lieber mit einem lauten Kampfschrei auf ihn stürzte. Auge reagierte, indem er den Pfeil auf mich abschoss, was ich mit meinem Schild abwehrte. Zwar hinterließ die Spitze eine flache Delle in dem Metall, doch es hielt zu meinem Glück stand, was mir die nötige Zeit gab, um den Abstand zwischen uns beiden zu überbrücken. Für Auge hingegen reichte die übrige Zeit nicht mehr aus, um einen weiteren Pfeil an seine Sehne zu legen, geschweige denn sie für einen Schuss wieder zurückzuziehen. Jedoch schien er das bereits gewusst zu haben, weshalb er es auch gar nicht versucht hatte und stattdessen lieber zur Seite gehechtet war, um meinem Angriff zu entgehen. So ging der Schlag meines Schwertes leider ins Leere und im selben Moment hörte ich ein leises, kaum hörbares Schaben schräg hinter mir, was mir vor dem Kommenden warnte. Gerade noch rechtzeitig konnte ich mich wieder umdrehen und den Schild hochreißen, um einen weiteren Pfeil davon abzuhalten, mich zu töten. Hastig wich ich zurück und bewegte mich eilig um die Biegung des Tunnels, damit Auge nicht erneut auf mich schießen konnte. Denn dass er einen neuen Pfeil auf seinen Bogen legte, hatte ich schon gesehen, noch bevor der Letzte an meinem Schild abgeprallt war. „Du bist ja noch wirklich sehr gut in Form, wenn man deine lange Pause von den Aufträgen bedenkt", hörte ich Auges Stimme fast schon lobend sprechen, während ich mich verzweifelt nach einer Fluchtmöglichkeit umsah. 

Schließlich fand ich sie in Form eines schmalen Gangs, welcher von diesem hier abging und scheinbar einige Biegungen machte, die mir Deckung geben sollten. Hastig bog ich also in ihn ab und rannte so schnell ich konnte um eine Kurve nach der anderen, da Auge mich ohne jeden Zweifel verfolgte. „Wie ich sehe hat dein strategischer Instinkt in den letzten Jahren ebenfalls nicht nachgelassen", hörte ich seine Stimme hinter mir. Erneut machte ich mir nicht die Mühe ihm irgendetwas zu antworten, so einfach würde ich mich schließlich nicht provozieren lassen. Bald darauf nahm meine Flucht jedoch vorerst ein kurzes Ende, als der Tunnel plötzlich einfach endete und ich auf einem kleinen Felsplateau stand. Weit und breit relativ viel freie Fläche mit wenig guten Verstecken, was meinem Verfolger ein relativ freies Schussfeld ermöglichte. Wegrennen würde folglich bedeuten, dass ich vermutlich nicht weit kommen würde, bevor mich Auge einfach über den Haufen schießt. Da eine Flucht somit unmöglich war, blieb mir nur noch eine letzte Option, nämlich anzugreifen und meinen Gegner hoffentlich schnell zu überwältigen. Also versteckte ich mich eilig hinter einem schmalen Felsvorsprung neben dem Höhlenausgang, den Auge nicht sofort einsehen konnte, wenn er den Tunnel verlassen würde. Wenig später hörte ich schließlich einige Schritte näherkommen, woraufhin auch schon Auge mit gespanntem Bogen ins Freie trat und sich sofort suchend umsah. Kurz wartete ich noch, ehe ich mich auf ihn stürzte und mit meinem Schwert nach ihm schlug. Zwar drehte sich Auge noch in meine Richtung um und versuchte seinen Pfeil auf mich zu schießen, doch ich kam ihm zuvor. 

Obwohl ich den Bogen selbst mit meiner Klinge nicht mehr erreichen konnte, war ich doch nah genug dran, um die Flugbahn des Pfeils genau zu erkennen und zu blockieren. Anschließend wich Auge ein paar große Schritte zurück und warf seinen jetzt eher nutzlose Fernkampfwaffe zur Seite. Sofort darauf war ich auch schon bei ihm und versuchte ihm glatt den Kopf von den Schultern zu schlagen. Leider konnte mein Gegner noch gerade rechtzeitig ausweichen, meinen Arm packen und so verdrehen, dass ich dazu gezwungen war mein Schwert fallenzulassen. Sofort schlug ich mit der Kante meines Schilds nach Auge und schaffte es so wenigstens, dass er mich wieder loslassen musste, allerdings keineswegs von einem schnellen Gegenschlag abhielt. Bevor ich es überhaupt begriffen hatte, war es ihm bereits gelungen mir auch noch den Schild vom Arm zu reißen und irgendwohin zur Seite zu werfen, wo ihn keiner von uns so bald erreichen würde. Statt es also dennoch zu versuchen, nahm ich mir lieber ein Beispiel an meinem Gegner und ließ mich auf einen waffenlosen Nahkampf mit ihm ein. Zu meinem Entsetzen blockte Drachenauge aber jeden meiner Faustschläge oder auch Tritte ab und landete selbst einige schmerzhafte Treffer gegen mich. Stöhnend wich ich vor ihm zurück, als er mir auch schon mit einem Fußfeger die Beine unter dem Körper wegtrat und ich somit zum Boden stürzte. Dabei schaffte ich es aber gerade noch mich an ihm festzuhalten und ihn mit mir zu ziehen, was er allerdings erschreckend leicht hinnahm. Kaum lagen wir beide ringend aufeinander schaffte es Auge bereits wieder mich in eine nachteilige Position zu bringen und gleichzeitig einen Dolch von der Rückseite seines Gürtels zu ziehen. 

Mit ihm stach er natürlich sofort nach mir, doch ich konnte seinen Arm gerade so noch packen, um ihn aufzuhalten, nur schlug Auge nun natürlich mit seiner freien Faust nach meinem Kopf. Zwar konnte ich auch sie gerade noch aufhalten, aber dadurch befanden wir uns jetzt in einer Pattsituation, aus der es vorläufig kein Entkommen gab. Zumindest dachte ich das, als mein Gegner plötzlich den Druck seiner rechten Hand, in der er auch den Dolch hielt, verstärkte und ihn so immer weiter in Richtung meines Gesichts bewegte. „Warum bekämpft du uns jetzt?", fragte er vor Anstrengung eher zischend, worauf ich erneut nur mit einem wütenden Knurren antwortete und versuchte, den kalten Stahl von mir fernzuhalten. Schließlich musste ich mir jedoch eingestehen, dass ich Auge in dieser Situation nicht gewachsen war und es nur eine Frage der Zeit war, bis er mich erstach. Also versuchte ich stattdessen etwas anderes, sehr viel Riskanteres, indem ich den Dolch nicht mehr von mir weg, sondern völlig ohne Vorwarnung zur Seite drückte. Das Ergebnis ließ sich zum Glück nicht bemängeln, denn auf diese Weise bohrte sich die breite Klinge der Waffe nur knapp neben meinem Kopf in die Erde und verschonte damit mein Leben. Bevor Auge eine Gelegenheit hatte darauf zu reagieren, ließ ich seinen rechten Arm ganz kurz los und schlug nach seinem Kopf, um ihn hoffentlich auch von mir runterzukriegen. Zwar hatte ich Erfolg dabei, denn tatsächlich rollte Drachenauge seitlich von meinem Körper hinunter, was mir die Möglichkeit gab wieder aufzustehen, welche ich sofort ergriff. Zu meinem Pech hatte sich Auge in dieser Zeit doch schon wieder gefangen und rappelte sich auf, um meinem nächsten Tritt zu entgehen. 

Wütend setzte ich sofort einen Schlag mit der linken Faust nach, doch erschreckend einfach fing mein Gegenüber diesen ab und drehte mir meinen Arm schmerzhaft zur Seite nach hinten. Gleichzeitig trat er mir mit einem Fuß in den Rücken und drückte mich damit zu Boden, was den Schmerz in meiner Schulter weiter verstärkte. „Warum kämpfst du gegen uns?", wiederholte Auge nochmal seine Frage und erhöhte seinen Druck an meinem Arm für einen Moment lang wie zur Unterstreichung. Zwar schrie ich kurz auf vor Schmerz, aber trotzdem dachte ich nicht einmal daran ihm in irgendeiner Form zu antworten. Als Reaktion verstärkte Auge seinen Druck an meinem Arm erneut, diesmal allerdings dauerhaft, um mich zu einer Antwort zu zwingen. Mein anschließender Aufschrei wurde jedoch übertönt von einem lauten Brüllen, was mir nur allzu bekannt vorkam, es war das von Edelblau, meinem Drachen. Am Rande meines Sichtfeldes bekam ich mit, wie Auge seinen Kopf zur Seite in die Richtung drehte, aus der das Geräusch gekommen war. „Wir reden dann später noch einmal über deine... Befehle", zischte er wieder an mich gewandt. Bereits eine Sekunde später riss er meinen Arm ruckartig noch weiter zurück und ein hässliches Knacken ertönte, während gleißender Schmerz durch meinen Körper jagte. Unter einem gequälten Aufschrei ließ Auge mich los und ich sackte daraufhin zusammen, da mein linker Arm sich völlig taub anfühlte. Nur noch am Rande meines Bewusstseins bemerkte ich, wie Drachenauge zur Seite lief, um sein Messer und seinen Bogen aufzuheben, ehe er sich davonmachte. Kurze Zeit später landete Edelblau auch schon neben mir und stupste mich besorgt mit der Schnauze an.

Eine Stunde später

Drachenfänge:
Leise stöhnend ging ich durch den schmalen Korridor des Schiffes unserer menschlichen Verbündeten in Richtung der Kajüte von diesem Rohling. Es war noch nicht lange her, dass wir die Insel der Verbannten hinter uns gelassen hatten, aber schon hatte mich unser neuester Verbündeter zu sich bestellt. Ich ahnte schon, was genau der Kerl im Sinn hatte, für ihn war ich ja nur die süße Freya, mit der er alles machen konnte, was auch immer er wollte. Mir wiederum wurde alleine beim Gedanken an seinen widerlichen Mundgeruch schlecht, der Mann verstand wirklich nicht allzu viel von Körperpflege. Das heißt, wenn er überhaupt etwas von diesem Konzept wusste, was ich durchaus zu bezweifeln wagte. Schließlich war ich an der Tür angekommen und prüfte ein weiteres Mal kurz, ob mein linker Ärmel noch richtig saß, bevor ich vorsichtig gegen das Holz klopfte. Sofort kam ein vorfreudiges, sehr dreckiges Herein von drinnen, woraufhin ich die Tür öffnete und in den Raum trat. An den Wänden hingen zahlreiche Waffen und ausgestopfte Tierköpfe, sowie auch ein kompletter Hai, während der Boden von einigen Fellteppichen bedeckt wurde. „Ah, meine süße Freya. Ich habe gehört, dass die direkte Gefahr nun hinter uns liegt, richtig?", fragte Rohling, der mitten im Raum stand und lächelte dabei genauso breit wie versaut. 

„In der Tat, das haben wir", antwortete ich und zwang mich ebenfalls zu einem Lächeln. „Perfekt", meinte er daraufhin nur und öffnete einladend seine Arme, während der Ausdruck in seinen Augen eher auffordernd wurde. Ich tat mein Bestes, um das freundliche, hoffentlich vorfreudige Lächeln beizubehalten, was mir wegen meiner Erfahrung nicht allzu schwerfiel und trat näher zu ihm. Sobald ich nah genug bei ihm war, tat er genau das, was ich schon von ihm erwartet hatte, indem er mich eng in die Arme schloss und an sich drückte, ich ließ es zu. Fast im selben Augenblick stöhnte Rohling fast schon genüsslich und drückte mir einen innigen Kuss auf die Lippen. „Oh, ich liebe dich, meine Schöne...", murmelte er dabei leise. „Ich dich auch", säuselte ich zurück und legte meine Arme um seinen Hals, während ich seinen Kuss erwiderte. Was Rohling dabei aber nicht sehen konnte, was dass ich hinter seinen Rücken mit der rechten Hand in meinen linken Ärmel griff und ein kurzes Messer aus ihm herauszog. Bevor er auch nur die kleinste Gelegenheit hatte dies überhaupt zu bemerken, rammte ich ihm die hauchdünne Klinge in den Rücken, was ihm sofort ein gepeinigtes Quieken abrang. Anschließend sah er mich völlig erschrocken an, während ich unseren Kuss nur in aller Seelenruhe auflöste und ihm dabei eiskalt in die Augen sah. Innerhalb des Bruchteils einer Sekunde zog ich den kurzen Dolch danach wieder aus Rohlings Körper, brachte etwas Abstand zwischen uns und schlitzte ihm anschließend die Kehle auf. 

Im selben Moment verließ jeder Funke an Leben den Körper des Mannes, als er kraftlos in sich zusammenbrach und sein Blut den Teppich unter ihm tränkte. „War mir ein Vergnügen Zeit mit dir zu verbringen", meinte ich lächelnd an den toten Rohling gewandt und beugte mich zu ihm hinunter, um mir ein kleines Stück von seiner Lederweste abzuschneiden. Mit diesem wischte ich daraufhin das Blut von der Klinge meines Dolchs und trat durch die Tür wieder zurück auf den Gang, wo ich mir sofort zwei Männer aus der Crew gegenüberstanden. „Oh, tut mir sehr leid Jungs, aber ich fürchte, ich habe da drin eine kleine Sauerei gemacht. Räumt ihr für mich auf?", fragte ich lächelnd und wartete deren Antwort gar nicht mehr ab, immerhin kannten ich sie sowieso schon. Stattdessen lief ich einfach entspannt an ihnen vorbei und reinigte meine Klinge dabei weiter von Rohlings Blut.

Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top