10. Kapitel: Aussprachen

Minden:
„Danke nochmal, dass du mir dabei geholfen hast meine Kette wiederzufinden", meinte Terek schließlich nach einer Weile, während wir auf einer schmalen Klippe saßen und den Sonnenaufgang betrachteten. Nachdem wir am Ende einer erstaunlich langen Suche endlich seine Halskette gefunden hatten, waren wir beide zu erschöpft, um noch das Lager von diesem Jay zu suchen. Stattdessen hatten wir uns die nächst beste Klippe im Osten der Insel besucht, um uns angesichts der bereits sehr weit fortgeschrittenen Zeit das Farbspiel am Himmel anzusehen. „Das habe ich doch gerne gemacht, aber... Wenn ich mir die Frage einmal erlauben darf, wieso ist dir diese Kette eigentlich so wichtig?", fragte ich vorsichtig. Sofort verkrampfte sich Terek, zwar nur für den Bruchteil einer Sekunde, aber es fiel mir eindeutig auf. Genauso wie auch, dass sich seine Finger fest um den klingenförmigen Anhänger des Schmuckstücks. „Du musst natürlich nicht antworten, wenn du nicht möchtest, es hatte mich einfach nur gewundert, wie verbissen du danach gesucht hast", stellte ich nochmal klar, um ihn nicht unter Druck zu setzen. „Schon gut, nachdem du mir so hilfsbereit bei der Suche zur Seite gestanden hast, hast du es dir auch verdient, den Grund dafür zu erfahren", lenkte er ein und atmete tief durch. „Dieser Anhänger hier, hat früher einmal meiner Mutter gehört... Sie war die einzige Familie, die ich damals auf Berk hatte, meinen Vater habe ich nämlich niemals kennengelernt, musst du wissen. Er hat meine Mutter damals noch verlassen, bevor ich überhaupt geboren war, weil er seine kostbare Freiheit nicht beschränken wollte, indem er sich für unbestimmte Zeit an ein Kind bindet. Jedenfalls hat meine Mutter es mir immer so erzählt. Sie hat mich natürlich allein aufgezogen, aber das hat nichts daran geändert, dass sie mir viel Liebe hat zuteilwerden lassen", erzählte Terek anschließend und ich war mir sehr sicher zwei kleine Tränen in seinen Augen zu sehen. 

„Klingt so, als hättest du eine schöne Kindheit gehabt", entgegnete ich, als er eine kleine Pause macht. „Ja, die hatte ich in der Tat... Zumindest bis zu dem Zeitpunkt, an dem ich damit anfing alles zu versauen", meinte Terek betrübt und blickte in zum Horizont, an welchem die Sonne passenderweise gerade von einigen Wolken verdeckt wurde. „Was... Was genau ist denn passiert?", fragte ich so sanft wie möglich. „Nun ja, wie sich herausstellte, hatte ich wohl doch mehr von meinem Vater, als ich wahrhaben jemals wollte. Zumindest seinen schier unbändigen Durst nach Reisen um die Welt, um Abenteuer zu erleben, hatte ich jedenfalls von ihm geerbt. Nachdem ich dann volljährig war, habe ich so schnell wie möglich den nächstbesten Auftrag als Söldner angenommen, um runter von Berk zu kommen. Anschließend habe ich mich weiter von einem Auftrag zum Nächsten gehangelt und bin nur in sehr unregelmäßigen Abständen zu meiner Mutter zurückgekehrt. Es war immer dasselbe, wenn ich dort war, wir versuchten die gegebene Zeit so gut es ging zu genießen, da wir Beide wussten, dass ich spätestens nach einigen Tagen wieder fort sein würde. Allerdings hatte ich anscheinend auch ein wenig von der Ignoranz meines Vater abbekommen, denn... Du musst wissen, dass meine Mutter etwa drei Jahre nachdem ich sie verlassen hatte, schwer krank wurde... Rote Pest", berichtete er mir und beim letzten Teil weiteten sich meine Augen vor Schreck. „Die Krankheit ist tödlich... und unheilbar", stotterte ich und blickte Terek mitleidig an. „Allerdings... Und ich Dummkopf wollte es einfach nicht wahrhaben, stattdessen habe ich mich direkt in mein nächstes Abenteuer gestürzt. Ich dachte vermutlich, ich hätte noch Zeit, um mich von meiner Mutter zu verabschieden, und könnte solange so weiterleben, wie bisher auch, aber... Das sollte sich noch früher als falsch erweisen, als mir je lieb gewesen wäre. Denn als ein paar Monate später wieder nach Berk zurückkam, um sie zu sehen, da... da...", er brach in Tränen aus, bevor er den Satz beenden konnte, doch ich wusste zu genau, was er hatte sagen wollen. 

„Da war sie schon daran gestorben", sprach ich es aus, ehe ich Terek tröstend in den Arm nahm. Ehrlich gesagt hatte ich keine Ahnung, warum ich das gerade getan hatte, aber... es fühlte sich einfach richtig an. „Sie war bereits seit einem Monat tot, ja... Und weil ich, ihr einziger Verwandter, nicht dort war, hatte man ihren gesamten Besitz schon verkauft, als ich zurückkam. Das Einzige, was einer der wenigen Freunde meiner Mutter noch für mich hatte retten können... war diese Kette. Damals wurde mir klar, dass ich über all die Jahre, denen ich Abenteuern nachjagte, niemals wirklich frei war... stattdessen war ich einfach nur allein", beendete Terek die Geschichte schließlich und schluchzte nochmal kurz. „Das tut mir leid", versuchte ich ihn zu trösten, während mir plötzlich eine ganze Reihe an Lichtern aufging. „Dann ist das vermutlich der Grund, warum du jetzt so bedacht darauf bist, den Leuten in deiner Umgebung zuzuhören und für deine Freunde da zu sein, oder?", erkundigte ich mich vorsichtig. „Hm, darüber habe ich noch gar nicht so richtig nachgedacht, aber... es könnte durchaus sein", gestand er und löste sich anschließend von mir. „Danke, dass du es mir erzählt hast", meinte ich noch zu ihm, ehe ich wieder etwas verlegen zum Horizont blickte. Erstaunt stellte ich dabei fest, dass die Sonne sich bereits ein gutes Stück über dem Meer erhoben hatte und die Inseln um uns herum nun deutlich heller erscheinen ließ.

Venatrix:
„Au, kannst du denn nicht wenigstens versuchen vorsichtig zu sein?!", fragte ich Gunnar angefressen, nachdem er den ihn Alkohol getränkten Lappen schonwieder direkt in die Wunde an meinem rechten Arm gedrückt hatte. „Das muss gesäubert werden...", gab er nur wieder denselben dummen Satz zurück, wie bei den vorherigen Malen. „Das ist mir schon klar, aber es muss doch auch möglich sein, ohne mich dabei zu Tode zu quälen, verdammt nochmal!", keifte ich, von seiner schroffen Art wütend gemacht, fast schon zurück. „Du solltest lieber froh darüber sein, dass uns dieser Jay erlaubt hat seine medizinische Ausrüstung hier zu benutzen, ansonsten hättest du nämlich noch den langen Rückflug zur Klippe ertragen müssen", erwiderte er trocken und machte weiter. Zwar brannte es immer noch, aber wenigstens drückte er den Lappen nicht mehr so sehr auf mein verletztes Fleisch, als wolle er ein Insekt zerquetschen. „Ich weiß gar nicht, warum du so ein Theater darum machst... So schlimm hat es mich doch gar nicht erwischt", murrte ich weiterhin genervt. „Das nennst du also nicht so schlimm, ja?", fragte Gunnar scharf und bewegte ohne Vorwarnung meinen rechten Arm in mein Sichtfeld. Etwas widerwillig blickte ich zu ihm hinunter und würgte leicht, einer von diesen neuen Drachen hatte ich beim Kampf echt übel in meinem rechten Flügel verbissen und die Schuppen dabei glatt durchdrungen. Das Ergebnis davon war, nun in menschlicher Gestalt, ein vollkommen von Bisswunden entstellter Arm, welcher zum Glück nur mäßig stark blutete, zumindest war keine Hauptader verletzt. „Ich vergesse immer wieder, dass mich meine Rüstung in Drachengestalt nicht schützt und Verletzungen, die mir in dieser Form zugefügt werden, sich direkt auf meinen neuen Körper übertragen...", gab ich nur zurück. 

„Nächstes Mal solltest du das vielleicht bedenken, bevor du dich auf einen längeren Nahkampf mit mehreren Drachen einlässt. Immerhin sind Tödliche Nadder wegen ihren fehlenden Vorderbeinen bei sowas stark im Nachteil", meinte er dann auf einmal fast besorgt. „Also für jemanden, der bis eben gerade fast gar keine Rücksicht darauf genommen hat, ob er mir unnötig Schmerzen zufügt oder nicht... Klingst du mir jetzt erstaunlich fürsorglich", bemerkte ich und hätte schwören können, dass Gunnar daraufhin kurz zusammenzuckte. „Ich sorge mich um dich, das ist richtig... Ja, ich sorge mich um dich, weil du ein wertvolles Mitglied unseres Teams bist. Auch wenn ich nicht ganz verstehe, warum du als Mitglied einer der reichsten Familien der Seelenkrieger dich mit jemandem wie mir abgibst. Ich meine, Rowin ist ja jetzt anerkannter Nachtschattenkrieger sowie würdiger Nachfolger seiner beiden Vorgänger, Heidrun seine Frau und Terek einer der Würdenträger der Menschen, aber... Dann komme ich als theoretisch noch Verbannter aus unserem Volk, was nun nicht gerade ein anständiger Umgang ist", meinte Gunnar mit einem leicht abwertenden Unterton in der Stimme. „Ganz ehrlich? Mir ist völlig egal, was die Leute vielleicht, oder vielleicht auch nicht, von mir denken, wenn ich mich mit dir abgebe, wie du es ausgedrückt hast. Erstens weil es meiner Meinung nach völlig ungerechtfertigt war, dass Baldor dich verbannt hat, nur weil du dich dafür eingesetzt hast, dass Rowin seine Strafe nicht verdient hatte und zweitens...", ehe ich meine Aussage beenden konnte, brach ich ab. „Zweitens?", hakte Gunnar nach und klang dabei zu meiner Überraschung ehrlich interessiert. Außerdem fiel mir auf, dass er meine Verletzung während unseres Gesprächs fertig gereinigt hatte und dabei so vorsichtig war, dass ich es kaum gespürt hatte. Jetzt jedenfalls griff er nach einer Rolle sauberen Verbands, um die Verletzung damit zu verbinden und die Blutung vollkommen zu stillen. 

„Zweitens ist es mir schon lange egal, was andere von mir denken, solange ich nur mit meinem Leben zufrieden bin. Zumindest seitdem ich von weggegangen bin, um meinen doch etwas kontrollsüchtigen Eltern zu entkommen und meinen eigenen Weg zu gehen", beantwortete ich schließlich die Frage. „Hm, vielleicht haben wir ja doch mehr gemeinsam, als ich gedacht hätte", meinte Gunnar plötzlich, während er den Verband um meinen Arm ganz sachte festzog. Etwas überrascht schielte ich aus den Augenwinkeln zu ihm, um mir hoffentlich nichts anmerken zu lassen und dachte über seine Aussage nach. Womöglich hatte er Recht, wir beide hatten unseren eigenen Kopf und waren aufgrund davon im Seelenreich, zumindest unter Baldors Herrschaft, angeeckt. Trotzdem hatten wir uns den Mund nicht verbieten lassen und dafür die Konsequenzen in Kauf genommen. Die einzigen Unterschiede, welche mir auf Anhieb ins Auge sprangen, waren unser Umgang mit diesen Folgen unseres Handelns und der Zeitpunkt, an dem wir sie erfahren hatten. Während ich mich gegenüber meiner Eltern anfangs noch zurückhielt und erst später für meine Meinung einstand, woraufhin sie den Kontakt zu mir abbrachen, war Gunnar verbannt worden. „Hast du sonst irgendwo noch eine Verletzung, die ich versorgen sollte?", fragte er daraufhin und wieder klang seine Stimme fast fürsorglich. „Nun ja...", murmelte ich und wandte verlegen den Blick ab. „Hey, wenn du nicht möchtest, dass sich die Wunden entzünden, oder sogar noch schlimmer, dann solltest du sie von mir versorgen lassen", redete er auf mich ein. „Ich weiß, es nicht nur... Im Kampf hat sich einer dieser Flederflügler in meinem Rücken verbissen...", gestand ich ihm schließlich. Es dauerte einige Sekunden, aber dann schien Gunnar zu verstehen, denn augenblicklich entgleisten seine Gesichtszüge ausnahmsweise einmal. „Oh...", stöhnte er dann.

Heidrun:
„Das ist alles, was diese Leute bei sich hatten, als sie sich selbst das Leben nahmen, um nicht von dir gefangen zu werden?", fragte Rowin etwas skeptisch. Vor uns hatte Jay in einer kleinen Nebenkammer seiner Höhle auf Anfrage meines Mannes eine auf den ersten Blick ungewöhnliche Sammlung an Gegenständen ausgebreitet. Darunter insgesamt sieben Schwerter mit einer recht kurzen, gekrümmten Klinge, einiges an leeren Pergamentblättern sowie Kohlenstiften und auch die Ausrüstung, um eine grobe Karte einer vergleichsweise kleinen Insel anzufertigen. „Nicht ganz, jeder von ihnen hatte noch genug Essen für ein paar Tage dabei und etwas von dem Pergament sowie ein paar der Kohlenstifte habe ich auch selbst benutzt. Aber im Großen und Ganzen ist es in der Tat alles, das stimmt schon", antwortete Jay, welcher neben mir und Rowin stand. „Hm, hatten die denn gar kein Schiff, was an einem der Strände lag? Immerhin müssen sie ja irgendwie auf die Inseln hier gekommen sein", hakte Rowin nach. „Nein, ich habe jedes Mal, wenn einer von denen hier war, die ganzen Küstenstriche abgesucht, aber nichts zu finden. Also entweder sind das die besten Schwimmer, die ich je gesehen habe, wohl eher nicht, oder sie waren nicht allein hier und ihre Freunde sind mit dem Schiff gleich weitergefahren", berichtete er, während ich vorsichtig eines der Schwerter in die Hand nahm. „Es ist ziemlich leicht...", murmelte ich und wog es nochmal kurz, was meinen Verdacht aber nur bestätigte. „Ja, das fand ich damals auch komisch, vor allem weil die Dinger trotzdem alle so stark wie bester Stahl sind. Das Gleiche trifft ja auch auf das Schwert zu, was ich selbst führe, nur dass ich das halb vergraben auf einer der Inseln hier gefunden habe", meinte Jay, was Rowin sichtlich hellhörig machte. 

Allerdings ging er nicht weiter darauf ein, sondern nahm sich stattdessen eines der anderen Schwerter und zog die Klinge ein Stück aus der Scheide. „Dachte ich es mir doch", hörte ich ihn daraufhin murmeln und blickte zu ihm, sofort erkannte ich, was genau er meinte. „Eine Klinge des Ewigen Feuers", sprach ich es aus und zog das Schwert in meiner Hand ebenfalls etwa zur Hälfte blank, woraufhin mir sofort die silbrige Farbe entgegenstach. „Äh, was bitte ist denn das Ewige Feuer?", fragte Jay plötzlich verwirrt. „Stimmt, er kennt das Alles ja noch nicht", schoss es mir durch den Kopf. „Der Name eines... alten Drachenkultes. Nur seine Mitglieder schmieden und führen solche Klingen, musst du wissen. Wir hatten vor einigen Jahren jedenfalls schon einmal mit ihnen... zu tun", erklärte Rowin und blickte mich kurz, aber intensiv an. Sofort verstand ich die Geste, obwohl er Jay vorerst vertraute, wollte er ihn noch nicht in alles einweihen. „Klingt ja, als wäre diese Begegnung nicht sonderlich gut ausgegangen", meinte Jay vorsichtig. „Ist sie auch nicht... für die", gab ich schlagfertig zurück und grinste. „Wie auch immer, was habt ihr jetzt eigentlich vor?", fragte Jay und sah Rowin unsicher an. „Also ich für meinen Teil... werde mich erstmal ein paar Stunden lang aufs Ohr legen, vermutlich sollten wir alle das machen. Gegen Mittag werde ich aber gehen müssen", antwortete Gefragter. „Du willst gehen? Wieso?", hakte ich überrascht nach. „Weil ich den einen oder anderen Ratschlag hierzu brauche... Genau wie die Meinung eines alten Freundes", erwiderte er nur.

Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top