Gefangen, ... , ...

Hicks lief durch den verlassenen Wald. Außer ihm ging fast niemand freiwillig hier her. Für die Meisten war der Wald nur ein perfektes Versteck für die Drachen, die einem dort wunderbar auflauern konnten. Nicht für den Braunhaarigen Jungen! Er sah ihn als einen Ort, an dem Ruhe und Frieden herrschte. Doch wie gesagt, dieser Meinung war sonst niemand aus dem Dorf. Gerade jetzt kam ihm das sehr gelegen, denn er wollte niemandem begegnen. Er beschleunigte sein Tempo. Er wollte einfach nur so weit weg von dem Dorf wie möglich. Bald rannte er so schnell er konnte. Tränen strömten seine Wangen hinab und sorgten dafür, dass seine Sicht verschwamm. Gerade war einfach alles zu viel für den 10-jährigen Jungen. Sein Fuß verhakte sich in einer aus dem Boden ragenden Wurzel und brachte ihn zu Fall, doch das war ihm egal. Seufzend kroch er näher zu dem Baum und lehnte sich an diesen an. Er konnte nicht mehr weiter. Oder besser gesagt, er wollte es nicht. Traurig wischte er sich die Tränen aus dem Gesicht und versuchte sich wieder zu beruhigen.

Was hast du nur wieder angestellt!? Du kannst absolut gar nichts richtig machen!" - „Es tut mir leid, ich dachte ..." - „Hör auf! Immer wenn du denkst passiert eine Katastrophe! Geh mir sofort aus den Augen! Ich will dich nie mehr sehen, hast du mich verstanden? Verschwinde!" - „A ... Aber Vater" - „Nichts Vater! Hast du dich mal angeschaut? Du bist der lausigste Wikinger, den Berk je gesehen hat! Mir ist es ein Rätsel, wieso mich die Götter nur mit so einem miserablen Sohn wie dir bestraft haben. Ich wünschte, der Drache hätte dich anstatt deiner Mutter mitgenommen! Dann hätte ich wenigstens die Chance auf einen würdigen Nachfolger gehabt" - „Ich wollte dich doch nur stolz machen", schluchzte Hicks kaum hörbar und lief weinend aus dem Haus.

Als ihn die Erinnerung an den eben stattgefundenen Streit mit seinem Vater erneut überflutete, konnte er seine Tränen nicht länger zurückhalten. Erneut fing er an bitterlich zu weinen. Er umarmte traurig seine Beine und schluchzte in seine Knie. Noch nie zuvor hatte sein Vater ihn so angeschrien. Er hatte nur versucht zu helfen. Er hatte gedacht, er könne seinen Vater stolz machen. Doch er hatte es nicht geschafft. Trotzdem waren die Worte des Oberhauptes zu hart für den 10 Jährigen gewesen. Sein Herz fühlte sich an, als ob es jeden Moment zerbrechen würde. Mit 7 hatte er erfahren, dass seine Mutter von einem Drachen entführt worden war, weil sie ihn hatte beschützen wollen. Hicks hatte sich seit jeher für ihren Tod verantwortlich gemacht. Doch was sein Vater hiermit zu ihm gesagt hatte, das konnte er nicht ertragen. Er wusste nicht, wie lange er da saß und weinte, doch es mussten Stunden gewesen sein, denn langsam ging die Sonne unter. Traurig und immer noch mit tränenüberströmten Wangen stand Hicks auf. Er wusste, dass es Zeit war, um nach Hause zu gehen. Er spielte oft alleine draußen, da sein Vater als Oberhaupt nie für ihn Zeit hatte und die anderen Dorfkinder ihn nicht wirklich mochten. Hicks war anders. Trotz seiner schwachen Erscheinung war er stets im Wald unterwegs, auf der Suche nach Abendteuern. Er war neugierig und löste Herausforderungen mit seinem Verstand. Das unterschied ihn von den anderen, wikingermäßigen Kindern seines Alters. Diese wussten schon längst worin ihre Aufgaben bestanden. Sie hielten sich an die altmodischen Regeln ihrer Vorfahren und sträubten sich gegen neue Sichtweisen und Methoden. Wenn sie ein Problem hatten, schlugen sie entweder darauf ein oder warfen eine Waffe danach. Dass sie damit mehr zerstörten als gewannen, interessierte sie dabei nicht. Hicks war nicht so. Genau das war es, was Haudrauf am Meisten an seinem Sohn störte. Hicks hatte seinen eigenen Kopf. So sehr er auch versuchte sich einzugliedern, es nützte nichts. Er war nun mal ein kreativer Freigeist, der wenig mit Gewalt anzufangen wusste.

Seufzend machte sich der Junge auf den Rückweg. Er wusste, dass er vor Sonnenuntergang Zuhause sein müsste. Das war eine der wenigen Regeln, die er wirklich ernst nahm. Er wusste, wie wichtig es seinem Vater war, dass er sich nicht alleine im Dunkeln draußen aufhielt. Sobald sich Hicks auch nur wenige Minuten verspätete, machte Haudrauf sich sofort auf die Suche nach ihm. Aber das war auch selbstverständlich, immerhin war Hicks noch viel zu jung, um die Nacht alleine irgendwo außerhalb einer sicheren Hütte zu verbringen. Kein verantwortungsvoller Erwachsener ließ sein Kind nach Sonnenuntergang noch rausgehen. Das lag auch schon daran, dass die Drachen meist im Schutze der Dunkelheit angriffen. Das kleine Wikingerdorf war sowieso schon kein sicherer Ort, doch nachts war es noch schlimmer. Also trottete Hicks zurück, immerhin wollte er nicht noch mehr Ärger von seinem Vater kriegen, wenn er später als befohlen eintraf. Obwohl er sich gerade nicht sicher war, ob es seinen Vater nach allem, was an diesem Tag geschehen war, noch interessieren würde, wo er blieb. Schließlich hatte er ja gesagt, dass er ihn am liebsten loswerden wollen würde. Hicks hatte bereits seit einiger Zeit keine Energie mehr zum Weinen aufbringen können und jetzt meldete sich auch der Rest seines Körpers, der forderte sich auf der Stelle niederzulegen und zu schlafen, um nicht weiter von den schlimmen Erinnerungen geplagt zu werden. Seine Beine drohten unter ihm nachzugeben, doch er zwang sich weiterzulaufen. „Ich muss vor Sonnenuntergang zurück sein", erinnerte Hicks sich selbst, um gegen seine Erschöpfung anzukämpfen. „Leider wirst du das nicht schaffen", ertönte plötzlich eine Stimme hinter ihm. Hicks schrie, als er gepackt und unsanft festgehalten wurde. Der Mann warf den Jungen über seine Schulter und lief zum Strand an der Inselrückseite. „Hilfe! Hört mich denn niemand? Hallo!? Hilfe! Vater! ... Vater", seine Schreie verebbten und zuletzt schluchzte er nur noch leise. Es hatte keinen Sinn. Er wurde entführt und keiner würde ihn retten!

In Haudraufs Haus

Haudrauf saß alleine an dem Esstisch und stopfte sich schlecht gelaunt das Essen in den Mund. Wie wohl jeder erkannte, war er immer noch wütend auf seinen Sohn. Da klopfte es an der Tür. „Herein", brummte das Oberhaupt. Grobian trat ein. Er hatte eine kleine Tasche bei sich. „Hallo, Haudrauf! Ich wollte Hicks nur kurz seine Tasche vorbeibringen. Er hat den halben Tag an irgendeiner Sache gearbeitet, die er dann in die Tasche gepackt hat. Doch dummerweise hat er sie liegengelassen, als du ... Naja, reingestürmt bist und ihn mitgeschleift hast. Jedenfalls schien es ihm sehr wichtig zu sein, also wollte ich sie ihm kurz zurückgeben", erklärte der Schmied sein Anliegen. „Hicks ist nicht hier, leg die Tasche dort rüber", murrte der Vater des Jungen nur. Der Schmied legte die Tasche, wie Haudrauf ihm angedeutet hatte, auf die Seite einer der untersten Stufen der Treppe, die zu Hicks Zimmer hinauf führte. „Wie meinst du, er ist nicht da? Die Sonne ist schon längst untergegangen", war Grobi beunruhigt. „Ach ja?", auch Haudrauf machte sich für einen Moment lang Sorgen. Doch kurz darauf wurde er nur noch wütender: „Ach, jetzt wagt er es auch noch meine Regeln zu missachten? Schön, wie er will! Dann soll er halt draußen bleiben, ist mir recht" - „Aber Haudrauf, Hicks ist erst 10!", warf dessen Freund empört ein. „Danke für's Vorbeischauen, wir sehen uns morgen", wimmelte Haudrauf ihn ab. Mit einem Seufzer verließ der Schmied das Haus. Haudrauf haute erbost mit seiner Faust auf den Tisch, räumte ab und ging zornig ins Bett. Er ging fest davon aus, dass Hicks sich später hereinschleichen würde. Daher blieb er noch eine Weile wach im Bett liegen und wartete darauf, dass jemand die Tür öffnen würde. Doch das erwartete Geräusch erklang nicht. Schließlich war er von seinem Arbeitstag als Häuptling so erschöpft, dass er ungewollt einschlief.

Mitten in der Nacht öffnete er jedoch erneut die Augen. Ein furchtbarer Sturm tobte draußen. Die schweren Regentropfen prasselten auf das Dach der Hütte und ließen es klingen, als ob ein Drache auf dem Dach hopsen würde. Der Wind schlug gegen die leicht morschen Holzbretter und ließ die Holzfensterläden klappern, sodass man zu befürchten hatte, dass sie bald nachgeben und den Regen in die Behausung lassen würden. Hin und wieder sah man durch die Ritzen der Bretter das Leuchten der Blitze, worauf ein ohrenbetäubendes Donnern folgte.

'Was für ein Unwetter! Hoffentlich fürchtet Hicks sich nicht. Sonst kommt er immer zu mir, wenn es gewittert. Vielleicht sollte ich mal sehen, ob er Angst hat', dachte Haudrauf.

Er stand aus seinem Bett auf und verließ sein Zimmer. In der Feuergrube glühten noch ganz schwach die Kohlen, doch das Feuer war bereits erloschen. Zum Glück kannte er sich auch so gut genug aus, sodass er keine Fackel anzuzünden brauchte. Langsam stieg er die Stufen zum Zimmer seines Sohnes empor, wobei er um ein Haar auf die von Grobian dagelassene Tasche gestiegen wäre. Vorsichtig öffnete er die Tür und spähte in den Raum. „Hicks ... Sohn? Vielleicht war das vorhin etwas zu hart ... Alles gut bei dir?", versuchte der Vater sich zu entschuldigen und trat nun ganz in das kleine Zimmer. Doch als ein weiterer Blitz das Kinderzimmer erhellte, erkannte er zu seinem Entsetzten, das dieses verlassen war. Auf einen Schlag war er furchtbar besorgt und machte sich große Vorwürfe, so streng mit seinem Jungen gewesen zu sein und ihn nicht umgehend gesucht zu haben. Also eilte er die Treppe hinunter, schnappte sich seinen Helm und lief in den Wald.

„Hicks? Hicks! HICKS?!", schrie er ängstlich. „Haudrauf?", eine Person trat aus dem Schatten. „Grobian, was machst du bei so einem Wetter hier draußen?", wunderte sich das Oberhaupt. „Das Selbe wie du", antwortete dieser bloß. Sein guter Freund war bereits total durchnässt vom prasselnden Regen. Man konnte erkennen, dass er schon lange draußen gewesen war. Wenn nicht an seiner klatschnassen Kleidung, dann an seinem matschigen Stiefel und dem ebenso mit Matsch bedeckten Holzbein, welches ein gutes Stückchen im aufgeweichten Boden versank. „Wie lange bist du schon unterwegs? Du solltest rein gehen, sonst wirst du noch krank", empfiehl der rothaarige Mann. „Vermutlich hast du recht, ich suche schon seit ich dein Haus verlassen habe und hab mittlerweile fast den ganzen Wald durchkämmt. Trotzdem kann ich jetzt nicht einfach aufhören", lehnte er ab. Grobian hatte den kleinen Jungen, der oft bei ihm in der Schmiede war, richtig liebgewonnen. „Wieso habe ich nicht gleich einen Suchtrupp losgeschickt? Was, wenn ihm was zugestoßen ist? Ich könnte mir das nie verzeihen!", Haudrauf machte sich nun sehr große Sorgen um seinen Sohn. „Es geht ihm bestimmt gut! Ich verstehe nur nicht, warum Hicks nicht zurückgekommen ist. Er spielt oft im Wald, aber er würde doch nie nach Sonnenuntergang draußen sein oder gar die Nacht im Freien verbringen, besonders bei einem so heftigen Unwetter", grübelte der Schmied. Haudrauf schaute schuldig zu Boden. „Wir haben uns gestritten ... Ziemlich heftig", gab er zu. „Naja, das ist zwar nicht gut, aber dennoch kommt das bei euch zwei häufiger vor. Trotzdem war Hicks immer bei Sonnenuntergang zurück", bezweifelte Grobian, dass das der Hauptgrund war.

'Ich wünschte der Drache hätte dich anstatt deiner Mutter mitgenommen! Dann hätte ich wenigstens die Chance auf einen würdigen Nachfolger gehabt', hallten seine Worte sogleich in Haudraufs Kopf.

„Ich ... Ich habe behauptet, dass es mir lieber gewesen wäre, wenn er damals anstatt Valka entführt worden wäre, weil ... Weil ich dann vielleicht noch einen würdigen Thronerben bekommen hätte" , schluckte er. „DU HAST WAS!? Bist du von allen guten Göttern verlassen!?", schrie der Blonde ihn an. „Ich hab das nicht so gemeint!", rechtfertigte sich der Vater. „Du weißt doch genau, wie schuldig er sich für den Tod seiner Mutter fühlt! Wie konntest du nur sowas zu ihm sagen? Er ist noch ein Kind!", machte Grobi ihm weitere Vorwürfe. „Ich weiß, ich weiß. Ich war nur so wütend. Aber selbst dann hätte ich diese Worte nie in den Mund nehmen dürfen. Du hast keine Vorstellung davon, wie schlecht ich mich deshalb fühle!", diesmal konnte man die Reue in der Stimme des Oberhauptes deutlich hören. Daher seufzte der blonde Mann nur und bemühte sich seinen Zorn zurückzudrängen. „Keine Sorge, wir finden ihn schon. Am Besten wir suchen mal am Strand", schlug Grobi daher vor. „Grobian, der Junge ist erst 10. Woher soll er wissen, dass man sich bei Gewitter besser nicht im Wald aufhält?!", protestierte Haudrauf. „Hicks ist klug! Ich bin mir sicher, er ist zu einer Höhle am Strand gegangen", beharrte der Blonde. Das Oberhaupt gab nach und sie gingen gemeinsam zum nächstgelegenen Strand.

Am Strand

Bald waren sie am Strand angekommen. Die hohen Wellen schwappten an den Strand. Der nasse Sand blieb an den Stiefeln der Wikinger kleben. Der Regen, welcher vorher noch teilweise von den Bäumen abgehalten wurde, prasselte nun wieder mit voller Wucht auf die Wikinger hinunter. Doch auch hier fehlte jede Spur von dem vermissten Jungen. „Hicks!? Ach, Grobi, wo ist er nur?", fragte der besorgte Vater. „Oh oh, das ist nicht gut! Vielleicht solltest du mal einen Blick hierauf werfen", der Schmied stand vor einem Baum, an dem ein - mit einem Dolch fixierter - halb durchnässter Brief hing. Schnell kam Haudrauf angerannt, zog den Dolch raus und nahm die Nachricht an sich.

An Haudrauf dn Stoischen, Obe⬛haupt der Insel Berk u⬛d Vater v⬛n Hicks de⬛ Hünen de⬛ III Ha⬛dock.

Ich habe dei⬛en Sohn in me⬛ner Gewalt. Wen du ihn jemals wiede⬛sehen möchtes⬛, so⬛ltest du d⬛ch bald bei mir meld⬛n. Andernf⬛lls kan⬛st du dir einen ne⬛en Thronerb⬛n su⬛hen. Die Etsc⬛eidu⬛g lieg⬛ be⬛ dir. Un⬛ bed⬛nke, Hi⬛ks Zeit läu⬛t ab!

⬛⬛⬛⬛⬛⬛⬛⬛⬛⬛⬛⬛⬛⬛⬛

Durch den starken Regen, der bereits seit Stunden vom Himmel fiel, fehlten dem Brief an einigen Stellen Buchstaben. Dennoch konnte man die Botschaft entziffern, da die Blätter des Baumes, an welchem er befestigt war, ihn ein wenig geschützt hatten. Der Name des Entführers allerdings war total verschwommen und unmöglich zu identifizieren. „Nein! Nein, nicht", völlig fertig sank Haudrauf auf seine Knie. Grobian sah seinen Freund besorgt und fragend an. „Hicks wurde entführt", bekam der Vater nur heiser heraus. „Wir befreien ihn!", versuchte der Blonde ihm Mut zuzusprechen. „Du verstehst das nicht! Es ist meine Schuld, dass Hicks überhaupt in den Wald ist und entführt werden konnte. Und es ist meine Schuld, dass der Name des Entführers unlesbar ist, weil ich nicht sofort nach ihm gesucht habe. Vielleicht wäre ich dann auch noch rechtzeitig gekommen, um ihn zu retten. Hätte ich doch nur nicht so mit ihm geschimpft oder ihn wenigstens gesucht", jammerte er. „Du konntest doch nicht ahnen, was passieren würde! Es wurde doch bestimmt eine Forderung gestellt!? Wenn wir die einem Stamm zuordnen, können wir Hicks immer noch finden", schlug Grobian als Lösung vor, doch Haudrauf wusste es besser. „Es gibt keine konkrete Forderung. Hier steht nur, dass ich mich bald bei dem Entführer melden soll. Andernfalls wird er ihn töten", Haudrauf brachte es kaum über seine Lippen. Nun sah auch der Schmied die Aussichtslosigkeit in der Situation.

Fortsetzung folgt ...

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