Das Leiden Odins
Dieser OS ist eine Alternative zu „Der Büffelstachel".
Ohnezahn sauste geschwind über das Meer und wich dabei einigen Seefelsen aus. „Alles überprüft. Weit und breit nichts zu sehen", freute sich Hicks. Doch da gurrte Ohnezahn auch schon beunruhigt. „Ich sehe es auch, Kumpel. Lass uns mal hinschauen", stimmte der Drachenreiter zu. Sogleich glitt der schwarze Drache hinunter und landete auf dem fremden Schiff. Aufmerksam schaute sich Hicks auf dem Deck um, wobei Ohnezahn sein Maul aufleuchten ließ, um im Falle eines Angriffes sogleich einen Plasmastrahl verschießen zu können. Hicks hielt sein Schild in der rechten Hand, um sich nötigenfalls vor Angriffen schützen zu können. Jedoch schien dies nicht notwendig zu sein, denn weit und breit war niemand zu sehen. „Scheint verlassen zu sein. Dann ab zur Klippe", meinte Hicks. Gerade als er auf Ohnezahn aufsteigen wollte, vernahm er ein komisches Geräusch. Es klang wie ein elendes Jammern. Sofort drehte er sich dem Eingang des Schiffes zu. „Hallo? Ist da jemand?", rief Hicks und trat vorsichtig etwas näher. Als er zu einem schmalen Gang kam strömte ihm ein widerlicher Gestank in die Nase. „Das riecht ja furchtbar", stöhnte er und ergriff mit seiner linken Hand eine Laterne, die an der Wand hing. Ohne dass es einer Aufforderung bedurft hätte, zündete Ohnezahn sie an. „Danke, Kleiner", sagte Hicks und betrat den schmalen Gang. Dummerweise war er mit seinem linken Arm an einem hervorstehenden Nagel der Wand hängen geblieben, als er die Lampe ergriffen hatte. Aufgrund dessen war ein großes Loch in seinen Ärmel gerissen worden, weshalb nun seine blanke Haut knapp unter dem linken Schulterschützer frei lag. „Arg, na ganz toll", verdrehte Hicks genervt die Augen, als ihm das Loch auffiel. Nichtsdestotrotz ging er weiter und gelangte bald schon in das Innere des Schiffes. Sogleich weiteten sich seine Augen vor Schrecken, als sich ihm ein grauenerregender Anblick bot. Vor ihm lagen mehrere tote Menschen. Ihre Haut war blass und grünlich. Instinktiv wich er einige Schritte zurück. Da richtete sich plötzlich ein Mann, der offenbar als Einziger noch nicht der Krankheit erlegen war, stöhnend auf und versuchte sich an Hicks linkem Arm festzuhalten, wobei seine Nägel Hicks Haut genau dort zerkratzten, wo sein Ärmel aufgerissen war. Sogleich zog Hicks seinen Arm zurück und ließ die Fackel fallen. Schnell rannte er hinaus aufs Deck, dicht gefolgt von Ohnezahn. Draußen angekommen atmete er erstmal tief ein und versuchte wieder zur Ruhe zu kommen. Ohnezahn schaute ihn mit Besorgnis in den Augen an und gurrte verunsichert. „Alles gut, Kumpel. Das ist nur ein kleiner Kratzer", versicherte Hicks und legte seine Hand drauf. Dann schwang er sich auf Ohnezahn und mit einem letzten Blick auf den Gang, welcher zu dem kranken Wikinger führte, hoben sie ab.
Schleunigst flogen die zwei Freunde zur Drachenklippe. Hicks deutete Ohnezahn an, zuerst in seiner Hütte zu landen. Dies befolgte der Drache natürlich. Während Ohnezahn draußen wartete, ging Hicks hinein. Kurz nur betrachtete er mit einem mulmigen Gefühl den Kratzer auf seinem Arm. Doch schnell verdrängte er die Sorge wieder und zog sich geschwind ein neues Hemd an, sodass keiner seiner Freunde den Kratzer sehen konnte. Danach begab er sich mit Ohnezahn in die Gemeinschaftshütte, wo bereits seine Freunde warteten. „Hicks, du bist wieder da", freute sich Fischbein, als er ihn erblickte. „Ist alles in Ordnung?", hatte Astrid ein komisches Gefühl. Hicks wollte nichts lieber als zu behaupten, dass alles in Ordnung gewesen wäre, doch er konnte sie nicht so belügen. Ganz davon abgesehen war er von dem Erlebten noch viel zu aufgewühlt, als dass er einen neutralen Gesichtsausdruck hinbekommen hätte. „War etwas auf der Patrouille?", erriet die Blondine es sogleich. Hicks nickte nur bedauernd und versuchte sich wieder etwas zusammenzureißen. „Jäger? Gefangene Drachen? Viggo?", vermutete Fischbein. „Ich liebe dieses Spiel! Gut, jetzt bin ich dran! Alle mal ruhig! Hicks, ist das, was du gefunden hast größer als eine Yakbüchse?", schaltete sich Taffnuss umgehend ein. „Ich hab ein Fischerboot entdeckt", ignorierte Hicks den Zwilling und ging an seinen Freunden vorbei, wobei er bewusst den Blickkontakt mit ihnen vermied. „Ich muss doch erst raten, bevor du es verrätst! Weiß denn keiner, wie man das spielt? Aber nur um das klarzustellen, ein Boot ist größer als eine Yakbüchse und deswegen geht die Runde an den guten, alten T-nuss. Schreib ein 'Gut' in der Taffnuss Spalte", ließ dieser es nicht gut sein. Hicks schüttelte nur den Kopf über den Thorstonjungen. „Es trieb auf der offenen See. Ohnezahn und ich wollten es uns näher ansehen, doch was wir darin fanden, war ..." - „War was?", wollte Rotzbakke leicht verängstigt erfahren. Was auch immer Hicks entdeckt hatte, es hatte ihn aus der Fassung gebracht und das, das wusste jeder, war etwas, was schwer zu erreichen war. Dementsprechend fürchteten sie das, was es vermocht hatte, ihren Anführer so in Unruhe zu versetzen. „Ein Mann mit blasser, grüner Haut. Wir sind so schnell wir konnten weggeflogen", erzählte Hicks, wobei er bewusst nichts von den Leichen oder dem Zwischenfall mit dem Kratzer erwähnte, denn er wollte seine Freunde nicht beunruhigen. „Lebt er noch?", erkundigte sich Fischbein bange. „Ja", antwortete er knapp. „Dann sollten wir sofort zu ihm und ihm helfen. Sturmpfeil!", fand Astrid. „Nein, es ist zu spät", hielt er sie sogleich davon ab. Er wusste, dass der Mann dem Tode geweiht war und er wollte verhindern, dass seine Freunde in Kontakt mit ihm kamen, so wie es ihm passiert war.
„Ähm, Hicks, ähm äh. Blasse, grüne Haut? Ich bin ja ungern der Unglücksbote ..." - „Ich weiß, was du denkst, Fischbein, aber ...", versuchte Hicks den Gronckelreiter davon abzuhalten es auszusprechen. Natürlich war er sich darüber im Klaren, welche Krankheit den armen Seefahrer und seine Crew befallen haben könnte und welche Konsequenzen das demzufolge für ihn haben könnte. Wenn es sich tatsächlich um diese Krankheit handeln sollte, hatte er zu befürchten, dass er sich durch den Kontakt mit dem Wikinger angesteckt haben könnte. Aber diesen Gedanken ließ er gar nicht erst an sich ran. „Das Leiden Odins", sprach Fischbein es dennoch aus. „Ey, hey, hey, lass uns diesen Begriff nicht so leichtfertig in den Mund nehmen, denn du ...", versuchte Hicks es, da er genau wusste, wie einige aus seinem Team auf solch eine Botschaft reagieren würden und er es selbst schlicht und einfach nicht wahr haben wollte. „Moment, gleich nochmal, sagte er das Leiden Odins!?", flippte Rotzbakke sogleich aus. „Ja, ja, aber kein Grund zur Panik", versuchte Hicks ihn zu beruhigen. „Klar, kein Grund zur Panik. Das Leiden Odins. Bloß die Krankheit, die vor Jahrhunderten bereits das Inselreich schockte und ganze Wikingerdörfer entvölkert hat. Ja, sollte uns das etwa Sorgen machen? Schnell Hakenzahn, ich brauche eine Maske für meinen Mund!", rannte Rotzbakke panisch im Raum herum und suchte nach etwas, was sich als Mundschutz eigenen würde. „Tja, auf so etwas haben wir schon ewig gewartet", nahm Taff es gelassen. „Sehr witzig, ich spüre bereits Atemnot", behauptete der Jorgenson. „Wir verbrennen unsere Kleider", rief Raffnuss ihren Lösungsvorschlag in die Runde. „Nein. Nein, nein, nein. Kein Grund zur Panik, ich hab die Lösung. Wartet mal kurz ... Tada! Genau", hielt Taff voller Stolz ein verschimmeltes Toast in die Höhe. „Verschimmeltes Brot? Verrückt! Das heilt doch nicht", war dessen Schwester skeptisch. „Das wird es, Schwesterchen! Ich hatte mal eine schlimme Erkältung und damals beschloss ich verschimmeltes Brot zu essen. Fragt mich nicht wieso, denn ich weiß es nicht! Aber boom! Sofort kuriert", war Taff fest überzeugt von seinem Heilmittel. Raffnuss hingegen schaute ihn alles andere als überzeugt an. „Okay, du zweifelst jetzt, aber eines Tages wird die Wissenschaft mein Genie erkennen! Man nannte auch den alten, verrückten Onkel Henrick verrückt", ließ sich dieser weiterhin nicht beirren. „Er war verrückt, Taffnuss! Er hat seinen eigenen Bart geheiratet", versuchte ihm das Zwillingsmädchen klar zu machen. „Äh, ja, schon klar. Dummes Beispiel. Vergiss es! Gehen wir zu deinem Kleidungs-Verbrennungsplan über. Du behältst deine an, um sicher zu gehen. Kotz! Würg", rief Taff. „Arch, lasst uns keine übereiligen Schlüsse ziehen und uns nicht selbst anzünden, schimmliges Brot essen oder hyperventilieren", griff Hicks schnell ein. Er hatte sich inzwischen wieder einigermaßen gefangen und setzte nun alles daran, seine Freunde davon abzuhalten in Panik zu geraten. Sogleich hörte Rotzbakke damit auf in seinen Stiefel zu atmen und schaute Hicks fragend an. „Rotzbakke, du wirst das Leiden Odins nicht durch atmen kriegen", wies Fischbein ihn darauf hin. „Das weiß ich doch", behauptete dieser und warf schnell seinen Stiefel hinter sich. „Diese Krankheit ist doch seit Jahrhunderten nicht wieder aufgetaucht. Außerdem ist Hicks da auch gleich wieder weg", schaltete sich Astrid ein. Kurz darauf machte sie sich auf den Weg zu Hicks und legte ihm eine Hand auf die Schulter. „Bist du dir sicher, dass es dir gut geht?", wollte sie sich vergewissern. „Ja, mir geht's gut", antwortete Hicks sogleich. Mit einem aufgezwungenen Lächeln wischte er ihre Hand von seiner Schulter. Er konnte praktisch sehen, dass Astrid nicht gänzlich überzeugt war und ihn erneut darauf ansprechen wollte. Da er wusste, dass er im Falle von Nachfragen irgendwann schwach werden und den Zwischenfall verraten würde, versuchte er schnell von dem ganzen Vorfall abzulenken. „Außerdem müssen wir uns ohnehin keine Sorgen darüber machen, angesteckt zu werden, schließlich wollten wir heute doch nach Berk aufbrechen. Wir sollten ohnehin los, sonst wird es zu spät. Es sei denn ihr wollt nicht mehr ..." - „Doch", riefen sogleich alle. „Na dann, lasst uns aufbrechen", meinte Hicks schnell, stieg auf Ohnezahn und flog zu seiner Hütte, um seine Reisetasche zu holen.
In seiner Hütte angekommen seufzte er erstmal erleichtert aus. Zum Glück hatten sie diese Reise nach Berk geplant gehabt, sonst wäre er mit seiner Lüge sicher nicht davongekommen. Ohnezahn betrachtete ihn mit einem sorgenvollen Blick. „Ich hab mich ganz bestimmt nicht angesteckt, Kumpel. Wenn ich den anderen von diesem klitzekleinen Kratzer erzählen würde, würden sie nur falsche Schlüsse ziehen und sich unnötig Sorgen machen. Vielleicht hatte der Wikinger ja auch gar nicht das Leiden Odins. Es wird sicher alles gut", redete Hicks Ohnezahn gut zu, wobei er wohl mehr sich selbst überzeugen wollte. „Hicks, wo bleibst du?", riefen seine ungeduldigen Freunde von draußen nach ihm. „Ich komme", schrie er laut und schnappte sich seine gepackte Tasche. Gemeinsam machte sich die kleine Truppe schließlich auf den Weg nach Berk. Nach mehreren Stunden hatten sie den größten Teil der Strecke zurückgelegt. Jedoch war es inzwischen Nacht geworden und die Drachen waren verständlicherweise müde. „Vielleicht sollten wir lieber irgendwo landen und übernachten?", schlug Astrid vor. „Gute Idee! Fischbein, gibt es hier irgendwo eine sichere Insel?", erkundigte sich Hicks. Dieser blickte sogleich auf eine kleine Landkarte, die er stets mit sich führte. „Es müsste bald eine Insel rechts von uns auftauchen, dort können wir ohne Bedenken hin", meinte Fischbein, nachdem er kurz die Karte studiert hatte. „Bist du dir sicher? Ich will nicht schon wieder auf einer Insel übernachten, wo es einen Todsinger, Brüllenden Tod oder eine Horde Wildschweine gibt", motzte Rotzbakke. „Fischbein weiß, was er tut", stand Hicks hinter seinem Freund. „Ist das dort die Insel?", meldete sich Astrid zu Wort. Nachdem Fischbein dies bestätigt hatte, landeten sie sogleich und suchten sich einen Schlafplatz. Sie legten sich im Kreis ums Feuer herum und schliefen aus Müdigkeit sogleich ein. Jedoch wachte Hicks schon nach kurzer Zeit wieder auf. Er fühlte sich nicht besonders gut. Sein Kopf pochte heftig und er fühlte sich irgendwie schwummrig. Trotz seiner Decke war ihm außerordentlich kalt, was komisch war, denn es war eine sehr laue Nacht. Da er unbedingt noch einige Stunden Schlaf abbekommen wollte, ging er zu Ohnezahn und legte sich unter dessen Flügel. Verdutzt wachte Ohnezahn auf und hob seinen Flügel an, nur um seinen Reiter an ihn angekuschelt vorzufinden. Ohne zu zögern wickelte er Hicks so in seine Flügel ein, dass lediglich der braune Haarschopf zu sehen war. Dann legte der Drache seinen Kopf neben den seines Reiters und drückte sich somit noch näher gegen Hicks, um ihm mehr seiner Körperwärme abgeben zu können. Dank seinem fürsorglichen Drachen konnte der Junge wenigstens einige Stunden eine erholsame Nachtruhe genießen.
Dennoch war Hicks am Morgen der Erste, der wach wurde. Er setzte sich an das von Ohnezahn neu entfachte Feuer und versuchte sich daran aufzuwärmen. Bedauerlicherweise waren die Symptome, die sich bereits in der Nacht bemerkbar gemacht hatten, nicht, wie er es gehofft hatte, weggegangen, sondern hatten sich im Gegenteil sogar noch verstärkt. Hicks fühlte sich total matt und schwach. Als seine Freunde aufwachten, bemerkten sie relativ schnell, dass es ihrem Anführer nicht sonderlich gut zu gehen schien. „Hicks, wie fühlst du dich? Du siehst etwas krank aus", entging es Astrid nicht. „Ach, es geht schon. Das kommt nur daher, dass ich gestern den ganzen Tag am Fliegen war und der kalte Gegenwind hat mir vermutlich nicht so gut getan. Außerdem hat mir Ohnezahn in der Nacht unbewusst meine Decke entzogen und ich hab es nicht geschafft, sie unter ihm herauszuziehen. Vermutlich habe ich mir dadurch eine leichte Erkältung zugezogen, aber das wird schon wieder", behauptete er umgehend. Ohnezahn schnaubte empört, als er die Lügengeschichte hörte. Er fand es gar nicht gut, dass Hicks ihn in seiner Ausrede zum Schuldigen erklärt hatte, obwohl er doch genau das Gegenteil gemacht hatte. Besänftigend streichelte der Drachenreiter ihm über den Kopf. Natürlich konnte Ohnezahn ihm da nicht lange böse bleiben. Immerhin war Hicks sein bester Freund. „Wenn es dir nicht sonderlich gut geht, können wir auch noch einige Tage hier bleiben, bis es dir wieder besser geht, bevor wir weiterfliegen", schlug Fischbein vor. „Nein, das ist wirklich nicht nötig. Es geht schon. Außerdem ist Berk nicht mehr weit weg und es ist sicherlich besser, wenn ich mich auf Berk in meiner Hütte hinlege, anstatt mich hier draußen unter freiem Himmel auszukurieren", lehnte Hicks schnell ab. Dieses Argument leuchtete seinen Freunden sogar ein. „Na schön, aber wenn du unterwegs eine Pause einlegen willst, dann ..." - „Danke für das Angebot, Astrid, aber ich schaff das schon. Es geht mir ohnehin nicht so schlecht", beschönigte Hicks es.
Somit flog die kleine Truppe schnell weiter. Die Stimmung war aufgrund der Vorfreude auf die Heimkehr sehr ausgelassen. Daher bemerkte nur Ohnezahn, dass es Hicks zunehmend schlechter ging und er in Gefahr geriet vom Sattel zu rutschen. Besorgt gurrte der Nachtschatten, doch erntete nur ein besänftigendes Kopftätscheln. Bald schon war Berk kaum eine Stunde Flugzeit mehr entfernt. Jedoch fielen Hicks langsam aber sicher die Augen zu und seinem Körper fehlte die nötige Kraft, sich noch festzuhalten. „Hicks?", Astrid war aufgefallen, dass sich der Zustand des braunhaarigen Drachenreiters verschlimmert hatte, weshalb sie ihn darauf hatte ansprechen wollen. „Hicks?!", versuchte sie es bestimmter, erhielt jedoch abermals keine Antwort. „Hicks!", schrie sie, als sie voller Schrecken zusehen musste, wie Hicks unerwartet von Ohnezahn kippte. Ohne zu zögern stürzte Sturmpfeil dem fallenden Jungen nach. Rotzbakke hatte unterdessen Hakenzahn angewiesen, Ohnezahn zu packen, damit er nicht auch fallen würde. Nur einen kurzen Augenblick später tauchte Sturmpfeil wieder auf. Hicks saß vor Astrid auf ihrem Drachen und wurde von der Wikingerin zusätzlich gestützt, damit er nicht erneut hinunterfallen würde. „Hicks, was ist passiert?", wollte Fischbein besorgt erfahren, wie es sein konnte, dass er plötzlich ins Schwanken geraten und von seinem Drachen gefallen war. „Ich bin wohl kurz eingeschlafen, aber es geht wieder", meinte er nur. Obwohl sie nicht wirklich überzeugt davon waren, ließen sie ihn wieder auf Ohnezahn reiten. Jedoch verlangten sie, dass Hicks sich hinlegen und ausruhen würde, was dieser, nachdem er die Flugsteuerung so eingestellt hatte, dass er nicht andauernd die Schwanzflosse bedienen musste, auch tat. Besorgt beobachteten seine Freunde ihn, um sicherzustellen, dass sich das Geschehene nicht wiederholen würde. Sie erhöhten auch das Tempo ein wenig, damit sie möglichst schnell auf Berk ankommen würden. Zwar machten sie sich große Sorgen um ihren kranken Anführer, doch dachte momentan keiner mehr an den Vorfall vom Vortag, weshalb sie auch nicht auf die Idee kamen, dass Hicks etwas Ernsteres als eine Erkältung oder Grippe haben könnte. Vermutlich glaubten sie Hicks auch einfach zu sehr, immerhin gingen sie davon aus, dass er ihnen etwas dermaßen Wichtiges wie einen näheren Kontakt mit einem Infizierten einer tödlichen Krankheit niemals verschweigen würde. Noch ahnte keiner von ihnen, wie sehr sie sich doch irrten.
Auf Berk
Endlich war der ersehnte Umriss ihrer Heimatinsel in Sicht. „Hicks, wir sind da", weckten sie ihren Anführer auf. Dieser richtete sich zögerlich und langsam auf, da ihm etwas schwindelig war und er nicht wollte, dass seine Freunde es mitbekamen. „Großartig, dann flieg ich gleich mal zu meinem Haus und ...", wollte er sagen, doch wurde von Astrid unterbrochen: „Nicht so schnell, erst musst du zu Gothi und dich untersuchen lassen". Das wollte Hicks auf gar keinen Fall zulassen, weshalb er versuchte sich rauszureden: „Das ist wirklich nicht nötig, ich habe nur eine kleine Erkältung". Inzwischen hatte er sich selbst bedauerlicherweise eingestehen müssen, dass er sich mit dem Leiden Odins infiziert hatte. Daher befürchtete er, dass Gothi erkennen würde, um welche Krankheit es sich in Wirklichkeit handelte und seine Lüge von der Erkältung aufdecken würde. Das wollte er unbedingt vermeiden. Er wusste, dass er nicht mehr lange zu leben hatte und wollte seine letzten Tage noch in Frieden verbringen und nicht von seinen Freunden bemitleidet und betrauert werden. Doch diese hatten ihre eigene Meinung zu dem Thema. Sie hatten bereits auf dem Flug entschieden, dass Hicks unbedingt die Heilerin aufsuchen müsste, damit sie ihm eine Medizin für seine Erkältung verabreichen konnte. „Dennoch solltest du zu Gothi gehen. Sie kann dir helfen schneller gesund zu werden. Also wirst du jetzt zu aller erst bei ihr vorbeischauen. Keine Widerrede", ließ Astrid es nicht zu. „Wenn es dir so schlecht geht, dass du sogar von Ohnezahn fällst, dann solltest du wirklich ärztliche Hilfe in Anspruch nehmen", stimmte Fischbein zu. Hicks seufzte, als er seine Niederlage einsah. Zusammen flog die Truppe zur Heilerhütte.„ Raff, Taff, könnt ihr Haudrauf Bescheid geben, dass wir da sind und dass Hicks krank ist?", gab Astrid den Zwillinge als Auftrag. „Schon unterwegs", willigten diese ein. „Nein, nicht meinem Vater ... arch", war Hicks genervt, als die Zwillinge bereits fort waren. Er wusste, dass seine Freunde es nur gut meinten und normalerweise wäre er ja auch dankbar für ihre Fürsorge, aber in diesem speziellen Fall wollte er einfach, dass niemand von seiner Krankheit erfahren würde, damit sich keiner Sorgen um seinen Tod zu machen brauchte.
Nichtsdestotrotz musste er die Heilerhütte betreten, da seine Freunde darauf bestanden, ihm bei seiner Untersuchung beizustehen. Als Gothi den Häuptlingssohn erblickte, konnte Hicks ihr bereits an ihrem Gesichtsausdruck ablesen, dass sie wusste, dass es sich um etwas Ernstes handelte. Seine Freunde hingegen schienen dies noch nicht bemerkt zu haben. Gothi verarztete schnell noch den Patienten, der gerade an der Reihe war, bevor sie die Wartenden wegschickte, um sich ganz auf den zukünftigen Häuptling konzentrieren zu können. Hicks hatte gerade auf dem Behandlungsbett platz genommen, als auch schon die Zwillinge und sein Vater in die Hütte traten. „Hicks, was ist passiert?", war das Oberhaupt besorgt. „Alles ist gut, ich bin nur erkältet. Eigentlich ist es auch wirklich nicht nötig wegen so einer Kleinigkeit Gothi von der Behandlung ihrer Patienten abzuhalten", versicherte Hicks ihm. „Du bist im Flug von Ohnezahn gefallen", rief Rotzbakke es ihm abermals ins Gedächtnis. „Müsst ihr wirklich immer darauf rumreiten? Ich war nur etwas müde", verteidigte er sich. „Eine Medizin kannst du trotzdem gut gebrauchen", fand Fischbein. „Das ist wirklich sehr nett von euch, aber ich habe nur eine kleine Erkältung oder Grippe. Nichts Ernstes. Mir geht es gut", wollte Hicks beteuern und stand auf, was jedoch nicht gerade die beste Idee war, denn ihm wurde sogleich schwindelig. „Bist du dir sicher? Du bist nämlich ziemlich blass und siehst so aus, als ob du jeden Moment umkippen würdest", wies Raffnuss ihn darauf hin. „Jap, vielleicht solltet ihr mich auffangen", lauteten Hicks Worte, bevor der Schwindel zu stark wurde und er, wie von dem Zwillingsmädchen vorausgesagt, umkippte. „Hicks", rief Haudrauf und rannte zu ihm. Kurz bevor sein Sohn auf den Boden aufschlug fing er ihn auf. Besorgt legte er seinen Jungen auf das Krankenbett zurück, während die Gruppe immer noch nicht glauben konnte, dass ihr Anführer plötzlich umgefallen war und das gewissermaßen schon zum zweiten Mal.
„Fischbein, was schreibt sie?", erkundigte sich Astrid, als sie bemerkte, dass Gothi etwas in den am Boden verstreuten Sand gekritzelt hatte. Haudrauf drehte sich sogleich zu den Drachenreitern. „Sie schreibt, dass was auch immer Hicks hat, es ist sicher keine harmlose Grippe oder Erkältung", übersetzte Fischbein mit einem leicht beunruhigten Tonfall. „Aber was ist es denn sonst?", wunderte sich Rotzbakke. „Sie will wissen, ob in letzter Zeit irgendwas Besonderes vorgefallen ist. Oder ob Hicks die letzten Tage in Kontakt mit einer fremden Drachenart gekommen ist", fuhr Fischbein fort. „Nein, die letzten Tage waren ganz ruhig. Und wir sind auf keine außergewöhnlichen Tiere gestoßen. Außerdem waren wir die ganze Zeit zusammen", antwortete Astrid sogleich. „Ausgenommen von Hicks Patrouillenflug gestern", erinnerte sich Taff, wobei er diese Information so beiläufig einfließen ließ, als ob er ihr keinerlei Bedeutung zumaß. Doch plötzlich ging den anderen Drachenreitern ein Licht auf. Die ganze Truppe schaute mit weit aufgerissenen Augen zu ihrem Anführer. „Warum schauen wir jetzt eigentlich alle Hicks an?", wollte Taff nach kurzer Zeit verwundert wissen. „Weil er gestern dieses Boot entdeckt hat", erklärte ihm dessen Schwester. „Was für ein Boot?", schaltete sich Haudrauf ein, der nun sehr verwirrt war. „Hicks hat gestern erzählt, dass er auf seinem morgendlichen Kontrollflug ein Boot entdeckt hat, auf dem ein Wikinger mit blasser, grünlicher Haut war", berichtete Fischbein. „Das Leiden Odins?", rief diese Aussage Haudrauf sofort die gefürchtete Krankheit ins Gedächtnis. „Aber das kann unmöglich der Grund sein! Hicks hat sich von dem infizierten Wikinger fern gehalten und ist umgehend von dort weg! Stimmt's, Hicks?", weigerte sich Astrid gegen diese mögliche Ursache für Hicks Krankheit. „Ja, ich bin sogleich weg, als ich den Kranken gesehen habe", bestätigte er dies, doch griff mit seiner Hand unbewusst an die Stelle, wo sich der Kratzer auf seinem Arm befand. „Seht ihr, Hicks hat Abstand gehalten, also kann er sich unmöglich angesteckt haben", war das blonde Mädchen erleichtert darüber, dass diese tödliche Krankheit ausgeschlossen zu sein schien.
Gothi jedoch wusste aufgrund ihrer langjährigen Berufserfahrung, dass viele Wikinger unbewusst ihre Hand über ihre Verletzungen legten, um diese abzudecken, wenn sie nicht wollten, dass jemand davon erfuhr. Dementsprechend war es ihr nicht entgangen, als Hicks selbiges gemacht hatte. Hicks aufgesetztes Lächeln, mit dem er seine Freunde in vorgetäuschter Sicherheit wiegen wollte, verging sogleich, als Gothi seinen linken Arm mit ihrem Stock zu sich zog und seinen Ärmel hochkrempelte, bis der Kratzer zum Vorschein kam. Beschämt blickte Hicks auf den Boden. „Hicks?", raunte Haudrauf fassungslos, als sich der Verdacht auf das Leiden Odins erhärtete. „Was ... Was ist das?", wollte Fischbein das nicht wahr haben. „Nur ein kleiner Kratzer", verharmloste der Braunhaarige es erneut. „Woher hast du den?", hoffte Astrid inständig, dass er nicht das sagen würde, was sie mittlerweile befürchtete. Hicks rieb sich nur mit seiner rechten Hand am Hals. „Der ist von deinem Patrouillenflug, nicht wahr!?", wurde es Rotzbakke bewusst. „Na schön, vielleicht habe ich da möglicherweise ein kleines Detail ausgelassen, als ich euch gestern von dem Boot erzählt habe", gab Hicks schließlich zu. „Und das wäre?", wollte Taff neugierig wissen. „Unter Umständen könnte es sein, dass ... Naja, ich mit meinem Ärmel an einem Nagel hängen geblieben bin, wobei ein Loch in meinen Ärmel gerissen wurde und der kranke Wikinger auf dem Schiff, als er unerwartet meinen Arm ergriffen hat, diesen kleinen Kratzer verursacht hat", sprach Hicks den letzten Teil des Satzes ganz schnell, jedoch noch gerade so verständlich und setzte dann ein versöhnliches Lächeln auf, womit er seine eigene Unsicherheit verdecken wollte. „Wie konntest du uns das nur verschweigen!?", schrie Astrid ihn an. „Ich wollte euch nicht beunruhigen. Außerdem ist es doch nur ein harmloser Kratzer, nichts von Bedeutung", versuchte er sich zu rechtfertigen. „Nichts von Bedeutung? Hicks, verdammt, es heißt, dass du infiziert wurdest!", flippte Astrid aus, als ihr bewusst wurde, dass ihr bester Freund tatsächlich diese tödliche Krankheit hatte.
„Gothi, es muss doch irgendein Heilmittel geben!?", wandte sich Haudrauf hoffnungsvoll an diese. „Sie meint, dass die Krankheit sehr gefährlich ist, da sie sich schnell ausbreitet und die Betroffenen ihr in weniger als 3 Monden erliegen. Sie schreibt, dass sie es möglicherweise um eine Nacht herauszögern kann. Aber unsere einzige Chance Hicks zu retten besteht darin, ihm das Heilmittel zu verabreichen. Dabei handelt es sich um eine grüne Lösung aus dem Speichel eines Büffelstacheldrachens", übersetzte Fischbein die Antwort der Heilerin. „Ein Mond ist bereits verstrichen", meinte Astrid entsetzt, als sie hörte, wie wenig Zeit ihnen nur noch blieb. „Zumindest wissen wir, dass es ein Heilmittel gibt", sah Rotzbakke es positiv. „Auch wenn das nicht viel bringen dürfte", seufzte Hicks. „Was soll das bedeuten?", wunderte sich Haudrauf über diese merkwürdige Aussage. „Es gibt keine Büffelstacheldrachen mehr. Sie wurden alle während des letzten Ausbruchs gejagt, bis sie ausgestorben sind", erklärte Hicks, was ihm aus Büchern bekannt war. „Irgendwo muss es noch welche geben", weigerte sich Astrid das einzusehen. „Selbst wenn, dann wissen wir nicht wo. Nirgendwo wird ein Aufenthaltsort von Büffelstacheldrachen erwähnt", meldete sich Fischbein verzweifelt zu Wort. „Und genau deshalb wollte ich nicht, dass ihr davon erfahrt. Ich will nicht, dass ihr die Zeit, die mir noch bleibt mit der Suche nach etwas vergeudet, was nicht mehr existiert", erklärte Hicks. „Nein, so darfst du nicht denken! Wir finden einen Büffelstachel und bringen dir das Heilmittel. Du wirst wieder gesund und wir werden noch ganz viel Zeit mit dir verbringen können", war es für Astrid unerträglich, dass Hicks sich mit seinem Tod abgefunden hatte. „Du kannst jetzt nicht aufgeben" - „Du gibst nie auf", stimmten die Zwillinge zu. „Verlass dich auf uns, wir bringen dir dieses Heilmittel", war Rotzbakke entschlossen. Hicks lächelte nur leicht. Er wusste, dass die Chancen schlecht standen, aber sich seine Freunde ohnehin nicht davon abbringen lassen würden. „Gothi, kümmere dich um meinen Sohn, wir kümmern uns um das Heilmittel", ordnete Haudrauf an und fuhr seinem Sohn liebevoll durch die Haare, bevor er die Hütte mit den Reitern verließ.
Fortsetzung folgt ...
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