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Als Amelia an diesem Morgen erneut in Hogwarts aufwacht, streckt sie sich erst einmal ausführlich und würde am liebsten liegen bleiben, doch etwas in ihr sagt ihr, dass sie schleunigst aufstehen sollte. Als sie einen Blick auf ihren Stundenplan wirft, weiß sie auch, was es ist: Verteidigung gegen die dunklen Künste mit Snape.
„Kann der Morgen eigentlich noch besser anfangen?", fragt sie und seufzt. Sie ist immer noch froh, dass sie keine Zimmernachbarin hatte. So macht sie einfach ihre Musik an und es stört niemanden. Sie ist sich immer noch nicht sicher, was sie davon halten soll, dass Snape nun Verteidigung gegen die dunklen Künste unterrichtet. Denn sie weiß, dass Snape zwar ein bemerkenswerter Zauberer ist, allerdings kann sie sich schwer vorstellen einen ebenso kompetenten Lehrer für Zaubertränke zu bekommen.
Und sie ist sich ebenfalls nicht sicher, ob Snape die armen Schüler mit seinen Fähigkeiten nicht völlig überfordern würde. Immerhin weiß sie, wovon sie redet. Hatte sie ihn doch schon so viele Male kämpfen sehen.
Amelia macht sich in Ruhe für den Tag fertig und zieht sich ihre Schuluniform an, nachdem sie sich geschminkt hat und ihre Haare ordentlich liegen.
Als sie ihre Tasche geschultert hat, geht sie durch den Slytherin-Gemeinschaftsraum und weicht den Blicken der anderen Schüler aus, denn sie hat keine Lust sich jetzt mit diesen Auseinanderzusetzen. Sie möchte einfach nur noch frühstücken und danach Snapes Unterricht über sich ergehen lassen. Verteidigung gegen die dunklen Künste... endlich hat er das Fach, das er immer unterrichten wollte... Amelia hofft, dass er seine Sache wenigstens gut macht.
In der großen Halle angekommen, setzt sie sich wie immer an den Rand ihres Haustisches und beginnt stumm zu essen. Sie registriert, dass sich Draco ihr gegenüber hinsetzt, doch sie sieht ihn nur kurz an, bevor sie ihren Blick wieder auf Brot wendet. Es kommt ihr so vor, dass die Stimmung in der großen Halle heute besonders ausgelassen ist und am liebsten würde sie aufstehen und gehen. Wieso sind denn alle so gut gelaunt? Das ist doch schrecklich!
„Wie geht es dir, Amelia?", richtet Draco plötzlich aber das Wort an sie und Amelia sieht zu ihm auf. Als sie sieht, dass er tiefe Augenringe hat und seine Augen gerötet sind, schnaubt sie.
„Besser als dir auf jeden Fall. Was ist passiert?", fragt sie und zieht eine Augenbraue in die Höhe. Ihr ist in letzter Zeit häufiger aufgefallen, dass es Draco schlecht geht. Er versucht immer wieder es gut zu verstecken, doch sie durchschaut den Jungen ohne Weiteres. Sie hatte gelernt, wie man sich verhält, wenn man etwas verstecken möchte, dass einen eigentlich so sehr beschäftigt, dass man die Nächte wach liegt.
„Nur Stress mit meinem Vater, mach dir keine Gedanken.", antwortet er und lächelt schwach. Amelia beschließt, dass sie es lieber sein lässt und versucht das Thema zu wechseln.
„Wie waren deine Ferien? Ich hatte gehofft deine Eule würde mich noch Mal erreichen.", fragt Amelia und Draco seufzt. Sofort erkennt Amelia, dass es ihr nicht erfolgreich gelungen ist das Thema zu wechseln und dass sie wahrscheinlich gerade alles nur noch schlimmer gemacht hat.
„Ich wollte dir schreiben, aber ich hatte so viel zu tun.", versichert er ihr und Amelia winkt ab.
„Ich hatte auch ohne deinen Brief keine Langeweile, also mach dir nichts draus.", antwortet sie und lächelt ausweichend. Sie betet innerlich, dass er nicht fragt, was sie gemacht hat, denn vom Orden könnte sie unmöglich erzählen. Und ihm gegenüber sollte sie wahrscheinlich auch nicht von dem Desaster mit ihrer Wohnung berichten. Amelia ist sich auch immer noch nicht sicher, ob Lucius seine Hände nicht doch mit im Spiel hatte. Immerhin kennt er Amelia und wird durch Draco wahrscheinlich auch gut Bescheid wissen, was ihre Schwächen sind. Denn sie ist sich sicher, dass Draco seinem Vater damals sicherlich erzählt hat, dass Rolanda ermordet wurde. Wenn er es nicht schon vorher gewusst hatte.
„Na dann ist ja alles gut.", lächelt Draco entschuldigend und Amelia wirft einen kurzen Blick auf ihre Uhr.
„Ich gehe jetzt zum Unterricht, wir sehen uns da.", verabschiedet sich Amelia von Draco und steht auf, da sie sieht, dass sich Harry, Ron und Hermine ebenfalls zum Unterricht erheben und sie immer mit diesen Dreien zusammen geht. Gerade in den Ferien ist ihre Verbindung zu den drei Gryffindors nur noch stärker geworden und Amelia hatte in Harry einen guten Trauerpartner zwecks Sirius gefunden.
Auch mit Snape hatte sie in den Ferien mehr Zeit verbracht und mittlerweile kann sie nicht mehr abstreiten, dass sie ihrem Hauslehrer und Ordenspartner ernsthaft zugetan ist. Sie hatte die seltsamen Blicke der anderen gesehen, wenn die beiden zusammen am Küchentisch saßen und fachliche Gespräche über Zaubertränke oder Zauber geführt haben, doch es hatte sie nicht gestört. Sie hätte den anderen gegenüber sogar mit Freude zugegeben, dass sie es genossen hat Zeit mit dem Slytherin zu verbringen und dass er genau in den Momenten mit einer interessanten Thematik bei Amelia aufgetaucht ist, als sie an ihre Mutter oder Sirius denken musste. Und sie hatte gemerkt, dass seine Anwesenheit ihr dabei hilft, sich besser zu fühlen. Weil sie gemerkt hat, dass sie nicht so alleine ist, wie sie sich anfangs gefühlt hatte. Denn auch, wenn sie in mehreren Schülern gute Freunde gefunden hatte, brauchte sie manchmal einfach nur jemanden in ihrem Alter, der ihre bisherigen Erlebnisse nachvollziehen kann. Und welchen besseren Menschen gibt es für ein Gespräch darüber, wie man sich gefühlt hat, sein ganzes Leben lang der Außenseiter zu sein, als Severus Snape, der dieses Gefühl wahrscheinlich am besten nachvollziehen kann?
„Guten Morgen, Leute.", sagt sie zu den drei Gryffindors und versucht dabei halbwegs fröhlich zu klingen, denn ihre Freunde haben ebenfalls alle ein breites Grinsen auf dem Gesicht. Daran kann scheinbar auch die Tatsache, dass sie gleich bei Snape Unterricht haben, nichts ändern.
„Morgen.", kommt es dreistimmig zurück und Amelia schließt sich den Gryffindors bei ihrem Weg zum Unterrichtsraum an. Ihr Weg zu ihrem Raum kommt ihr viel zu kurz vor und so kommt es, dass sie wenige Minuten später schon an ihrem gemeinsamen Tisch mit Neville Longbottom sitzt. Dieser sieht aus, als würde er lieber irgendwo anders sein, als hier, weshalb Amelia ihm ihre Hand auf den Unterarm drückt. Sie kann seine Angst verstehen, denn sie weiß, dass Neville trotz Dumbledores Armee immer noch nicht auf dem Stand ist, auf dem er sein sollte. Doch seine Prüfungen hatte er bestanden, sodass
„Er wird schon nichts Schlimmes machen.", versucht sie ihn aufzumuntern. Zwei Minuten später weiß sie, wie falsch sie damit liegt. Schon als Snape in den Raum stürmt, beginnt Neville zu zittern. Ohne sich lange mit einer Begrüßung aufzuhalten, gleitet Snapes Blick durch das Klassenzimmer.
„Ich brauche einen Freiwilligen... Mr. Longbottom.", schnarrt er und Neville erstarrt. Doch er weiß ganz genau, dass er sich nicht dagegen wehren sollte, weshalb er sich langsam erhebt. Amelia sieht ihn genau an, als er nach vorne tritt und betet, dass er sich nicht ganz so stark anmerken lässt, wie eingeschüchtert er eigentlich ist. Denn sie weiß, dass Snape das mit Freude ausnutzen wird.
„Sie versuchen mich anzugreifen und ich werde Ihre Angriffe abwehren, sofern dies überhaupt nötig ist, bei ihren jämmerlichen Kräften.", sagt er und stellt sich kampfbereit hin. Alleine die Tatsache wie lässig er dort steht, lässt Amelia sauer werden. Er nimmt Neville nicht das kleinste bisschen ernst. Am liebsten würde sie aufstehen und dem Jungen helfen. Denn auch, wenn sie in letzter Zeit eine starke Sympathie zu Snape hegt, heißt das nicht, dass sie seine Taten gut reden kann.
Neville greift Snape mit zittrigen Händen an und versucht ihn zu entwaffnen, doch Snape braucht nicht Mal seinen Zauberstab zu bewegen, um die Flüche abzuwehren. Amelia bekommt Mitleid mit Neville, denn sie weiß, dass Snape ein unfairer Gegner für ihn ist. Snape hat jahrelange Kampferfahrung, während Neville niemals aktiv außerhalb der Schule gezaubert hatte, außer das letzte Jahr, als er mit den anderen im Ministerium war. Zudem ist Snape sehr gewissenhaft und unglaublich präzise im Ausführen seiner Zauber, sodass ihn das noch mächtiger erscheinen lässt.
Nach drei Minuten hat er scheinbar genug davon, dass Neville ihm Flüche entgegen schießt, denn er entwaffnet den Jungen und sieht ihn spöttisch an.
„Eine außerordentlich schlechte Leistung. Ich bin gespannt, wie sie am Ende des Jahres ihre Prüfung ablegen wollen.", spottet er und Amelia verdreht die Augen, während Neville sich wieder neben sie setzt.
„Mach dir nichts draus, Neville. Snape ist ein alter Angeber. Er braucht das für sein Ego.", flüstert sie ihm zu, ist dabei aber lauter, als beabsichtigt. Ihr Blick schießt zu Snape, als sie realisiert, wie laut sie geredet hat, denn Harry und Ron, die vor den Beiden sitzen, beginnen zu kichern. Snape sieht so aus, als würde er sie jeden Moment töten wollen.
„Miss Hooch, wollen wir doch mal sehen, was sie so können. Kommen Sie her.", fordert Snape und Amelia erhebt sich.
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Snape sieht zu ihr, wie sie mit selbstsicheren Schritten nach vorne kommt und sich gegenüber von ihm hinstellt. Er weiß nicht, was ihn eben noch geritten hat, sie zu einem Kampf herauszufordern, denn er hatte diese Frau schon häufiger im Kampf gesehen und musste sich eingestehen, dass sie ihm und seinen Kräften in nichts nachstand. Zudem hatte sie schon unzählige Male an seiner Seite gekämpft und weiß, wie er kämpft. Sie kennt seine Taktiken, seine Kampfmuster und seine Ausweichmanöver. Dies hier würde also für ihn nicht so einfach werden, wie der Kampf gegen Mr. Longbottom. Amelia ist nicht umsonst ein Mitglied des Ordens. Snape verflucht sich innerlich dafür, dass er sich nicht zurückhalten konnte als diese kleine, verdammte Slytherin zu sprechen begonnen hatte.
Noch bevor er einen Befehl geben konnte, dass der Kampf nun beginnen darf, schießt Amelia den ersten Fluch ab und Snape wehrt ihn ab. Er spürt, dass Amelia sich noch zurückhält, denn der Fluch war ziemlich schwach. Snape feuert ebenso einen Fluch zurück, den Amelia gar nicht erst abwehrt, sondern direkt auf ihn zurückwirft. Snape wehrt ihn ab und weicht gerade noch so dem nächsten Fluch aus, den Amelia ihm entgegen schießt, dieses Mal deutlich stärker. Er spürt, dass er ihren Kampfgeist gewonnen hat und sie nichts weiter will, als seiner Klasse zu zeigen, dass auch er verlieren kann. Sofort werden seine Angriffe häufiger.
Snape feuert unaufhörlich Flüche auf die junge Frau, doch er scheint damit keinen Erfolg zu haben. Allerdings möchte er auch nicht einfach so aufgeben und damit verlieren. Er spürt die erstaunten und bewundernden Blicke seiner Schüler, die Amelia treffen und spürt sich in diesem Moment beinahe in seiner Ehre gekränkt. Seine Flüche werden aggressiver und er feuert alles ab, was er hat. Mit einem selbstsicheren Hochziehen seiner Mundwinkel - als Lächeln kann man dies bei weitem noch nicht bezeichnen - stellt er fest, dass sie jetzt schon mehr Probleme hat und sich schwerer tut.
Snape ist sich sicher, dass er gewinnen wird, als sich plötzlich grausame Bilder in seinem Kopf formen, von denen er realisiert, das sie von Amelia und ihren Erinnerungen stammen. Er wusste, dass sie diese Kräfte besitzt, doch er hätte niemals gedacht, dass sie diese auch gegen ihn einsetzen würde. Er hätte nie damit gerechnet, dass sie ihre Erinnerungen in seinen Kopf projiziert, um ihn aus dem Konzept zu bringen. Und was ihn noch mehr erschreckt ist, wie sehr es ihn trifft, all diese schrecklichen Bilder aus ihrer Vergangenheit zu sehen.
Er versucht sie mit Okklumentik auszusperren, versucht zu verhindern, dass sie in seinen Geist eindringt und ihm diese Bilder zeigt, doch er merkt schnell, dass er gegen ihre Kräfte machtlos ist. Dunkel erinnert er sich daran, dass es nur wenige Ausnahmen gibt, wann Okklumentik, so gut sie auch sein mag, nicht wirkt. Und die Kräfte der Feuerbändiger gehören dazu.
Snape keucht auf, als die Bilder deutlicher und schlimmer werden und er spürt, dass sie ihm den Zauberstab aus der Hand zaubert, doch er ist immer noch auf die Bilder konzentriert, die er sieht. Als sich diese langsam wieder auflösen, merkt er, dass er schwerer atmet und versucht seine Atmung wieder unter Kontrolle zu bringen, doch er schafft es nicht sofort. Mehrere Schüler sehen mit offenen Mündern auf die Szene, die sich vor ihnen abspielt und rechnen fest damit, dass Snape ihr jetzt Nachsitzen aufbrummen wird, doch er tut es nicht. Insgeheim muss er sich eingestehen, dass ihn diese Art der Attacke völlig überrascht hat und er ebenso erstaunt ist, wie sehr es ihn mitnimmt. Dann sagt er etwas, das ihm scheinbar schwer über die Lippen kommt: „Ich bin beeindruckt, Miss Hooch."
Amelia während dem Übungskampf. (Nur mit Zauberstab statt mit Pistole...)
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