26

Snape könnte sich besseres vorstellen, als jetzt mit Potter diese blöden Okklumentik-Stunden zu machen, doch er ist sich ihrer Wichtigkeit durchaus bewusst. Der dunkle Lord darf keine Chance haben, in Harrys Geist zu sehen und sie dadurch alle noch in Gefahr zu bringen.

Doch warum bei Merlins Bart, musste Dumbledore darauf bestehen, dass Amelia dabei ist, um zuzusehen? Was soll das überhaupt bringen, wenn Amelia nur herumsitzt und die beiden dabei beobachtet? Nichts! Nichts, außer, dass es Snapes Gedanken strapaziert!

+++++

Dumbledore sieht Snape vergnügt hinterher, als er grob nach Harrys und Amelias Arm greift. Amelia reißt sich direkt grob los und bringt Dumbledore damit noch mehr zum Lächeln. Wenn Snape doch nur wüsste, wie gut Amelia ihm tut. Und das, obwohl er selber sagt, dass er sie nicht mal leiden kann. Aber wen kann Snape schon leiden und gibt es zu? Niemanden. Selbst mit Lily Evans hatte er es sich irgendwann verscherzt. Aber Amelia ist keine Lily Evans. Dumbledore wusste, dass Snape und Lily niemals glücklich miteinander geworden wären. Doch Amelia... Amelia wurde schon immer angezogen von der dunklen Seite und von Gefahr. Es liegt ihr einfach im Blut. Schon immer hatte sie nicht immer alles getan, was man von ihr verlangt hat, um perfekt zu sein. Das scheint aber in der Familie zu liegen. Denn auch Rolanda, ihre Mutter, scheint nicht immer das Richtige getan zu haben.

„Warum gluckst du so vergnügt?", fragt Minerva, die jetzt neben ihn getreten ist und sieht Dumbledore an, als würde er den Verstand verlieren. Hatten sie nicht eben noch erfahren, dass Lord Voldemort möglicherwiese in Harrys Gedanken eindringen kann? Dumbledore dreht sich vergnügt ein Stückchen zu der Frau neben sich um. Minerva steht neben ihm und hat ihre Hände in ihren Morgenmantel gehüllt. Sie fühlt sich deutlich unwohl mit dem, was sie eben gesehen hatte. Und die Tatsache, dass Dumbledore direkt Amelia dabeihaben wollte, verunsichert sie noch mehr. Wieso sollte er sie unbedingt dabei haben wollen? Dumbledore lächelt Minerva mit einem großväterlichen Lächeln an, obwohl dieser ja nicht viel älter ist, als die Hauslehrerin der Gryffindors.

„Meine liebe Minerva. Siehst du nicht, dass hier vor unseren Augen etwas ist, das sich ganz wunderbar entwickelt?", fragt Dumbledore und greift in seine Schale Zitronendrops. Minerva sieht den Schulleiter an, als hätte er den Verstand verloren. Was soll sich denn hier bitte entwickeln?

„Nein, tue ich nicht. Was meinst du?", fragt sie und setzt sich hin. Sie weiß ganz genau, dass dies ein längeres Gespräch werden wird, denn sonst würde Dumbledore nicht so ein Drama daraus machen und Klartext reden.

„Na Severus und Amelia!", stößt Dumbledore hervor und Minerva fallen beinahe die Augen aus dem Kopf.

„Was? Du meinst Severus und Amelia haben-", beginnt Minerva, doch Dumbledore unterbricht sie direkt wieder.

„Zwischen den beiden ist noch nichts, außer eine tief verborgene Sympathie und Verständnis für den anderen. Sieh sie dir doch nebeneinander an. Welche Frau wäre dazu in der Lage, Severus standzuhalten und ihm Kontra zu geben?", fragt Dumbledore und Minerva scheint sich einen kurzen Moment an die beiden zusammen zu erinnern. Sie erinnert sich an die vielem Male, bei denen die beiden im Orden miteinander diskutiert haben und keiner der beiden aufgeben wollte. Aber sie erinnert sich auch an die vielen Male, in denen sie sich einig waren. Und sie erinnert sich an die vielen Male, an denen Dumbledore die beiden auf Missionen zusammen geschickt hatte. Die beiden haben sehr gut und vor allem ohne viel Absprache harmoniert. Und jede Mission, die die beiden bisher getätigt haben, ist ein Erfolg gewesen.

Und sie erinnert sich an den Winterball, auf dem Dumbledore die beiden mehr oder weniger dazu gezwungen hatte, zusammen zu tanzen. Die beiden haben eine ungeheure Harmonie zusammen ausgestrahlt - sofern das bei Severus möglich ist.

„Donnerwetter, jetzt wo du es sagst!", stößt Minerva hervor und sieht zu Dumbledore: „Was sollen wir tun?! Wir können das doch nicht zulassen! Amelia ist hier Schülerin."

„Darum sollten wir uns keine Gedanken machen, wir wissen beide, dass Amelia nicht wirklich Schülerin hier ist, bis auf ihre paar Fächer. Außerdem, willst du wirklich der Frau im Weg stehen, die es schafft Severus von Lily Potter abzubringen?", fragt Dumbledore und Minerva seufzt. Auch sie erinnert sich an Snapes unglückliche Vernarrtheit in Lily Potter und an das anschließende Drama, das sich abgespielt hat. Als sie sich vorstellt, dass mit Amelia das gleiche passieren könnte, läuft es ihr kalt den Rücken herunter, bis sie allerdings noch einmal genau darüber nachdenkt. Sie kann sich nicht vorstellen, dass sich diese Ereignisse wiederholen. Amelia ist keine Lily und schon vom Wesen her komplett anders. Während Lily ein überaus freundlicher und fröhlicher Mensch war, ist Amelia dies nicht immer. Amelia ist vorlaut, sarkastisch und häufig viel zu ehrlich - letzteres wird von den meisten Ordensmitgliedern allerdings mehr als nur geschätzt. Zudem ist Amelia auch nicht der Typ Mensch, der mit jedem klar kommt. Eine Eigenschaft, die auch auf Snape zutrifft. Beide sind sich ähnlicher, als sie es wahrscheinlich selber wissen. Möglicherweise ist das auch der Grund, dass die beiden bei den Ordensaufträgen immer von Dumbledore zusammen losgeschickt werden, da er ganz genau weiß, dass sie ein gutes Team sind. Minerva stellt sich die beiden nebeneinander vor und schluckt. Donnerwetter, fragt sich nur noch, wer von beiden wer ist. Snape, die schlechtgelaunte Fledermaus aus den Kerkern und Amelia... die Feuerbändigerin, mit dem Drachenblut in sich.

„Nein, du hast Recht. Wir sollten eher dafür sorgen, dass die beiden sich das eingestehen, was wir schon wissen. So wie auf dem Winterball.", sagt Dumbledore und Minerva lacht. Wusste sie es doch! Schon dort hatte es sie verwundert, dass Amelia und Snape doch tatsächlich zusammen getanzt haben. Sie hatten damals schon eine ungeheure Harmonie zusammen ausgestrahlt und sind überraschend selbstverständlich miteinander umgegangen.

„Also war das auf dem Winterball doch ihre volle Absicht.", stellt sie fest und Dumbledore nickt.

„Manche Menschen muss man zu ihrem Glück zwingen. Und Severus ist definitiv einer davon."

+++++

Snape ignoriert Amelia, als sie sich doch dreister Weise auf seinen Schreibtisch setzt und die Beine an den Körper zieht, sodass sie im Schneidersitz sitzt. Die Tatsache, dass sie auf seinem Tisch sitzt und sich offensichtlich wohlfühlen zu scheint, hält ihn davon ab. Er fokussiert lieber all seine Energie auf Potter.

Amelia hört gar nicht richtig dabei zu, als Snape zu reden beginnt, denn sie fragt sich, was sie hier soll. Sicherlich, Dumbledore wird einen Grund gehabt haben, warum er sie hier haben wollte, aber warum? Snape ignoriert sie und Harry muss sich auf seine noch nicht gute Okklumentik konzentrieren. Was also soll sie hier? Sie kann sich wirklich besseres für diese Nacht vorstellen. Schlafen zum Beispiel. Sie ist in ihren Gedanken versunken, als die beiden mit der Arbeit beginnen. Doch Amelia gehen andere Sachen durch den Kopf. Auch Gedanken, die nicht unbedingt ehrenwert sind. Denn was ist, wenn der dunkle Lord in Harrys Gedanken eindringen kann und sie dadurch sieht? Dann wird er sie sicherlich auch sehen können und wissen, wo sie sich aufhält. Und der dunkle Lord hatte schon mehrere Feuerbändiger auf seiner Seite, also warum sollte er kein Interesse an ihr zeigen?

Sie wird aus ihren Gedanken gerissen, als Harry aufkeucht.

„Werden Sie jetzt sentimental?", hört sie Snape fragen und ist sich sicher, dass es auf eine von Harrys Erinnerungen gemünzt ist.

„Das ist privat!", wehrt Harry ab und Amelia sieht wachsam zu den Beiden vor ihr, denn sie hat das Gefühl, dass die ganze Situation hier gleich eskalieren wird. Vielleicht wollte Dumbledore deshalb, dass sie hier ist. Um Snape zu bremsen, wenn er es zu weit treibt. Harry schwitzt unaufhörlich und es ist offensichtlich, dass er kurz vor dem Zusammenbrechen steht.

„Nicht für mich. Und nicht für den dunklen Lord, wenn Sie nicht besser werden. Jede Erinnerung, zu der er Zugang hat, ist eine Waffe gegen Sie. Wenn er in ihren Kopf eindringt, werden Sie nach 2 Sekunden umkippen! Sie sind genau wie ihr Vater! Arrogant, faul-", beginnt Snape und redet sich immer weiter in Rage.

„Sagen Sie kein Wort gegen meinen Vater!", brüllt Harry und unterbricht Snape damit.

„Schwach!", fährt der Zauberer fort und macht Harrys Wut damit nur noch stärker.

„Ich bin nicht schwach!", wehrt Harry ab und hat offensichtlich noch den Ehrgeiz, aber nicht die körperliche Kraft, die ganze Nacht weiterzumachen.

„Dann beweisen Sie es. Kontrollieren Sie ihre Gefühle! Disziplinieren Sie ihre Gedanken! Legilimens!" Amelia sieht Harrys verzerrtes Gesicht, als er erneut Erinnerungen durchlebt und sie ist sich sicher, dass sie sich das nicht mehr lange angucken kann.

„Man möchte brechen.", spottet Snape und Amelia sieht ihn böse an.

„Schluss damit!", keucht Harry und steht auf, um etwas im Raum umher zu gehen.

„Das werden Sie doch wohl nicht Kontrolle nennen." Snape sieht bewusst nicht zu Amelia, da er sich sicher ist, dass diese ihn jetzt am liebsten mit ihrem bloßen Blick umbringen möchte.

„Wir sind seit Stunden dabei, ich würd mich gerne ausruhen!", bittet Harry, auch, wenn es nicht wirklich nach einer Bitte klingt, so wie er es sagt.

„Der dunkle Lord ruht sich auch nicht aus. Sie und Black sind genau gleich. Sentimentale Kinder, die darüber jammern, wie unfair ihr Leben ist. Für den Fall, dass es Ihnen entgangen ist: Das Leben ist nicht fair. Ihr verehrter Vater hat das gewusst, jedenfalls hat er dafür gesorgt. So oft es geht!", sagt Snape gefährlich kalt. Amelia steht auf und zieht ihren Zauberstab.

„Mein Vater war ein großer Mann!", brüllt Harry und Snape greift ihn, um ihn zurück auf den Stuhl zu schleudern, damit sie weitermachen können.

„Ihr Vater war ein Schwein.", sagt Snape. Amelia sieht kommen, was als nächstes kommt, deshalb stellt sie sich schnell vor Harry, als Snape zu reden beginnt.

„Legilimens!", sagt Snape und Amelia feuert im gleichen Moment einen „Protego!" zurück. Plötzlich sieht sie Snape vor sich. Er ist noch ein Kind und scheint gerade in sein Haus eingeordnet zu werden, an seinem ersten Tag in Hogwarts. Das Bild ändert sich und er sieht James Potter und Sirius Black, wie sie Snape verspotten, ihn verzaubern und ihn bis auf das letzte Stück demütigen. Sie spürt eine Träne ihre Wange herunterlaufen, als sie all das sehen muss und den Schmerz spürt, durch den Snape der geworden ist, der er heute ist.

Snape schafft es endlich seine mentalen Schilde wieder herzustellen, bevor Amelia noch schlimmeres sieht und die Erinnerungen verschwinden vor ihren Augen. Sie spürt, dass sie auf dem Boden sitzt und scheinbar gestürzt ist. Dunkel erinnert sie sich daran, dass sie - von der Wucht der Erinnerungen getroffen - etwas nach hinten gestolpert und auf ihrem Hintern gelandet war.

Amelia fühlt sich wie in Trance und sieht einen Moment auf den Boden vor sich, dann sieht sie auf und trifft den ebenso geschockten Blick von Snape. Es ist das erste Mal, dass sie seine Emotionen ohne Probleme von seinem Gesicht ablesen kann.

Die einzelne Träne, die sich eben ihren Weg aus ihrem Auge gebahnt hat, tropft auf den Boden. Snape und sie sehen sich einen Moment in die Augen und sagen sich in diesem Moment so viel. Harry starrt auf die beiden herunter, unsicher was hier gerade passiert.

„Verschwinden Sie, Potter!" Snape ist der erste, der seine Sprache wiederfindet und als Amelia ihm zunickt, verschwindet er wirklich, wie befohlen. Als Harry aus dem Raum verschwunden ist, sieht Snape zu Amelia.

Er weiß nicht, was er davon halten soll, dass Amelia nun diesen Teil seiner Vergangenheit kennt. Wahrscheinlich wird sie ihn auslachen und ihm sagen, dass Potter und Black nur richtig gehandelt haben. Doch tief in sich drinnen, da spürt Snape eine gewisse Erleichterung, nun, da sie es weiß. Er kann sich selber nicht erklären warum, doch es ist nicht das erste Mal, dass er sich dieser Frau mehr verbunden fühlt, als dass sie eine normale, nervige Schülerin ist.

„Severus...", sagt sie leise und Snapes Blick schießt zu ihr. Er kann sich nicht daran erinnern, dass sie ihn jemals so genannt hat und er sollte sie eigentlich daran erinnern, dass er Professor Snape für sie war, doch die Tatsache, wie sie seinen Vornamen aussprach, lenkt ihn davon ab.

„Ich wusste nicht, dass das passieren würde. Es tut mir leid. Ich wollte nicht in deine Erinnerungen sehen.", sagt sie und Snape sieht sie ehrlich überrascht an. Hatte sie sich gerade dafür entschuldigt, anstatt sich über ihn lustig zu machen?

„Das bleibt unter uns. Wenn du auch nur eine Andeutung gegenüber einer anderen Person machst, dann bekomme ich das mit. Hast du das verstanden, Amelia?", fragt Severus und Amelia nickt, scheint aber nicht im Geringsten eingeschüchtert zu sein.

„Du wirst kein Mitleid von mir haben wollen und auch keins bekommen. Ich sage dir nur, dass ich deinen Hass auf James und Sirius verstehen kann.", sagt sie und steht auf.

„Du-du solltest zurück in dein Zimmer gehen. Es ist spät und du hast morgen früh Unterricht.", sagt Snape und sieht Amelia direkt in die Augen. Diese nickt und lächelt leicht.

„Ja, das stimmt. Gute Nacht, Severus.", sagt sie und geht, denn sie rechnet nicht damit, dass er ihr antwortet. Doch gerade, als sie rausgegangen ist, ertönt ein leises „Gute Nacht" von Snape. Amelia lächelt.

+++++

Severus Snape ist völlig verwirrt. Was war hier in den letzten paar Minuten passiert?! Wie konnte er sich so weit gehen lassen, dass er sie bei ihrem Vornamen genannt hat? Und wieso hatte sie so reagiert? Sie hätte ihn anschreien, ihn verspotten sollen, ihm deutlich machen sollen, dass sie das nicht gutheißt, doch nichts war passiert. Nein, stattdessen sah es so aus, als ob sie ihn versteht und als ob sie Mitgefühl zeigt.

Snape schnaubt spöttisch. Er sollte sich selber wieder unter Kontrolle kriegen. Das ist ja wohl lächerlich, dass er sich dieser Frau verbunden fühlt, obwohl er sich sicher war, dass sie ihn hasst. Und er sollte sie hassen. Aber tief in sich drinnen merkt Snape, dass das nicht so gut funktioniert, wie er es gerne hätte.

Er beschließt, dass er sie einfach ignorieren wird. Auch, wenn es ihm teilweise sogar Spaß macht, fies zu ihr zu sein, wird er ihr einfach gar keine Aufmerksamkeit schenken. Sie mag eine Schülerin seines Hauses sein, aber auch diese kann man ignorieren. Sie ist immerhin schon älter und hatte oft genug bewiesen, dass sie nicht auf seine Hilfe angewiesen ist. Also sollte es auch keinen Grund geben, weshalb die Hexe sich an ihn wenden wird.

Wenn er sie ignoriert, dann wird sie sicherlich nicht bewusst Streit suchen und ihn deshalb in Ruhe lassen. Und wenn sich die beiden gegenseitig in Ruhe lassen, dann verlieren sie sicherlich schnell das Interesse daran, sich mit dem anderen abzugeben.

Dann hat Snape seine Ruhe und er kann wieder den nötigen Abstand zwischen sich und die hitzköpfige Slytherin bringen, der angemessen ist.

Zufrieden nickt Snape sich selbst ein Mal zu. Genau so wird er es machen.

Snape wendet den Legilimens-Zauber an.

Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top