14
Pünktlich um 17 Uhr, wie vereinbart, seht Amelia vor dem Büro von Professor Snape und klopft. Als sie ein unwirsches „Herein!" von drinnen hört, betritt sie sein Büro mit selbstsicheren Schritten und schließt die Tür hinter sich wieder. Sie hatte beschlossen, dass sie ihre Strafe würdevoll antreten wird. Denn sie hatte einen Fehler gemacht und dazu steht sie. Sie hätte Snape nicht angreifen dürfen, ob er nun Lehrer ist oder nicht.
Sie wusste, dass das Ganze nur passiert ist, weil sie wieder Mal ihr Temperament nicht unter Kontrolle hatte und dass es eigentlich hauptsächlich ihre Schuld war. Ja, Snape hatte sie provoziert, aber sie war immerhin diejenige, die volle Kanne darauf eingestiegen ist und ausgetickt ist.
Auch, wenn sie sich sicher ist, dass ihre Mutter ihr das Ganze mittlerweile nicht mehr so übel nimmt, wie sie es eigentlich gedacht hatte, weiß Amelia, dass sie einen Fehler gemacht hat, den sie nicht mehr rückgängig machen kann. Alles, was ihr jetzt übrig bleibt, ist ihre Strafe abzusitzen und dann zu vergessen, was sie getan hat.
Snape sitzt, finster dreinschauend, wie eh und je, an seinem Schreibtisch und ist über einen Stapel Pergamente gebeugt. Er scheint die Blätter förmlich in roter Tinte zu tränken und Amelia tut der Schüler jetzt schon leid, der diesen Aufsatz zurück bekommt. Auch, wenn Snape und Amelia sich nicht leiden können, so sind ihre Leistungen in seinem Fach doch immer recht gut, denn auch Snape kann nicht bestreiten, dass sie ein gewissen Talent für Zaubertränke hat. Ihre Art zu arbeiten erinnert ihn an sich selbst. Wenn sie ihr Wissen noch weiter verstärken würde, dann würde sie wahrscheinlich wirklich Konkurrenz für ihn werden können. Doch scheinbar hatte die junge Hexe sich eher auf das Kämpfen spezialisiert und nicht auf das Brauen von Zaubertränken. Er hatte schon gehört, dass ihre Leistungen in „Verteidigung gegen die dunklen Künste" außerordentlich gut waren - er hätte allerdings auch nichts anderes erwartet, seit er von ihrem eigentlichen Berufswunsch als Aurorin gehört hatte.
So ungern er es auch zugibt, aber Amelia Hooch ist eine sehr begabte Hexe und tief in sich drinnen erkennt er das an. Auch, wenn er ihr neulich diese Worte an den Kopf hat, dass ihre Mutter sie aus allem rausboxt, weiß er, dass sie ohne eine beträchtliche Fähigkeit ihrerseits nicht mehr unter ihnen weilen würde.
Es gab früher immer wieder Neuigkeiten, dass ein Feuerbändiger schon in jungen Jahren gestorben ist. Denn wenn mit dem achtzehnten Geburtstag die Kräfte erwachen, dann passiert es in der Regel immer, dass die betroffene Person davon vollkommen überwältigt und kontrolliert wird. Es kommt häufiger vor, dass sich Zauberer nicht frühzeitig genug wehren können und somit ihren Kräften erliegen. Dumbledore hatte ihm erzählt, dass Amelias Entdeckung der Kräfte eigentlich fast ohne Komplikationen verlaufen ist und sie auch nach der Entdeckung ihrer Kräfte proportional wenig Schaden angerichtet hatte. Dies konnte sie nur aufgrund einer guten Kontrolle und einer noch besseren Fähigkeit als Hexe. Und das scheint nicht nur Snape zu wissen, doch sie auch. Als er ihr einen Blick zuwirft und ihre Erscheinung begutachtet, wird er sich ihrer Stärke auch in ihrem Aussehen bewusst. Sie hat keine ängstliche, eingeschüchterte Haltung, nein. Amelia Hooch steht hier mit dem Selbstvertrauen einer Frau, die sich von niemandem etwas vorschreiben lässt, solange sie es ungerecht findet. Und genau diese Tatsache sorgt dafür, dass es ihn überrascht, dass sie tatsächlich hier ist. Er hatte nämlich nicht damit gerechnet.
„Es überrascht mich, dass Sie tatsächlich erschienen sind, Miss Hooch.", spricht er seine Gedanken sogleich laut aus und legt die Schreibfeder zur Seite. Er erhebt sich und Amelia sieht zu ihm auf, scheint aber trotzdem kein bisschen eingeschüchtert zu sein. Ganz im Gegenteil - sie weiß nicht, ob sie diese Reaktion jetzt als Beleidigung nehmen sollte, oder ob es sie freuen soll.
„Ich habe gerechtfertigt eine Strafe bekommen, also werde ich sie auch wahrnehmen.", antwortet sie ihm ruhig und sieht ihn abwartend an. Snape erwidert ihren Blick stumm und Amelia würde alles dafür geben zu erfahren, was in seinem Kopf gerade vorgeht. Wahrscheinlich denkt er sich gerade die effektivste Methode aus, um sie zu quälen.
„Also, was soll ich tun?", fragt sie ungeduldig, als er nach wenigen Sekunden immer noch nicht zu sprechen beginnt. Stattdessen geht er ruhig zu einem Schrank und bleibt davor stehen. Bisher hatte er dabei noch kein Wort gesagt und er strahlt eine seltsame Ruhe aus, die Amelia in diesem Moment wahnsinnig macht. Amelia ist innerhalb weniger Sekunden schon genervt und hofft, dass er sie nicht den ganzen Abend hierbehält.
„Ich möchte, dass Sie den Zutatenschrank auf seinen Bestand prüfen und ihn aufräumen. Das sollten Sie ja gerade noch hinbekommen.", fordert er sie auf und hält ihr einen Zettel entgegen, den sie innerlich murrend, annimmt. Ohne irgendwie zu antworten, macht sie sich auf den Weg zu seinem Zutatenschrank und öffnet die Tür. Als sie den Zustand des Schrankes sieht, seufzt sie. Das wird ein langer Abend...
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Nach zwei Stunden, in denen Amelia ohne Unterbrechung durchgearbeitet hat, legt sie den Zettel kurz beiseite und lehnt sich an den Tisch. Auch, wenn sie keinerlei Probleme dabei hat, sich in seinem Schrank zurecht zu finden, so ist die Arbeit doch anstrengend. Auch, wenn sie sein System ohne Probleme nachvollziehen kann - sie hätte einen eigenen Schrank wahrscheinlich ebenso logisch und strukturiert eingeräumt wie er seinen - so muss sie ihre Arbeit doch in einer unbequemen Haltung vollziehen. Er hatte ihr ausdrücklich verboten zu zaubern, was diese Arbeit für sie um einiges leichter gemacht hätte. Doch Snape wollte nicht riskieren, dass sie am Ende noch eine Massenzerstörung seiner Zutaten auslöst, wenn eine seiner Zutaten auf einen Zauber reagiert. Er hat ein paar sehr empfindliche Zutaten in dem Schrank, die eine unangenehme Wechselwirkung in Kombination mit dem falschen Zauber herbeiführen können - einer der Gründe, weshalb er den Zutatenschrank in der Regel selbst aufräumt. Er traut in der Regel keinem der normalen Schüler ein solches Wissen zu, dass diese ohne Probleme alles nach seinen Vorstellungen und vor allem sicher genug, aufräumen könnten. Amelia Hooch allerdings scheint zumindest Ahnung zu haben, was sie dort tut und wenn Snape sich die lästige Arbeit des Aufräumens ersparen kann, dann ist ihm das ganz Recht.
Er wirft einen Seitenblick zu der Frau und stellt fest, dass sie mit der Hüfte an einen Tisch gelehnt steht und eine Pause macht. Die Ärmel ihres Pullovers hatte sie mittlerweile schon hochgeschoben und Snape weiß, wie anstrengend ihre Arbeit ohne das Anwenden eines Zauberstabs ist.
„Ich habe nicht gesagt, dass Sie eine Pause machen dürfen, Miss Hooch.", schnarrt Snapes Stimme zu ihr herüber und Amelia zuckt nur mit den Schultern.
„Ich habe aber beschlossen, dass ich eine machen werde.", antwortet sie ihm neutral und sieht zu ihm.
„Machen Sie weiter.", fordert er und Amelia schüttelt den Kopf.
„Geben Sie mir doch fünf Minuten, dann werde ich soweit sein und voller Tatendrang weiter machen." Schon als sie die Worte sagt, merkt sie, dass sie eine Spur zu sarkastisch klagen.
„Sie haben zwei!", schnarrt Snape zurück und Amelia zuckt innerlich mit den Schultern. Zwei sind schon Mal zwei mehr, als sie erwartet hätte.
Nach genau zwei Minuten steigt Amelia wieder auf die Leiter und macht sich weiter am Zutatenschrank zu schaffen, als es plötzlich klopft.
„Herein!", meint Snape laut und Amelia dreht sich nur kurz zu dem Neuankömmling um. Doch als sie sieht, dass es nur Draco ist, dreht sie sich schnell wieder weg. Den kann sie jetzt gar nicht gebrauchen.
„Sir, ich bin gerade bei Ihren Hausaufgaben und mir fällt auf, dass mir eine Zutat fehlt.", meint er und Amelia verdreht die Augen. Wie kann ein Mensch nur mit so einer geschwollenen Tonlage reden?
„Nehmen Sie sich, was Sie brauchen und stören Sie mich nicht. Ich bin mir sicher, dass Miss Hooch Ihnen mit Freude zur Seite stehen wird.", weist Snape ihn an und Draco nickt.
„Danke, Sir." Mit einem genervten Gesichtsausdruck kommt Draco auf sie zu und hält ihr wortlos den Zettel entgegen, auf dem steht, was er braucht. Amelia kneift genervt die Augen zusammen aufgrund seiner Unfreundlichkeit, zieht dann aber die Zutaten aus dem Regal und hält sie ihm entgegen. Kommentarlos und ohne jegliches Zeichen des Dankes nimmt Draco sie entgegen. Gerade, als Amelia in Ruhe weiter machen will, spürt sie, dass ihre Leiter gefährlich und vor allem ruckartig wackelt und den Halt verliert. Sie strauchelt einen Moment, dann spürt sie, dass sie den Halt verliert. Die beiden Zutaten, die sie dabei in der Hand hält, hält sie so weit voneinander weg, wie nur möglich, denn wenn sich die beiden vermischen, dann hat sie ein Problem. Das bedeutet allerdings auch, dass sie ihren Fall nicht abbremsen kann und somit in hohem Bogen von der Leiter fällt. Doch noch bevor sie sich den Kopf an einer Tischkante oder ähnlichem anstoßen kann, spürt sie, dass ihr Fall gebremst wird. Sie erblickt Snape mit gezücktem Zauberstab und richtet sich schnell wieder auf, bevor dieser am Ende noch auf die Idee kommt sie doch noch auf den Boden fallen zu lassen.
„Malfoy!", bellt Snape und Dracos bis eben noch selbstgefälliges Grinsen verschwindet. Amelia durchschaut ihn sofort. Er hatte gehofft, dass Snape Amelia zurechtstutzen würde.
„Wissen Sie nicht, wie gefährlich es sein kann, wenn sich mehrere Trankzutaten wahllos miteinander vermischen?!", fährt Snape ihn an und Draco schluckt hart. Scheinbar hatte Amelia unheimliches Glück, denn das hier ist die einzige Situation die sie sich vorstellen kann, die zu ihren Gunsten ausfallen könnte. Bei allem anderen hätte Snape wahrscheinlich ihre eigene Unfähigkeit behauptet.
„Sir-", beginnt Draco ausweichend.
„Ich will keine Ausreden hören, Malfoy! Ich habe gesehen, dass Sie die Leiter angestoßen haben!" Draco scheint nun auch zu merken, dass Snape tatsächlich nicht auf seiner Seite steht und verzieht das Gesicht.
„Sie kommen morgen Abend um 17 Uhr zum Nachsitzen. Und jetzt raus! Und sprengen Sie kein Labor in die Luft." Draco sieht den Tränkemeister eingeschüchtert an und verlässt dann beinahe fluchtartig den Raum. Amelia und Snape sehen sich kurz an.
„Machen Sie weiter! Und fallen Sie nicht durch ihre eigene Schuld von der Leiter. Noch mal werde ich Sie bestimmt nicht auffangen."
Amelia verdreht die Augen, dann klettert sie wieder auf die Leiter und macht weiter. Das wird wahrscheinlich noch ein langer Abend...
Amelia macht beim Nachsitzen eine Pause.
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