Kapitel 45

Ich zog an den Seilen, die meine Arme hielten, doch es brachte nichts. Meine Augen folgten Myrddin und ich beobachtete, wie er sich von einem seiner Leute einen Kristall geben lies, der leicht schimmerte. Dann trat er auf mich zu.

„Da du dich und in den Weg stellst, bin ich leider gezwungen, dich nun auch an mich zu binden", erklärte er mit einem süffisanten Grinsen, das mir zeigte, dass er es genoss. Mein Mund verzog sich verärgert.

„Was willst du von mir, du Verrückter?", fragte ich zähneknirschend und versuchte erneut mich zu befreien. Dieses Mal verbissener und ich spürte die plötzliche Kraft, die durch meine Adern floss. Ich kannte sie und sie machte mir solche Angst, dass ich nicht danach griff, um mich zu befreien, sondern sie zurück stieß. Wahrscheinlich hätte ich mich damit befreien können, doch noch immer machte mir die Kraft des Drachens eine enorme Panik.

Myrddin lachte laut und irre auf. „Ein zweiter Drache ist für mich wie eine Goldgrube. Meine Macht wird ins Unermessliche wachsen", verkündete er wie besessen von dieser Idee und mir rann ein Schauer über den Rücken.

Ich knurrte, weil das alles war, was ich tun konnte. Der Mann lachte nur weiter und als der Stein in seiner Hand aufleuchtete, schimmerte auch hinter mir ein Licht auf und ein unglaublicher Schmerz zuckte durch meinen Körper. Ich konnte mich nicht dagegen wehren, als erneut die Kraft des Drachen über mich herein brach und meine Sinne in Nebel hüllte.

Ich hörte noch, wie jemand rief: „Verdammt! Sie ist schon erwacht! Das ist doch unmöglich!", als auch schon alles schwarz wurde.

Der laute Schrei eines Drachens lies die Erde erbeben und panisch blickten sich die Menschen auf dem Festplatz um. Noch nie hatten sie so etwas gehört und sie wussten nicht, woher das Geräusch kam, das ihre Nackenhärchen aufstellt und ihren Fluchtinstinkt weckte.

Venom drehte den Kopf erschrocken zu diesem Geräusch und keuchte auf, als er sah, wie sich ein riesiger, schwarz-rot-violetter Drache versuchte sich in den Himmel zu erheben.

Aurora.

Ihre riesigen Flügel schienen dabei nicht nur Bäume zu beschädigen und zu entwurzeln. Das tosende Geräusch lies darauf schließen, dass sie auch einen Felsen oder ähnliches erwischt hatte.

Erneut brüllte sie auf und hob in den Himmel.

Venom kniff die Augen zusammen, als er ein Seil erkannte, das an ihrer rechten Vorderpfote befestigt war.

Während die Leute um sie herum in wilde Panik ausbrachen, rannten Orion und Sarah auf Venom zu. Daliah und die anderen versuchten die Menschen ein wenig zu beruhigen und zu evakuieren, doch diese waren durch den Anblick so verstört, dass es kaum etwas brachte. Daliah musste sogar aufpassen nicht umgerannt zu werden, so panisch waren die Leute um sie herum. Alle wollten so schnell wie möglich weg von diesem Ort.

„Was ist hier los?", fragte Odin zähneknirschend und blickte Venom fragend an.

„Woher soll ich das denn wissen?", knurrte dieser zurück. Er konnte sich keinen Grund vorstellen, warum Aurora sich verwandelt hatte. Dass sie es freiwillig getan hatte, konnte er sich irgendwie kaum vorstellen.

Venom schüttelte den Kopf. Hier herum zu stehen brachte nichts. Das einzige, was ihm einfiel war ebenfalls hinauf in den Himmel zu fliegen, um nach Aurora zu sehen. Dieses Seil an ihrem Fuß ließ ihn nicht mehr los.

„Was machen wir jetzt?", fragte Sarah, die sich suchend umsah und scheinbar nach einer Erklärung Ausschau hielt.

„Ihr beide geht dorthin, wo Aurora abgehoben ist", murrte Venom, während er sich die Jacke und dann auch das Oberteil auszog.

Von den Menschen wurde er ignoriert. Diese hatten den Platz sowieso schon fast verlassen.

„Und was machst du?", wollte Sarah wissen, auch wenn sie die Antwort schon kannte.

„Ich gehe zu Aurora. Sie scheint nicht sie selbst", erklärte Venom, auch wenn es komisch war so etwas zu sagen, denn er hatte sie bisher nur einmal als Drache erlebt und da war sie ähnlich wild gewesen. Nur hatte er nicht angenommen, dass dies auch bei der zweiten Verwandlung so sein würde.

Sarah machte einige Schritte zurück, als Venom nach vorne rannte und sein Körper begann sich zu verändern.

Erst kamen die Schuppen, die sich auf seinem Körper ausbreiteten und dann wurde er größer und Flügel schoben sich aus seinem Rücken. Schließlich war er mehr Drache als Mensch und schwang sich in den Himmel.

Seine grünen Schuppen schimmerten in der tiefstehenden Sonne und er war viel größer als Aurora. Dennoch war er scheinbar nicht so schnell wie diese. Sie war unglaublich schnell und zog sehr seltsame Kreise in den Wolken.

Venom versuchte sie zu erreichen, doch sie schien ihm jedes Mal auszuweichen und er hatte das Gefühl fange mit ihr zu spielen.

Was war nur los mit ihr? Sie fauchte und knurrte und ab und an bildete sich ein Feuerball zwischen ihren Zähnen, doch sie spuckte ihn nicht. Generell wirkte sie sehr verstört und aufgedreht. Wie ein Tier in der Falle.

*Aurora*, rief Venom mit seiner tiefen Stimme zu ihr, doch die Drachin reagierte nicht. Sie zeigte nicht einmal, dass sie ihn gehört hatte. Wie sollte er sie nur wieder beruhigen? So wie sie jetzt drauf war, würde sie wahrscheinlich alles angreifen, was sie für gefährlich hielt. Zum Glück war sie hier oben und nicht da unten.

„Was sollen wir hier finden?", fragte Sarah, die Mühe hatte Odin über die zerstörten Bäume zu folgen. Es sah aus, als wäre hier eine Bombe eingeschlagen. An manchen Stellen am Boden war das Gras völlig umgegraben und die Bäume wirkten, wie umgeknickte Blumen.

„Das werden wir sehen", murmelte der Schwarzhaarige und duckte sich unter einen umgefallenen Baum hindurch und stolperte auf eine Art Lichtung. Nur das hier nicht mehr wirklich eine freie Fläche aus Gras war, sondern ein Steinrutsch alles irgendwie verändert hatte.

Die Felswand, die hier einmal gestanden haben musste, war zum Teil zerstört und überall lagen große Steinbrocken herum.

„Warte kurz", rief Sarah und streckte den Arm nach Odin aus, als dieser gerade um einen Felsbrocken herum laufen wollte. Sie erreichte seinen Oberarm und ihre Hand legte sich leicht darum. Der Mann verstand und blieb stecken.

Sarah lauschte nachdenklich und schloss sogar kurz die Augen.

„Hörst du das?", fragte sie und Odin betrachtete sie skeptisch, ehe auch er begann zu lauschen.

„Das klingt wie Magie. Seltsame Magie", murmelte er und wirkte alles andere, als begeistert. Wenn hier wirklich Magie im Spiel war und das war es, dann war das kein gutes Zeichen.

Aurora war noch nicht in der Lage solche Magie zu erschaffen, wie Odin leise hörte. Sie hörte sich auch nicht richtig an. Mit einem Unterton, der ihm zeigte, dass es sich um sehr gefährliche und wohl auch verbotene Magie handelte. Sie passte nicht zur Melodie der Drachenmagie, die in ihrer Welt verbreitet war. Sie hatte eine leichte Dissonanz. Es war nicht das übliche, natürliche Waldrauschen. Stattdessen klang es, als würden die Bäume heulen. Als würde ein sehr, sehr heftiger Wind durch sie hindurch fegen und sie müssten sich mehr beugen, als sie aushalten konnten.

„Glaubst du hier sind die Chimären am Werk?", fragte Sarah und man hörte ihr die Nervosität und auch Angst an. Wenn hier eine Chimäre war, dann hatten sie beide keine Change.

„Ich glaube nicht, das hätten wir schon gespürt. Aber vielleicht einer der Magier", murmelte Odin flüsternd und schielte vorsorglich um den Felsen herum.

Dort gab es einen Höhleneingang und auch dieser war teilweise zerstört. Überall lagen Steine, die ihn auch versperrten. Doch was Odins Blick auf sich zog, war ein Mann, der zwischen den Trümmern eingequetscht war.

Wie war er dorthin gekommen? Außerdem trug er einen seltsamen Mantel, der Odin misstrauisch machte.

Dann erklang eine wütende Stimme, die eindeutig von Magie verstärkt war.

„Verdammt noch mal, jetzt geht sie schon suchen!", schrie ein Mann und es gab ein Geräusch, als würde jemand Steine durch die Gegend schieben.

Die Steine, die den Mann zerquetscht hatten, bewegten sich scheinbar von selbst nach vorn und der Tote stürzte zu Boden. Ein weiterer Stein, der von hinten kam und sich ebenfalls bewegte, nahm ihn mit und begrub ihn noch mehr unter den Steinen.

Dann trat ein Mann hinaus, der eindeutig magisch war. An seiner Hand konnte man die Magie mit der er die Steine durch die Gegend schob, deutlich sehen. Hinter ihm waren mehrere Männer, die jedoch nicht sonderlich magisch wirkten. Gefährlich auf eine gewisse Art und Weise, aber nicht magisch.

„Jetzt geht schon", schrie der Schwarzhaarige mit den markanten silbernen Augen und die Männer hinter ihm begannen sich zu bewegen. Sie rannten in den Wald hinein und versuchte sich ihre Wege über die umgestürzten Bäume zu bahnen.

Odin konnte nur raten, aber er war sich fast sicher, dass sie auf den Weg zum Dorfplatz waren.

Das konnten sie nun wirklich nicht gebrauchen!

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