Kapitel 43
Blinzelnd kam ich zu mir und musste mich erst einmal orientieren. Mein Körper fühlte sich seltsam an und ich verstand nicht, was es war, das ich sah. Es war wie eine wabernde, schwarze Masse, über der ich schwebte und diese machte mir Angst.
Es war dunkle, aber nicht so sehr, dass es finster war. Irgendwie war es eine angenehme und bekannte Dunkelheit und als ich aufblickte erkannte ich einen Sternenhimmel mit einer Mondsichel.
Dann blickte ich wieder nach unten und verstand nun endlich, was ich sah.
Die schwarze Masse war nichts, wovor man Angst haben musste. Es war nur ein Wald, der sich im Wind hin und her wog. Nur drang das bekannte Rauschen kaum an meine Ohren.
War das hier ein Traum? Es musste ein Traum sein. Anders konnte ich es mir nicht erklären, dass ich flog. Auch wenn vielleicht Magie im Spiel war, so war es nicht so leicht vorstellbar. Immerhin hatte ich doch so einem seltsamen Mann in die Augen geschaut. Müsste ich jetzt nicht gefesselt in einer Höhle liegen, oder so?
Panik überkam mich. Oder war ich vielleicht sogar tot und gerade ein Geist?
Diese Erkenntnis ließ mich erschaudern, doch kurz darauf nahm Ernüchterung den Platz der Panik ein. Wenn ich wirklich tot und ein Geist war, dann war ich enttäuscht. Irgendwie hatte ich es mir anderes vorgestellt zu sterben. Friedlicher und weniger angsteinflößend.
Was auch immer es war, ich schien nicht sehr viel Mitspracherecht zu besitzen. Noch immer schwebte ich einfach auf der Stelle und blickte hinab zu dem Wald.
Was sollte ich jetzt machen? Es fühlte sich nicht sonderlich real an, was auch der Grund war, warum sich meine Panik so schnell wieder gelegt hatte. Vielleicht hatte mein Geist meinen Körper auch nur für einige Zeit verlassen. Was auch immer es war, ich musste erst einmal herausfinden, was ich mit diesem ungewollten Zustand alles anfangen konnte.
Vielleicht war ich ja kein richtiger Geist und man konnte mich sehen und ich konnte Dinge anfassen. Das galt es herauszufinden.
Aber erst einmal musste ich lernen, wie man sich bewegte. Ich beugte mich ein Stück nach vorn, in der Hoffnung, dass ich nach unten schweben würde, doch das Schweben hatte plötzlich ein Ende und stattdessen fiel ich ungebremst zu Boden.
Ein erstickter Schrei drang aus meiner Kehle und ich schloss die Augen, um zu warten, dass ich auf den Boden auftraf. Doch nichts passierte. Ich spürte eigentlich nicht einmal, dass ich fiel. Kein Widerstand, der von dem Wind hätte herrühren können. Nicht einmal meine Haare bewegten sich so, dass sie mir ins Gesicht peitschten.
Zögerlich öffnete ich eines meiner Augen und dann das andere. Mein Mund klappte förmlich auf, als ich erkannte, dass ich auf den Waldboden stand. So einfach.
Ich hatte doch überhaupt nichts gespürt! Auch jetzt nicht. Ich sollte Boden unter meinen Füßen spüren, doch irgendwie fühlte es sich nicht so an. Das war reichlich seltsam.
Als ich versuchte zu laufen hatte ich ein ganz merkwürdiges Gefühl. Es fühlte sich alles falsch an, weil einfach kein spürbarer Boden vorhanden war und es dauerte sehr lange, bis ich mich an das Gefühl gewöhnt hatte.
Aus Neugier testete ich auch, ob ich einen Baum berühren konnte und war nur milde überrascht, als meine Hand tatsächlich hindurch ging.
Sowas hatte ich früher schon öfter geträumt, auch wenn es sich dieses Mal nicht ganz anfühlte wie ein Traum. Aber auch nicht, als wäre es echt. Das war unglaublich frustrierend und mir gefiel mein neuer Zustand so überhaupt nicht.
Mir kam der Gedanke, dass dieser hier zumindest besser war, als der eines Drachen, doch ich versuchte mich nicht zu sehr darauf zu konzentrieren. Diese Erinnerungen konnte ich nun wirklich nicht gebrauchen.
Um meine Erinnerungen zu verdrängen versuchte ich mich auf die Umgebung des Waldes zu konzentrieren. Dabei fiel mir auf, dass Dinge in meiner Nähe sehr scharf waren. Ich erkannte die Maserung des Baumes, der neben mir stand, sehr deutlich. Selbst die kleinen Tierchen darauf waren sichtbar. Dafür war alles, was weiter weg lag, irgendwie verschwommen. Und dann gab es noch diese leicht schimmernden Strömungen, die irgendwie durch den Wald waberten. Eine wirkte sehr hell, fast leuchtend, aber blasser. Die andere war schwarz und wirkte, als wäre es zermahlener Hämatit, denn immer wieder funkelten darin kleine Flecken. Vielleicht auch Diamantstaub. Es war schwer zu erkennen, denn diese Strömungen lagen weiter von mir entfernt. Noch war mir alles zu neu, um mir diese genauer anzusehen. Eines nach dem anderen-
Ich achtete darauf wohin ich trat und das ich nicht gegen einen Baum lief, auch wenn ich wohl durch diese hindurch gehen konnte. Es fühlte sich so unreal an, dass ich es nicht probieren wollte.
Ich stieg über Büsche hinweg, ohne zu wissen, ob ich nicht vielleicht doch in sie trat. So schnell würde ich mich wohl nicht an diesen Zustand gewöhnen. Ich hoffte wirklich, dass ich nicht lange so blieb.
Nach einer gefühlten Ewigkeit trat ich aus dem Wald und konnte den Platz ausmachen, auf dem die Bühne stand.
Als ich diesen verlassen hatte, war es Morgen gewesen, doch jetzt war es schon fast später Nachmittag. Ich fragte mich wie ich auf den Gedanken kam, denn über mir prangte ein Sternenhimmel. Dennoch die Leute saßen in Gruppen und tranken Kaffee, Tee und aßen Kuchen.
Nachdenklich besah ich mir das Geschehen. Scheinbar war ich in einer Art Zwischenwelt. Zumindest würde das einiges erklären.
Nicht alles, aber einiges. Ich konnte nur spekulieren.
Nachdenklich trat ich auf die Lichtung und auf den ersten Menschen zu, den ich sehen konnte. Meine Hand streckte sich aus, doch wie bei dem Baum, glitt sie durch den Körper hindurch. Die junge Frau erzitterte, blickte in Richtung Wald und nahm dann die Beine in die Hand, um zu einer Gruppe Männer zu flüchten.
Das war ein wirklich eigenartiges Verhalten! Es ärgerte mich irgendwie.
Ich machte mich auf den Weg, um nach Sarah, oder Odin zu suchen. Sie würden mir vielleicht helfen können. Eventuell nahmen sie mich auch wahr. Sie waren schließlich alt und mächtig. Ich wusste ja nicht, in wie weit sie Magie vielleicht spüren konnten.
Ich entdeckte zwar nicht Sarah und Odin, doch Kian, der mit Daliah gerade ein Stück Kuchen aß und lachte.
Seine Stimme drang nur leise an mein Ohr, wie auch die restlichen Geräusche. Es war genau wie im Wald.
Mein Mund öffnete sich, um nach Kian zu rufen, doch kein Laut verließ meine Kehle.
Panisch hob ich meine Hände an meine Kehle und versuchte etwas zu sagen, doch es ging einfach nicht. Erneut flammte Angst in mir auf. Wie sollte ich es denn schaffe jemand auf meine Lage aufmerksam zu machen, wenn ich nicht einmal sprechen konnte?
Hektisch sah ich mich um, in der Hoffnung irgendwas zu finden, was mir helfen konnte, doch das war vergebene Liebesmühe. Hier war überhaupt nichts zu erkennen! Nichts, was mir irgendwie helfen würde. Nicht, solange ich nichts anfassen konnte!
Die Panik schien mein Denken einzunehmen und so irrte ich ziellos und panisch umher, bis ich einen Mann erkannte, der mich sofort innehalten ließ. Es war wie ein Schauer, der über meinen Rücken rieselte. Das waren die Augen! Die Augen, die mich auch vor einiger Zeit schon angesehen hatten. Nur blickten sie jetzt nicht zu mir, sondern zu Freya und Venom! Er stand ein wenig abseits der beiden an einem Tisch und trank einen Kaffee, während er sie beobachtete.
Meine Panik verebbte nicht, doch sie fand ein neues Ziel. Wenn dieser Typ wirklich Freya irgendwie gefangen hielt, dann musste man sie befreien. Oder von hier verschwinden, denn so wie er zu Venom blickte, konnte man erkennen, dass dieser sein neues Ziel werden würde.
Das musste ich verhindern! Ich musste sie irgendwie warnen!
Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top