Kapitel 39
Es war dunkel, der Wald dicht bewachsen und nicht einmal das Mondlicht schien sich ein wenig durch das Blätterdach drängen zu können. Was hatte ich mir nur dabei gedacht mit Venom zusammen dieser Musik zu folgen? Sie schien von überall her zu kommen und mir wurde kalt. Ich trug noch immer meine Unterwäsche und das Schultertuch, das Kian mir gegeben hatte. Was hatte ich mir nur dabei gedacht?
Ach ja, ich hatte gar nicht gedacht!
Das war auch der Grund, warum ich jetzt hier im Wald stand und nicht mehr wusste, wo ich war. Ich hatte Venom verloren, hörte aber immer noch jemanden leise singen. Es war lauter geworden, aber wenn ich ehrlich war, dann wusste ich nicht genau, wo ich langlaufen sollte.
Ich blickte mich in der Dunkelheit um. Es war mir möglich einige Umrisse zu erkennen und ich hatte das Gefühl sie wurden immer schärfer und deutlicher, je länger ich hier stand, dabei war es kaum möglich, dass es heller wurde. Aber vielleicht gewöhnten sich meine Augen auch an die Dunkelheit. Ich hoffte es, dann würde ich vielleicht wieder zurück zur Herberge finden. Auch wenn hier alles gleich aussah.
Ein Seufzen verließ meine Kehle und dann hörte ich es deutlicher singen. Die Melodie wurde lauter und klarer.
Nachdenklich runzelte ich die Stirn und drehte mich in die Richtung, in der ich die Stimme vermutete. Sie war mein einziger Anhaltspunkt. Vielleicht würde ich dort auf Venom treffen.
Meine Füße blieben ab und an in den Wurzeln von Bäumen und Sträuchern hängen, doch ich fiel nicht zu Boden. Das war gut und ich bewegte mich erstaunlich sicher und schnell durch das Unterholz. Trotzt Sichtverhältnisse und ungewohnter Umgebung war mir auch nicht ganz so mulmig zu Mute, wie ich es erwartet hätte. Erst, als die Stimme plötzlich verstummte und mein einziger Anhaltspunkt auf einem Weg weg war, blieb ich stehen und ein mulmiges Gefühl breitete sich in meinem Bauch aus.
Dann hörte ich plötzlich eine Stimme und zuckte zusammen. Es dauerte kurz, bis sich Venom erkannte. Sofort setzte ich mich wieder in Bewegung. Ich musste nahe dran sein.
Ich kämpfte mich durch einige Sträucher und stand dann auf einer wirklich kleinen Lichtung, die von einem See dominiert war. Dort am See auf einem Stein saß eine junge Frau in einem Kleid, das vom Mondlicht beschienen, fast so wirkte, als würde es leuchten.
Ihr Haar fiel in leichten Wellen über ihren Rücken und das Blond hatte selbst in dieser Dunkelheit einen satten, goldenen Ton. Ihre Figur war wunderschön und ich spürte, wie ich ein wenig neidisch wurde, als ich bemerkte, dass Venom in ihrer Nähe stand und ich sie scheinbar bei einem Gespräch unterbrochen hatte.
Venom blickte zu mir und ich erkannte seine giftgrünen Augen in der Dunkelheit. Warum hatte er seine Brille abgenommen und warum war die Frau nicht weggelaufen.
Als sie mich sah erhob sie sich und lächelte mich warm an. „Ist das die andere, von der du gesprochen hast?", fragte sie und Venom gab ein verächtlich klingendes ‚Ja' von sich.
Die Blonde lächelte und trat weiter auf mich zu. Ich stellte mich hin und versuchte mich ebenfalls an einem Lächeln, da ich nicht wusste was los war.
Allerdings blieb die Blonde plötzlich ein wenig irritiert stehen und musterte mich, ehe sie noch unschlüssiger zu werden schien. Gefiel ihr mein Lächeln nicht?
Zögerlich wandte sie sich zu Venom und dieser schnaubte. „Auch wenn sie gerade aussieht wie ein Waldkind, sie ist eigentlich sehr umgänglich", schnaubte er und ich fragte mich, was die Frau in mir sah, dass sie so reagierte.
Sie drehte ich wieder mir zu und lächelte zögerlich. „Ich bin Freya. Ich war nicht schlecht erstaunt, als Venom mir offenbarte, dass er wie ich ein Drache ist", erklärte sie und jetzt verstand ich auch, warum es mir so schwer fiel diese Frau als Mensch zu sehen. Sie sah menschlich aus, kein Zweifel, doch dieses Leuchten, das sie umgab war kein Mondlicht. Es war irgendwie anderes.
„Aurora", erklärte ich, um mich vorzustellen und ich konnte an Venoms Mine erkennen, dass auch er ein wenig irritiert zu sein schien. Dann wurde seine Miene nachdenklich und ein wenig misstrauisch. Ich entschied mich dazu es nicht weiter zu beachten.
Viel wichtiger war, dass wir einen Drachen gefunden hatten und dann auch noch so einfach. So hatte ich mir das nun wirklich nicht vorgestellt.
„Freya ist so etwas wie das Dorforakel", erklärte mir Venom, ehe Freya leise lachte.
„Nein, ehe eine Kräuterfrau. Aber die Dorfbewohner ehren mich, wie eine Heilige, weil ich für viele gute Ernten verantwortlich bin", erklärte sie und griff nach einem kleinen Baum. Als ihre Hand das Holz berührte spürte ich wieder die Magie, die ich damals schon so oft auf der Schule gespürt hatte. Dann begannen an dem Baum plötzlich einige Äste zu sprießen, als hätte man sie Monate lang gefilmt und diesen Film dann um mindestens hundert verschnellert.
Es war unglaublich faszinierend und ich konnte gar nicht anders, als sie anzustarren.
Das war wirklich unfassbar.
Freya blickte wieder zu mir und wirkte noch nervöser und unsicherer, als zuvor. Als würde sie etwas in meinem Gesicht sehen, dass ich nicht sah.
„Aurora, alles in Ordnung mit dir?", fragte Venom, der nun ebenfalls auf mich zutrat.
„Ja, wieso?", fragte ich und er schüttelte irritiert den Kopf. Was war nur mit ihm los.
„Es ist nur. Dein Gesicht", sagte er nachdenklich und ich hob die Hand.
„Was ist denn? Hab ich was im Gesicht?", wollte ich wissen, auch wenn es mich eigentlich nicht interessierte.
Venom schüttelte den Kopf und trat dann auf mich zu, um mir eine Hand auf den Rücken zu legen und mich ein wenig in eine Richtung zu schieben.
Was sollte das denn jetzt?
„Ich denke es ist besser, wenn wir jetzt wieder reingehen. Freya? Überlegst du dir mein Angebot?", fragte er und ich fragte mich, was ich verpasst hatte. Gut, ich stand eine ganze Weile blöd in der Gegend herum, während ich niemanden mehr gehört hatte, doch war das so lange gewesen, dass sich die beiden schon so gut unterhalten hatten? Irgendwie hatte ich das Zeitgefühl total vergessen.
Freya nickte. „Wir sehen uns beim Contest. Dort bekommst du deine Antwort", versprach sie und Venom nickte erneut, ehe er seine Sonnenbrille wieder aufsetzte. Das machte mir ein wenig Angst. Nicht, dass er so gegen einen Baum lief.
Aber ich hatte mich geirrt. Er schob mich ziemlich zielsicher in eine Richtung und ich ließ es zu. Schließlich bemerkte ich zwischen den Bäumen Licht und kurz darauf kamen wir an der Herberge an.
„Du solltest wirklich nicht halbnackt hier draußen rumlaufen", schnaubte Venom und mir wurde wieder bewusst, dass ich nur Unterwäsche und das Schultertuch trug. Seltsamer Weise war mir überhaupt nicht kalt und meine Füße mussten doch auch kalt und voller Schlamm sein. Und voller Schrammen, wenn ich daran dachte, wie oft ich hängen geblieben war.
Mein Blick glitt hinab und ich hatte Recht. Überall waren Schlamm und Blätter an meinen Füßen. Und dennoch hatte ich nicht das Gefühl, als wären sie kalt, oder nass. Es fühlte sich nicht seltsam an.
„Außerdem bist du verletzt", erklärte Venom zähneknirschend und hob meinen Arm. Dort war tatsächlich ein langer Kratzer aus dem Blut lief, was mich ein wenig irritierte. Auch das spürte ich nicht. Es war nicht warm und auch nicht nass, es war... nicht zu beschreiben. Mein Arm fühlte sich nicht taub an. Ich spürte ihn, aber eben nicht den Kratzer. Das hätte mir Angst machen sollen, doch stattdessen löste es keinerlei Gefühl in mir aus. Es war mir schlichtweg egal.
Schulterzuckend riss ich mich von Venom los und machte mir wieder auf den Weg in die Herberge. Am liebsten wollte ich nur noch ins Bett und schlafen.
~*~*~
Was sind eigentlich so eure Lieblingsdrachen?
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