Kapitel 24
Ich erwachte, als ein kalter Lufthauch meinen Nacken streifte und ein wenig Licht mich blendete.
Verwirrt schlug ich die Augen auf und es dauerte eine ganze Weile, bis ich verstand, wo ich war.
Ich lag auf einer warmen Brust, die sich langsam hob und senkte. Zusammen lagen wir auf einer großen Bank im Garten. Wie kam ich hier her?
Müde rieb ich mir die Augen und blickte auf Venom hinab. Waren wir etwas beide eingeschlafen? Sein Arm lag locker um meinen Rücken und es fühlte sich unglaublich gut an, wie er so ruhig atmete.
Ich drehte ihm meinen Blick zu und musterte sein Gesicht. Irgendwas verwirrte mich. Er wirkte nicht, als würde er wirklich schlafen. Aber ich war noch nie gut darin gewesen, so etwas zu beurteilen. Vielleicht schlief er ja tatsächlich noch.
Was auch immer es war, ich sollte mich auf den Weg in mein Zimmer machen, denn der Morgen graute bereits. Doch obwohl ich das vorhatte, bewegte ich mich keinen Millimeter und genoss stattdessen Venoms Wärme und atmete seinen Duft ein.
Dabei fühlte ich mich geborgen. Ein Gefühl, dass ich sonst in diesem Ausmaße nur bei meinen Eltern kannte.
Eltern, die ich in den letzten Tagen nicht so oft angerufen hatte, wie ich es mir vorgenommen hatte. Natürlich hatten wir per SMS kommuniziert und ich hatte sie auch ein paar Mal angerufen, doch nicht so regelmäßig, wie ich es ihnen versprochen hatte. Ich entschied mich dazu, es in den nächsten Tagen besser zu machen. Auch wenn ich ihnen nicht alles erzählen konnte, so konnte ich ihnen doch wenigstens ein bisschen was erzählen. Die normalen Dinge eben, die sich leider sehr in Grenzen hielten. Wie würden sie wohl darauf reagieren, wenn ich ihnen von den Monstern erzählte, von denen ich geträumt hatte. Wahrscheinlich würden sie es als Trauma meiner Kindheit abstempeln.
„Versuchst du mich gerade zu verführen?", fragte Venoms verschlafene Stimme und ich merkte, dass ich begonnen hatte mit meinen Fingern Muster auf seine Haut zu zeichnen.
Perplex, dass er wach war, hielt ich inne und blickte ihn genau in die giftgrünen Augen. „Lass dir gesagt sein, du bist sehr schlecht darin", erklärte er und kurz darauf drehte er sich und warf mich unsanft von sich.
„Aua, Arschloch", entwich es mir verärgert, weil ich am Boden auf schlug, wie ein nasser Sack. Am Morgen war meine Koordination nun einmal nicht vorhanden! Und dieser Blödmann lachte auch noch, ehe er mich mit diesem arroganten Grinsen bedachte, das ihn so verführerisch wirken ließ. Jetzt aber wollte ich es ihm am liebsten aus dem Gesicht schlagen.
Grummelnd richtete ich mich auf und putzte mir den Dreck von der Kleidung. Nun, das war wohl ein klares Zeichen, dass ich zu gehen hatte. Wie er wollte.
Ich drehte mich von ihm weg und wollte mit erhobenem Haupt davon schreiten, als ich plötzlich spürte, wie etwas Warmes meinen Hinter berührte und hinein kniff. Ich gab einen quietschenden Laut von mir, der eine Mischung aus Empörung, Verwunderung und Gefallen verkörperte und drehte mich perplex um. Venom grinste noch immer und es wirkte irgendwie zufrieden.
Empört schnappte ich nach Luft und überlegte, ob ich ihm eine scheuern sollte, doch ich ließ es. Das würde nur zu Ärger führen und ich war mir ziemlich sicher, dass ich keine Chance gegen ihn hatte.
„Mistkerl", knurrte ich erneut und stolzierte nun endlich davon. Venoms Lachen begleitete mich. Irgendwie war dieser Typ seltsam. Er spielte mit mir! Ich mochte so etwas wirklich nicht und dennoch breitete sich in meinem Bauch ein Gefühl aus, dass ich nicht beschreiben konnte. War es Unwohlsein, oder vielleicht doch eine gewisse Neugier? Jedenfalls kribbelte es auf eine Art und Weise, die mir gefiel.
Seufzend streckte ich mich etwas und lief durch die Flure der Schule.
Es war noch recht ruhig, weshalb ich davon ausging, dass es noch früh am Morgen war. Dennoch nicht mehr ganz so früh am Morgen, denn einige Frühaufsteher waren schon auf den Weg in die Mensa, um als erstes zu frühstücken.
Während ich die Schüler beobachtete, fiel mir auf, dass ich die meisten davon nicht wirklich kannte. Einige waren wohl mein Alter und wahrscheinlich auch in meiner Klasse, aber da es hier eine Art seltsames Kurssystem gab, hatte ich immer wieder mit anderen Leuten. Zumindest gefühlt. Ich konnte mir nur schlecht Namen merken, doch viele Gesichter kamen mir bekannt vor.
Zwei Frauen erkannte ich wieder. Sie hatten mir böse Blicke zugeworfen, als ich mit Venom gebacken hatte. Als sie an mir vorbei liefen, versteckte ich mein Lächeln hinter meinen langen braunen Haaren und stellte dabei fest, dass ich diese endlich mal wieder waschen sollte. Generell überlegte ich, ob ich die erste Stunde nicht sein lassen sollte und mich in aller Ruhe auf den Tag vorbereiten sollte. Vielleicht sollte ich sogar mit Aurelania, oder Sarah über meine Träume sprechen?
„Guten morgen Aurora", rief eine bekannte Stimme und ich blieb stehen, um den Kopf zu drehen. Voller Elan kam Jack auf mich zu und wirkte putz munter. Wie schaffte er es um diese Uhrzeit nur? Und so wie er mich ansah, ging ich davon aus, dass er mich gleich mit sich ziehen würde. Doch dann blieb er stehen und musterte mich skeptisch. „Du siehst irgendwie ziemlich zerknautscht aus", stellte er fest und ein besorgter Unterton schwang in seiner Stimme mit.
Ich versuchte mich an einem zaghaften Lächeln. Er hatte mich erwischt, es brachte nichts zu lügen, also würde ich so nah an der Wahrheit bleiben wie möglich. „Ich hatte die Nacht einen Albtraum und bin raus gegangen. Dann bin ich dummer Weise auf der Bank draußen eingeschlafen", erklärte ich und hoffte, dass er es mir glaubte. Es klang immerhin reichlich unnormal.
„Oh", gab er von sich und betrachtete mich noch einmal. „Das erklärt einiges. Dann will ich dich mal nicht stören. Wir haben heute Morgen Geografie. Ich werde dem Lehrer bescheid sagen, dass du etwas später kommst", versicherte er mir und klopfte mir auf die Schultern. „So eine Nacht auf einer Bank kann ganz schön ungemütlich sein", fügte er hinzu und es klang ein wenig zu wissend für meinen Geschmack.
Erneut lächelte ich ein wenig zaghaft. „Danke", bemerkte ich und fragte mich langsam, was mit meinem Vorsatz niemanden an mich heran zu lassen, geworden war. Es waren mehr Leute, als auf einer anderen Schule, die sich einen Weg in mein Herz gebahnt hatten.
Da waren Kian, Venom, Sarah und Daliah. Sogar Jack und auch Meggy hatten sich in so kurzer Zeit einen Weg in mein Innerstes gegraben und es würde unglaublich wehtun, wenn man sie mir wieder aus diesem reißen würde.
Jack klopfte mir noch einmal auf die Schulter und setzte dann seinen Weg fort, genau wie ich. Nur dass er bereits jetzt schon in die Mensa auf den Weg war und ich zurück in mein Zimmer.
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