Kapitel 22
Am nächsten Morgen besuchte ich das erste Mal, seitdem ich hier auf die Schule ging, den Unterricht alleine.
Venom, Kian und Daliah hatten anderen Unterricht und ließen daher die unwichtigeren Stunden aus.
Geschichte war zwar wichtig, doch was interessierte ein magisches Wesen, dass aus einer anderen Welt kam, die Geschichte der Erde? Wahrscheinlich war diese, im Vergleich zur Geschichte der magischen Welt, recht langweilig.
Ich wäre gern dabei gewesen, doch Sarah meinte, ich solle mich erst einmal ein wenig ausruhen und nicht mehr so viel mit Magie in Kontakt geraten.
Womöglich wollte sie mir nichts Böses und mir damit nur helfen, doch das änderte nichts daran, dass ich sauer auf sie war.
Es gefiel mir doch mehr, ein Drache zu sein, als ich mir bisher eingestehen wollte. Diese Tatsache änderte mein Leben und machte es auf eine Art und Weise interessant, die ich mir bisher nie hatte vorstellen können.
Ich fühlte mich, als hätte man mir einen leckeren Schokoladen-Keks vor die Nase gehalten und ihn mir versprochen, doch das Versprechen dann wieder zurückgezogen und ihn vor meiner Nase aufgegessen.
Kurzum: Ich war angepisst und das sah man mir wohl auch an.
Als ich in die Klasse kam wurden mir einige Blicke zugeworfen und ich setzte mich stumm auf meinen Platz am Fenster, ehe ich meinen Blick auf die Tafel richtete.
Vielleicht würde mich der Geschichtsunterricht ja ablenken.
Der Unterricht hatte noch nicht begonnen, was auch der Grund war, warum die Schüler sich noch rege und lautstark unterhielten. Sie waren so laut, dass ich fast das schüchterne; „Hallo", überhört hätte, das eindeutig mir galt. Obwohl es schwer war, dieser glasklaren, melodischen Stimme keine Beachtung zu schenken.
Ich hob meinen Blick und blickte auf ein Gewicht, das einer Puppe glich. Reine porzellanfarbene Haut und wunderschöne, tiefbraune Augen. Alles eingerahmt von goldblonden Korkenzieherlocken.
Ihre ganze Erscheinung schrie nach reichem Hause und Zicke. Doch so schüchtern, wie sie mich anstarrte, widerlegte sie dieses Klischee gleich wieder.
„Hallo?", antwortete ich, auch wenn es eher wie eine Frage klang.
Die junge Frau lächelte strahlend und steckte mich damit fast an. „Ich bin Meggy", stellte sie sich mit ein wenig mehr Enthusiasmus vor.
Ein sanftes Lächeln schlich sich auf meine Lippen. „Aurora", sagte ich sanft. „Freut mich", fügte ich hinzu, weil ich dieses sanfte Mädchen nicht verschrecken wollte.
Sie lächelte weiter, doch ihr Blick wurde ein wenig beruhigter.
„Darf... darf ich mich zu dir setzen?", fragte sie und erst jetzt wurde mir klar, dass ich sie bisher noch nie hier gesehen hatte. Nicht, dass ich den Leuten in meiner Umgebung besonders viel Aufmerksamkeit schenkte. Sie mir immerhin auch nicht, wenn sie mir nicht gerade böse Blicke zuwarfen.
„Ja natürlich", antwortete ich und schob den Stuhl mit meinem Beinen einladend nach draußen.
Sie setzte sich und packte ihre Sachen aus.
Ich wollte meine Aufmerksamkeit wieder nach vorn richten, als ich einen weiteren Gast an meinem Tisch sah.
Hatte ich irgendwo ein Schild stehen, dass es hier etwas kostenlos gab?
Was wollte denn jetzt dieser Typ mit den halblangen, schwarzen Haaren hier?
„Also wenn du jetzt auch noch fragst, ob du dich zu mir setzen kannst, muss ich dich enttäuschen. Stühle alle", erklärte ich nüchtern und der Junge lachte.
„Ach quatsch. Ich wollte nur Hallo sagen. Ich bin Jack. Du bist noch immer ziemlich neu. Weil du immer mit Venom unterwegs bist, traut sich keiner an dich ran. Der Typ ist gruselig", erklärte er mit einer ansteckenden Fröhlichkeit und ließ sich auf meinem Tisch nieder, als wäre das hier normal.
Ich schnaubte. „Gruselig ist wohl kein gutes Wort dafür", sagte ich sanft und musste schmunzeln. Armer Venom.
Der Junge, der sich als Jack vorgestellt hatte, lachte. Es war so ansteckend, dass ich ebenfalls grinsen musste.
Dann wandte er sich an meine neue Sitznachbarin.
„Meggy richtig?", fragte er und erhielt ein schüchternes Nicken.
„Du bist neu hier", stellte er unumwunden fest und wartete ihr erneutes Nicken überhaupt nicht ab. „Soll ich dir die Schule zeigen?", wollte er wissen und Meggy zögerte.
„Kann ich auch mitkommen?", fragte ich, immerhin hatte ich nicht sonderlich viel zu tun. Und die Schule kannte ich auch nicht so gut. Außer vielleicht die Gegenden, wo wir eigentlich nicht sein sollten. Wie die magischen Portale, oder Kellergewölbe!
Jack wirkte überrascht und strahlte dann. „Na klar", verkündete er und ich hoffte, dass er es nicht irgendwie als Flirtversuch fehlinterpretierte.
Wobei ich schon sehr lange keine richtige Beziehung mehr gehabt hatte. Vielleicht solle ich es darauf ankommen lassen? Er schien ein netter Typ. Nicht so wie Venom.
Ich schenkte ihm noch ein Lächeln und auch Meggy nickte ich aufmunternd zu. Ganz alleine wollte ich dann doch noch nicht mit ihm sein. Dazu kannte ich ihn zu wenig. Möglicherweise zog er mich in die nächste Ecke und... Unwahrscheinlich! Aurora, denk daran, dass hier waren magische Wesen. Sie waren wahrscheinlich nicht wie die anderen Jungen.
Das hieß dann auch, dass ich ihm wohl nicht die Nase brechen musste, weil er mir zu nahe kam. Hoffte ich!
Meggy nickte, als auch schon der Lehrer den Raum betrat. Er war kleingewachsen und hatte einen dichten, roten Bart. Schon bei meiner ersten Begegnung mit ihm hatte ich mich gefragt, ob er ein Zwerg war.
Ich hatte die Frage beschmunzelt, doch nun war ich mir fast sicher, dass ich Recht hatte. Ob er auch in Dragon Hill gelebt hatte? Die Stadt nach der diese Schule benannt worden war?
War seine Familie auch getötet wurden?
Melancholie überfiel mich und auch Angst, als mir das Wesen wieder in den Sinn kam.
Gedankenverloren begann ich auf einem Stück Papier herum zu kritzeln und hörte kaum zu.
Professor Doktor Timbat lief durch die Klasse und ich wusste, dass er mich mehr als einmal beim Zeichnen erwischte, doch er sagte nichts.
Das beruhigte mich etwas, denn ich hatte Angst ihn anzuschreien, wenn er mich ansprach. Meine Laune war noch immer sehr schlecht, auch wenn Jack sie etwas gehoben hatte.
Das Klingeln beendete endlich den Unterricht und ich packte meine Notizhefte zusammen und stopfte sie in die kleine Umhängetasche in der ich auch den magischen Spiegel aufbewahrte.
Bei dessen Anblick verzog ich leicht den Mund und packte die Bücher so, dass ich ihn nicht mehr sehen musste.
Als ich fertig war blickte ich wieder auf und bemerkte Jack, der vor mir stand und mich angrinste. Der Unterricht schien seiner guten Laune keinen Abbruch getan zu haben.
„Was soll ich euch als erstes zeigen?", fragte er und blickte zu Meggy, die ein wenig überfahren wirkte.
Also antwortete ich für sie: „Zeig uns einfach alles was es hier gibt."
Jack lachte. „Das ist viel", sagte er noch immer lachend und mit einem verheißungsvollen Unterton.
Ja ich konnte mir denken, dass es hier viel gab.
„Die Mensa kenne ich schon", kam es leise von Meggy und ich hoffte sie erstickte nicht, weil sie sich nicht traute Luft zu holen.
Jack grinste sie an. „Einen Punkt weniger. Die Zimmer kennst du sicher auch schon. Wie wäre es wenn ich euch das Schwimmbade zeige?"
Meggys Augen begannen zu leuchten. „Schwimmbad?", fragte sie und dieses Mal blieb ihr vor Begeisterung der Atem weg.
Sie war so unglaublich süß und zerbrechlich.
„Ja. Die Schule ist echt klasse", verkündete Jack und ich fragte mich warum er hier war.
Wahrscheinlich hatte man bei ihm ADHS oder ähnliches als Grund gewählt. Aufgedreht genug dazu war er auf alle Fälle. Was mich aber wunderte war Meggy. Wie war sie denn hier her gekommen? Ich wusste jetzt, dass es eine Schule für magische Wesen war, doch nach außen hin mussten sie ja den Schein wahren. Wie also war Meggy hier her gekommen?
Ich traute mich nicht zu fragen, weil ich sie noch nicht so lange kannte, aber das musste ich auch nicht, denn Jack nahm mir die Frage ab, als wir alle drei aus dem Klassezimmer traten.
„Wieso bist du hier Meggy? Ich bin aus meiner Klasse geflogen, weil ich nicht stillsitzen kann und die Medikamente nicht wirken", plappert Jack drauf los. „Aber hier ist das okay. Niemand stört sich daran, wenn ich mal durch den Raum renne."
Ah das erklärte einiges! Nun erste Frage war damit geklärt. Aber Meggys Antwort interessierte mich sehr.
„Ich... Ich habe mich nicht mehr in die Schule getraut", erklärte Meggy und versteckte sich hinter Ihren perfekten Haaren.
Nun, so konnte man natürlich auch sagen, dass man die Schule geschwänzt hatte. Aber so wie Meggy wirkte, war das wohl wirklich der Grund. Ich fragte mich, wer sie so verängstigt haben könnte und mit was. Aber im Grunde konnte ich es mir denken. Es gab genug Arschlöscher, die Mädchen wie Meggy bedrängen würden.
Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top