Kapitel 17


Statt in Sarahs Büro führte mich Kian einen Weg entlang, den ich bisher noch nicht bemerkt hätte. Er war auch von einem Wandteppich verdeckt und führte eine recht steile Treppe hinauf.

Diese war mit Staub bedeckt was mir zeigte, wie lange sie schon nicht mehr benutzt wurde. Allerdings hinterließen wir auch keine Spuren im Staub, was mich stutzig machte. Das war auch ein wenig gruselig.

Schließlich hielten wir vor einer alten, schweren Holztür, die aussah als würde sie in einen Jahrhunderte alten Glockenturm führen. Kian öffnete die Tür und wir traten ins Licht.

Geblendet wandte ich den Kopf ab und der Geruch von frischem Gras und Wald drang mir in die Nase.

Verwirrt, weil ich ein staubbedecktes Zimmer erwartet hatte, blickte ich auf und mich um.

Wir standen draußen auf einer riesigen Wiese.

Ich hörte das Plätschern eines Flusses und auch den Wald konnte ich in einiger Entfernung sehen.

„Das ist eine der wenigen Portaltüren", erklärte Kian, der ein wenig belustigt klang. Ich konnte mir gut vorstellen, was für ein Gesicht ich machen musste. Ungläubigkeit war wohl noch geschmeichelt.

„Portaltüren?", fragte ich nüchtern. Ja warum auch nicht! Als wäre die Magie, die ich bisher gesehen hatte nicht schon verrückt genug.

Kian nickte und gab mir auf diese rhetorische Frage tatsächlich eine Antwort: „Ja. Es gibt ein paar davon auf der Schule. Sie führen zu ausgewählten Orten in der magischen Welt. Das hier ist ein Ort, den ihr zum Trainieren eurer Fähigkeiten nutzen könnt."

Was für Fähigkeiten?

Ich traute mich nicht zu fragen, auch wenn ich es wissen wollte. Irgendwie hatte ich Angst davor.

Stattdessen folgte ich Kian, der auf Sarah zu lief. Diese saß mit Daliah am Boden auf einer

Decke, als würden sie Picknick machen.

Die Wiese mit ihrem wunderschönen, saftigen, grünen Gras lud auch dazu ein. Es roch herrlich nach Natur und auch ein wenig nach Wald. Am liebsten hätte ich mich zu ihnen gesetzt, doch ich ließ lieber den Blick über die Umgebung schweifen.

Auch Venom war anwesend. Allerdings schon voll in seinem Element. Ich erkannte, wie er präzise und geübt sein Schwert schwang. Dabei trug er kein Oberteil und die Muskeln, die seinen Oberkörper und seine Arme zierten, zogen meinen Blick fast magisch an. Doch das wirklich magische war das Schwert in seinen Händen.

Es pulsiert in einem roten Licht, das mich neugierig machte. Auch mein Spiegel hatte diese Lichtschimmer. War dass das Zeichen, dass diese Gegenstände magisch waren?

„Ah da seid ihr ja", erklang Sarahs beruhigende Stimme. „Kommt und setzt euch zu uns. Venom du auch!", rief sie und drehte sich bei ihrem letzten Satz Venom zu.

Dieser sah nicht aus, als würde er sich demnächst zu uns gesellen, denn er machte ruhig seine Übung weiter. Doch nach ein paar Minuten schien er die Übung beendet zu haben und kam gemächlich auf uns zu. Keine Spur von Erschöpfung. Dafür hatte er meine Hochachtung, denn ich konnte mir vorstellen, dass dieses Schwert nicht sonderlich leicht war. Außerdem zeigte der Schweiß auf seiner Haut etwas anderes, doch wenn er erschöpft war, sah man es ihm nicht an. Nicht einmal an seiner Atmung.

Er ließ sich nicht zu Daliah und Sarah nieder, sondern musterte mich mit diesem nachdenklichen Blick, der mir einen Schauer über den Rücken jagte. Dann stellte er sich neben mich. Ich konnte den Blick auf den Spiegel, den ich noch immer in der Hand hatte, spüren. Allerdings versuchte ich ihn zu ignorieren und blickte zu Sarah, die ruhig weiter trank.

Nach ein paar Minuten leerte Sarah ihren Tee und erhob sich. Das war wohl das Zeichen, dass es nun losgehen würde.

„Ich werde euch heute die Grundlagen eurer Waffen erklären", sagte sie und ich runzelte die Stirn. Meiner Meinung nach war nur Venoms Schwert eine Waffe.

„Daliah komm auch zu uns", sagte Sarah mit einem leichten, befehlenden Unterton und Daliah erhob sich langsam. Dabei griff sie nach dem Buch, das neben ihr lag und ich musterte es misstrauisch. War es auch eines aus den Katakomben? Es hatte diesen typischen Schimmer.

„Als ihr in die Katakomben geraten seid, habt ihr das Schutzschild gebrochen, das die magischen Waffen beschützte. Nur ein Drache ist dazu in der Lage", erklärte sie und blickte vielsagend zu Venom. Dieser schnaubte und verstand nicht so ganz, was das hieß.

„Es hat mich gerufen und einfach nicht die Klappe gehalten, bis ich es bei mir hatte", grummelte er und Sarah nickte verstehend. Und auch mir wurde klar, dass es wohl Aurelania gewesen sein musste, die mich dort unten gerufen hattet. Ich würde sie später dazu befragen müssen.

„Jeder eurer Gegenstände hat ein paar spezielle Eigenschaften. Venom dein Schwert ist nicht nur besonders scharf, es ist auch mit der Magie der Elemente ausgestattet", erklärte Sarah und drehte sich zu Daliah. „In deinem Buch findest du allerlei magische Zauber. Nützliche aber auch unterstützende", erklärte Sarah ruhig weiter und mir schwirrte schon der Kopf. Echte Magie! Ich war so neugierig. Was meiner wohl konnte?

„Aurora dein Spiegel ist in der Lage deine Wünsche zu reproduzieren", erklärte sie und ich runzelte die Stirn.

„Hä?", war alles, was ich dazu sagen konnte.

Daliahs und Venoms Waffen schienen viel klarer zu sein, als meines.

Wünsche reproduzieren? Was sollte denn das sein?

„Und Kians Armbänder sind in der Lage seine Willenskraft in Magie umzuwandeln", fügte sie anschließend hinzu.

Mein Blick glitt zu Kian und ich sah wie es Daliah und Venom mir gleich taten. Auch er besaß magische Artefakte?

Wieso hatte er das nicht gesagt?

Ich musterte ihn nachdenklich und bemerkte die Armbänder und das Halsband. Auch wenn er ein junger Mann war, so stand ihm dieser Schmuck trotzdem. Er war auch jemand der Schmuck tragen konnte. So zierlich wie er war und so feminin wie er doch manchmal wirkte, konnte er fast weiblich sein. Irgendwie.

„Und ws bringen uns diese Informationen jetzt?", fragte Venom seufzend und schien ein wenig genervt. Aber das war ich mittlerweile gewöhnt. Venom schien immer genervt zu sein.

„Ihr werdet lernen müssen eure Fähigkeiten gewinnbringend für die Gruppe einzusetzen", erklärte Sarah und Venom schnaubte.

„Gruppe?", fragte er und es war deutlich heraus zu hören, was er von unserer Gruppe hielt.

Nicht sonderlich viel. Was ich nachvollziehen konnte. Auch Kian wirkte nicht, als wäre er ein großartiger Kämpfer. Daliah und ich waren auch nicht sonderlich hilfreich, nahm ich einmal an.

Das hatte der Kampf mit den Spinnen deutlich gezeigt.

Sarah nickte, als hätte sie den Unterton aus Venoms Stimme nicht gehört, oder einfach überhört. „Eure Waffen sind darauf ausgelegt, dass ihr als Team fungiert", erklärte sie weiter und blieb ruhig. „Sie wählen schon seit Jahren die Partner der Drachen aus. Jeweils männlich und weiblich. Wir wissen bis heute nicht, nach welchen Kriterien gewählt wird, aber die Magie dieser Waffen ist schon Jahrtausende alt."

Mein Blick glitt auf den Spiegel. Ob Aurelania auch schon so lange darin gefangen war? Jahrtausende? Eine Zeitspanne, die ich mir kaum vorstellen konnte. Ich war immerhin erst fast 18 Jahre alt. Nicht einmal zwei Jahrzehnte.

„Die Magie dieser Waffen stammt noch von den Altdrachen", erklärte Aurelania plötzlich. „Ich besaß den Spiegel einst und er erfüllte mir den Wunsch zu überleben und meine verbleibende Familie zu schützen", erklärte sie. Ich runzelte die Stirn.

„Das musst du mir später in aller Ruhe erklären", murmelte ich, denn in meinem Bauch versank bereits der Stein der Vorahnung.

Ich hoffte wirklich, dass ich mir das nur einbildete. Es war schon ein wenig vermessen zu glauben auch ich wäre ein Drache. Oder vielleicht war dieser Gedanke einfach nur Realitätsflucht. Auch wenn die Realität gerade eher einen meiner verrückten Träume glich.

„Venom ist mit seinem Schwert schon sehr gut, aber auch er kennt die Grundlagen der Magie nicht. Etwas was euch Kian als erstes beibringen wird", erläuterte Sarah und blickte uns alle drei nacheinander an, ehe sie zu Kian blickte.

Hatte ich das jetzt richtig verstanden? Wir hatten Magie-Unterricht bei Kian?

„Warum weist du schon so viel über diese Welt? Ich nehme an du bist auch magisch, aber was bist du denn?", platzte es neugierig aus mir heraus und ein leichtes Lächeln umspielte seine Lippen.

„Was denkst du? Du darfst gerne einmal raten", sagte er geheimnisvoll. Ich schnaubte.

„Du bist charmant, schön und hilfsbereit. Das einzige Wesen das mir einfällt, das passen würde, wäre ein Engel. Aber da ich glaube die existieren nicht und das ganze sehr klischeehaft wäre...", ich brach den Satz ab, als Kian mich entgeistert anstarrte und Sarah laut auf lachte.

„Voll ins Schwarze", lachte die Direktorin mit einem Lächeln im Gesicht und ich konnte nicht anders, als sie entgeistert an zu starren. Ich hatte Recht? Wirklich?

Kian war ein Engel!

Venom lachte laut auf und schien sich fast dabei zu verschlucken und ich konnte nicht anderes, als Kian an zu starren.

Ich hatte ja vieles erwartet, aber mit der Existenz von Engel hatte ich nicht unbedingt gerechnet.


Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top