Kapitel 15


Ich blickte weiter in den Himmel und beobachtete den Schatten des riesigen Monstrums. Durch die Sonne konnte ich kaum erkennen, wie der Drache aussah, doch er war riesig. Bestimmt fünf oder sechs Meter. Wahrscheinlich aber größer, denn ich war noch nie gut im Schätzen.

Mein Magen verkrampfte sich. Und mein Herz klopfte lauter. War das wirklich echt? Ein Drache? Ein wasch echter Drache? Ich konnte es irgendwie nicht fassen.

Wenn Venom gegen die Spinnen nur eine kleine Chance gehabt hatte, dann hatte er gegen den Drachen gar keine.

Ich versuchte mich auf zu rappeln, doch meine Beine wollten nicht so ganz und gaben beim Laufen mehrmals nach, sodass ich ein paar Mal unkoordiniert am Boden landete. Meinen Weg zu Venom legte ich dennoch irgendwie zurück.

Er lag blutend am Boden. Das Schwert außerhalb seiner Reichweite. Seine Arme von Spinnenfäden gefesselt.

Die Augen wütend verzogen und auf die beiden Spinnenfrauen gerichtet, die gemütlich immer näher kamen.

Erneut rutschte mir das Herz in die Hose und Adrenalin rauschte durch meine Adern.

Dann geschahen mehrere Dinge gleichzeitig.

Die Spinnenfrau setzte mit ihrem Speer, wo auch immer sie diesen her hatte, dazu an, Venom

zu erstechen und der Drache setzte zum Sinkflug an. Das Geräusch seiner Flügel wurde immer lauter.

Dann ertönte ein erneutes Brüllen und ich schloss panisch die Augen. Ich wollte Venom nicht sterben sehen!

Es wurde warm und ich hörte das Prasseln des Feuers, das meinen Körper erstarren ließ.

Mein Mund wurde trocken und die Panik sorgte dafür, dass ich vergaß zu atmen und mir schwindelig wurde.

Ich bemerkte erst, dass ich zu Boden gefallen sein musste, als ich die Kälte des Bodens in meinen Knochen dringen spürte.

Das Prasseln des Feuers hatte aufgehört und ich traute mich vorsichtig meine Augen zu öffnen.

Das erste, was ich sah, waren violette Schuppen. Direkt vor meiner Nase.

Ich erwartete Panik doch da war nur Neugier, die in mir aufstieg.

Ganz langsam streckte ich die Finger nach den Schuppen aus und berührte sie ehrfürchtig. Dabei hielt ich gespannt die Luft an. Wie sie sich wohl anfühlten?

Überrascht stellte ich fest, dass sie warm waren und ich spürte Muskeln und eine leichte Bewegung. Womöglich die Atmung?

Vorsichtig blickte ich auf.

Das musste ein Flügel sein, der mich umschlossen hatte. Er bildete eine schützende Hülle um mich und begann sich nun langsam und vorsichtig zu bewegen.

Schlucken sah ich zu, wie das Licht langsam wieder die Umgebung erhellte und den Blick auf das riesige Geschöpf frei gab.

Rote Augen, die so groß waren wie mein Kopf, blickten mich an und ich glaubte Neugierde darin zu erkennen.

Ein Drache. Ich stand wirklich einem Drachen gegenüber.

Verdammt hatte der große Zähne. Und wo waren Venom und Daliah? Hatte er sie gefressen?

Aus einem Impuls heraus betrachtete ich die Zähne genauer, um vielleicht einen Hinweis auf Daliah und Venom zu finden, doch die Zähne waren sauber. Keine Stoff, oder Fleischreste waren zu sehen.

„Bist du verletzt?", fragte eine weibliche Stimme leise und ich brauchte einen Augenblick, um zu verstehen, dass diese Stimme zu dem Drachen gehörte.

Der Drache war weiblich!?

Und diese Stimme. Sie war mir so bekannt.

Ich biss auf meine Unterlippe und dachte angestrengt nach. Woher kannte ich die Stimme?

„Aurora?", riss mich die unerwartete Frage aus meinen Gedanken.

Ich erinnerte mich. Als ich klein war, hatte ich sie oft gehört.

„Ja. Ja", stammelte ich. „Mir geht's gut."

Glaube ich jedenfalls. Nichts gebrochen, oder verloren gegangen. Körperlich war alles noch dran, auch wenn mein Geist gerade ziemlich verwirrt war.

Aber was war mit den anderen? Ich wollte gerade fragen, als ein Windstoß mir einen Geruch in die Nase wehte, der dafür sorgte, dass mir schlecht wurde. Ich hatte es noch nie gerochen und dennoch wusste ich sofort, was es war: verbranntes Fleisch.

Meine Kehle wurde eng und ich begann zu frieren. Ich traute mich nicht mehr zu fragen wo Venom und Daliah waren. Zu groß war die Angst, dass sie der Grund für den Gestank waren.

Der Kopf des Drachen legte sich vor mich und so war ich gezwungen ihm wieder meine Aufmerksamkeit zu widmen.

Seltsamer Weise blieb die Angst aus, die ich verspürt hatte, als ich das Tier am Himmel gesehen hatte.

„Du kannst mich streicheln", erklärte mir die weibliche Stimme und ich hob die Hand. Ich wollte sie gerade berühren, als mir einfiel das ich nicht einmal ihren Namen kannte.

„Wie heißt du?", fragte ich zögernd und spürte wie pures Staunen in mir aufstieg, als ich mich zwang die Hand aus zu strecken und die warme Schuppenhaut berührte.

„Aurelania", erklärte sie mir und schloss zufrieden die Augen. „Ihr bin...", doch weiter kam sie nicht. Der gesamte Drache wurde von einem weißen Licht erfasst und kurz darauf streichelte ich keinen Drachen mehr, sondern hatte einen Spiegel in der Hand. Groß und rund. Außerdem fühlten sich die weißen Verzierungen an, wie die Drachenschuppen.

„Aurora?", eine männliche, leicht besorgt klingende Stimme ließ mich auf sehen und ich entdeckte Venom, der auf mich zukam.

Auch wenn er seinen rechten Arm ein wenig hielt, als würde er schmerzen, sah er nicht sonderlich verletzt aus und ein Stein fiel mir vom Herzen.

Er war am Leben.

Langsam erhob ich mich vom Boden, auf dem ich saß und hielt den Spiegel fest.

Der Drache hatte uns das Leben gerettet!

„Ich bin nicht verletzt", murmelte ich auf seinen fragenden Blick hin und er nickte, ehe er seinen Arm rieb.

„Bei dir etwas gebrochen?", fragte ich, wusste aber, dass er dann nicht so ruhig hier stehen würde.

Venom schüttelte den Kopf und aus seinen kurzen Haaren rieselt ein wenig Dreck heraus.

„Wo ist Daliah?", wollte ich leise wissen und sah mich suchend um.

War ihr am Ende doch noch etwas passiert?

„Hier!", rief sie und kam langsam auf uns zu.

Ich seufzte erleichtert. Alle mehr oder weniger unverletzt. Was für ein Glück.

„Und wie kommen wir jetzt wieder zurück?", wollte ich wissen, als Daliah wieder bei uns war.

Es war allerdings nicht Daliah, die antwortete, auch wenn die Stimme weiblich war.

„Ich kenne einen Weg", erklang es aus dem Spiegel heraus und ich zuckte unweigerlich zusammen. Ob die anderen diese Stimme auch hören konnten?

Moment! Aus dem Spiegel heraus?

Ich blickte auf diesen nieder und erkannte einen schwarzen Schatten in der, nun gläsernen, Spiegelfläche.

Erschrocken schrie ich auf und warf den Spiegel in die Luft. Einfach nur, um ihn nicht mehr halten zu müssen, weil ich irgendwie Angst davor hatte.

Daliah sprang schnell vor und fing ihn auf, bevor er zu Boden krachen konnte. Ihr Blick war dabei eine Mischung aus Entsetzen und Angst.

„Ich sehe die Begeisterung", erklang die nüchterne Stimme erneut aus dem Spiegel und ich hatte das Bedürfnis mich hinter Venom zu verstecken. Ein sprechender Spiegel. Schräger konnte es wohl kaum noch kommen!

„Vor einem Drachen hast du keine Angst, aber vor einem sprechenden Spiegel?", wollte Venom wissen und klang belustigt.

„Bei dem Drachen hätte ich mir fast in die Hose gemacht", gestand ich und fragte mich, wieso der Typ so ruhig bleiben konnte.

„Der Spiegel weiß wie wir hier weg kommen", merkte Daliah leise an und ich hob eine Augenbraue.

Ja, das behauptete sie, doch konnten wir ihr trauen? Obwohl sie uns ja vor den Spinnen gerettet hatte. Wenn sie denn der Drache war, der uns gerettet hatte.

Das war alles so kompliziert!

„Wo müssen wir hin?", fragte Venom ein wenig gereizt und schien kein Problem damit zu haben, mit einem Spiegel zu sprechen, der noch immer von Daliah gehalten wurde.

„Da lang", erklärte der Schatten im Spiegel und zeigte auf die Berge, welche das Tal schützend umschlossen.

Weil wir keine andere Wahl hatten, als ihr zu glauben, liefen wir los.

Ich war zwar noch nicht recht überzeugt davon, aber es blieb uns wohl keine andere Wahl.

Aurelania führte und durch die Trümmer und erzählte uns, dass dies früher einmal eine wunderschöne Stadt gewesen war. Beschützt von Drachen.

„Und dann kam der Fluch. Er schwächte die Schutzdrachen und die Zerstörung nahm ihren Lauf."

„Wo sind wir hier eigentlich?", wollte ich leise wissen.

„Das hier ist die Stadt Dragon Hill", erklärte sie leise.

Zufall, dass diese Stadt genau so hieß, wie das Internat und auch über dieses zu erreichen war? Ich glaubte nicht daran. Die Direktorin hatte uns einiges zu erzählen. Angefangen mit den Kobolden, die mein Zimmer aufräumen, bis hin zu den Gremlins, die uns schon im Keller in die Tiefe gestürzt hatten. Ich war mir sicher, dass sie sie damals gesehen hatte und das sie das mit Absicht getan hatten!

Venom schnaubte. Er schien genauso skeptisch zu sein wie ich. Was beruhigend war. Ich dachte schon, ich bildete mir diese Zusammenhänge nur ein.

Wahrscheinlich glaubte auch er nicht, dass das Zufall war.

Meine Skepsis wurde nicht weniger, als ich eine Art Torbogen im Stein erkannte. Dahinter war allerdings nur eine massive Steinwand.

„Hier hindurch", erklärte Aurelania und ich hob eine Augenbraue. Wollte sie uns verarschen? Sollten wir gegen die Wand laufen?

Daliah war die Mutigste von uns, denn sie lief auf den Torbogen zu. Die Hand nach vorn gestreckt und die Augen geschlossen.

Kaum hatte ihre Hand den Torbogen erreicht, verschwand diese.

„Krass", murmelte Venom und ich konnte ihm nur zustimmen.

Trotzdem blieb ich skeptisch und als Daliah verschwand, blickte ich zu Venom. „Woher wissen wir, wo sie gelandet ist?", fragte ich vorsichtig, doch Venom schnaubte nur.

Kurz darauf spürte ich seine Hand in meinem Rücken, die mich auf den Bogen zu schob.

Ich wollte protestieren, doch da war es schon zu spät und panisch sah ich zu, wie meine Hand verschwand und bemerkte wie mein Körper von einem eigenartigen Kribbeln eingehüllt wurde.

Plötzlich tauchten tanzen Farben vor meinen Augen auf und ich hatte das Gefühl, eine Stufe übersehen zu haben. Mit einem erschrocken Laut fiel ich nach vorn und landete auf etwas Weichen, das mürrische Laute von sich gab. Kurz darauf landete Venom auf mir.

Erschrocken keuchte ich auf und verzog die Lippen, weil es ganz schön weh tat.

„Aua passt doch auf", rief ich, drückte mich hoch und sah auf.

Direkt auf die Direktorin, die hinter ihrem Schreibtisch saß und eine Tasse Tee mitten in der Bewegung hielt, als wolle sie gerade trinken. Neben ihr Kian, der reichlich verwirrt zu uns blickte.

Sah wohl so aus, als würde ich meine Erklärung eher bekommen, als mir lieb war.

Sarah senkte die Tasse und stellte sie langsam, fast vorsichtig auf den Tisch und schien die Ruhe selbst, während Kian ein wenig nervös wurde.

Mit einen Schlag in die Rippen schob ich Venom von mir runter und erhob mich ebenfalls.

„Ich glaube wir haben einen Erklärung verdient", sagte ich und versuchte unnachgiebig zu klingen.

Sarah blickte uns alle drei an und deutete dann auf das Sofa. „Setzt euch. Ich werde euch alles erklären", sagte sie und ich kam ihrer Aufforderung nach. Nur wenig später saßen wir und bekamen sogar einen Tee eingeschenkt. Venom verlangte dreist nach einem Kaffee, der ihm von Kian serviert wirkte. Noch immer wirkte er nervös.

Dann bemerkte Sarah den Spiegel, den ich nun wieder im Arm hielt und an mich drückte. Irgendwie fühlte ich mich dadurch beschützt. Wie seltsam. Noch vor wenigen Minuten hatte ich Angst vor dem Spiegel und Aurelania gehabt.

Als Sarah ihren Blick nicht ab wandte drehte ich den Spiegel, so dass sie ihn sehen konnte und auch Aurelania freie Sicht hatte.

Sarah schnappte nach Luft. Eine Reaktion die mich beruhigte. Wer hatte keine Angst vor einem Drachen? Doch es hatte einen anderen Grund, warum sie nach Luft schnappte.

„Prinzessin Aurelania", japste sie.

„Prinzessin?", ertönte es synchron von Venom, Daliah und mir.

Wunderbar! Noch mehr seltsame Dinge und Fragen. Ich sollte nur ein Fragenbuch zulegen, bevor ich sie alle vergaß.

„Also gut, was ist hier los?", wollte Venom ziemlich barsch wissen.

Sarah seufzte. „Das ist eine lange Geschichte. Parallel neben der Erde existiert eine Welt voller Magie. Diese Welt wurde erbaut und beschützt von den Altdrachen, die jedoch schon vor vielen Jahrhunderten von der Welt verschwanden. Sie ließen ihre Kinder zurück, um auf die Wesen zu achten, die sie erschufen. Viele Jahre ging das gut, doch wo Licht ist, gibt es auch Schatten und die Welt geriet aus dem Gleichgewicht. Dunkle Mächte begannen sich aus zu breiten und sie schafften es, die Drachen mit einem Fluch zu belegen, der den Untergang der magischen Welt einleitete. Die nächste Generation der Drachen wurde als Menschen geboren und waren so angreifbar. Dadurch wurden viele Drachenclans vernichtet, bis sie beschlossen ihre Kinder auf die Erde zu schicken, auf das sie irgendwann zurückkehren würden", erklärte Sarah und ich war mir sicher mein Kinn würden irgendwann in den Boden schlagen.

„Drachen", hauchte ich und schnappte nach Luft, ehe ich zu Venom blickte.

Die Spinnenfrau hatte ihn als Drache bezeichnet. War er eines der verfluchten Kinder?

Das würde dann auch die Augen erklären.

Drachenaugen. Wie cool. Jetzt wollte ich sie noch mehr.

„Es wurden auch andere Wesen auf die Erde geschickt, weil sie dort sicher waren. Nur die Drachen konnten mit ihren Gaben für eine stabilisierte magische Welt sorgen und so waren auch andere Rassen in Gefahr. Die Schule wurde geschaffen, um solchen Kindern ein Zuhause zu geben und auch, um ihnen ihre Vergangenheit zu vermitteln", erklärte Sarah weiter und ich riss meine Augen noch mehr auf.

Hieß das... „Heißt das ich bin adoptiert?", platzte es aus mir heraus. Dieser Schock traf mich härter, als der Drache oder die Spinnen. Adoptiert?!

Ich spürte wie sich alles drehte und mein Blickfeld wurde plötzlich zu einem Tunnel der immer dunkler wurde und mich schließlich umschloss.


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