Kapitel 1


Kapitel 1:

Vereinzelt huschten Bäume an uns vorbei, doch sonst erstreckten sich nur Felder auf der anderen Seite des Autos. Ein ziemlich eintöniger Ausblick, der mich ganz müde machte.

Gefühlt waren wir ganz alleine hier draußen in der Wildnis und ich hätte gewettet, dass wir uns verfahren hätten, wenn uns nicht ab und an ein anderes Auto entgegen gekommen wäre.

Was meine Müdigkeit nur noch vertiefte und ich ein Gähnen von mir gab. Es war vielleicht nicht die beste Idee gewesen gestern die ganze Nacht durch zu machen. Nicht bei dem, was mich die nächsten Stunden erwartete.

Aber wenn ihr ehrlich war, dann hatte ich kaum noch die Kraft darüber nach zu denken, ob es nun richtig war, oder nicht. Es klang nach einer guten Möglichkeit dem ganzen Chaos zu entfliehen und diese wollte ich ergreifen. Ein wenig Ruhe und Normalität wäre durchaus wieder sehr angenehm.

„Du musst das wirklich nicht tun", sagte meine Mom und sie klang ein wenig traurig.

Ich schielte von meiner Position am Fenster auf und sah in den Rückspiegel, damit ich ihre Augen erkennen konnte. Dabei rutschte mein Arm leicht von der Autotür ab und ich schreckte ein wenig auf und wurde dadurch ein wenig wacher. Das sorgte auch dafür, dass ich die Aussage meiner Mom realisierte und innerlich frustriert seufzte. Ich hatte nicht vor das Ganze noch fünf Mal durch zu kauen. Dazu fehlte mir einfach die Kraft. Dennoch schuldete ich ihr eine Antwort, denn es war wirklich nicht das, was ich wollte. Sie traurig machen lag nie in meiner Absicht, trotzdem hatte ich diese Entscheidung getroffen. Für mich war es der letzte Ausweg.

Ich lehnte mich etwas vom Fenster weg und an den Sitz, ehe ich meinen Blick komplett auf meine Mom richtete, die sich vom Beifahrersitz zu mir nach hinten lehnte und mir ein zaghaftes Lächeln schenkte.

Damit behinderte sie meinen Dad leicht beim Autofahren, doch dieser schwieg. Scheinbar völlig gebannt auf die Straße blickend, doch ich wusste, dass er lauschte. Deshalb wählte ich meine Worte mit Bedacht und widerholte eigentlich nur das, was ich schon so oft gesagt hatte.

„Ich weiß, aber ich möchte es", beharrte ich und versuchte meine Stimme fest klingen zu lassen und nicht den Eindruck zu erwecken, dass ich mich vielleicht um entschieden haben könnte. Ich wusste nur zu gut, wie meine Eltern dann reagieren würden.

Sie waren in dieser Sache mindestens so unentschlossen wie ich. Und daran änderte nicht einmal die Tatsache, dass es meine Eltern entlastete etwas.

Ich wollte es nicht wirklich, doch es schien für mich der einzige Ausweg, nachdem alles andere nicht funktioniert hatte.

„Wenn es dir dort nicht gefällt, oder du etwas brauchst, du musst nur anrufen", erklärte mein Vater entschlossen und er meinte es auch so.

Wenn irgendetwas los war, würden meine Eltern vorbei kommen. Dabei war es egal, dass der Ort über fünf Stunden Autofahrt von ihrem Zuhause entfernt lag.

„Ich weiß, Dad", antwortete ich und verkniff mir ein lautes Seufzen. Wie oft hatten wir die Diskussion nun schon geführt?

Das brachte mich auch auf die Frage, warum ich eigentlich auf den Weg zu einem Internat war, das irgendwo in der Pampa lag.

Ja, es war kostenlos, was mich schon sehr verwirrt hatte, aber die Anreise musste selbst finanziert werden und die Webseite war auch eher sehr unseriös. Dennoch klang die Frau, mit der ich damals telefoniert hatte, doch recht freundlich und seriöser, als so manch anderer.

Sie hatte mir ohne Weiteres noch ein paar Flyer zugeschickt und mir diverse Zertifikate beigelegt.

Ich hatte mich sogar extra noch bei anderen Schulen kundig gemacht, ob es dieses Internat wirklich gab. Erst als ich diese Versicherung hatte, hatte ich meinen Eltern eröffnet, dass ich vorhatte, sie für über ein Jahr zu verlassen.

Meine Eltern liebten mich und hatten mir jahrelang eine Liebe angedeihen lassen, von der andere nur träumen konnten. Sie unterstützten mich und versuchten mir zu helfen. Das war auch der Grund, warum wir so oft umgezogen waren.

Jedes Mal, wenn ich etwas getan hatte, von dem ich meistens nicht einmal wusste, was falsch daran war, hatten wir die Stadt gewechselt.

Immer wieder beteuerten sie mir, dass es nicht meine Schuld war. Doch wir hatten es so oft versucht, dass es kaum noch eine andere Erklärung gab.

Wegen mir war meine Familie schon 8 Mal umgezogen. Ich hatte bestimmt fünfzehn Mal die Klasse gewechselt und dennoch hatte ich noch keinen Platz auf der Welt für mich gefunden.

Anfangs, wenn ich neu irgendwo war, schien alles besser zu laufen. Die Menschen waren nett zu mir und ich fand manchmal sogar Freunde. Doch irgendwann begann das Chaos.

Junge Männer fühlten sich zu mir hingezogen und ich wusste nicht einmal warum. Ich war nicht hübsch. Meine braunen Haare waren so normal, wie sie sein konnten und mein Körper war zwar nicht dick, aber auch nicht wirklich gut gerundet. Meine Brüste waren zu klein und meine Hüfte zu schmal. Nichts, was Jungen anziehend finden sollten.

Ich wusste nicht woher es kam, doch wenn ich länger in der Nähe von anderen war, begannen diese sich seltsam zu verhalten.

Mein letzter Schulrauswurf war erst vor einem halben Monat gewesen.

Ich war der Grund, warum sich 5 Jungen aus unserer Schule geschlagen hatten. Richtig heftig. Doch statt ihnen die Schuld zu geben, hatte die Direktorin mich von der Schule geworfen. Immerhin war ich der Grund, warum die Ordnung auf ihrer Schule gestört war. Seit dem Zeitpunkt, an dem ich da war, hatte sich alles geändert. Sagte sie zumindest.

Dieses Gefühl hatte ich immer. Die Lehrer und Direktoren der Schule behielten mich vom ersten Moment an im Auge und die Schüler sahen in mir meist einfach nur ein Opfer, das man ärgern konnte.

Das ging schon immer so. Seit ich denken konnte. Man schob mich immer vor, wenn es Ärger gab.

Immer, selbst damals, als ich noch so jung war. Damals im...

Halt! Stopp! Nein!

Schnell schüttelte ich den Kopf, versuchte die Gedanken zu verdrängen und blickte zu meinen Eltern nach vorn. Der Knoten in meinem Herzen löste sich etwas, während ich versuchte meine Atmung zu beruhigen. Ich war so in Gedanken versunken, dass ich nicht bemerkt hatte, wie diese so heftig geworden war und mir nun fast die Kehle zuschnürte.

Um mich ab zu lenken versuchte ich mich auf die letzten Schulen zu konzentrieren. Zwar auch kein schönes Kapitel meines Lebens, doch besser als die davor. Und ich dachte so oft daran und analysierte die Situationen, dass ich schon fast darüber schmunzeln musste.

Je öfter ich umgezogen war und je öfter ich neue Leute kennen gelernt hatte, desto mehr war es mir egal geworden.

Es war mir egal, wer mich ärgerte, oder wer mit mir befreundet war. Das hielt sowieso nicht lange. Warum also Beziehungen, welcher Art auch immer, zulassen?

Ich nahm die Leute in meiner Gegenwart einfach als gegeben hin. Sie waren sowieso nur flüchtige Augenblicke in meinem Leben.

Anderes aber meine Eltern. Die waren eine Konstante, die mich sehr wichtig war und die so zu sagen das Licht in meiner Welt darstellte.

Und ich dumme Nuss war dabei sie für ein Jahr lang nicht mehr zu sehen!

Gott, schon allein die Vorstellung schmerzte so heftig, doch nachdem nun auch die Polizei, das Jugendamt und das Gericht vor der Tür standen, sah ich es als nützlich an, für eine Weile zu verschwinden.

Meine Eltern meinten sie würden alles regeln. Also sollte ich es vielleicht als eine Art Urlaub ansehen.

Ein Urlaub, der hoffentlich nicht im totalen Chaos endete!

~*~*~

Wenn euch die Geschichte gefallen hat, würde ich mich sehr über einen Vote und ein paar Anmerkungen in den Kommis freuen, was euch denn gefallen und was euch vielleicht nicht gefallen hat. Das würde mir sehr helfen und mich auch motivieren schnell weiter zu schreiben.

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