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Endlich war der Tag der Prüfung gekommen. Die Sonne strahlte hell vom wolkenlosen Himmel auf mich herab. Die Vögel zwitscherten fröhlich vor sich hin. Es hatte etwas Friedliches an sich und unter anderen Umständen hätte ich dies vielleicht genossen. Doch der bevorstehende Kampf mit einem Seelenfresser bereitete mir ein unwohles Gefühl. Nervös lief ich über den Platz zur Arena. Heute würde sich zeigen, ob mein jahrelanges und auch hartes Training sich bezahlt gemacht hatte. Nur ein Fehler und alles wäre umsonst gewesen.
Die Arena war wie ein Kolosseum gebaut und ein sehr imposantes Gebäude. Die äußeren Wände waren aus Stahlbeton, nur das innere wirkte ein wenig altertümlich durch die gewöhnlichen grauen Steinwände und die alte spärliche Einrichtung. Ich wurde zu einem Raum gebracht, in dem sich schon ein dunkelhaariger Junge, der weitaus jünger aussah als 18 Jahre, und eine sehr attraktive brünette Frau saßen. Darius hatte mir im Vorfeld schon mitgeteilt, dass ich heute nicht als einzige zur Prüfung antreten würde.
Ich setzte mich auf eine hölzerne Bank. Meine schwarze Kampfkleidung hatte ich schon angezogen, bevor ich mein Quartier verlassen hatte. Waffen durfte man keine mit in die Arena bringen. Stattdessen musste man sich an der hier befindlichen Waffenkammer bedienen, aber erst, wenn man aufgerufen wurde. Schweigend saßen wir in dem dunklen Raum, der nur von ein paar wenigen Lichtquellen erhellt wurde. Bis schließlich eine Tür aufging und ein älterer Mann eintrat, der den Jungen zu sich rief. Sie verließen gemeinsam den Raum und ich blieb mit der jungen Frau allein zurück.
Die Zeit des Wartens schien quälend langsam zu vergehen. Ich wurde währenddessen immer nervöser. Nur ruhig, du schaffst das schon, versuchte ich mir selbst Mut zuzureden. Inzwischen befand ich mich ganz allein hier drin, was zusätzlich an meinen Nerven kratzte. Dann endlich ging die Tür erneut auf.
»Miss Anaja, wenn Sie mir nun bitte folgen würden«, sprach der ältere Mann. Mit einem mulmigen Gefühl kam ich seiner Aufforderung nach. Einerseits war ich froh, dass es nun endlich losging, aber andererseits kroch auch ein wenig Angst in mir hoch. Wir gingen zuerst in die Waffenkammer, wo ich mir sofort eine Blitzpistole nahm. Ich wusste, dass ich mit meiner Lieblingswaffe, der Armbrust, bei meinem Gegner nicht viel ausrichten konnte. Zusätzlich holte ich mir aber noch ein paar Implosions-Granaten aus einem der Regale. Anschließend verließen wir die Kammer wieder und gingen auf den großen Kampfplatz. Meine Anspannung wuchs, doch ich versuchte sie abzuschütteln und mich zu konzentrieren. Der Mann wünschte mir noch viel Glück, ehe er mich allein zurückließ. Der Boden unter meinen Füßen war sandig. Ich schaute mich um und bemerkte, dass der Kampfplatz vollkommen leer war. Es gab nichts, hinter dem man Deckung suchen konnte. Auch die Zuschauerränge waren verwaist, wenn man von den Mitgliedern des Rates der Krieger mal absah. Über dem Platz diente eine durchsichtige Kuppel aus gehärtetem Panzerglas das Dach.
Gegenüber von mir schob sich ein graues Tor unter lautem Getöse nach oben und verschwand in der steinernen Wand. Nichts als Dunkelheit kam dahinter zum Vorschein. Ich hatte das Gefühl, dass die gähnende schwärze sich nach und nach in der Arena ausbreitete. Mir wurde schnell klar, dass dies nicht nur Einbildung war. Es hieß zwar in den Büchern und Aufzeichnungen, dass Seelenfresser alles ins dunkel tauchten, aber ich hatte bisher immer angenommen, es wäre nur metaphorisch zu verstehen. Doch wie es aussah, war es wortwörtlich zu verstehen. Dann sah ich es, zum ersten Mal in meinem Leben. Der Seelenfresser stand vor mir.
Regungslos wie eine Statue stand es dort, betrachtete mich mit seinen schwarzen Augenhöhlen, die wie seelenlose Schlünde wirkten. Sein bleicher dürrer Körper hob sich deutlich von der Dunkelheit ab. Ohne Vorwarnung schoss es plötzlich in hoher Geschwindigkeit auf mich zu. Ich konnte gerade noch so zur Seite hechten und den messerscharfen Krallen des Wesens entkommen. Als ich gerade die Blitzpistole auf ihn richten wollte, war er verschwunden. Ich stand auf und blickte mich um, konnte den Seelenfresser aber nirgends entdecken. Mit einem Mal spürte ich einen brennenden Schmerz an meiner linken Seite, der mich aufschreien ließ. Als ich auf die Stelle sah, entdeckte ich eine tiefe Wunde. Ich spürte die warme Flüssigkeit, die daraus hervor quoll. Fluchend sackte ich unter Schmerzen zu Boden. Diese Biester waren verdammt schnell. Nein, ich darf nicht verlieren, sagte ich mir in Gedanken selbst und richtete mich mühevoll wieder auf, während ich spürte, wie das Adrenalin durch meinen Körper strömte.
Ich schloss meine Augen und konzentrierte mich auf jedes noch so kleine Geräusch. Hinter mir vernahm ich ein Zischen, aber ich drehte mich nicht um. Der Seelenfresser spielte mit mir, doch ich würde darauf nicht eingehen. Seelenruhig stand ich dort, den Schmerz ignorierend und wartete, bis dieses zischen direkt auf mich zu kam. Und dann ging alles plötzlich ganz schnell.
Das Wesen kam auf mich zu. Ich öffnete meine Augen, hob meine Waffe und drückte ab. Eine Blitzkugel schoss daraus hervor und traf meinen Gegner, der zuckend zu Boden ging. Ich wartete gar nicht erst darauf, dass er sich wieder aufrappeln konnte, sondern setzte sofort nach und feuerte noch einmal auf ihn. Der dunkle Nebel um uns herum verflüchtigte sich nach und nach, bis es wieder Taghell war. Ich blickte auf den Seelenfresser herab, während ich noch immer die Waffe auf ihn gerichtet hielt. Eine kleine Bewegung von ihm und ich würde ihm sofort noch eine Ladung verpassen.
Jede Schusswaffe wurde mit Magiesteinen geladen. Die Menge an Energie, die sie in sich aufnehmen konnten, hing von ihrer Größe ab. Bei Flammengewehren reichte die Menge pro Stein für ungefähr zehn Schüsse. Bei meiner Pistole hingegen nur für fünf. Dafür war die Magie meiner Waffe um einiges effizienter.
»Das war wirklich gut. Hätte nicht gedacht, dass du ihn so schnell besiegen würdest«, sprach eine raue Stimme hinter mir. Als ich mich umdrehte, sah ich direkt in die hellen Augen von Eclis Iral, dem Vorsitzenden des Krieger Rats. Er war mit seinen 74 Jahren das älteste Mitglied und für sein alter immer noch recht fit.
Ich wollte etwas erwidern, aber meine Verletzung ließ mich erneut zu Boden gehen. Das Adrenalin hatte nachgelassen, dafür spürte ich den Schmerz nun umso deutlicher.
»Schnell, wir brauchen sofort einen Heiler!«, hörte ich ihn rufen. Ich fühlte mich plötzlich unglaublich schwach und ahnte, dass ich inzwischen schon sehr viel Blut verloren haben musste. Das letzte, was ich wahrnahm, war, bevor alles um mich dunkel wurde, war, wie ich von Händen gepackt und hochgehoben wurde.
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