18

Irgendwo, weit entfernt von Kitherra 

Ein unheilvoller Wind wehte über die Berggipfel hinweg. Ein Wesen landete vor einer großen Höhle. Die weiße Haut unterschied sich kaum von dem Schnee, der unter seinen Füßen knirschte. Er ließ seinen vier Flügel, dessen silberne Federn im Sonnenlicht aufblitzten, verschwinden und betrat die Höhle. Im Gegensatz zu der Kälte, die außerhalb herrschte, war es hier drin wohlig warm, obwohl weit und breit kein Feuer brannte. Die Wärme war der Magie geschuldet, die durch das Innere des Berges strömte. Von außen mochte es kaum den Anschein machen, aber im Inneren wirkten die Höhle wie ein Palast. 

Helles Licht durchflutete die große offene Ebene vor ihm. Sein Weg führte ihn vorbei an einem prunkvollen Springbrunnen. Vier lebensgroße Statuen stand an allen vier Seiten davon auf Sockeln. Sie stellten die großen Wächter dar, von denen er einer war. Dahinter befand sich ein weitläufiges Areal mit einer natürlichen Wasserstelle. Er ging durch einen Gang, der ebenfalls hell erleuchtet war. Der Weg führte ihn etwa 15 Meter weiter in einen weiteren Raum, der eher einem Gewölbe glich. Ein Thron stand an der hinteren Wand, darauf saß der König seiner Art. 

Im Gegensatz zu ihm, hatte der König sechs Flügel, deren Federn in Grün, Lila und Blau erstrahlten. Kein andrer seines Volkes hatte solche Flügel, auch die türkisfarbenen Augen waren einzigartig. Er verneigte sich ehrfurchtsvoll. »Was hast du mir zu berichten Antares?«, wollte der König wissen. 

 »Ich bringe Euch Neuigkeiten von der Nachfahrin. Wie es scheint, ist sie für uns noch nicht verloren«, erwiderte er. 

»Wie kommst du darauf?«, fragte Capella, die sich bislang in Schatten versteckt hatte. Sie war auch eine der Wächter, was man an ihren ebenfalls silbernen Flügeln sehen konnte. 

 »Ich habe sie Zufällig mit einem Drachen beobachtet. Sie schien ihm nicht feindlich gesinnt zu sein, im Gegenteil«, schilderte Antares seine Beobachtung. 

Der König blickte ihn nachdenklich an, ehe er sich räusperte. »Das klingt in der Tat sehr positiv. Doch du kannst das Gesehene auch falsch interpretiert haben. Am besten du beobachtest sie weiter und sollte deine Vermutung richtig sein, müssen wir sie auf schnellsten Weg hierherholen.«

Antares verneigte sich erneut, ehe er den Weg zurück ging, den er gekommen war. Er wusste, wie wichtig und vor allem wie gefährlich die Nachfahrin für die Macht war. Jedoch wusste er nicht wieso. Wenn sie sich wirklich mit dem Drachen angefreundet hatte, musste sie schnellsten fortgeschafft werden. Eine Aufgabe, die vermutlich wieder ihm zuteilwerden würde. 

Unweigerlich dachte er daran zurück, wie es früher einmal war, die Zeit, wo seinesgleichen von den Menschen noch verehrt wurden. Götter wurden sie genannt, oder auch Himmelswesen und Heiler. Doch an jenem Tag änderte sich schlagartig alles. Noch immer fragte er sich, wie das ganze Wissen, die Aufzeichnungen, auf einmal verschwinden konnten. Zu allem Überfluss wurde die Existenz seines Volkes vollständig aus dem Gedächtnis der Menschen gelöscht. Wobei dieses los wohl einfacher zu ertragen war, als das der Drachen. 

Vor der Höhle breitete er wieder seine Schwingen aus und flog davon. Er hoffte, dass die Nachfahrin noch immer bei dem Drachen war. Sein Weg führte ihn über die das Meer und über viele Inseln hinweg, bis er schließlich Kitherra erreichte. Es dauerte lange, bis er mit seinen dunkelroten Augen den Wasserfall erblickte. Antares flog durch die Wassermassen hindurch und landete in der Höhle dahinter. Der weiße Drache schien tief und fest zu schlafen, aber von ihr keine Spur. 

 »Wenn es nichts Wichtiges gibt, dann geh wieder Himmelsstürmer«, kam es brummend von dem Drachen. Antares seufzte. Himmelsstürmer war eine abfällige Bezeichnung für seine Art, den die Drachen ihnen gegeben hatten. Angeblich deswegen, weil die Lunara, wie sein Volk richtig hieß, vom rechten Weg abgekommen wären. Obwohl niemand von ihnen es je darauf angelegt hatte, von den Menschen verehrt zu werden, sie hatten einfach irgendwann damit angefangen. Aber die Drachen waren seit jeher der Meinung, dass sie sich darin sonnten und ihnen ihre Macht zu Kopf gestiegen sei. 

 »Ich bin wegen der Nachfahrin hier«, erwiderte Antares. »Wo ist sie?« 

Der Wolfsdrache richtete sich auf, seine eisblauen Augen betrachteten den Lunara lauernd. »Was willst du von ihr?«

 »Sie ist aus irgendwelchen Gründen eine Gefahr für die Macht und deswegen«, setzte Antares an und wurde jäh unterbrochen. 

 »Seid ihr von eurem Stand schon so verblendet, dass ihr euch dem bösen angeschlossen habt?«, wollte der Drache erbost wissen, ehe er abfällig schnaubte. 

Ein frustriertes Seufzen entrann sich dem Lunara. »Wenn du mich aussprechen lassen würdest, wäre ich dir wirklich sehr dankbar.« Er betrachtete den Drachen abwartend, der nur unwillig knurrte, aber dann zum Einverständnis nickte. »Gut, denn was ich sagen wollte ist, dass wir sie in Sicherheit bringen wollen, ehe die Macht sie findet.« 

Den Drachen überraschte dies. Vielleicht hatte er sich in dem Lunara geirrt, denn das dieser die Wahrheit sagte, daran hatte er keine Zweifel. Er konnte durchaus spüren, wenn jemand log. Dennoch überlegte Naluth lange, ob er dem Wesen vor sich ihren Aufenthaltsort nennen sollte. Letzten Endes entschied er sich dafür. Antares bedankte sich und verließ die Höhle. Da er keine Zeit verlieren wollte, begab er sich auf direktem Weg zum Finsterwald. Er ahnte nicht, dass er dort Zeuge eines außergewöhnlichen Moments werden würde. 

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