Kapitel 12
Drachenpfote näherte sich dem Heilerbau, wo Fluchpfote regungslos saß, sein Gesicht von Spinnenweben bedeckt, seine Augen unerbittlich von Dunkelheit umgeben. ,,Hey...", begann Drachenpfote zögerlich, während er sich Fluchpfote näherte. ,,Wie geht es dir?"
,,Wie soll es mir gehen?" Knurrte er kalt Drachenpfote an.
Drachenpfote zögerte einen Moment, bevor er antwortete. ,,Es tut mir leid... ich..." Er rang nach den richtigen Worten. ,,Es ist alles so... schwer... für uns alle", murmelte er schließlich, seine Stimme von Verzweiflung durchzogen.
,,Wen sagst du das," knurrte Fluchpfote. ,,Jetzt kann ich wahrscheinlich nie ein Krieger werden!" Fauchend äußerte er seine Frustration.
,,Das ist nicht wahr, Dämmerpfote", sagte Drachenpfote entschieden. ,,Ein Krieger zu sein bedeutet nicht nur, physisch stark zu sein. Es gibt viele Möglichkeiten, dem Clan zu dienen und ein wertvolles Mitglied zu sein. Du könntest ein großartiger Mentor werden oder dich auf andere Weise einbringen."
Fluchpfote schnaubte verärgert. ,,Das ist leicht für dich zu sagen, du bist gesund und kannst alles tun, was du willst. Ich bin blind und schwach."
Drachenpfote legte sanft seine Schnauze auf die Schulter seines Freundes. ,,Du bist nicht schwach, Dämmerpfote. Du bist stark, auf eine andere Art und Weise. Deine Verletzung macht dich nicht weniger wertvoll für den Clan. Du könntest anderen Katzen zeigen, dass man trotz Hindernissen im Leben noch immer eine wichtige Rolle spielen kann."
Fluchpfote seufzte und zuckte mit den Ohren. ,,Vielleicht hast du recht, Drachenpfote, aber es ist schwer, das zu akzeptieren."
Weißdornpfote trat näher, sein Blick war skeptisch und seine Worte klangen schroff. ,,Fluchpfote, du musst lernen, mit dem umzugehen, was du hast. Du wirst nie ein Krieger sein können, wenn du dich weiterhin in Selbstmitleid suhlst."
Fluchpfote schnappte nach Luft, bevor er antwortete. ,,Ich suhle mich nicht im Selbstmitleid, Weißdornpfote! Es ist leicht für dich, so zu sprechen, du hast keine Ahnung, was ich durchmache!"
Die Spannung zwischen den beiden Schülern war spürbar, als sie sich herausfordernd anstarrten.
Drachenpfote spürte, wie die Spannung zwischen Fluchpfote und Weißdornpfote zunahm und beschloss, einzugreifen. ,,Vielleicht ist es besser, wenn wir alleine darüber nachdenken", schlug er vor und deutete auf Weißdornpfote. ,,Geh einfach, Weißdornpfote."
Weißdornpfote schnaubte verächtlich, warf Fluchpfote noch einen abschätzigen Blick zu und drehte sich dann um, um zu gehen und traf auf Tupfenpfote. Er flüsterte Tupfenpfote etwas ins Ohr, sie nickte zustimmend. Gemeinsam verließen sie das Lager.
Fluchpfote seufzte erleichtert, als sie weg waren. ,,Danke, Drachenpfote. Es ist schwer, mit ihm umzugehen."
,,Kein Problem", erwiderte Drachenpfote und setzte sich neben Fluchpfote. ,,Ich bin hier, wenn du reden möchtest."
Der Schüler nickte dankbar, ehe sein Gesicht weicher wurde. ,,Ich wüsste nicht, was ich ohne dich machen sollte," seufzte er.
Drachenpfote fühlte einen warmen Stich im Herzen und legte seine Schwanzspitze tröstend auf Fluchpfotes Schulter. ,,Du bist nicht allein, Dämmerpfote. Wir sind immer noch ein Team, egal was passiert. Und du wirst deinen Weg finden, auch wenn er jetzt anders aussieht."
Fluchpfote senkte den Kopf und atmete tief ein. ,,Es ist nur... so schwer. Alles hat sich verändert, und ich weiß nicht, ob ich jemals wieder der Alte sein kann."
,,Das musst du auch nicht", sagte Drachenpfote leise. ,,Du musst nur du selbst sein. Und ich werde immer an deiner Seite sein, egal was kommt."
Fluchpfote hob den Kopf und ein kleines Lächeln schlich sich auf seine Lippen. ,,Danke, Drachenpfote. Das bedeutet mir mehr, als du weißt."
Der weiß-schwarze Schüler stieß ihm kurz gegen die Schulter. ,,Konzentriere dich jetzt erstmal auf deine Heilung und wenn du hier raus bist, dann werden wir beide zusammen wieder trainieren, okay?"
Fluchpfote schnaubte leise, doch seine Augen zeigten einen Anflug von Hoffnung. ,,Versprochen?"
,,Versprochen," bestätigte Drachenpfote mit einem entschlossenen Nicken. ,,Wir lassen uns von nichts und niemandem unterkriegen."
In diesem Moment tauchte Weißdornpfote auf, seine Augen funkelten vor Spott. ,,Na, Fluchpfote, immer noch dabei, sich zu bemitleiden?" höhnte er.
,,Verschwinde, Weißdornpfote," fauchte Drachenpfote und stellte sich schützend vor Fluchpfote. ,,Er braucht deine Kommentare nicht."
Weißdornpfote zuckte mit den Schultern, bevor er abfällig grinste. ,,Wie auch immer. Viel Glück damit."
Drachenpfote knurrte leise, bevor er sich wieder Fluchpfote zuwandte. ,,Vergiss ihn. Konzentriere dich einfach auf deine Genesung."
Drachenpfote musterte Weißdornpfote mit misstrauischen Augen. Er wusste, dass Weißdornpfote nicht immer die besten Absichten hatte, aber für den Moment musste er sich auf Fluchpfote konzentrieren.
Weißdornpfote warf Drachenpfote einen abfälligen Blick zu und machte abwertende Bemerkungen, die Tupfenpfote verunsichert zum Boden blicken ließen.
,,Wie erbärmlich," spottete Weißdornpfote laut genug, dass alle es hören konnten. ,,Drachenpfote, der große Beschützer. Du solltest besser aufpassen, sonst wirst du auch noch zur Lachnummer des Clans."
Drachenpfotes Blut kochte vor Wut. ,,Halt den Mund, Weißdornpfote! Du hast keine Ahnung, wovon du redest."
Weißdornpfote lachte höhnisch. ,,Oh, ich glaube, ich habe eine ziemlich gute Ahnung. Fluchpfote hier wird nie wieder ein richtiger Krieger sein, und du wirst immer der kleine Versager bleiben, der seine Freunde nicht schützen kann."
Das war zu viel. Drachenpfote sprang auf Weißdornpfote zu, seine Krallen blitzten in der Sonne. ,,Nimm das zurück!" schrie er, bevor er den anderen Schüler zu Boden warf. Die beiden rollten kämpfend über den Boden, Fell flog, und Knurren erfüllte die Luft.
Tupfenpfote schrie erschrocken auf und sprang zurück, während die beiden Kater sich weiter prügelten. ,,Hört auf! Hört sofort auf!" fauchte sie verzweifelt, doch ihre Worte gingen im Lärm des Kampfes unter.
Fluchpfote, blind und verletzt, konnte nur hilflos zuhören, während die beiden miteinander rangen. Seine eigene Wut und Frustration mischten sich mit der Sorge um seinen Freund.
Die Katzen des Clans begannen sich um die Kämpfenden zu versammeln, Rufe und Schreie erfüllten die Luft. ,,Trennt sie!" rief jemand, und mehrere Katzen sprangen dazwischen, um die beiden zu trennen.
Drachenpfote stand schwer atmend da, sein Blick voller Hass auf Weißdornpfote gerichtet, der ebenfalls keuchend und wütend zurückstarrte. ,,Das ist noch nicht vorbei," knurrte Weißdornpfote.
,,Nein," fauchte Drachenpfote zurück. "Das ist es nicht."
Die Spannung in der Luft war greifbar, und jeder wusste, dass dieser Konflikt noch lange nicht gelöst war.
Distelstern und Blutherz kamen angerannt, ihre Augen voller Zorn. ,,Was zum Sternenclan fällt euch beiden eigentlich ein, euch gegenseitig zu bekämpfen?!" fauchte Haselstern, sichtlich nicht erfreut über diesen Konflikt.
Drachenpfote, noch immer atemlos und voller Adrenalin, trat einen Schritt zurück, seine Augen fest auf den Boden gerichtet. ,,Er hat angefangen," murmelte er trotzig, aber seine Stimme klang schwach im Vergleich zu Haselsterns donnerndem Befehlston.
,,Weißdornpfote, Drachenpfote," begann Blutherz, seine Stimme gefährlich ruhig, ,,wir sind ein Clan. Wir kämpfen nicht gegeneinander. Das Verhalten von euch beiden ist inakzeptabel."
Weißdornpfote, der sich nun auch ein wenig eingeschüchtert fühlte, hob den Kopf und funkelte Drachenpfote an. ,,Er hat mich provoziert," verteidigte er sich, seine Stimme jedoch weniger selbstsicher als zuvor.
,,Das ist keine Entschuldigung!" fauchte Distelstern und machte einen Schritt auf die beiden zu. ,,Wir haben genug Probleme mit den anderen Clans, ohne dass wir uns auch noch untereinander bekämpfen müssen."
Tupfenpfote trat vor, ihre Augen voller Sorge und Unsicherheit. ,,Es war ein Missverständnis," sagte sie leise, doch ihre Stimme zitterte etwas. ,,Wir sollten uns jetzt auf die wichtigen Dinge konzentrieren, wie den Angriff auf Schattenherz."
,,Genau," stimmte Distelstern zu und richtete ihren strengen Blick auf die beiden kämpfenden Schüler. ,,Wir haben größere Probleme, die unsere volle Aufmerksamkeit erfordern."
Blutherz nickte und fügte hinzu: ,,Weißdornpfote, Drachenpfote, ihr werdet beide zur Strafe den Ältestenbau sauber machen und die Nester neu auspolstern. Vielleicht lernt ihr dabei, was es bedeutet, Verantwortung zu übernehmen und als Clan zusammenzuarbeiten."
,,Ja, Blutherz," murmelten sie beide gleichzeitig, ihre Köpfe gesenkt.
,,Und noch etwas," fügte Distelstern hinzu, seine Stimme nun etwas sanfter. ,,Wir müssen als Clan zusammenhalten. Der Angriff auf Schattenherz war ein schwerer Schlag, und wir müssen stark bleiben. Versteht ihr das?"
Beide Schüler nickten erneut, und Drachenpfote fühlte die Scham über sein Verhalten in sich aufsteigen. Er hatte Fluchpfote im Stich gelassen, als er sich auf den Streit mit Weißdornpfote eingelassen hatte.
,,Weißdornpfote," begann Blutherz, seine Stimme sanft aber fest, ,,du bist ein vielversprechender Schüler. Lass dich nicht von deinem Stolz blenden."
Mit diesen Worten löste sich die Versammlung auf, und die Katzen begannen sich wieder ihren Aufgaben zu widmen. Drachenpfote und Weißdornpfote machten sich auf den Weg zum Ältestenbau, schweigend nebeneinander, während Tupfenpfote besorgt hinter ihnen herblickte.
Die Spannung zwischen den beiden Schülern war noch immer spürbar, aber sie wussten, dass sie ihre Differenzen beiseitelegen mussten, um den Clan zu schützen und zu stärken. Der Kampf war noch lange nicht vorbei, aber zumindest für den Moment hatten sie eine Lektion in Demut und Zusammenhalt gelernt.
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