Kapitel 3


Langsam drehte Taya sich zu dem Mädchen hinter ihr um. Mirael war die Nichte des Statthalters und Tayas ehemalige Freundin. Wie immer trug sie ein hübsches Kleid, ihre rabenschwarzen Haare fielen ihr in sanften Locken über die Schulter und in ihren grünen Augen lag ein gehässiges Funkeln.

„Ich bevorzuge ‚Kriegerin'", sagte sie betont gelangweilt und betrachtete ihr Gegenüber abwartend. „Du wirst nie eine Kriegerin sein, Mädchenjunge", meinte Mirael und bedachte sie mit einem abwertenden Blick. „Du solltest lieber anfangen, dich wie ein richtiges Mädchen zu benehmen, bevor sie dich noch in die Stadtwache stecken wie deinen feinen Freund."

„Dann wäre das etwas schlechtes?", fragte Taya und tat ehrlich erschrocken. „Und ich dachte immer, die Stadtwache würde Mut, Ehre und Loyalität symbolisieren. Und da hat mir nie jemand gesagt, dass ich die ganze Zeit falsch lag?" Das schwarzhaarige Mädchen schnaubte abfällig. „Hör auf so zu tun, als wärst du was besonderes Taya. Für jemanden wie dich, gibt es eben keinen Platz in unserer Gesellschaft." Mit diesen Worten drehte sie sich um und verschwand um die nächste Ecke.

Taya seufzte, während sie in Richtung Kaserne weiterlief. Ja, es gehörte sich nicht für ein Mädchen, Hosen zu tragen und mit einem Schwert zu kämpfen, aber für sie fühlte es sich einfach richtig an. Und sich würde sich ganz sicher nicht ändern, nur damit es Anderen passte.

Endlich an den Hütten der Stadtwache angekommen, klopfte sie kraftvoll gegen die Tür des Hauptlagers, die kurz darauf von einem älteren Soldaten geöffnet wurde. „Was willst du?", fragte er mürrisch und schenkte ihr einen misstrauischen Blick. „Ist Lian hier?" Bemüht freundlich lächelte sie ihn an, was er jedoch gekonnt ignorierte. „Lian! Hier will jemand was von dir!", brüllte er in den Flur hinter sich und kurz darauf erschien hinter ihm ein blonder Haarschopf.

„Hey Prinzessin." Lian rieb sich verschlafen über die Augen und grinste sie dann an, während der Wachmann mit einem Schnauben verschwand. „Du bist früh dran, die Sonne ist ja eben erst aufgegangen." „Die Sonne steht schon seit Stunden am Himmel", erwiderte Taya mit einer hochgezogenen Augenbraue. „Du hast zu viel getrunken gestern Abend, dann verschläfst du immer den halben Tag."

„Kann auch sein", gähnte ihr Freund und zuckte mit den Schultern. „Was auch immer. Bereit für eine neue Trainingsstunde?"

Sie seufzte. „Ich fürchte langsam, dass wir damit vorerst wirklich aufhören sollten." Auf seinen fragenden Blick hin ergänzte sie: „Mein Vater will, dass ich mich nicht mehr mit dir treffe, überhaupt nicht mehr."

„Wieso das?!"

„Keine Ahnung", murmelte sie. „Er war heute Morgen echt sauer, ich habe keinen blassen Schimmer, weshalb." Eine kleine Pause entstand zwischen ihnen. „Und?", füllte Lian schließlich das Schweigen. „Und?", wiederholte sie verwirrt, nicht sicher, was er wollte. „Da ist doch noch irgendwas, was dich bedrückt. Versuch gar nicht erst, es zu leugnen", er blickte sie gespielt streng an, nahm dann aber vorsichtig ihre Hände in seine und lächelte sanft. „Also?"

„Ich bin vorhin Mirael begegnet", erzählte sie schließlich. „Sie hat was blödes gesagt. Sie meinte, für jemanden wie mich gäbe es hier keinen Platz." Lian sah sie stirnrunzelnd an. „Das glaubst du doch nicht, oder?" Sie wich seinem Blick aus, was für ihn Antwort genug war.

„Nur weil die Gesellschaft dich jetzt nicht akzeptiert, heißt das nicht, dass sie es nie tun wird. Du bist nur die erste, die einen Schritt in eine neue Richtung macht. Menschen brauchen Zeit, um mit Veränderung klar zu kommen. Gib ihnen diese Zeit. Zeig ihnen, wie besonders du bist. Beweise ihnen, wie stark du bist. Dann werden auch sie dich eines Tages so akzeptieren, wie du bist. Du weißt doch, solange die Sonne noch scheint, gibt es Hoffnung."

Langsam hob sie den Blick, ihre Augen fanden seine. „Du hast recht", murmelte sie leise. „Du hast recht! Ich muss mich ihnen beweisen. Ich muss ihnen zeigen, dass ich eine starke Kriegerin sein kann. Ich werde ihnen zeigen, dass ich genauso viel Mut in meinem Herzen trage, wie ein Junge."

Der Funke in ihrem inneren begann sich zu einem Feuer zu entfachen. Sie blickte ihren Freund fest an, während sich in ihrem Kopf bereits ein Plan bildete.

„Ich werde einen Drachen töten."

~•~

„Neinneinnein, das ist eine ganz schlechte Idee!" Lian hastete hinter Taya her, sie ignorierte seine Worte geflissentlich und rannte weiter in Richtung Stadthalle. „Das kannst du nicht ernst meinen. Du willst dich doch nicht ernsthaft mit einer riesigen, feuerspeienden Bestie anlegen? Du bist vierzehn Taya und auch wenn du den Umgang mit einem Schwert schon ganz gut beherrschst, selbst erwachsene Soldaten mit jahrelangem, harten Training und Kampferfahrung würden sich nicht einfach an einen Drachen heranwagen!"

„Taya, bitte...", versuchte er es ein letztes Mal und griff nach ihrem Arm, doch sie schüttelte stumm seine Hand ab, stieß entschlossen die riesigen Türen der Halle auf und platzte mitten in die gerade stattfindende Ratsversammlung. Alle sieben Ratsmitglieder starrten sie überrascht und leicht verärgert an, doch Taya ließ sich dadurch nicht stören. Sie marschierte direkt zu dem großen Versammlungstisch und knallte ihre Hände auf das polierte Holz. Lian schluckte, folgte ihr dann jedoch. Er würde sie jetzt nicht im Stich lassen.

Seine junge Freundin musterte kurz die Ratsmitglieder, eines nach dem anderen, dann erhob sie die Stimme.

„Ich werde jedem in diesem Raum und jedem in dieser Stadt beweisen, dass das, woran ich glaube, wahr ist. Dass Frauen genauso gut kämpfen können wie Männer. Dass wir genauso mutig und tapfer sind. Ich werde Neu-Ghor verlassen und in den Westen gehen und dort werde ich einen Drachen töten."

Für einen Moment herrschte Stille, dann brachen die Ratsmitglieder in Gelächter aus. Alle, bis auf eines. Keno saß still auf seinem Platz zur Rechten des Statthalters, in seinen Augen lag eine eisige Wut. Kurz sah er zu Lian und sein Blick schien noch ein wenig finsterer zu werden, dann sprach er mit einer klirrenden Kälte in seiner Stimme, die jeden Einzelnen verstummen ließen.

„Beende diesen Zirkus Taya, sofort! Verlass mit deinem Freund diesen Saal, jetzt, wir sprechen später nochmal darüber." Die Drohung in seiner Stimme war kaum zu überhören.

„Nein." Taya verengte wütend ihre Augen. „Ich habe es so satt, nicht ernst genommen zu werden. Ich werde gehen, ihr könnt mich nicht aufhalten. Lacht ihr nur solange ihr noch könnt, denn ihr werdet nichts mehr zu lachen haben, wenn ich zurückkehre. Ich schwöre hier und jetzt unter euren Blicken und denen der Götter, dass ich erst zurückkomme, wenn ich einen Drachen getötet habe. Und ich werde euch seinen Zahn mitbringen, als Beweis für seinen Tod."

Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top