Kapitel 14
Der Aeralfos setzte mich unsanft ab und postierte sich hinter die Tür. Nun war ich alleine. Alleine mit Nevarian.
Schwer schluckend schaute ich mich in dem riesigen Raum um. Bodenlange, schwarze Vorhänge hingen von der Decke hinunter. Ein riesiger Kronleuchter beleuchtete den vorderen Teil des Raumes. Der hintere blieb dunkel.
Eine Bewegung hinter Marmorroten Säulen ließ mich erstarren.
Eine Gestalt huschte von Säule zu Säule. Mit klopfendem Herzen hob ich meine Hand.
"Deine Kräfte funktionieren hier nicht", sagte die Gestalt. Ihre Stimme war dunkel und bedrohlich und klang schneidend wie eine Kreissäge. Zögernd ließ ich die Hand wieder sinken. "Zeig dich, Nevarian! ", sagte ich und verfluchte meine zitternde Stimme. Nevarian lachte gefährlich und trat aus dem Schatten. "Willkommen in meinem Reich... Schwester" Ich zog scharf die Luft ein. Wie sehr hatte er sich verändert. Sein blondes Haar war pechschwarz geworden und seine blauen Augen glitzerten in einem flammenden rot. Seine Zähne liefen am Ende spitz zu, wie bei einem Vampir und seine Zunge glich der einer Schlange. Ein dunkler Umhang bedeckte seine breiten Schultern und er trug eine rot-schwarze Rüstung. Im Inneren der Rüstung glänzte ein blutroter Rubin. Eine goldene Flüssigkeit füllte bis zur Hälfte den Edelstein.
Nevarian bemerkte meinen Blick und lachte boshaft. "Wie schön, dass dir mein Schatz schon aufgefallen ist. Sie ist die Quelle meiner Kraft.
Das, Schwersterchen, sind all die Kräfte unserer - deiner - Vorfahren. Alle sind sie meinen Vorfahren begegnet und alle sind sie gescheitert. Ihre Elementarkräfte sind gesammelt in diesem Rubin. Und wenn der Rubin voll ist... dann bin ich nicht mehr aufzuhalten. Der Dunkelmond wird von der Kraft zehren und dann das gesamte Land in Dunkelheit stürmen! " Ich trat ein Stück zurück. Nevarian war verrückt. Vollkommen wahnsinnig geworden. Ich musste schleunigst von hier verschwinden. Doch draußen wartete nur der Aeralfos auf mich.
Nevarian fuhr mit raubtierhafter Stimme fort: "Die einzige Kraft, die mir jetzt noch fehlt, ist deine!"
Ich schluckte entsetzt. Mein Bruder schritt gefährlich nahe an mich heran und flüsterte: "Gib sie mir! Gib mir deine Kraft und ich lass dich gehen. Deine kleinen Freunde werden verschont bleiben! Gib sie mir!"
Ich keuchte und stolperte von Nevarian fort. " Nein!", sagte ich und feuerte Magie auf ihn. Der einundzwanzig jährige Mann schleuderte die Blitze wie Fliegen beiseite. " Du kannst mir nicht entkommen! Hätte ich damals zuhause gewusst, dass ich dich brauche, um an die Macht zu gelangen, hätte ich dich niemals gehen lassen! Jetzt ist es zu spät und unsere Eltern mussten verschwinden"
Ich schauderte. " Du...du hast sie getötet?"
Nevarian zuckte resigniert mit den Schultern.
Er war vollkommen krank. Ein kranker Mörder. Um Zeit zu gewinnen, fragte ich: "Was hast du mit Vater gemacht?"
"Das Haus eingestürzt!
Aber wen kümmerts? Ich habe fast den Weg zur Unsterblichkeit beendet. Das einzige Hindernis bist nur noch du!"
Der Meister des Dunkelmondes umkreiste mich wie ein Raubtier seine Beute. " Genug geredet!", donnerte er und löste den Rubin von seiner Rüstung. Ich zitterte. Nevarian drehte den Stein und er klappte auf wie eine Kiste. Die goldene Flüssigkeit schwappte gefährlich hin und her. Mein Bruder streckte den Rubinbehälter in meine Richung und murmelte finster und beschörend: " Mächtiger Dunkelmond, schenk mir deine Kraft. Ich werde gelangen bis zur unsterblichen Macht. Von den Kräften wirst du zehren. Die Finsternis ich werde begeheren!"
Der Rubin glühte auf und drehte sich immer schneller und schneller bis er aus Nevarians Hand flog und hoch in die Luft schwebte. Dann sendete er plötzlich einen blutroten Strahl direkt auf mich zu.
Ich schrie erschrocken auf, als der Strahl sich wie eine eisige Faust in mein Inneres bohrte. Wimmernd sank ich auf den Boden. Der Rubin entzog mir nach und nach all meine Kraft. Entsetzt beobachtete ich wie die goldene Flüssigkeit im Edelstein stieg.
Ich brüllte vor Schmerz, als der Strahl immer tiefer wie ein Schwert in mich eindrang. Ich spürte wie ich immer schwächer und schwächer wurde. Ich schrie erneut auf.
Nevarian lachte boshaft und weidete sich an meinem Schmerz.
Der Rubin war schon fast voll.
Und er saugte immer weiter.
Ein blutroter Schleier legte sich über meine Augen. Würde ich so sterben? War das mein Ende? Das ganze Training, alles umsonst?
"Nevarian....", wisperte ich schwach. " Was.... hast.... du.... getan?"
Nevarian lachte nur und seine spitzen Zähnen blitzten im Licht. Er starrte gierig auf den schon fast vollen Rubin.
Plötzlich krachte etwas laut gegen die Tür. Nevarian wurde abgelenkt und der Rubin knallte auf den Boden. "Was zum Teufel....!", schrie er wütend und hob den Rubin auf.
Er schritt polternd zur Tür.
"Alisha?", schrie jemand meinen Namen. Ich hob den Kopf. " Philo!", kreischte ich, doch zustande kam nur ein Flüstern. Ich war komplett erschöpft und schwach.
Dennoch schien Philo meinen Ruf gehört zu haben, denn er rief: "Alisha! Wo bist du?" und trommelte gegen die Tür. Ich glaubte auch Dako und Nelio zu hören.
Als ich antworten wollte, schritt Nevarian dazwischen. Er manipulierte die Luft sodass ich nach hinten flog und gegen die Wand knallte. Dann verriegelte er die Tür.
Als Philo nichts mehr von mir hörte, warfen er und die anderen sich mit voller Wucht gegen die Tür.
Ächzend gab sie unter dem Gewicht nach und splitterte.
Ich erblickte erleichtert Philo, Dako und Nelio. Philo hetzte zu mir, während Dako und Nelio sich Nevarian in den Weg stellten.
.Meine Kraft war noch nicht zurückgekehrt, also schleifte mich Philo stöhnend aus dem Raum. Nelio und Dako kamen völlig erschöpft hinter uns aus dem Zimmer getorkelt.
Dann rannten wir los. Zumindest so gut es ging.
Auf dem Weg stießen wir auf den Aeralfos, der tot am Boden lag. Neben ihm stand das Glas mit meiner Drachenseele drin. Erleichtert nahm ich es an mich.
"Geht es dir gut?", fragte Philo ohne anzuhalten. Ich schüttelte bloß den Kopf. "Was jetzt?", keuchte ich angespannt und wäre fast gestolpert. Nelio antwortete: "Wir haben etwas herausgefunden!
Um Nevarian besiegen zu können, brauchen wir vier Artefakte."
Immer noch rennend zischte ich: "Was?"
"Wir müssen..." Er verstummte, denn auf einmal fegte ein eisiger Wind durch die Hallen. Ich riss die Augen auf. Ein riesiger, ja sogar gewaltiger, Wirbelsturm raste auf uns zu. Ich schrie erschrocken auf. "WAS IST DAS?"
"EIN WIRBELSTURM! ", brüllte Nelio in den tosenden Wind hinein. "WO KOMMT DER SO PLÖTZLICH HER?"
" NEVARIAN!"
Der Wirbelsturm raste mit ansteigender Geschwindigkeit auf uns zu. "HALT DICH AN IRGENDWAS FEST!", rief Philo und klammerte sich an eine Säule. Panisch schaute ich mich nach einer Haltemöglichkeit um und entdeckte einen Ständer für Fackeln. Ohne nachzudenken umgriff ich das Metallstück fest.
Der Sturm saugte unterdessen alles ein was ihm in den Schlund kam. Meine Füße baumelten hin und her, während ich krampfhaft versuchte, nicht abzurutschten. Der Tornado griff immer heftiger nach mir, sodass meine Finger abglitten und ich erbarmungslos in den Wind eintauchte.
Im Inneren tobte Chaos pur. Steine und Möbel flogen umher, der Sturm pfiff lautstark eine Flutwelle aus Regen und Hagel donnerten herab. Ich wurde hin und her geschleudert, schlug Saltos und Purzelbäume und stand auf einmal auf dem Kopf. Die Welt begann sich zu drehen. Plötzlich tauchte eine Gestalt auf, dann eine zweite und schließlich eine dritte. Philo, Dako und Nelio.
Na super!
"ALISHA!", kreischte Philo und hielt mir seine Hand hin. Nur erschwert bekam ich sie zu fassen und unklammerte sie wuchtig. Philo und ich wurden zusammen hin und her gerissen und ich knallte gegen ein Stück Mauer. "Aua!" Stöhnend rieb ich mir die schmerzende Stelle. Philo betrachtete mich mitfühlend und rief dann: "Alisha! Der Wirbelsturn wird jeden von uns in eine andere Richtung ausspucken."
"WAS?!?", schrie ich entsetzt und griff seine Hand fester.
" Ja, aber darum keine Sorgen! Pass auf, du musst irgendwie zum Schrein von Silverkey kommen, verstanden? Schrein von Silverkey! Dort treffen wir uns! Ja?"
Ich schüttelte energisch den Kopf, doch der Junge wurde schon von mir losgerissen und ausgespuckt. "PHILO!"
Dann wurde auch ich nach oben geschleudert und mit voller Wucht aus dem Wirbelsturm ausgespuckt.
Ich flog hoch in die Luft.....und fiel. "AAAAAAH!"
Meine Haare wirbelten wild durcheinander. Die Erde raste immer weiter auf mich zu.
Der Fall tat mir in den Augen und Ohren weh. Meine Hände schmerzten, während ich immer noch das Glas mit meiner Drachenseele fest hielt.
Und dann stoppte ich. War das wirklich möglich? Lebte ich noch? Oder war ich tot? Es klingelte in meinen Ohren und gelbes Zeug umgarb mich. Strampelnd versuchte ich irgendwie nach oben zu kommen. Mein Kopf durchstieß die Oberfläche und ich sog gierig die frische Luft ein.
Dann schaute ich mich um... und schüttelte den Kopf. Um mich herum waren nur Bäume. Nichts als Bäume.
Ich war, soweit ich erkennen konnte, auf der einzigen Lichtung, in einen winzigen Heuhaufen gelandet.
" JUHUU! ICH LEBE NOCH!", rief ich und hob die Arme gen Himmel. In der Ferne erkannte ich den Wirbelsturm und versuchte positiv zu bleiben. Erstmal hier raus, dachte ich und versuchte meine Beine unter den Massen von Heu hinaus zugraben. Das war eine heikle Angelegenheit. Schließlich kullerte ich kopfüber hinaus, schaffte es aber zwar erschöpft und unsicher, aber dafür halbwegs standhaft auf den Füßen zu landen.
"Hey, wer bist du denn?"
Ich erschrak fürchterlich und fiel nach hinten um. Himmelblaue Augen starrten mich belustigt an und blitzten neugierig. Ein, ungefähr ein Jahr, älterer Junge hielt mir seine Hand hin und lächelte frech.
Ich überlegte kurz, erwiderte sein freches Grinsen und stand von allein auf.
Der Fremde lachte und nickte.
"Ich bin Draco!"
Mit schief gelegtem Kopf musterte ich Draco von oben bis unten. Blonde Haare, blaue Augen und ein freches Grinsen im Gesicht.
"Und du, Prinzessin?", fragte er erneut und zog eine Heusträhne aus meinem Haar.
"Ähm....Alisha."
"Schöner Name! Also dann fang mal an!"
"Mit was?", fragte ich verwirrt und blickte etwas dümmlich drein. Draco grinste schief und antwortete : "Na mit deiner Geschichte! Wieso ist eine so hübsche Prinzessin einfach so aus heiterem Himmel mir vor die Füße gefallen?"
"Nenn mich nicht Prinzessin!", fuhr ich ihn wütend an und meine Augen funkelten.
"Na gut!", sagte er und steckte seine Hände lässig in die Hosentaschen. Ich beobachtete ihn mit zusammen gekniffenen Augen.
"Ernsthaft?"
"Nö, Prinzessin!", antwortete er und grinste wieder frech.
Ich schwieg zornig und ballte die Hände zu Fäusten. Na toll! Jetzt muss ich mich mit diesem Idioten abgeben!
Draco lachte und verlangte schließlich zu erfahren, was ich hier machte. Seufzend erzählte ich meine Geschichte. Mitten in meiner Erzählung unterbrach er mich erstaunt: "Moment mal, du bist die Lichtbringerin?"
"Die was?", fragte ich ungläubig und rieb mir eine schmerzende Stelle am Hinterkopf.
"Die Lichtbringerin. Die Retterin. Die Runi."
"Na ja, ich bin zumindest eine Nachfahrin der Runae, ja"
"Krass. Lass mich raten, du bist auf dem Weg zum Schrein von Silverkey! "J..ja!", rief ich erstaunt. "Woher weißt du das?"
"Das ist jetzt nicht wichtig. Soll ich dich hinbringen?"
"Das wäre durchaus nützlich!"
"Na dann. Zum Schrein geht es hier entlang." Er deutete tief in den dichten Wald hinein. Selbstbewusst schritt er voran.
Kopfschüttelnd folgte ich ihm, hob aber vorher das Glas mit der Seele auf und steckte es heimlich ein.
Den Verschluss öffnen wollte ich auf keinen Fall in Dracos Anwesenheit.
Also versteckte ich es und eilte ihm nach.
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