Kapitel 8: Der Auftrag
Romi
Fünf Stunden und unzählige Geschichten später erreichten wir den Hafen von Berk. Einen Anfall von Seekrankheit vortäuschend versteckte ich mich in der Kajüte, damit es nicht zu Verwirrung kam. Erst als Johann definitiv den Hafen verlassen hatte, begab ich mich an Deck. Dort durchsuchte ein untersetzter Junge mit strohblondem Haar die Kisten.
„Was suchst du?", erkundigte ich mich neugierig.
„Violetten Oleander", murmelte er abwesend, „Moment mal, wer bist du?"
„Händler Johanns Tochter. Finja Johansson."
„Fischbein Ingerman. Du weißt nicht zufällig, ob dein Vater violetten Oleander geladen hat?" Fischbein? Wer nannte sein Kind bitte Fischbein? Der Arme.
„Ähm ja, ich habe unten eine Kiste damit gesehen. Wofür brauchst du ihn?"
Ohne meine Frage zu beantworten oder sich auch nur zu bedanken, verschwand er unter Deck. Komischer Typ.
Ich nahm den Weg ins Dorf Berk. Nur dass es kein Dorf Berk mehr gab. Kleine Aschehäufchen zierten die verkohlten Häuserüberreste, einzig überragt von ein paar hastig errichteten Hütten.
„Was ist denn hier passiert?", erkundigte ich mich bei einem Wikinger mit einem Eimer auf dem Kopf. Ganz schön schräges Völkchen hier.
„Die Drachenjäger haben alles zerstört, mit so einem komischen Riesendrachen. Ohne Vorwarnung haben sie uns angegriffen und puff - alles kaputt."
Das konnte nicht sein. Wieso sollten wir so etwas tun? Es musste sich um einen Irrtum handeln. Keiner von uns würde jemals ein wehrloses Dorf voller unschuldiger Leute angreifen. Doch, eine Person schon. Dummerweise derjenige, der das Sagen hatte. Reiker. Er musste mal wieder Viggos Rat ignoriert haben, denn Viggo würde so etwas niemals zulassen. Das wusste ich. Nun, Reiker konnte ich später zur Rede stellen. Nachdem ich meine Mission erfüllt hatte.
„Gibt es hier ein Versammlungsgebäude oder so?"
„Ja, die große Halle. Sie ist gleich dort drüben." Ich vergewisserte mich, dass Johann noch am Handeln war, bevor ich die Tür öffnete.
Das Erste, was mir auffiel, waren die Gerüche. Es roch nach Holz, Suppe und etwas, das mir merkwürdig vertraut vorkam, ich aber nicht identifizieren konnte - bis mir aufging, dass es nach Drachen roch. Davon tummelten sich nämlich einige in dem Raum. Alle möglichen Arten, von Nachtschrecken bis zu einem Riesenhaften Alptraum und zwar ohne, dass sie untereinander kämpften oder die Menschen angriffen.
Wie war das möglich? Zu so etwas waren Drachen doch nicht fähig! Man musste sie voneinander Fernhalten, sonst brachten sie sich gegenseitig um, das hatte ich von Viggo gelernt. Aber hier war das Gegenbeispiel, in Form einer Horde absolut friedlicher Drachen. Konnte er sich womöglich irren? Konnte es sein, dass Drachen nicht gefährlich, sondern intelligente, soziale Wesen waren? Dann brauchten wir diese ganzen Jagden und Kämpfe gar nicht mehr! Wir könnten ebenfalls in Frieden mit ihnen zusammenleben. Mann, das musste ich unbedingt Viggo erzählen! Bestimmt würde es ihm gefallen.
Hm. Reiker würde sich sicherlich weniger dafür begeistern. Er schwärmte ja geradezu von der Drachenjagd. Und solange er dagegen war, konnten Viggo und ich wenig unternehmen. Außerdem musste ich erst einmal meinen Auftrag vollenden.
Also riss ich mich von dem Bann los, den diese faszinierenden Wesen auf mich ausübten und suchte nach jemandem, der mir weiterhelfen konnte. Laut Viggo hatte ein gewisser Bork der Bändiger die Linse gestohlen und dann dieses Dorf gegründet. Folglich musste jeder hier ihn kennen. Die Kunst besten darin, jemanden auszusuchen, der keine Fragen stellen würde. Sofort sprang mir ein Knirps ins Auge, der gedankenverloren auf einem Stapel Säcke hockte.
„Hey du", sprach ich ihn an, „Wie heißt du?"
„Ich bin Gustav, der stärkste Krieger in Berk und Meister des wildesten Drachens auf der ganzen Welt." Ja sicher. Und ich war Freya höchstpersönlich.
„Und wer bist du, schöne Fremde?" Kotz. Schleimiger ging's nicht.
„Finja Johannsson. Sag mal, weißt du etwas über Bork?"
„Der Streberkram ist doch langweilig. Lass uns lieber zusammen abhängen." Bestimmt nicht. Eher aß ich einen Eimer Schnecken. Stattdessen setzte ich ein strahlendes Lächeln auf und sagte:
„Ach bitte, lieber Gustav, es ist wahnsinnig wichtig für mich. Und ich wette, du wärst mir eine große Hilfe."
„Tut mir leid, da musst du jemand anderes fragen, Fischbein zum Beispiel. Aber der ist gerade ziemlich gestresst, Gleiches gilt für Haudrauf. Grobian liegt im Koma und Hicks wurde ja vergiftet und plappert nur Stuss. Er erkennt nicht einmal mehr seinen Vater."
Von einer Sekunde auf die Nächste schlug mein Herz doppelt so schnell. Hicks - vergiftet? Aber... Oh nein. Natürlich! Wie konnte ich so dumm sein? Schnell rechnete ich noch einmal nach, dann rannte ich zum Krankenlager, einen verdutzten Gustav zurücklassend.
Ich wusste, dass das die Mission gefährdete - womöglich erkannte Hicks mich sogar wieder, sodass meine Tarnung aufflog -, aber das kümmerte mich nicht. Ich betrachtete es als meine Heilerpflicht, Verletzten zu helfen und außerdem machte sich die ungute Ahnung in mir breit, dass ich die Schuld an seiner Vergiftung trug.
Schlitternd kam ich vor seinem Bett zum Stehen. Verdammt. Hicks sah gar nicht gut aus. Blutleere Lippen, über den Augen lag ein glasiger Schimmer und sein Atem ging so flach, dass ich ihn kaum hörte. Hoffentlich kam ich nicht zu spät. Ein blondes Mädchen in meinem Alter hielt seine Hand und flüsterte ihm beruhigende Worte zu, wobei ich nicht wusste, ob sie mehr an ihn oder an sie selbst gerichtet waren.
„Es wird alles gut. Fischbein holt den violetten Oleander und dann werden wir dich heilen. Du wirst wieder gesund, versprochen."
„Nein, wird er nicht", widersprach ich. Augenblicklich drehte sie sich um und fauchte:
„Natürlich wird er das! Wer bist du überhaupt? Und warum sagst du so etwas?"
„Es ist Drachenwurz, nicht wahr? Deswegen braut ihr auch das Gegengift. Aber das allein wird nicht reichen. Damit Drachenwurz bei Menschen wirkt, muss man einen Transmitter verwenden, Schneller-Stachel-Gift nehme ich an. Einzeln sind sie relativ harmlos, aber zusammen können sie tödlich wirken. Und das Gegengift für Drachenwurz wirkt nicht, wenn man nicht auch noch das Stachelgift neutralisiert." Ganz schön blöd von mir, ihn mit Stachelgift zu betäuben. Warum hatte ich nicht daran gedacht, dass Reiker alle seine Waffen mit Drachenwurz behandelte?
„Und wie stellt man das an?"
Ohne dass ich es gemerkt hatte, hatte sich eine Gruppe von Leuten um mich herum versammelt. Fischbein, ein dunkelhaariger Typ mit Helm, ein Zwillingspärchen und ein Berg von Mann mit buschigem, rotbraunem Bart.
„Ähm, man braucht Algen vom Leuchtenden Fluch und Riesenhafter-Alptraum-Gel."
„Ich habe zwar eine Menge Alptraum-Gel, aber wer besitzt bitte so etwas Schräges wie Algen vom Leuchtenden Fluch?", fragte der dunkelhaarige Wikinger, während die Zwillinge sich verschwörerisch angrinsten.
„Zum Glück ist schräg unsere Spezialität. Zufällig hätten wir da so etwas", behauptete das Mädchen.
„Also schön. Dann bringt sie her. Du holst so viel wie möglich von dem Gel. Fischbein, hilf mir bitte bei dem Trank. Und du kümmerst dich weiter um Hicks. Er darf nicht einschlafen", erteilte ich nervös die Befehle. Der Mann - Haudrauf, Johanns Erzählungen nach - zog eine Augenbraue hoch, ließ mich aber gewähren.
Ich krempelte die Ärmel meiner Bluse hoch und begann mit dem Trank. Mit absoluter Genauigkeit maß ich die Zutaten ab und warf sie in den Kessel. Nichts durfte schiefgehen, es blieb nicht mehr genügend Zeit, um noch einmal von vorne anzufangen.
Nach einer halben Stunde war der Trank fertig. Vorsichtig füllte ich eine Schale damit und drückte sie Astrid in die Hand. Sie warf mir noch einen letzten misstrauischen Blick zu, dann flößte sie Hicks die Flüssigkeit langsam ein. Eine Weile saßen wir mit angehaltenem Atem da, bis er plötzlich anfing zu husten. Außerdem kehrte die Farbe in seine Wangen zurück. Es funktionierte! Dann sank er bewusstlos auf sein Kissen zurück. Was nämlich keiner wusste: Ich hatte ein kleines Schlafmittel in den Trank gemischt. Immerhin würde ich meinen Auftrag vergessen können, falls er mich sah.
„Wirkt der Trank etwa nicht?", fragte Haudrauf bedrohlich.
„Doch, doch, er muss sich nur ausschlafen. Heute Abend wird er wieder bei sich sein", stammelte ich. Hoffentlich bemerkte er meine Lüge nicht! Aus heiterem Himmel begann er dröhnend zu lachen:
„Na, du bist mir ja eine! Könntest glatt unserer Gothi Konkurrenz machen. Sag mal, kannst du dich vielleicht auch um Grobian kümmern? Eine der Granaten dieses Riesendrachens ist direkt neben ihm eingeschlagen und seitdem wacht er nicht mehr auf."
„Ich schaue mal nach ihm", versprach ich, obwohl ich keine Ahnung hatte, was ich da tat. Den Leuten hier zu helfen, grenzte an Verrat, aber wie konnte etwas falsch sein, das sich so richtig anfühlte? Ich konnte einfach niemanden verletzt lassen, egal zu welcher Seite er gehörte. Viggo würde das bestimmt verstehen.
Kurzerhand kniete ich mich neben besagten Grobian und tastete nach seinem Puls. Bamm - Bamm BAMM - - BAMM BAMM Bamm BAMM.
„Die Druckwelle hat sein Herz aus dem Takt gebracht", erklärte ich, „Das kriege ich schnell wieder hin." Ich faltete meine Hände zu einer Faust und drückte gleichmäßig auf seinen Brustkorb. Nach einer Weile passte sich sein Herzschlag meinem Rhythmus an und er schlug die Augen auf. Sofort schob Haudrauf mich beiseite und beugte sich über ihn.
„Grobian, wie geht es dir?" Der starrte ihn entsetzt an.
„Hilfe, ein sprechendes Yak!"
Die Zwillinge brachen in haltloses Gelächter aus, alle anderen bemühten sich krampfhaft, nicht zu grinsen.
„Grobian, ich bin's doch, Haudrauf."
„Ich soll draufhauen? Okay."
Mit einem saftigen Klatschen landete Grobians Hand auf der Backe des Oberhauptes, der schon zum Gegenschlag ausholte.
„Halt! Er meint es nicht böse, die Explosion hat nur sein Gehirn durcheinander gewirbelt. Alles, was er braucht, ist Ruhe", mischte ich mich ein.
Daraufhin zogen sich alle zurück und gingen ihren Beschäftigungen nach. Und das sollte das berühmte Misstrauen der Berkianer sein? Offenbar hatte jemand Viggo gründlich falsch informiert. Nur Astrid benahm sich so, als könnte sie mir nicht trauen - zu Recht wohlgemerkt. Alle anderen ignorierten es allerdings, wahrscheinlich verhielt sie sich immer so.
Diesen Grobian zu heilen, erwies sich als echter Glückstreffer. Nachdem er sich von seiner Gehirnerschütterung erholt hatte, stellte sich heraus, dass er eine ganze Menge über Bork wusste. Außerdem war er mir so dankbar, dass er keine Fragen über den Grund meines Interesses stellte. Er ließ mich das Buch der Drachen ansehen und zeigte mir Borks Aufzeichnungen. Nirgendwo entdeckte ich die Drachenaugenlinse.
Deswegen war ich auch ziemlich entmutigt, als er mich zur Ahnengalerie führte. Das neueste Bild zeigte natürlich Hicks und seinen Vater. Borks Bild hing am entgegengesetzten Ende. Auf den ersten Blick war nichts Besonderes zu entdecken, doch als Grobian aus Versehen dagegen stieß, ertönte ein leises Klirren.
Konnte es sein, dass... Wahrscheinlich schon. Aber um es zu überprüfen, musste ich allein sein. Nur wie wurde ich die Leute los? Ich brauchte eine Ablenkung, am besten etwas Lautes, Auffälliges. Wie zum Beispiel eine Explosion.
Unauffällig verzog ich mich aus der großen Halle. Draußen sah ich mich nach dem geeigneten Angriffsziel um. Es durfte sich nichts Überlebenswichtiges darin befinden und vor allem keine Menschen, ich musste mich ungesehen zur großen Halle schleichen können und die Explosion musste mir genügend Zeit geben.
Fast augenblicklich entschied ich mich für die Arena. Die Bombardierung hatte schon einige der Hauptpfeiler zerstört, sodass bei der Explosion das Dach einstürzen würde, was bestimmt ganz schön Lärm machte. In den Ställen wurde eine Menge brennbares Zeug aufbewahrt. Sie lag abseits genug, damit niemand verletzt wurde, ein Feuer dort wäre aber weithin sichtbar. Perfekt.
Zehn Minuten später stand ich unter dem Gitterdach der Arena und öffnete meinen Gürtel. Anschließend drückte ich auf einen versteckten Knopf und heraus strömte giftgrünes, übel riechendes Zippergas. Danach entfernte ich die Sohle meiner Stiefelabsätze und verteilte das darin enthaltene Alptraum-Gel auf dem gelagerten Holz. Manchmal war es doch nicht so schlecht, einen übervorsichtigen Bruder zu haben, doch das würde ich ihm auf keinen Fall erzählen. Zum Schluss knotete ich die Zündschnur an eine Fackelhalterung. Auf meinem Rückweg wickelte ich sie langsam ab. Nach 200 Metern zündete ich das Ende an und versteckte mich in einem eingestürzten Haus. Sobald der Knall ertönte und alle zur Arena rannte, huschte ich in die Halle.
Finsternis umhüllte mich, einzig ein paar Fackeln erleuchteten den riesigen Raum. Deswegen dauerte es auch ein Weilchen, bis ich Borks Schild fand. Dessen Rückseite war mit Metall beschlagen und klang hohl, als ich dagegen klopfte. Wo konnte man es öffnen?Ah, da! Ich drückte meine Nägel in den Spalt und tatsächlich: Eine Drachenaugenlinse funkelte in der Dunkelheit. Rasch steckte ich sie in eine Geheimtasche an der Innenseite meines Rockes, hängte den Schild zurück an seinen Platz und wollte die Halle verlassen, als ein Knurren mich innehalten ließ.
Was war das? Ängstlich und gleichzeitig neugierig nahm ich eine der Fackeln an mich und durchquerte die Halle auf der Suche nach dem Ursprung des Geräusches. Nichts. Nur Schatten.
So dachte ich jedenfalls, bis die Schatten sich bewegten und zu zwei Flügeln, einem mächtigen Körper und einem Schwanz wurden. Nur ein Drache. Dann blickte ich genauer hin und mein Herz setzte einen Schlag aus. Nicht irgendein Drache - ein Nachtschatten!
Wut schoss durch meine Adern, Wut und Abscheu. So einer hatte meine Eltern getötet! Leise zog ich mein Messer. Ich würde jetzt dieses Monster umbringen und somit meine Eltern rächen. Wie stolz Viggo auf mich sein würde! Das war meine Chance, eine echte Drachenjägerin zu werden. Vergessen waren all die Gedanken von vorhin, ich wollte nur noch diesen Nachtschatten erledigen. Immer weiter näherte ich mich ihm, bis meine Klinge direkt auf sein Herz zeigte. Doch ich stach nicht zu. Denn das Bild, das sich mir bot, war einfach überwältigend.
Direkt neben dem Drachen schlief Hicks. Aber nicht das verblüffte mich so sehr (wobei es auch erstaunlich war, dass der Drache ihn nicht angriff), sondern dass der Nachtschatten sich beschützend um ihn gelegt hatte und ihm andauernd mit seinem Kopf über die Wange strich. Man könnte fast meinen, dass er ihn streichelte. Außerdem produzierte er lauter Geräusche - es war beinahe als würde er reden.
Weit unsicherer als vorher wandte ich mich wieder meinem Messer zu. Ich würde diese Bestie jetzt... Nein, das konnte ich nicht. Ich würde kein fühlendes Wesen umbringen. Aber das war ein Nachtschatten! Ein blutrünstiges Monster! Hin- und hergerissen stand ich mit erhobenem Dolch da, nicht fähig, eine Entscheidung zu treffen.
Dann legte Hicks im Schlaf einen Arm um den Drachen. Dadurch fiel er beinahe vom Bett, aber der Drache schob ihn behutsam zurück. Es schien, als würde er sich um ihn sorgen, ja sogar beschützen. Und Hicks sah so friedlich aus, so geborgen.
Er hatte doch nicht gelogen. Sie verband wirklich eine besondere Freundschaft. Sie gehörten zusammen. Wenn ich den Drachen tötete, würde es Hicks das Herz brechen. Wie hatte ich das wollen können? Ich konnte sie nicht voneinander trennen. Das brachte ich einfach nicht übers Herz.
Ja, so würde ich es nie zur Drachenjägerin schaffen, aber das war mir egal. Wenn darin das Dasein als Drachenjägerin bestand - unschuldige und friedliche Tiere zu töten, Freunde auseinander zu reißen -, dann langweilte ich mich lieber bis ans Ende meiner Tage. Viggo würde es sicher verstehen, sobald ich ihm von all dem berichtet hatte. Oder er wusste es schon längst, wurde aber von Reiker zur Drachenjagd gezwungen. Ja, so war es, da war ich mir sicher.
Ich schob den Dolch zurück in die Halterung. Zum Glück, denn in diesem Augenblick kamen alle wieder herein. Schnell schnappte ich mir eine Schale mit Suppe und fütterte Hicks damit, so als hätte ich die ganze zeit nichts Anderes getan.
„Was machst du da?", fragte Astrid argwöhnisch. Also entweder verfügte dieses Mädchen über eine brillante Menschenkenntnis oder sie war grundsätzlich misstrauisch. Eher letzteres, Haudraufs Kommentar nach.
„Astrid, jetzt lass sie doch, nicht jeder ist ein Spion. Sie gibt ihm nur was zu essen. Das ist auch dringend nötig, nachdem diese Schweine von Drachenjägern ihn halb verhungern gelassen haben!", polterte er.
Oh. Hatten die Wachen ihm etwa nichts zu essen gegeben? Offenbar nicht. Nun fiel mir auch auf, dass Hicks magerer als das letzte Mal aussah. Hätte ich ihnen das sagen sollen? Wahrscheinlich schon. Aber wie hätte ich wissen sollen, dass die nicht selber nachdenken? Okay, es waren Wachen. Die dachten nie nach. Um ehrlich zu sein, ich hatte ihn vergessen. Ganz schön peinlich. Zum Glück wusste das keiner von denen, sonst steckte ich schneller in einer Zelle als ich „Nachtschatten" sagen konnte. In diesem Moment sagte Haudrauf:
„Aber zum Glück haben wir ja Finja. Ich muss schon sagen, du hast wirklich eine tüchtige Tochter, Johann."
Verdammt. So unauffällig wie möglich bewegte ich mich in Richtung Ausgang. Vielleicht hatte Johann es ja nicht gehört.
„Eine Tochter? Seit wann habe ich eine Tochter?"
Und er hatte es wohl gehört. Ich ließ alle Vorsicht fallen und rannte zur Tür. Astrid versuchte, mich aufzuhalten, doch ich wich ihrem Griff aus und nagelte ihren Zopf mit einem im Ärmel versteckten Messer an die Wand. Wie ein Stier, der ein rotes Tuch sah, setzte Haudrauf mir nach. Ihm würde ich nicht entkommen können. Also ließ ich ein weiteres Messer aus meinen Armschienen hervorschnellen (die Vorrichtung, die Viggo mir gebaut hatte, war wirklich genial) und durchtrennte ein Seil, sodass der Leuchter herunterfiel und Haudrauf unter sich begrub. Jeden, der sich mir in den Weg stellte, schaltete ich aus, während ich den Feuerstößen der aufgebrachten Drachen auswich. Schon hatte ich die Tür erreicht und wollte zu Johanns Schiff rennen, da steckte ein Plasmaschuss des Nachtschatten es in Brand.
Und jetzt? Ich hatte keinen Plan B. Hätte ich doch bloß auf Viggo gehört! Warum hatte ich mich auf diesen Auftrag eingelassen? Dadurch standen wir doch nur schlimmer als vorher da. Ohne Frage würden sie mich fangen, mir die Linse abnehmen und dann... Keine Ahnung, was sie dann mit mir machen würden, aber es war bestimmt nichts Gutes.
Also musste ich zusehen, dass sie mich nicht in die Finger bekamen. Vielleicht konnte ich mich ja im Wald verstecken. Wenn ich nicht zurückkam, würde Viggo mir einen Suchtrupp hinterherschicken. Ich musste nur lange genug durchhalten.
Mit halb Berk auf den Fersen jagte ich durch den Wald, sprang Abhänge hinunter, schlug Haken. Meine Lunge brannte schon, doch ich wurde nicht langsamer. Erst als ich meinte, genügend Abstand zu meinen Verfolgern gewonnen zu haben, machte ich eine Pause. Keuchend sah ich mich um.
Ich war in einer kleinen Senke gelandet, umgeben von hohen Tannenbäumen sowie dichten Sträuchern. Diesen Ort fand niemand, außer er stolperte so wie ich mitten hinein. Hier konnte ich eine Weile bleiben.
Falls ich nicht vorher verhungerte oder erfror. Ohne Essen und Wasser würde ich nicht lange durchhalten. Gut, es gab bestimmt einen kleinen Bach in der Nähe, aber ich hatte keine Ahnung, welche der Pflanzen essbar waren. Womöglich erwischte ich noch eine giftige. Außerdem waren die Nächte um diese Jahreszeit eiskalt.
Plötzlich raschelte es im Gebüsch. Wachsam sprang ich auf. Hatte ich die Berkianer doch nicht abgehängt? Vorsichtshalber zog ich ein Messer. Zäh wie Honig verronnen die Sekunden ohne dass eine Meute aufgebrachter Dorfleute durch die Büsche preschte. Offenbar hatte ich mir das Geräusch doch nur eingebildet oder es stammte von einem Vogel. Kein Grund zur Beunruhigung.
Ich setzte mich wieder hin und überlegte, was ich unternehmen sollte, doch ich kam zu keinem Entschluss. Alle Möglichkeiten waren gleich schlecht. Wie ich es auch drehte und wendete, ich hatte versagt. Schlimmer konnte es nicht werden. Leider irrte ich mich.
Auf einmal teilten sich die Büsche und ein schlanker, dunkelroter Kopf schob sich auf die Lichtung, gefolgt von vier mächtigen Schwingen. Zwei stahlblaue Augen starrten mich unverwandt an. Das war... Das war...
Ich steckte mächtig in der Tinte. Gelähmt vor Angst hockte ich auf meinem Baumstumpf und konnte keinen Muskel rühren. Aber wie...? Und vor allem wieso? Ich wusste es nicht. Alles, was ich denken konnte, war dass ich am liebsten weit, weit weg wäre.
Wenn einem auffällt, dass man den Kommentar vergessen hat... Na ja, hier ist er, wenn auch verspätet. Ich hoffe, die Kapitel haben euch gefallen, bald kommen auch die Nächsten. Wie immer würde ich mich über Kommentare jeglicher Art freuen. Es kann sein, dass es jetzt ein wenig verwirrend wird, aber in ein paar Kapiteln klärt sich das alles auf. Falls ihr Fragen habt, könnt ihr sie gerne stellen. Außerdem bin ich schon auf eure Spekulationen gespannt, wie es weitergeht. Wer weiß, vielleicht errät jemand das Geheimnis der Geschichte. Bis bald
Eure Elementara
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