Kapitel 19: Verhandlungen
Astrid
Am nächsten Morgen wurden wir unsanft von Fischbein geweckt.
"Sie sind da, sie sind da! Wacht auf, sie kommen!" Sofort schreckten wir hoch.
"Die Drachenjäger?", hakte Hicks nach. Fischbein nickte düster.
"Wie viel Zeit haben wir noch?"
"Schwer zu sagen. Eine Stunde?"
Tatsächlich, in einiger Entfernung waren Schiffe zu sehen - ein Schiff. Viggo hatte sich an die Vorgaben gehalten. Ich kniff die Augen zusammen, um die Entfernung abzuschätzen. Fischbein hatte Recht, ungefähr eine Stunde noch. Aber irgendetwas an dem Schiff kam mir komisch vor. Bloß was? Das war ein ganz normales Boot. Keine Waffen, keine versteckten Drachenjäger, nichts, was zum Angriff dienen könnte. Ach, wahrscheinlich war ich durch die Anspannung in letzter Zeit übervorsichtig geworden. Und außerdem gab es jetzt Wichtigeres. Wie zum Beispiel den Plan noch einmal durchzugehen.
Als wir uns im Clubhaus versammelten, war die Stimmung am Boden. Keiner sagte etwas, bis auf die Zwillinge, die mit ihrem Geplapper versuchten, die Atmosphäre aufzuheitern, doch auch sie wirkten weniger locker als normal. Und als Hicks mit der Ansprache begann, wurden sie schlagartig still. Was vielleicht auch an Hicks' Ausraster gestern lag.
"Na schön, ihr alle wisst, was ihr zu tun habt. Denkt dran, wenn das hier klappt, dann ist es heute vorbei, also reißt euch zusammen. Haltet euch einfach an den Plan."
"Yeah, treten wir Viggo in den Hintern!", jubelte Rotzbacke.
Alle nickten entschlossen, bis auf Romi, die betreten zu Boden starrte. Auf einmal überkam mich ein bisschen Mitleid mit ihr. Wir unterhielten uns gerade darüber, wie wir ihren Bruder loswerden wollten und erwarteten von ihr, dass sie uns dabei half. Allein dass sie sich bei uns aufhielt, erforderte eine Menge Mut und wenn unser Plan gelang, würde sie ganz alleine sein. Nicht, dass ich sie plötzlich mochte - denn das tat ich auf keinen Fall - aber das, was sie für uns tat, verdiente Respekt. Aber genug davon, es ging los. Bevor ich die Hütte verließ - ich sollte Viggo zusammen mit Fischbein empfangen - ging ich noch mal zu Hicks.
"Wir werden das schaffen", redete ich ihm gut zu, "Und egal wie es heute ausgeht, ich bin für dich da." Er lächelte mich warm an und bevor ich es richtig realisierte, zog er mich in eine feste Umarmung.
"Kommst du, Astrid?", rief Fischbein von draußen.
"Schon unterwegs", entgegnete ich, nahm meine Axt und folgte ihm. Vor der Hütte testeten wir zum letzten Mal die Verriegelung und den Draht, wünschten Heidrun, Dagur und Romi viel Glück und machten uns auf den Weg nach unten. Am Horizont prangte schon ein roter Streifen, doch noch hatte das Schiff nicht angelegt. Aufgrund der geringen Wassertiefe der Bucht mussten Viggo und seine Begleiter herüber rudern. Eine Viertelstunde noch, höchstens. Eine Viertelstunde, die so kriechend langsam verging, dass ich fast froh war, als das Ruderboot endlich auf dem Sand knirschend zum Stehen kam. Fast. Heraus stiegen Viggo, Reiker und ein Mann, der wohl dieser ominöse Krogan sein musste. Drei Menschen, die auf meiner persönlichen Hassliste die obersten Ränge belegten.
"Endlich habe ich auch das Vergnügen, die Drachenklippe mit eigenen Augen zu sehen. Wirklich beeindruckend. Astrid, Fischbein, ich bin erfreut, euch wiederzusehen."
Tja, da war Viggo der Einzige. Ich hätte es ihm nur zu gerne gesagt, doch ich befürchtete, dass nur eine Beleidigung oder wildes Geschrei herausgekommen wäre, beides nicht gerade förderlich im Angesicht unserer Lage. Auch Fischbein ging nicht darauf ein, wobei es bei ihm mehr an seiner Angst vor diesen Personen lag. Immerhin brachte er noch ein recht piepsiges "Folgt mir" zustande. Ich durfte also die Nachhut übernehmen, direkt hinter diesem Krogan. Auf halber Strecke raunte er mir so leise, dass es niemand mitbekam, gehässig zu:
"Seid mal lieber nicht zu selbstsicher. Einer, der sich so leicht gefangen nehmen lässt, endet bei solchen Verhandlungen meistens mit einem Messer in der Brust."
War das etwa eine Drohung?! Dafür würde er büßen! Niemand sagte so etwas über Hicks in meiner Anwesenheit! Zum Glück war hier ein ziemlich tiefer Abgrund. Ein Schubs und...
"Reiß dich zusammen, Astrid", schärfte ich mir in Gedanken ein, "Wenigstens, bis wir das Gegengift haben. Danach kannst du ihn so viele Klippen runterschmeißen wie du willst."
Eine tröstliche Aussicht, an der ich mich festhielt, bis wir oben angekommen waren. Dort wurden meine Gedanken von der Befürchtung überlagert, sie könnten etwas bemerken. Zunächst sah es auch ganz gut aus, die Verriegelung war gut genug getarnt, dass man sie nur fand, wenn man wusste, wonach man zu suchen hatte und der Drache befand sich sowieso auf der Rückseite des Gebäudes. Doch dann raschelte es im Gebüsch hinter dem Clubhaus. Ziemlich leise, aber es genügte, um Reiker misstrauisch zu machen.
"Was ist das? Eine Falle? Habt ihr da hinten jemanden versteckt?"
Mein Herz setzte einen Schlag aus. Würde er prüfen, ob sich da jemand befand? Oh nein, das durfte nicht passieren! Gerade schickte er sich schon an, nachzusehen, da flatterte ein Schrecklicher Schrecken aus dem Gebüsch und krallte sich in seinem Gesicht fest.
"Aaargh! Geh da weg, du dämliches Mistvieh!", brüllte er, schleuderte den armen Schrecken zu Boden und holte mit seinem Schwert aus.
"Reiß dich zusammen!", befahl Viggo, "Wir sind hier zu Gast, also benimm dich wenigstens ein Mal in deinem Leben."
Zugegebenermaßen bereitete es mir einiges an Genugtuung, Reiker kleinlaut sein Schwert wegstecken zu sehen. Doch auch diese Freude verging mir, denn mit einem Unheil verkündenden Knarzen öffnete sich die Tür und wir traten ein.
Schlagartig schien sich der Raum zu verdüstern. Natürlich nur Illusion, genauso wie es auch nicht durch unser Eintreten kälter wurde und doch war die Atmosphäre regelrecht frostig. Dann zuckte Hicks ein Mal mit dem Fuß, an dem der Draht befestigt war. Es ging los. Draußen musste jetzt die Glocke bimmeln, doch man hörte nichts. Rotzbacke und Dagur hatten gut gearbeitet. Doch eine Glocke war eine Sache, die Geräusche von kämpfenden Drachen eine andere. Wir konnten nur hoffen, dass der Angriff einigermaßen leise vonstatten ging und dass die Grimborns zu abgelenkt zu abgelenkt von den Verhandlungen waren, um irgendetwas zu bemerken. Wie zum Beispiel das leise Klicken, mit dem die Tür verriegelt wurde. Fast unhörbar, wenn man nicht wusste, worauf man achten musste, und doch könnte ich schwören, dass Viggos Kopf sich unmerklich in Richtung Tür bewegte. Halb erwartete ich schon, dass er sein Schwert ziehen und das hier in ein Blutbad verwandeln würde - oder einer seiner Begleiter, die ja beide nicht für ihre Beherrschung berühmt waren -, doch da nichts dergleichen passierte, schob ich es auf meine von der Aussicht auf einen Kampf hypersensiblen Sinne.
"Hallo Hicks. Du kannst nicht glauben, wie froh ich bin, dass es zu diesem Treffen gekommen ist. Ich darf mich doch setzen, oder?"
Ohne eine Antwort abzuwarten, schritt er so selbstbewusst auf das massive Pult zu, hinter dem Hicks saß, um die um sein Bein geknotete Schnur zu verstecken, als wäre das hier sein Haus und nahm gegenüber von Hicks Platz. Die Zwillinge hatten vorgeschlagen, ein mit Juckpulver bestäubtes Kissen darauf zu platzieren, was wir ihnen jedoch hatten ausreden können, obwohl die Vorstellung von einem durch die Gegend hüpfenden, sich am Hintern kratzenden Viggo wirklich witzig war.
"Schön habt ihr es hier."
"Viggo, du bist zum Verhandeln hier und nicht für eine Besichtigungstour oder ein Kaffeekränzchen", antwortete Hicks genervt von Viggos höflichem Getue.
"Wie ich sehe, ist dein Humor der Gleiche geblieben. Bedauerlich, dass du unsere Gespräche so gering schätzt, ich persönlich finde sie immer sehr anregend."
"Du hast mich entführt, meine Heimat zerstört und meinen Drachen vergiftet! Erwartest du etwa, dass wir jetzt beste Freunde sind?"
Oh je, bald würde Hicks der Kragen platzen. Um ihn zu beruhigen, trat ich hinter ihm und legte ihm eine Hand auf die Schulter. Etwas irritiert betrachtete er sie, dann lächelte er mir über seine Schulter flüchtig, aber warm zu und fuhr gemäßigter fort:
"Der einzige Grund, warum du hier bist, ist das Gegengift für Ohnezahn und sobald wir fertig mit Verhandeln sind, wirst du wieder von hier verschwinden. Und jetzt lass uns zur Sache kommen."
"In Ordnung. Du machst dir Sorgen um deinen Drachen, das kann ich verstehen. Und auch ich bin recht neugierig auf das, was du zu bieten hast."
"Einen Beutel mit Linsen für das Drachenauge", antwortete Hicks wie aus der Pistole geschossen.
"Interessant", murmelte Viggo an sich selbst gerichtet.
"Heißt das, wir sind im Geschäft?", hakte Hicks sofort nach.
Eine spannungsvolle Stille legte sich über den Raum, die von Viggo jäh unterbrochen wurde, als er begann, lauthals zu lachen. Hä? Hatte er endgültig den Verstand verloren?
"Clever, wirklich clever! Mir etwas anzubieten, womit ich gar nichts anfangen kann... Du solltest Kaufmann werden! Aber" Schlagartig nahm seine Stimme einen ernsten, geschäftsmäßigen Ton an. "wenn das dein bestes Angebot ist, dann bleiben wir besser bei unserem ursprünglichen Handel. Du überlässt mir den Nachtschatten und ich erkläre mich bereit, ihm das Gegengift zu verabreichen."
"Das ist kein Handel, das ist Erpressung!", empörte sich Hicks.
"Parasitäres Verhalten", nickten die Zwillinge. Viggos verdutzte Miene war Gold wert, vor allem als Taff ihm einen Arm um die Schultern legte und ihm verschwörerisch zuraunte:
"Mal unter uns Parasiten: Es ist zwar echt cool, andere übers Ohr zu hauen - tolles Gefühl -, aber du solltest dich lieber in Acht nehmen. Es gibt da etwas, das nennst sich" Ängstlich warf er einen Blick über die Schulter und hauchte: "K a r m a ." Nun belagerte Raff Viggos andere Seite.
"Nimm uns als Beispiel. Früher in Berk, da haben wir allem und jedem Streiche gespielt. Meistens Hicks. Eine tolle Zeit."
"Unglaublich", schwärmte Taff.
"Dann kommen wir hierher, er reißt das Kommando an sich, entwickelt sich zum totalen Tyrannen und verbietet uns alles, was Spaß macht. Das, mein Freund, ist Karma", schloss Raff ihren Vortrag mit einer ausholenden Geste.
"Das reicht jetzt! Hicks hat weder das Kommando an sich gerissen, noch ist er ein Tyrann! Außerdem führt euer Spaß meistens dazu, dass Leute verletzt werden. Und übrigens, wir sind gerade am Verhandeln!"
Schmollend ließen sie Viggo los und zwinkerten mir zu. Dann war das alles nur, um Zeit zu schinden? So wie es aussah, hatte ich die Zwillinge unterschätzt. Wie viel Zeit war eigentlich vergangen? Müssten sie nicht eigentlich schon längst das Gegengift haben? Es war doch nichts schiefgegangen, oder? Bestimmt nicht. Doch noch hatten sie kein Zeichen gegeben. Wir mussten ihnen mehr Zeit verschaffen, aber nicht so, dass es auffällig wurde. Ach, dieses Herumgerede lag mir nicht. Ich sollte draußen sein und kämpfen, nicht hier die Zeit totschlagen. Auch meinen Freunden war anzusehen, dass sie am liebsten woanders wären, allen voran Hicks. Allerdings nur für einen Moment, dann überspielte er sein Unbehagen, indem er Viggo mit seinem Blick fixierte und herausfordernd sagte:
"Das ist mein bestes Angebot, das keinen Kampf verursacht. Bist du sicher, dass du es ablehnen willst? Das wäre für alle Beteiligten am besten." Daraufhin begann Krogan lauthals zu lachen, ein unangenehmes Geräusch.
"Soll das etwa eine Drohung sein? Ein einbeiniger Bengel will uns drohen? Pass mal lieber auf, dass der Wind dich nicht umpustet!"
"Das ist keine Drohung, sondern eine Tatsache", korrigierte Hicks, "Ich würde alles tun, um Ohnezahn zurückzuholen, falls du mein Angebot nicht annehmen und ihn mit dir nehmen wirst, auch wenn das bedeutet, diesen Kampf auf ewig weiterzuführen. Ist es das, was du willst? Krieg?"
"Nein, aber ich kann damit leben. Die Frage ist, kannst du das auch?" Hicks' Gesicht sprach Bände, Viggo hingegen lächelte überheblich.
"Dachte ich es mir doch. Nun, es liegt ganz allein an dir, was als Nächstes passiert. Mach mir ein besseres Angebot und du kannst deinen Drachen behalten."
Auf einmal geschahen die Dinge so schnell, dass sie vor meinen Augen verschwammen und das Einzige, was ich wirklich wahrnahm, waren die Geräusche, die dadurch verursacht wurden, so rasend schnell spielte sich alles ab. Ohne jede Vorwarnung sprang Krogan Viggo an und presste ihn gegen die Wand. Ich hörte nur Viggos Kopf dumpf gegen das Holz schlagen und Krogan knurren:
"Du hast gesagt, du würdest mir den Nachtschatten beschaffen! Betrüger!"
Dann stach er zu.
Das Messer fuhr in Viggos Brust, so schnell, dass niemand einschreiten konnte. Alle im Raum atmeten entsetzt ein. Vermutlich hätte ich ebenfalls entsetzt sein sollen, doch in Wahrheit verspürte ich nichts als Erleichterung. Es war vorbei. Wir brauchten uns nicht mehr mit Viggo herumzuschlagen. Doch da war ich die Einzige, die Ausrufe der anderen spiegelten alle Schock, Entsetzen, Fassungslosigkeit und grenzenlose Wut wieder.
"DU HAST MEINEN BRUDER UMGEBRACHT!"
Brüllend wie ein Stier stürzte sich Reiker mit gezückten Schwertern auf Krogan, der den Schlag mit seiner Hellebarde parierte. Ein tödlicher Wirbel aus blitzenden Klingen entstand, der uns an die Wände des Raumes trieb. Pfeifend zischten die rasiermesserscharfen Klingen durch die Luft, begleitet von Kampfeslauten vonseiten Reiker und Krogan.
Was jetzt? Beim Umbauen hatten wir vergessen, einen Hintereingang einzubauen. Wir saßen hier - whoa! Beinahe wäre ich von Krogans gewaltiger Hellebarde aufgeschlitzt worden, dabei hatte er nur zu einem Schlag gegen Reiker ausgeholt. Wir mussten hier raus oder diese Wahnsinnigen würden uns noch alle umbringen. Doch der Raum war vollkommen abgeriegelt, sogar die Fenster hatten wir zugenagelt. Wir hatten unseren eigenen Sarg gebaut. Ich duckte mich unter einem von Reikers Schwertes hinweg, durchquerte den Raum, wobei ich mehreren verirrten Hieben ausweichen musste und warf mich hinter das Pult, wo Hicks sich geistesgegenwärtig verschanzt hatte.
"Wir müssen sie zur Vernunft bringen", keuchte ich.
"Die wissen nicht mal, was Vernunft ist", entgegnete er halb im Scherz, halb im Ernst, "Ich versuche, Hilfe zu holen, aber sie hören die Glocke nicht." Erst jetzt bemerkte ich, dass Hicks beständig an dem Draht zupfte.
"Das bringt doch nichts! Wir müssen sie voneinander trennen!" Entgeistert starrte Hicks mich an.
"Das ist Selbstmord!"
"Mag sein, aber so überlebt wenigstens ein Teil von uns." Mit diesen Worten sprang ich mit erhobener Axt auf das Pult.
"GENUG!"
Augenblicklich erstarrten alle. Denn der Ruf kam von einer Person, die eigentlich nicht mehr leben dürfte. Viggo. Vollkommen unversehrt stand er da, in einer Hand das Messer, mit dem Krogan ihn erstochen hatte. Nicht ein Tropfen Blut hing daran. Perplex starrte Reiker ihn an. Wir alle starrten ihn an.
"A-aber... wie...?" Anstelle einer Antwort drückte Viggo die Klinge in den Griff hinein. Ein Messer, das keinerlei Widerstand leistete, noch dazu stumpf - die perfekte Attrappe.
"Du hast mein Messer ausgetauscht?"
"Vorsichtsmaßnahme. Zu Recht, wie ich sehe. Was deinen kleinen Mordversuch angeht, den will ich dir fürs Erste verzeihen. Solltest du es allerdings noch ein Mal wagen, eine Waffe gegen mich oder einen meiner Leute zu erheben, dann wird nicht nur unser Vertrag ungültig, sondern du wirst auch erleben, dass ich sehr gnadenlos sein kann. Gleiches gilt auch, wenn du dich noch mal in die Verhandlungen einmischt. Das sind meine Gegner und ich allein entscheide, wie vorzugehen ist."
In Krogans Augen funkelte die pure Mordlust. Er wollte schon einen weiteren Dolch ziehen, da hielt Reiker ihm sein Schwert an die Kehle und meinte bedrohlich:
"Ich würde das lieber bleiben lassen. Ich vergebe nämlich nicht so schnell wie mein Bruder."
"Könnt ihr eure Machtkämpfe nicht wann anders austragen? Ich habe mit einer Verhandlung gerechnet und nicht mit einem Kindergarten."
Ach, ich liebte Hicks' Sarkasmus, auch wenn es nicht so klug war, sich über die Drachenjäger lustig zu machen. Abermals war es Viggo, der ein Blutbad verhinderte. Langsam wurde das echt unheimlich. Nachdem er Reiker und Krogan zurechtgewiesen hatte, wandte er sich wieder an Hicks und meinte so seelenruhig als wäre nichts geschehen:
"Du hast vorhin gesagt, dass es das einzige Angebot wäre, das keinen Kampf verursacht. Dürfte ich erfahren, worum es sich bei den anderen Angeboten handelt? Doch nicht etwa um das Drachenauge, oder? Das ist nämlich auf wundersame Weise verschwunden."
"Du solltest Orakel werden", entgegnete Hicks spöttisch, "Denn ja, wir haben es."
"Fantastisch. Dann gib mir, was du gestohlen hast und ich gebe dir das Gegengift. Falls deine kleinen Freunde da draußen es sich noch nicht geholt haben."
Von diesem Moment an lief alles schief. Auf Viggos Nicken hin blies Reiker in ein Horn. Der dröhnende Klang war so laut, dass man ihn sicher noch draußen auf dem Meer hörte. Noch während wir uns die Ohren zuhielten, schlug etwas donnernd neben der Hütte ein und ließ die Wände erbeben. Im selben Augenblick fiel mir wieder ein, was mich an dem Schiff so gestört hatte: Es war gegen den Wind gesegelt, so als ob es von etwas gezogen werden würde. Etwas Großem. Etwas wie dem Granatenfeuerdrachen.
"Was soll das? Das sollte eine Verhandlung werden!", brüllte Hicks Viggo über den Lärm hinweg zu.
"Du bist derjenige, der daraus einen Kampf gemacht hat. Ich ändere lediglich die Bedingungen." Von draußen ertönten Männerstimmen, begleitet von Dagurs wildem Gebrüll.
"Ich bring euch um! Habt ihr gehört? Wenn ihr meiner Schwester auch nur ein Haar gekrümmt habt, dann bringe ich euch um!"
Kein Wort von Heidrun. Wahrscheinlich ausgenockt, Dagur allem Anschein nach gefangen. Von Romi keine Spur. Auf einmal gab es an der Tür einen schweren Schlag, die Kerle mussten versuchen, sie aufzubrechen. Dabei hätten sie auch einfach den Riegel zur Seite schieben können. Aber wenn man zu dumm war, ihn zu finden... Krachend splitterte die Tür und die Drachenjäger traten ein, eine bewusstlose Heidrun und einen sich sträubenden Dagur mit sich zerrend.
"Also Hicks? Das Drachenauge gegen deine Freunde? Die Linsen kannst du behalten, ich bin heute mal großzügig."
"Und was ist mit dem Gegengift?!"
"Dafür wird wohl dein Drache herhalten müssen", antwortete Viggo schulterzuckend. Auf Hicks' Gesicht breitete sich ein Hass aus, den ich noch nie zuvor bei ihm gesehen hatte. Wutentbrannt wollte er sich auf Viggo stürzen, doch ich hielt ihn zurück, bevor Reiker ihn zu Brei prügeln konnte.
"Du Betrüger! Du hattest nie vor, mir das Gegengift zu geben!"
Bei Thor, so wütend hatte ich Hicks noch nie gesehen. Das würde kein gutes Ende nehmen und doch wünschte auch ich mir nichts mehr, als den Drachenjägern meine Axt ins Gesicht zu knallen. Vor allem, als Viggo meinte:
"Genauso wenig wie du vorhattest, mir das Drachenauge zu geben. Jeder nimmt sich was er kriegen kann, so ist nun mal das Leben. Und du willst doch nicht, dass dein Ohnezahn stirbt, oder?" Wie eine Marionette, der man die Fäden durchgeschnitten hatte, ließ Hicks Kopf und Arme sinken.
"Nein. Nein, das will ich nicht."
Seine Stimme klang rau und kraftlos, so als ob er schon aufgegeben hätte. Dann wurde mir klar, dass er schon aufgegeben hatte. Nicht weil es am einfachsten war - das würde er nie tun -, sondern um das zu retten, was noch zu retten war. Um uns zu beschützen.
"Da, nimm es", sagte er bitter und drückte Viggo das Drachenauge unsanft in die Hand, "Und jetzt lass meine Freunde gehen. Alle. Auch Ohnezahn."
Er würde doch nicht etwa... Doch ich kannte ihn gut genug, um zu wissen, was er vorhatte. Viggo hingegen hatte keine Ahnung oder er wollte seinen Triumph noch ein bisschen länger auskosten. Immerhin hatten seine Leute Heidrun und Dagur losgelassen.
"Wieso? Welches Angebot hast du noch auf Lager?"
Eine bleierne Stille senkte sich über uns. Ich schüttelte den Kopf, in der Hoffnung, er würde es bleiben lassen. Vergebens.
"Ich muss es tun", formten seine Lippen, "Es gibt keine andere Möglichkeit." Dann sprach er laut und mit fester Stimme:
"Ich. Ich gehe mit dir, wenn du meinen Freunden das Gegengift gibst."
"Solcher Mut, solche Loyalität! Ihr solltet euch ein Beispiel an ihm nehmen. Aber sag mir, warum sollte ich dich brauchen?"
"Ich habe eine Blockade ins Drachenauge eingebaut. Ohne mich wirst du es nicht benutzen können."
"Lüge nie einen Lügner an", tadelte Viggo.
"Schon, dann habe ich es nicht getan, aber ich bin derjenige, der dir Probleme bereitet. Lass Ohnezahn da raus." Es tat weh, Hicks so verzweifelt zu sehen, es tat so verdammt weh.
"Du hast da etwas falsch verstanden. Es geht mir nicht um Rache. Ich bin Geschäftsmann. Deinen Drachen kann ich verkaufen, du hingegen nützt mir gar nichts. Also verabschiede dich besser mal von ihm, je länger das hier dauert, desto länger muss dein Drache leiden. Und ihr, ihr bereitet den Käfig vor", befahl er Reiker, Krogan und den zwei Drachenjägern, die augenblicklich nach draußen verschwanden.
Mit steinerner Miene ging Hicks zu Ohnezahn herüber. Bis er plötzlich herumwirbelte und Viggo sein Feuerschwert drohend entgegenstreckte. Nicht nur er war auf die Idee gekommen, auch wir anderen hatte unsere Waffen gezückt.
"Verabschiede du dich mal lieber von deiner Freiheit", konterte Dagur.
"Glaubt ihr? Ich an eurer Stelle würde mich lieber nicht angreifen. Es könnte sonst sein, dass ich das hier fallen lasse."
In einer Hand hielt er ein kleines Fläschchen. Das Gegengift! Dann hatten wir das A-Team völlig umsonst losgeschickt! Es wäre so einfach gewesen, es sich zu schnappen, doch das Risiko durfte ich nicht eingehen. Viggo würde das Fläschchen zerstören, sobald einer von uns sich auch nur bewegen würde. Aber... nicht einmal er hatte Augen am Hinterkopf. Und so konnte er auch nicht sehen, dass Romi hinter ihm stand, so nah, dass sie nur die Hand ausstrecken müsste. Doch was machte dieses dumme Yak? Sie blieb wie angewurzelt stehen, bewegte sich keinen Millimeter. Nicht nur das, sie ließ auch noch ihr Messer fallen. Nicht absichtlich, aber es genügte, um Viggo auf sie aufmerksam zu machen.
Ich wollte mich an dieser Stelle noch mal bedanken für unglaubliche 1k Reads! Ich hätte nie gedacht, dass ich so weit komme und obwohl es für viele Autoren nicht wirklich viel ist, für mich ist es ein riesiger Meilenstein, den ich ohne euch nie erreicht hätte. Danke an alle, die das hier immer fleißig lesen und kommentieren. Ihr könnt gar nicht glauben, wie sehr ich mich jedes Mal über eure Kommentare freue und wie viel Spaß es mir macht, mit euch diese Geschichte zu teilen. Ihr motiviert mich, weiterzuschreiben, auch wenn es gerade schwierig ist. Ich hätte nie gedacht, dass mein Tagtraum von einer Busfahrt so viel Erfolg haben würde. Ihr seid die Besten!
Eure Elementara
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