Kapitel 17: Gift
Hicks
Ich wusste nicht, wie lange ich regungslos dastand und auf das Stück Pergament in meiner Hand starrte. Der einzige Gedanke, zu dem ich noch fähig war und der unablässig in meinem Kopf kreiste, war: Das kann ich nicht zulassen. Ohnezahn durfte nicht in Viggos Hände fallen, auf keinen Fall. Aber die Alternative war einfach zu schrecklich. Wir mussten einen Weg finden, das Gift zu neutralisieren, ansonsten...Ich seufzte schwer. Warum mussten wir immer in solche Situationen geraten? Und warum war Ohnezahn immer der Leidtragende?
"Könnten wir auch mal erfahren, was da steht?", bohrte Rotzbacke ungeduldig nach. Wortlos drückte ich ihm die Nachricht in die Hand. Als er fertig vorgelesen hatte, meinte Astrid mitleidig:
"Hicks, das..."
"Ich weiß", unterbrach ich sie, "Aber wir müssen uns jetzt darauf konzentrieren, Ohnezahn zu retten."
"Du hast Recht. Also, was sollen wir tun?"
"Astrid und Sturmpfeil, ihr seid die Schnellsten. Fliegt nach Berk und holt Gothi. Wir anderen fliegen zurück zur Drachenklippe und suchen mit dem Drachenauge nach dem Gift. Romi, dir kann ich keine Befehle erteilen, aber es wäre am besten, wenn du zu eurem Lager zurückkehrst und das Gegengift suchst." Entschlossen nickte sie. Ihr Gesicht wies dieselbe Härte auf wie damals, als ich ihr von Ohnezahn erzählt hatte.
"Geht klar. Und danach hat Viggo einiges zu erklären", fügte sie stählern hinzu. Der unterdrückte Zorn in ihrer Stimme erschreckte mich und ich war froh, nicht derjenige zu sein, dem er galt. Fast tat mir Viggo leid. Mit Betonung auf fast. Wobei, eigentlich tat er mir gar nicht leid. Nach allem, was er getan hatte, hatte er es mehr als nur verdient. Dennoch widersprach ich:
"Mach das lieber nicht - noch nicht. Wie willst du ihm erklären, woher du von dem Brief weißt? Deine Tarnung würde auffliegen und das wäre viel zu riskant."
"Von mir aus. Wenn es euch nicht stört, fliege ich jetzt los. Wir treffen uns dann auf der Drachenklippe."
Auch ich gab das Zeichen zum Aufbruch. Auf dem Rückweg flogen wir so schnell wir konnten. Was nicht besonders schnell war in Anbetracht der Tatsache, dass Hakenzahn den immer noch vor sich hindämmernden und ganz bestimmt nicht flugfähigen Ohnezahn schleppen musste. Zudem hatte Fleischklops eine Magenverstimmung und andauernd flogen uns Pfeile entgegen, da wir nicht höher steigen konnten. Hatte sich heute alles gegen uns verschworen? Sogar der Wind schien uns von den Drachen runter blasen zu wollen. Möglicherweise wurde dieses Gefühl auch bloß von meiner nagenden Sorge um Ohnezahn verursacht. Nichtsdestotrotz lief uns die Zeit davon, sodass ich mehr als nur erleichtert war, als wir nach einer gefühlten Ewigkeit die Drachenklippe erreichten.
Gemeinsam trugen wir Ohnezahn in das Clubhaus. Erschrocken stellte ich fest, dass seine Haut förmlich glühte und als Hakenzahn ihn abgesetzt hatte, hatte er ein schmerzliches Brüllen von sich gegeben, obwohl der Riesenhafte Alptraum es wirklich sanft getan hatte. Ich konnte mir nur vorstellen, welche Höllenqualen er gerade erleiden musste.
"Ganz ruhig, mein Freund. Alles wird gut."
Ich wünschte nur, ich könnte meinen Worten selber Glauben schenken. Uns blieben noch anderthalb Tage, ein halber, bis wir Viggo antworten mussten und wir kannten weder das Gift noch das Gegengift. Und wenn wir es nicht fanden, bestand der einzige Weg, Ohnezahn zu retten, ihn an Viggo auszuliefern, der ihn wahrscheinlich an irgendeinen Wildfremden verkaufen würde, sodass ich ihn nie wieder sehen würde. Wie hatte das nur passieren können? Ich hatte doch geahnt, dass mit dem Sattel etwas nicht stimmte. Wieso hatte ich mich nicht auf meinen Instinkt verlassen? Aber es war zu spät für Vorwürfe. Jetzt war Handeln angesagt, sonst würde bald noch mehr bereuen.
"Fischbein, hol die Linsen", ordnete ich an.
"Aber Hicks, es wurde doch alles zerstört", erinnerte Fischbein mich, "Ich glaube kaum, dass die Linsen das überlebt haben."
Diese zwei Sätze reichten aus, um die Hoffnung, die beim Anblick des Drachenauges in mir entstanden war, wieder zu erlöschen. Nun besaßen wir zwar das Drachenauge, aber es nützte uns genauso viel wie die Linsen zuvor - mit anderen Worten nichts. Da auch die die Aufzeichnungen verbrannt waren, konnten wir nur hoffen, dass Gothi bald ankam und etwas über das Gift wusste.
Doch dann geschah etwas, das meinen Optimismus wieder aufleben ließ. Und die Verantwortlichen dafür waren keine Geringeren als die unverbesserlich nervigsten, manchmal schwachsinnigsten, auf verrückte Art genialsten Schafsköpfe dieser Welt: kurz und gut, die Zwillinge. Theatralisch zogen sie einen klimpernden Beutel aus ihrer Satteltasche. Augenblicklich weiteten sich unsere Augen.
"Sind das die Linsen?", fragte ich ungläubig.
"Mhm. Wir haben sie mitgenommen, weil wir den Angriff vorausgesehen haben. Das war Zwillingserleuchtung!", prahlte Raff, "Was sagst du jetzt?"
"Haben wir sie nicht mitgenommen, weil wir damit Sachen in Brand stecken wollten?", raunte ihr Bruder ihr verwirrt zu. Diese beiden! Aber egal, sie hatten die Linsen gerettet.
"Was soll ich tun?", fragte Rotzbacke mit ungewöhnlichem Eifer. Mal wieder zeigte sich, dass man sich trotz seinem Gemeckere in ernsten Situationen wie diesen auf ihn verlassen konnte.
"Hol so viel Wasser wie du tragen kannst. Wir müssen das Fieber abkühlen. Fischbein, nimm das Drachenauge und stell eine Liste mit allen passenden Giften und den Gegengiften zusammen. Raff, Taff...macht irgendwas, Hauptsache ihr stört nicht und macht nichts kaputt."
"Wir könnten eine Schreckenspost an unsere Verbündeten schicken", boten sie an.
"Ihr könnt doch gar nicht schreiben", warf Rotzbacke ein.
"Mag sein, aber wir sind Experten in der Piktographie."
"Aha, und was soll das sein?"
"Das ist die Kunst, sich mit Bildern auszudrücken, mein unterbelichteter Freund."
"Das wusste ich!" Bevor die Diskussion eskalieren konnte, ging ich dazwischen:
"Es gibt jetzt wesentlich Wichtigeres als eure Streitereien. Schreibt von mir aus eure Schreckenspost, aber hört mit dem Theater auf."
Daraufhin zogen sie sich still in eine Ecke des Clubhauses zurück. Manchmal geschahen eben doch Wunder. Allerdings benötigten wir noch sehr viel mehr davon. Unsere Suche nach dem Gegengift glich der berüchtigten Nadel im Heuhaufen und zu allem Überfluss lief uns die Zeit davon.
Wie in einem Rausch raste sie an uns vorbei und nahm den Vormittag mit sich. Einzig ein paar vereinzelte Eindrücke blieben wie Fliegen in einem Spinnennetz hängen. Wie ich Ohnezahns Stirn mit einem Lappen abtupfte, um ihn zu kühlen, während ich ihm gut zuredete. Rotzbacke, der nach unzähligen geschleppten Eimern auf einem Hocker zusammenbrach. Die Schrecklichen Schrecken, die mit den Briefen der Zwillinge davonflatterten. Wie Fischbeins Liste immer weiter anwuchs. Und vor allem das schreckliche Gefühl, dass unsere Bemühungen vergebens sein würden.
Immer öfter verlor Ohnezahn das Bewusstsein und jedes Mal erwischte ich mich bei dem Gedanken, dass es für immer sein könnte. Aber noch war nichts verloren. Noch konnte Astrid mit Gothi kommen oder Romi mit dem Gegengift. Noch war Ohnezahn am Leben. Und ich würde alles in meiner Macht stehende tun, damit er weiterlebte. Selbst wenn... selbst wenn das bedeutete, ihn an Viggo auszuliefern. Ja, allein der Gedanke bereitete mir Bauchschmerzen, doch falls das nötig war, um ihn zu retten, dann würde ich das tun. Aber eines war klar, ich würde nicht kampflos klein beigeben. Viggo hatte sich schon mal auf Kompromisse eingelassen, vielleicht konnte ich das Drachenauge gegen das Gegengift tauschen.
Dann bemerkte ich, dass ich mich so anhörte als hätte ich alle anderen Möglichkeiten schon aufgegeben. Warum fiel es mir nur so schwer, optimistisch zu bleiben? Dieses ständige Grübeln war schon immer mein größtes Hindernis gewesen. Schon oft hatte Astrid mir vorgeworfen, mir unnötige Sorgen zu machen.
Wann kam sie wieder zurück? Warum hatte ich sie überhaupt weggeschickt? Ich brauchte sie hier! Sie würde es schaffen, mir wieder so etwas wie Hoffnung zu geben. Sie schaffte es immer, selbst wenn alles verloren schien. Irgendwie war sie immer diejenige, die uns dazu brachte, weiterzukämpfen. Ohne sie wäre unser Team schon längst zusammengebrochen - wäre ich längst zusammengebrochen. Und jetzt, wo ich ihren Optimismus und ihre motivierenden Worte mehr denn je benötigte, war sie nicht da. Jetzt war ich derjenige, der die anderen aufmuntern musste, denn je weiter der Tag voranschritt, desto mehr sank die Stimmung in den Keller und jetzt hatte sie augenscheinlich ihren Tiefpunkt erreicht.
Die Zwillinge stritten nur noch, Rotzbacke meckerte sie über die Lautstärke an, während Fischbein über den unzähligen Giften verzweifelte. Auch Ohnezahn ging es deutlich schlechter als zuvor. Zwar war er wieder bei Bewusstsein, dafür zuckte er unkontrolliert mit Schwanz und Flügeln und stieß andauernd gequälte Laute aus. Was auch immer das für ein Gift war, es verursachte ihm Schmerzen. Ich hätte alles dafür gegeben, ihm diese Qualen zu ersparen, doch ich konnte nichts tun. Warum musste Viggo immer andere in unseren Konflikt hineinziehen? Und warum gerade Ohnezahn? Er hatte es am wenigsten von allen verdient und doch war er immer derjenige, der es ausbaden musste. Erneut gab er einen schmerzvollen Laut von sich, stärker als alle davor. Beruhigend streichelte ich seine Schnauze.
"Ganz ruhig, mein Freund, ich bin ja da. Es wird alles gut, okay? Gothi wird kommen und Romi holt gerade das Heilmittel. Du wirst schon sehen, bald bist du wieder gesund." Doch es hörte sich so an, als wollte ich mich selber überzeugen. Es musste doch etwas geben, was ich tun konnte!
"Fischbein, haben wir etwas, was ich ihm gegen die Schmerzen geben kann?"
"Ich schau mal nach. Die Beschützer haben uns mal eine Kiste mit der Frucht der Weisen gegeben, die müsste noch... Ah, hier! Es ist aber nur noch eine da." Besser als gar nichts. Sachte stupste ich Ohnezahn an.
"Hey, Kumpel, mach mal den Mund auf. Das hilft dir. Ja, so ist gut." Ermattet kaute er die Frucht und schluckte sie runter. Dann sackte er in sich zusammen.
"Meinst du, das hat was gebracht?", hakte ich nervös nach.
"Schwer zu sagen. Er hat schon auf vieles anders reagiert als die anderen Drachen", erläuterte Fischbein, "Ich glaube, wir müssen einfach abwarten." Abwarten. Langsam begann ich echt, dieses Wort zu hassen.
"Was ist mit dem Gift? Hast du schon etwas herausgefunden?"
"Also, die Auswirkungen erinnern mich an Drachenwurz, aber vom Aussehen her sind es eher Tränen eines Klingenpeitschlings oder Speichel von einem Phönix. Insgesamt am ähnlichsten sind Flügelschlangengift, das aber normal schneller wirkt oder Blauer-Oleander-Essenz. Theoretisch könnte auch das Gift eines Glutkessels zutreffen, oder Viggo hat das Leiden Odins auf ihn übertragen. Ich weiß es nicht, es gibt so viele Möglichkeiten. Tut mir leid, Hicks."
"Schon okay. Du hast dein Bestes getan und Gothi hat sicher eine Ahnung. Ich hoffe nur, sie kommt bald." In dem Moment stürmte Rotzbacke herein und japste:
"Astrid...Sie ist da!" Augenblicklich sprang ich auf und hastete nach draußen. Tatsächlich, vor der Hütte wartete Astrid, zusammen mit Gothi und...
"Vater? Was machst du denn hier?"
"Astrid hat mir erzählt, was passiert ist. Wenn ich diesen Viggo in die Finger bekomme..."
"Wie geht es ihm?", horchte Astrid nach.
"Schlechter. Er hatte ziemlich starke Schmerzen, wir haben ihm eine von den Früchten der Beschützer gegeben. Aber wir konnten nicht herausfinden. was das für ein Gift ist."
Energisch schob Gothi mich beiseite und trippelte in die Hütte. Nachdem sie Ohnezahn eine Weile gründlich angesehen, Fischbein ihr alle Symptome mitgeteilt und sie die Nadel untersucht hatte, schritt sie wieder nach draußen und kritzelte ein paar Zeichen in den Sand.
"Habt ihr eine Kiste - au! - ich meine Liste mit den Giften?", übersetzte Fischbein, eilte nach drinnen und drückte ihr diese in die Hand. Die alte Dame strich eine Möglichkeit nach der anderen durch, bis nur noch vier Sachen übrig blieben: Flügelschlangen-Gift, Blauer-Oleander-Essenz, das Leiden Odins und der Speichel von einem Phönix, letzteres mit einem Fragezeichen. Natürlich, sie konnte ja nicht wissen, was das war.
"Meinst du, du kannst herausfinden, welches davon es ist?", fragte ich vorsichtig nach.
"Sie sagt, dass es schauern - tschuldigung, dauern könnte und dass sie es nicht weiß. Sie schlägt aber vor, dass wir alle Gegenmittel besorgen sollten."
Leichter gesagt als getan. Zwar waren Glutkessel keine Seltenheit und wir wussten mittlerweile, wo ein Büffelstachel zu finden war, doch wir mussten Ohnezahn erst einmal auf dessen Insel transportieren und an das Gift eines Glutkessels zu kommen, war erwiesenermaßen schwieriger als es sich anhörte. Außerdem war, wenn ich mich richtig erinnerte, das Gift der Flügelschlangen ein essentieller Bestandteil des Gegengiftes dafür und deren Insel lag einen Tagesflug entfernt. Zwei Tage, allein für den Weg und auf der Insel würde es auch noch einige Zeit dauern. Das würden wir niemals schaffen, schon gar nicht alles gleichzeitig. Und wir kannten nicht einmal das Gegengift für Phönixspeichel, ganz zu schweigen davon, wie die einzelnen Mittel miteinander reagieren würden. Womöglich würde es es nur schlimmer machen. Erneut überkam mich eine Welle der Angst. Nun hing alles von Romi ab. Sie musste das Gegengift bringen und zwar bald, ansonsten...
"Mach dir keine Sorgen Hicks", meinte Astrid beruhigend, "Ich kann Romi zwar nicht leiden, aber sie wird uns schon nicht im Stich lassen."
"Ja, aber was, wenn sie es nicht findet? Oder wenn sie auffliegt? Oder wenn es das Falsche..."
"Darüber machen wir uns Gedanken, falls es soweit ist. Du darfst jetzt nicht in Panik verfallen. Ohnezahn braucht dich."
"Sie hat Recht, Sohn. Denk dran, die Bedürfnisse des Volkes wiegen schwerer als die Sorgen des Anführers und Ohnezahns Bedürfnis ist, dass du für ihn da bist. Kümmere dich um deinen Drachen, wir kümmern uns um den Rest. Schließlich bist du nicht allein. Wir sind auch noch da."
Und wie kostbar das war, zeigte sich im Laufe des Nachmittages. Wir, das hieß mein Vater, meine Freunde, Gothi und am frühen Nachmittag stießen auch noch Dagur und Heidrun dazu. Erstaunlicherweise hatten sie die Mitteilung der Zwillinge lesen können. Nun halfen sie dabei, die Wartezeit auf Romi zu überbrücken, mit unzähligen Geschichten - die meisten spielten in der Zeit vor drei Jahren, Witzen der Zwillinge , Heidruns Yakkeulen, Vaters Kriegerweisheiten und einer Menge guten Zuredens von Seiten Astrids, begleitet vom Geklapper der Tonschälchen, mit denen Gothi hantierte. Unermüdlich bereitete sie mit Fischbeins Hilfe eine Medizin nach der anderen zu, nicht gegen das Gift, aber gegen Ohnezahns Schmerzen. Sein verbesserter Zustand und die Bemühungen meiner Freunde, mich nicht wieder in Grübeleien versinken zu lassen, führte dazu, den gewaltigen Berg an Sorgen zumindest etwas verblassen zu lassen.
Trotzdem, je weiter der Tag voranschritt, desto mehr verfiel ich wieder in diese Unruhe, die mich bereits am Vormittag geplagt hatte. Wo blieb Romi? Was machte sie so lange? War ihr etwas zugestoßen? Und vor allem: würde sie rechtzeitig mit dem Gegengift kommen? Bald würde schon die Sonne untergehen und spätestens dann musste ich die Antwort an Viggo schicken. Hoffentlich würde Ohnezahn bis dahin geheilt sein. Wie hatte es eigentlich so weit kommen können? Vor ein paar Monaten hatten wir noch friedlich auf Berk gelebt, wo unser größtes Problem die Langeweile gewesen war. Langsam hatte ich das Gefühl, dass egal was wir unternahmen, es einfach immer schlimmer wurde. Halt, so durfte ich gar nicht erst denken. Es würde besser werden, ganz bestimmt. Schließlich hatten wir immer alles noch irgendwie zum Guten wenden können.
Ich war so in meine Gedanken versunken, dass ich das Poltern auf der Landeplattform gar nicht bemerkte. Erst als Astrid an meiner Schulter rüttelte, fiel mein Blick auf die Person im Eingang. Es war Romi.
Nach einer gefühlten Ewigkeit wagte ich, sie nach dem Gegengift zu fragen. Meine Hände zitterten so sehr, dass ich sie zu Fäusten ballen musste und obwohl meine Stimme fest blieb, war mir die Sorge um Ohnezahn nur zu gut anzuhören. Dann schüttelte sie den Kopf.
"Es tut mir leid. Ich habe es versucht, aber..."
Ich brauchte eine Weile, um den Inhalt ihrer Worte zu realisieren. Sie hatte es nicht? Aber das hieß ja... Langsam sickerte die Bedeutung ihrer Worte zu mir durch. Sie hatte das Gegengift nicht. Wir konnten Ohnezahn nicht heilen.
Es fühlte sich an, als würde ich eine bodenlose Schlucht herunterstürzen. Ohnezahn... mein bester Freund... Ich hatte versagt. Ich hatte ihn nicht retten können und jetzt würde er ein Leben in Gefangenschaft verbringen müssen. Nur weil ich mich auf diesen Kampf mit Viggo eingelassen hatte. Weil ich Entdeckungen der Sicherheit vorgezogen hatte, weil ich mich ein ums andere Mal hatte reinlegen lassen. Warum war ich überhaupt der Anführer? Ich führte doch bloß alle ins Verderben. Wie hatte ich mir einbilden können, eines Tages über Viggo zu triumphieren? Wie hatte ich nicht sehen können, dass es früher oder später Opfer geben würde, dass meine Freunde die Konsequenzen tragen würden müssen? Ohnezahn hatte es als ersten getroffen, wer würde ihm alles folgen? Am liebsten hätte ich die gesamte verdammte Verantwortung von mir geschmissen und sie jemandem gegeben, der ihrer auch wirklich würdig war. Jemandem, der seine Freunde auch beschützen konnte. Aber dafür war es jetzt zu spät.
Mechanisch schritt ich zum Schreibpult, unter den sorgenvollen und mitleidigen Blicken meiner Freunde. Ich holte ein Blatt Papier, fand allerdings keinen Stift.
"Wo ist der Stift?", fragte ich tonlos. Niemand antwortete.
"WER VON EUCH HAT DEN STIFT GENOMMEN?", brüllte ich. Ich wusste, dass sie das nicht verdient hatten, dass ich mein Zorn eine andere Ursache hatte, doch es war mir egal. Es kümmerte mich ganz einfach nicht. Sollten sie doch ruhig wütend auf mich werden, dann konnte ich mich wenigstens abreagieren.
"Hicks-Bruder, lass dich nicht von deinem Zorn kontrollieren", versuchte Dagur mich zu beruhigen, "Glaub mir, das führt zu nichts Gutem."
"Ich brauche deinen Rat nicht", fuhr ich ihn an.
"Aber..."
"LASS MICH IN RUHE, HABE ICH GESAGT!"
Von dem plötzlichen Lärm aufgeweckt, blickte Ohnezahn mich durchdringend an. In seinem Blick lag so viel Unverständnis und Verwirrung, gepaart mit seiner unerschütterlichen Treue und Vertrauen, dass meine Wut augenblicklich verrauchte.
"Entschuldigung, Dagur", entschuldigte ich mich matt, "Ich weiß nicht, was da über mich gekommen ist." Dann kniete ich mich neben Ohnezahn.
"Und auch wegen dir tut es mir leid, mein Freund. Es tut mir leid, dass ich nicht so aufgepasst habe, wie ich sollte, und was du deswegen jetzt durchmachen musst. Ich... Tut mir leid."
Danach blieb ich sitzen, an Ohnezahn gelehnt und schmiegte mich an ihn. Vielleicht war es das letzte Mal. Vielleicht würde ich ihn nie wieder sehen. Nie wieder im Morgengrauen neue Manöver ausprobieren, nie wieder meinen Fisch mit ihm teilen, nie wieder gemeinsam zu neuen Inseln fliegen. Nie wieder morgens von ihm geweckt werden, mit ihm auf Patrouillen gehen, Zeit mit ihm verbringen. Auch er wusste, was passieren würde, so wie er alles andere mitbekam, und sein Wimmern trieb mir die Tränen in die Augen. Aber ich würde nicht weinen, obwohl mir danach mehr als nur zumute war. Nicht vor all meinen Freunden. Ich war immer noch der Anführer, ich musste stark sein. Für sie und für Ohnezahn. Er musste überleben, das war das Wichtigste.
Erneut trat ich an das Schreibpult. Der Stift war unter den Tisch gerollt, solcher Ärger wegen so einer Lappalie. Alles in mir schrie dagegen an, doch ich hob ihn auf und beugte mich über das Blatt. Ein Satz. Wie konnte ein Satz solch ein Widerstreben in mir auslösen? Das waren doch nur Wörter. Drei Wörter nur. Drei Wörter, die mich lähmten.
"Tu es. Für Ohnezahn.", flüsterte diese kleine Stimme in meinem Kopf.
Für Ohnezahn. Ich schloss die Augen und holte tief Luft, einmal, zweimal, dreimal. Dann schrieb ich ihn auf, diesen einen Satz, ohne dass meine Hände wieder anfingen, zu zittern oder dass ich den Zettel ins Feuer warf. Anschließend holte ich einen Schrecklichen Schrecken. Noch könnte ich umkehren, es bleiben lassen. Aber was würde das bringen? Das hier war die einzige Möglichkeit. Als ich das Blatt zusammenrollte und an das Bein des kleinen Drachens band, war es, als würde es ein Anderer tun. Dann flatterte er los, zusammen mit der Botschaft, die mir so widerstrebte wie nichts zuvor. Drei Wörter. Ein Satz.
Lass uns verhandeln.
So wie es aussieht, kommt hier noch mal ein Nachtrag. Ich wurde nämlich getaggt und zwar von Undergroundwoolf. Hat zwar ein bisschen gedauert, bis ich es gemerkt habe, aber hier sind die Antworten:
1. Tag oder Nacht? Tag, ich bin nicht so der Nachtmensch.
2. Was wäre das erste, was du sagen würdest, wenn du eines Morgens im Drachenstall der Drachenbasis aufwachen würdest? Zuerst würde ich glauben, ich würde noch träumen. So einen Traum hatte ich nämlich schon mal. Dann würde ich vor Begeisterung ausrasten.
3. Hast du die Buchreihe Drachenzähmen leicht gemacht gelesen? Noch nicht. Ich will sie eigentlich schon lesen, aber ich finde sie nirgends.
4. Was würdest du zu einem vierten Drachenzähmen leicht gemacht Film sagen? Ja, ja, ja! Er darf nur nicht so traurig sein wie der Letzte.
5. Wärst du lieber Drache, Drachenreiter oder Drachenjäger? Drachenreiter, definitiv. Ein Drache wäre aber auch nicht schlecht.
6. Tagge selbst mindestens eine Person und stelle ihr (oder ihnen) mindestens sechs Fragen.
Hektorianja (Da du auf meinen letzten Tag ja nicht geantwortet hast. So leicht kommst du nicht davon!😈)
Undergroundwoolf (aber bitte nicht noch mal taggen, langsam gehen mir die Fragen aus)
1. Welchen Drachenzähmen leicht gemacht Film fandet ihr am besten?
2. Was würdet ihr auf der Welt am ehesten verändern?
3. Morgenmensch oder Langschläfer?
4. Was würdet ihr sagen/machen, wenn ihr feststellen würdet, dass ihr magische Kräfte habt?
5. Würdet ihr auch am liebsten das Ende vom dritten Teil von Drachenzähmen leicht gemacht ändern?
6. Gibt es jemanden in Dragons, den ihr gar nicht leiden könnt? Wenn ja, wer?
7. Tagge selbst mindestens eine Person und stelle ihr (oder ihnen) mindestens sechs Fragen.
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