Kapitel 15 - Weder hier noch dort
Romi
Hoch über den Wolken ließ ich einen wütenden Schrei fahren. Wie konnten die Drachenreiter es wagen, Viggo dermaßen zu beschuldigen? Wie konnten sie behaupten, er wäre der Anführer der Drachenjäger? Niemals würde er mich so anlügen! Das würde ja bedeuten, dass er für all die schrecklichen Dinge, die Reiker unternahm, verantwortlich wäre!
Natürlich trug er als sein Stratege auch einen Teil der Schuld, aber er hatte es sich nicht ausgesucht. Als Ältester hatte Reiker das Kommando über die Drachenjäger geerbt und das schloss Viggo eben mit ein. Leider. Wäre er nämlich der Anführer, wie die Drachenreiter es ihm vorwarfen, würde er diese sinnlose Drachenjagd abschaffen. Ihm ging es nicht wie Reiker nur um den Profit. Er würde nie im Leben Drachen jagen und verkaufen, nur um sich zu bereichern.
Allerdings behaupteten die Drachenreiter Anderes. Und sie hatten sich dabei ziemlich ehrlich angehört. Was für einen Nutzen hätten sie auch daran, mich anzulügen? Na ja, vielleicht wollten sie mich gegen Viggo aufhetzen, damit ich mich ihnen anschloss. Allerdings klang das recht unglaubwürdig. Nach allem, was ich von ihnen erfahren hatte, glaubte ich nicht, dass sie dermaßen abgebrüht waren. Jedoch hatte mein Bruder gesagt, dass man Hicks nicht trauen konnte und er verfügte schließlich über sehr viel mehr Erfahrung.
Aber was, wenn sie richtig lagen? Wenn Viggo tatsächlich... Der Gedanke war so schrecklich, dass ich nicht einmal wagte, ihn zu Ende zu denken. Das konnte nicht sein, das durfte nicht sein! Denn es würde heißen, dass er der Schuldige an der Gefangenschaft und am Tod vieler hundert Drachen wäre, genauso wie an der Zerstörung mehrerer unschuldiger Dörfer.
Das konnte ich einfach nicht glauben. Es passte nicht zu ihm. Außerdem würde es bedeuten, dass er mich mein gesamtes Leben lang angelogen hatte. Und so etwas würde er nie tun. Mal abgesehen davon: was würde es ihm bringen? Rein gar nichts. Und niemand war in der Lage, eine Lüge so lange aufrechterhalten. Ich konnte mir einfach nicht vorstellen, dass er mich anlog, genauso wenig wie von den Drachenreitern. Oh Mann, von dem ganzen hin und her tat mir langsam der Kopf weh. Wer log, wer sagte die Wahrheit? Ich traute es einfach niemandem von ihnen zu, doch eine Seite musste zwangsläufig lügen.
Wobei, nicht unbedingt. Vielleicht handelte es sich hierbei nur um ein gigantisches Missverständnis. Bestimmt handelte es sich nur um ein gigantisches Missverständnis. Und Missverständnisse ließen sich aufklären. Dazu bedurfte es nur einer Person, die beide Seiten gleichermaßen verstand und zwischen ihnen vermitteln konnte. Einer Person wie ich. Womöglich konnte ich sogar diesen Kampf vollständig beenden und endlich Frieden schaffen! Oder ich würde versagen und es würde ewig so weitergehen. Ach was, ich würde schon einen Weg finden. Immerhin wollten weder die Drachenreiter noch Viggo diesen Krieg. Das Problem lag bei Reiker und wie ich ihn überzeugen sollte, war mir schleierhaft. Vielleicht half Viggo mir ja, er konnte schon immer besser mit Worten umgehen als ich. Gemeinsam würden wir das schon irgendwie hinkriegen.
Aber erst einmal sollte ich mich beeilen, zurück ins Lager zu kommen. Der Angriff war gestern Abend gewesen und jetzt war Nachmittag. Verdammt, mit Sicherheit suchten sie nach mir. Und wenn jemand bemerkte, dass ich genau zu dem Zeitpunkt verschwunden war, an dem der Dämmerungsphönix angegriffen hatte ... Daran wollte ich lieber gar nicht erst denken. So oder so würde ich eine verflixt gute Ausrede brauchen. Wie wäre es damit:
Beim Angriff war ich vor den Drachen geflohen, hatte mich im Dunkeln aber verirrt. Dabei war ich in ein tiefes Loch gefallen und hatte mir den Knöchel verstaucht. Als ich wieder herausgekommen war, wurde ich von einem Flüsternden Tod angegriffen, weil ich dessen Tunnel betreten hatte. Perfekt. Und was hatte ich die Stunden zuvor gemacht? Im Wald trainiert, das konnte wirklich niemand nachprüfen. Nun musste ich nur noch dafür sorgen, dass meine Schwindelei glaubhaft klang.
Ich bat Sternenwind, auf einer kleinen Insel zu landen. Dort wechselte ich die Reiterklamotten gegen meine normalen Kleider, die ich mithilfe eines Messer und etwas Schlamm ramponierte. Anschließend verwuschelte ich meine Haare, steckte ein paar Äste und Blätter rein und schmierte mir Dreck ins Gesicht. Für meinen "verstauchten" Knöchel bastelte ich eine Schiene und verpasste mir mit einer Dornenranke einige Kratzer auf den Oberarmen. Nachdem ich mich in einer Pfütze vergewissert hatte, ob ich auch wirklich nach "Mädchen, das stundenlang im Wald herumgeirrt ist" aussah, machte ich mich auf den Weg zurück ins Lager. Sternenwind setzte mich in einer Bucht ab, von der ich wusste, dass sie nicht bewacht wurde.
"Morgen eine Stunde vor Sonnenaufgang treffen wir uns wieder hier, mein Mädchen", raunte ich ihr zu. Das war der Nachteil, wenn man einen Dämmerungsphönix besaß: Man musste zu unmöglichen Uhrzeiten aufstehen, denn für gewöhnlich waren sie in den Stunden um Sonnenaufgang und -untergang am aktivsten und aufnahmefähigsten. Nur dann konnte man vernünftig mit ihnen trainieren. Na ja, immerhin war sie kein Nachtphönix. Die waren nämlich (wie der Name schon sagte) nachtaktiv. Tagphönixe verhielten sich genau umgekehrt und schliefen nachts. So, jetzt sollte ich mich aber auf den Weg machen.
Eine Weile später entdeckte ich das Lager zwischen den Bäumen. Beziehungsweise das, was davon übrig war. Im Grunde war es ein einziger Trümmerhaufen mit einer Menge Asche und Drachenjägern, die sich abmühten, das Chaos zu beseitigen.
Hatte ich das verursacht? Aber ... das hatte ich nicht gewollt! Mein Ziel hatte nur gelautet, die gefangenen Drachen zu befreien und nicht, das Lager in Schutt und Asche zu legen. Schließlich war es mein Zuhause. Dann fuhr mir ein neuer, noch viel erschreckenderer Gedanke durch den Kopf.
Was, wenn jemand bei meinem Angriff verletzt oder gar umgekommen war? Nein, nein, nein, bitte nicht! Ich verspürte einen heftigen, von Schuldgefühlen verursachten Stich in der Magengegend. So weit hatte es doch nicht kommen sollen! Anstatt zu helfen, hatte ich nur noch mehr Schaden angerichtet. Wie sollte ich das jemals wieder gutmachen? Vor allem, wenn ich nicht mal jemandem davon erzählen konnte. Aber es musste ein Geheimnis bleiben, so schwer es mir auch fiel. Falls es jemals bekannt werden würde, Reiker würde durchdrehen und Viggo ... ihm würde es vermutlich das Herz brechen. Das konnte ich ihm nicht antun. Diese Lüge war zu seinem Besten. Nur warum zerriss es mir so das Herz?
Ach, Schluss jetzt mit den Schuldgefühlen, das führte doch zu nichts. Besser, ich konzentrierte mich auf das, was vor mir lag. Ein unbedachtes Wort, eine falsche Reaktion und ich würde auffliegen. Nicht vergessen, es gab niemanden auf der ganzen Welt, der Menschen besser durchschaute als Viggo. Ein letztes Mal rief ich mir mein Alibi in Erinnerung, dann humpelte ich zwischen den Bäumen hervor. Augenblicklich unterbrachen die Drachenjäger ihr geschäftiges Treiben und starrten mich unverhohlen an. Gleich mehrere der Anwesenden erkundigten sich:
"Fräulein Romi, ist alles in Ordnung bei Ihnen? Wo waren Sie?"
"Bitte ... bringt mich zu Viggo", keuchte ich und strauchelte ein paar Schritte nach vorne. War das übertrieben? Fast befürchtete ich schon, sie würden mich gleich als Lügnerin entlarven, doch keiner von ihnen schien Verdacht zu schöpfen, denn sie leisteten meinem Wunsch Folge und führten mich zum zentralen Platz.
Dort war Viggo in eine hitzige Diskussion mit einem der Generäle verwickelt, was sofort Erinnerungen weckte. So hatte mein Abenteuer angefangen. War das wirklich erst vor vier Tagen geschehen? Es schien mir Monate her. Und vor zehn Tagen hatte ich Hicks zum ersten Mal getroffen... So viel hatte sich seitdem verändert und in mir machte sich das unangenehme Gefühl breit, dass wir erst ganz am Anfang standen. Sicherlich hielt das Schicksal für uns noch eine ganze Truhe voll Überraschungen bereit, manche gut, manche schlecht.
Seit wann war ich denn so philosophisch? Sah so aus, als bestand ein Teil der Überraschungen aus völlig neuen Seiten an mir, von denen ich in letzter Zeit ziemlich viele entdeckte. Nicht nur die Umstände änderten sich, ich änderte mich mit ihnen. Ob das nun gut oder schlecht war, musste ich erst noch herausfinden. Aber für den Moment sollte ich mich besser auf mein altes Ich besinnen, denn der Jäger unterrichtete Viggo gerade von meinem Wiederauftauchen. Sofort drehte er sich zu mir um und rief mit einer Mischung aus Besorgnis und Erleichterung:
"Romi! Wo hast du gesteckt? Ist alles in Ordnung bei dir?"
Dann schloss er mich fest in seine Arme und ich merkte, wie alle Sorgen von mir abfielen. Für einen Moment war es so, als wäre alles wieder wie früher. Keine Probleme mit irgendwelchen Gerüchten über ihn, keine Geheimnisse, keine Schuldgefühle. Selbst jetzt, inmitten des größten Durcheinander meines Lebens, gab er mir Halt. Wir beide gegen den Rest der Welt. Nichts würde jemals etwas daran ändern können.
Dennoch konnte ich nicht umhin, an die Warnung der Drachenreiter zu denken. Wie konnte es sein, dass sie so über ihn dachten? Es schien als würden wir über zwei völlig verschiedene Personen reden. Aber sie kannten meinen Bruder eben nicht so wie ich ihn kannte. Sie würden diese fürsorgliche, beschützerische Seite an ihm nie bemerken, nicht solange sie nur das sahen, was sie sehen wollten. Er war eben nicht so gefühlskalt wie sie ihm vorwarfen. Im Gegenteil, der Angriff und mein anschließendes Verschwinden schienen ihn ziemlich mitgenommen zu haben.
Als wir uns voneinander lösten, fiel mir auf, dass er völlig fertig aussah. Erneut meldete sich mein schlechtes Gewissen. Warum hatte ich nicht vorher über die Folgen meines Plans nachgedacht? Mal wieder hatte ich genau den gleichen Fehler gemacht wie bei allen Keule-und-Klaue-Spielen mit Viggo: ich hatte vergessen, dass alles Konsequenzen mit sich zog. Noch einmal durfte ich diesen Fehler nicht machen. Es stand zu viel auf dem Spiel als dass ich mir diese Sorglosigkeit weiterhin leisten konnte. Im Moment balancierte ich dauerhaft auf einem schmalen Grat zwischen zwei Abgründen und ein falscher Schritt würde meinen Absturz bedeuten. Und der konnte sehr viel schneller kommen als gedacht. Zum Beispiel, wenn ich jetzt nicht aufpasste, denn Viggo meinte gerade:
"Wo warst du die ganze Zeit? Weißt du eigentlich, was ich mir für Sorgen gemacht habe? Die Drachenreiter hätten dich entführen können oder - oder du hättest in den Flammen umkommen können! Mach so etwas nie wieder, hast du verstanden? Und jetzt wüsste ich gerne, was du überhaupt getrieben hast. Ich hoffe, du hast eine sehr gute Erklärung dafür."
"Ich habe im Wald trainiert, als plötzlich überall Drachen waren und alles angezündet haben. Ich bin vor ihnen geflohen und habe mich im Dunkeln irgendwie verirrt und dann bin ich in ein Loch gefallen und habe mir den Knöchel verstaucht und ich habe den halben Tag gebraucht, um aus diesem dämlichen Loch herauszuklettern und dann war das dieser Flüsternde Tod und..."
"Schon gut, jetzt bist du ja hier. Es ist alles in Ordnung. Ruh dich ein wenig aus." Stumm nickte ich und humpelte zu einem der Zelte, weg von den bohrenden Fragen. Ich hatte gar keine Ahnung gehabt, dass in mir so eine gute Schauspielerin steckte! Manchmal war es doch nicht so schlecht, von allen für schwach gehalten zu werden. Noch so ein Viggo-Trick: Lass deinen Gegner dich unterschätzen und schlag dann zu, wenn er es am wenigsten erwartet.
Irgendwie kam es mir wie Verrat vor, seine Lehren gegen ihn zu verwenden. Oder überhaupt gegen ihn zu kämpfen. Ich musste ihn irgendwie davon überzeugen, Reiker endlich den Rücken zu kehren und sich von der Drachenjagd loszusagen. Aber wie? Andere zu von etwas zu etwas überzeugen hatte mir noch nie wirklich gelegen und Viggo hatte allen Grund, nichts mit den Drachenreitern und insbesondere Haudrauf zu tun haben zu wollen. Wie sollte ich das hinkriegen, vor allem ohne Hilfe? Mal abgesehen davon, dass ich ganz bestimmt nicht den Drachenreitern hinterher rennen würde, nur ich konnte das schaffen.
Ganz schön ironisch. Früher hatte ich immer gedacht, es wäre toll, wenn alles von einem selbst abhing. Mittlerweile wusste ich, dass das nicht stimmte. Im Gegenteil, es verstärkte den Druck, der auf mir lastete, noch mehr. Ich war die einzige, die zwischen den Seiten vermitteln und somit den Krieg friedlich beenden konnte und wenn ich versagte...
Auf einmal fühlte ich mich schrecklich müde. Vielleicht sollte ich mich doch lieber etwas ausruhen, so wie Viggo vorgeschlagen hatte. Allerdings würde ich jetzt bestimmt nicht schlafen können. Da half ich lieber beim Wiederaufbau und bog gerade, was ich angerichtet hatte.
Also verließ ich das Zelt und gesellte mich zu einer Gruppe Drachenjäger, die sich um den Hafen kümmerten. Anfangs wunderten sie sich ein bisschen über meine Hilfe, schließlich hielt der Großteil von ihnen mich für eine weltfremde Träumerin, die den ganzen Tag im Wald herumstromerte und deren Brüder ihnen den Umgang mit ihr verboten hatten - kurz eine, die nicht dazugehörte. Mal wieder hatte ich das Gefühl, dass ich eigentlich nicht in dieses Lager gehörte. Die Frage war nur, wo sonst? Gab es überhaupt einen solchen Ort? Die ganze Zeit, während wir den Steg reparierten, hing ich solchen Gedanken nach.
Nach ein oder zwei Stunden legte daran ein recht ramponiertes Schiff an -Reiker war zurückgekehrt. Er brüllte ein paar Kommandos, sprang von Deck und trampelte erstaunlich schnell für einen Mann seiner Größe direkt auf mich zu.
"Da bist du ja", schnauzte er mich an, "Deinetwegen bin ich fast von diesem Dämmerungsphönix versenkt worden. Also, wo warst du?" Zum Glück wusste er nicht, dass ich es war, die ihn beinahe versenkt hatte. Aber auch so raste mein Herz, als ich ihm meine Ausrede erzählte. Immerhin bohrte er nicht weiter, sondern wandte sich wieder seinen Männern zu.
"Na los, schafft die Beute ins Lager. Wir haben nicht den ganzen Tag Zeit!"
Beute? Hatte ich nicht alle Drachen befreit? Die unter Deck nicht. Außerdem war das vormittags gewesen und jetzt ging schon die Sonne unter, bestimmt hatte er in der Zwischenzeit noch weitere gefangen. Wie sich herausstellte, hatte ich Recht.
Ein Drache nach dem anderen wurde von den Jägern - denselben, mit denen ich zusammengearbeitet hatte und die mir eigentlich recht nett erschienen waren - an Ketten brutal zu den Käfigen gezerrt. Als sie die Türen zuknallten und einige der Drachen über den Verlust ihrer Freiheit herzerweichend brüllten, war mir für einen Moment, als würde ich Sternenwind in einem der Käfige sehen. Dass es sich hierbei "bloß" um einen Tagphönix handelte, machte es nicht besser.
Ich musste trotzdem daran denken, wie sehr sie ihre Freiheit liebte und wie sie sich fühlen würde, wenn sie ihr restliches Leben in Gefangenschaft verbringen müsste - wie ich mich fühlen würde, verdammt noch mal! Als Reiker zu allem Überfluss auch noch mit seinem Schwert gegen die Gitterstäbe schlug, spürte ich, wie sich mein Magen aus Mitleid und Abscheu zusammenkrampfte.
Das waren diejenigen, zu denen ich gehörte? Das war das Vermächtnis meiner Familie? Auf einmal verspürte ich das Bedürfnis, schreiend davonzulaufen. So war ich nicht, hier gehörte ich nicht hin! Wie hatte ich jemals wollen können, eine Drachenjägerin zu werden? Warum hatte ich nie bemerkt, dass der einzige Zweck der Drachenjagd Reikers Bereicherung und - schlimmer noch - Belustigung war? Fast 18 Jahre lang hatte ich mich täuschen lassen, hatte geglaubt, dass man die Menschen vor den Drachen schützen musste und nicht umgekehrt. Dumm war ich gewesen, dumm und naiv!
Eines war klar, von jetzt an musste ich sehr viel aufmerksamer sein. Wer weiß, was mir noch alles verheimlicht wurde. Ich war mir ziemlich sicher, dass beide Seiten etwas verbargen und wenn ich jemals etwas in der Welt bewirken wollte, dann musste ich zunächst die ganze Wahrheit kennen. Und im Moment fehlte mir noch eine ganze Menge Puzzleteile. Na schön, wo konnte ich mehr herausfinden? Hm, in den unzähligen Papierstapeln in Viggos Zelt verbarg sich bestimmt etwas Interessantes. Mit neuer Energie hastete ich dorthin, doch als ich das Zelt betreten wollte, ertönten daraus mehrere Stimmen.
"Meinen Aufzeichnungen zufolge müsste es morgen mittag so weit sein." Ohne jeden Zweifel Viggo, aber mit wem redete er? Und was würde morgen mittag so weit sein?
"Bist du dir da sicher, Bruder?" Okay, offenbar hielt er mal wieder eine Besprechung mit Reiker ab.
"Wenn ich es dir sage." Viggo hörte sich ziemlich genervt an, so wie bei jeder Besprechung mit ihm. Dazu hatte er ja auch allen Grund, ich konnte mir gut vorstellen, dass es nervig war, Reiker alles tausendmal erklären zu müssen. Doch eine Sekunde später mischte sich eine dritte Person in das Gespräch ein und diese Stimme hatte ich noch nie gehört. Sie klag rau und tief, mit einem merkwürdigen Akzent, den ich nicht so recht einordnen konnte. Eines stand fest, diese Person kam nicht von hier.
"Das hoffe ich für dich. Wie du weißt, vergebe ich Fehler nicht so schnell und mir gefälschte Münzen andrehen zu wollen, ist ein gewaltiger Fehler. Außerdem steht ihr immer noch in meiner Schuld."
Gefälschte Münzen? In seiner Schuld? Wer war das überhaupt? Auf keine der Fragen hatte ich eine Antwort, doch der Typ war mir direkt unsympathisch. Ich wusste zwar nicht, worum es ging, aber dass er meinen Brüdern drohte, verstand ich sehr wohl. Doch ich konnte nichts tun, ohne zu verraten, dass ich gelauscht hatte Also rückte ich bloß noch näher an die Zeltwand heran.
"Das tut mir leid, das war ein Missverständnis zwischen meinem Bruder und mir. Natürlich werden wir dir die Kosten erstatten. Und was unseren Vertrag angeht, kann ich dir noch etwas viel Besseres anbieten", entschärfte Viggo gekonnt die Lage. Daraufhin fragte der mysteriöse Mann gleichzeitig neugierig und skeptisch:
"Und das wäre?"
"Etwas, das mit dem Plan zu tun hat. Lass dich überraschen, es wird dir gefallen. Allerdings musst du dich dafür noch ein wenig gedulden."
Urplötzlich schob jemand den Vorhang des Zeltes zur Seite und ich stand ohne Deckung vor meinen Brüdern und einem fremden, südländisch wirkenden Mann mit unangenehm stechenden Blick. Überrascht fragte Viggo:
"Was machst du denn hier?" Verdattert stammelte ich herum, während ich gleichzeitig nach einer glaubwürdigen Erklärung suchte.
"Ich ... ähm ... wollte nur sagen, dass ... äh ... wir mit dem Steg fertig sind", stieß ich schließlich hervor.
"Für mich sieht das mehr wie Lauschen aus", merkte der fremde Mann bedrohlich an, "Und weißt du, was ich mit Spionen mache?" Sofort schossen mir hunderte von möglichen Bestrafungen durch den Kopf, eine schrecklicher als die andere. Zum Glück sprang Viggo ein und erwiderte mahnend:
"Vielleicht habe ich das noch nicht klargestellt, Krogan, aber das hier ist unsere Schwester Romi und wenn mir zu Ohren kommt, dass du sie noch einmal bedrohst, dann war es das mit unserem Vertrag." Daraufhin schnaubte der Fremde - Krogan - abfällig und stiefelte davon, Reiker hinterher. Dankbar lächelte ich Viggo an.
"Wer war der Typ?"
"Ein Vertragspartner von Reiker."
"Ich mag ihn nicht."
"Ich auch nicht, aber manchmal muss man eben mit Leuten zusammenarbeiten, die man nicht mag oder die anders denken."
Ein Satz, der noch am nächsten Morgen in mir nachhallte. Leute, die anders dachten... wie zum Beispiel die Drachenreiter. Vielleicht sollte ich doch besser noch einmal mit ihnen reden, bei unserer letzten Begegnung hatte ich ziemlich überreagiert und es war ja wirklich nicht schlecht, etwas Unterstützung zu haben. Ich wollte ja sowieso mit Sternenwind trainieren, womöglich traf ich sie dann ja nochmal. Aber jetzt sollte ich mich beeilen, bestimmt wartete sie schon auf mich.
Gähnend schwang ich mich aus dem Bett, kritzelte eine kleine Notiz für Viggo und machte mich auf den Weg in den Wald. Es war seltsam. Während ich durch die Dunkelheit schlich, fielen mir auf einmal Sachen auf, die ich zuvor nie bemerkt hatte. Es schien, als hätte jemand mir die Augen geöffnet, doch die Dinge, die ich sah, hätte ich am liebsten schnell wieder vergessen.
Ausgehungerte Nadder, die sich gegen die Wände ihrer viel zu kleinen Käfige stemmten. Apathisch herumliegende Gronckel mit leerem Blick. Zwei Schreckliche Schrecken, die von einer Gruppe Jäger immer wieder aufeinander gehetzt wurden. Zelte aus Zipperleder, geschmückt mit Drachenschädeln und noch sehr viel mehr von solchen Abscheulichkeiten.
Dieser Irrsinn musste aufhören und zwar so schnell wie möglich. Allein dafür lohnte es sich, noch einmal mit den Drachenreitern zu reden. So ungern ich es auch zugab, ich brauchte sie. Und eigentlich waren sie ja ganz nett, trotz ihrer merkwürdigen Ansichten über die Rangordnung der Drachenjäger. Heidrun war die einzige Freundin, die ich je gehabt hatte, Hicks so etwas wie mein Vorbild, die Zwillinge auf verdrehte Art lustig und der Rest - na ja, schlimmer als mit Reiker konnte es ja nicht werden. Ich sollte ihnen eine zweite Chance geben. Vielleicht war es Zeit für einen Neuanfang.
Dafür, dass ich das Kapitel gar nicht eingeplant habe, ist es ziemlich lang geworden... Es ist jetzt auch nicht so viel darin passiert, aber ich hoffe, es hat euch trotzdem gefallen. Was meint ihr, für wen wird Romi sich entscheiden? Wird es überhaupt eine Entscheidung geben? Und was ist Viggos Plan? Ich würde mich sehr über eure Theorien freuen. Bis zum nächsten Kapitel
Eure Elementara
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