Kapitel 12: Pläneschmieden leicht gemacht - Auf zu neuen Kämpfen

So, die zerstört-Viggos-Eigentum-Woche ist nun endgültig vorbei. Wir hoffen dass es Ihnen gefallen hat und bitten Sie, das Gelände zu räumen und Platz für das Aufräumkommando zu machen. Als Entschädigung dafür gibt es ein weiteres Kapitel. Die Veranstalterin Romi Grimborn. Gesponsert von Thorston und Thorston, der Agentur für Schwachsinn, Chaos und Verwüstung. 

Hicks

Warum konnte ich nicht ein Mal meine Ruhe haben? Nach einem langen und anstrengenden Arbeitstag, an dem wir das Dorf der Beschützer größtenteils aufgebaut hatten, aß ich endlich zu Abend, da stürmte jemand in das Versammlungsgebäude und rief unüberhörbar laut meinen Namen: 

"Hicks! Hicks! Du musst unbedingt zum Ufer kommen!" Die Zwillinge. Was hatten sie diesmal angestellt?

"Was ist los?", erkundigte ich mich leicht genervt. Als Taffnuss mich völlig aufgelöst musterte, begann ich jedoch, mir ein wenig Sorgen zu machen.

"Hühnchen ist weg!" Ach so. Und dafür veranstalteten sie so ein Drama?

"Leute, wir haben wesentlich wichtigere Probleme als das."

"Wie kannst du so etwas sagen? Hühnchen ist das Wichtigste auf der ganzen Welt! Bestimmt hockt sie jetzt mutterseelenallein im Wald und findet nicht mehr heim", schluchzte er.  Unbeholfen versuchte ich, ihn zu trösten:

"Ihr ist sicher nichts passiert. Ich verspreche dir, wir werden sie suchen, aber nicht jetzt."

"Das ist gar nicht nötig, sie sitzt da hinten", merkte Raffnuss trocken an, "Außerdem wollten sir dir sowieso etwas Anderes mitteilen, bevor mein Bruder mit seinem Huhn angefangen hat. Alvin ist hier und er will dich sehen."

Alvin? Großartig. Wenn Alvin aufkreuzte, musste etwas wirklich Schlimmes passiert sein. Konnte nicht mal ein Tag vergehen, an dem wir nicht um unser Leben kämpfen mussten? Nein, offenbar nicht. Aber wenn das nötig war, um die Drachen zu beschützen, dann war ich dazu bereit. 

"Sieh an, Hicks der Hüne ist doch noch gekommen", begrüßte Alvin mich missmutig aufgrund meiner Verspätung. Ich hasste es, wenn Leute mich mit meinem vollen Namen ansprachen, es gab mir immer das Gefühl, sie würden sich über mich lustig machen.

"Was gibt es?"

"Eine Drachenauktion. Vorgestern ist eine Fremde auf unsere Insel gekommen und hat mir davon erzählt." Warum hatte ich bloß das Gefühl, dass besagte Fremde einen vierflügligen Drachen flog und sich gerne wie eine Berserkerin kleidete? Ich weiß nicht, wahrscheinlich, weil sie in letzter Zeit überall auftauchte.

"Wo findet sie statt?"

"In Viggos Hauptquartier", teilte er mit. Ganz toll. Um da hineinzugelangen, würden wir uns Wochen vorbereiten müssen.

"Und wann?", hakte ich nach. 

"Jetzt." Zuerst dachte ich, ich hätte mich verhört. Jetzt? Das konnte nicht sein Ernst sein. Wie sollten wir das seiner Meinung nach anstellen? Es grenzte schon an Unmöglichkeit, wenn man  zwei Wochen Zeit hatte, aber jetzt?

"Danke, dass du uns benachrichtigt hast, aber es ist ein bisschen zu spät, um etwas zu unternehmen. Ohne jegliche Vorbereitung in Viggos Hauptquartier zu spazieren und seine Auktion platzen zu lassen - das ist weder mutig, noch heldenhaft, sondern schlicht Selbstmord."

Alle nickte, bis auf Astrid und Heidrun, die gerade die Auktionsliste stirnrunzelnd studierten. Was war daran so interessant? Eine neue Drachenart? Ich gesellte mich zu ihnen und betrachtete die Liste. Bei Thor, da standen ganz schön viele Drachen drauf. Vielleicht sollten wir doch... Nein, das durfte ich nicht riskieren. Plötzlich warf Heidrun meine Überlegungen durcheinander:

"Seht euch das an! Junger, männlicher Todsicher, beherrscht mehrere Wikingerlieder. Die haben Garff! Wir müssen ihn zurückholen!" Da hatte sie Recht, allerdings war es viel zu gefährlich. Es konnte gut sein, dass sich eine Falle dahinter verbarg.

"Tut mir leid Heidrun, aber das ist viel zu riskant. Mal abgesehen davon, schaffen wir es wahrscheinlich nicht mehr rechtzeitig. Und jetzt versucht nicht, mich zu überreden. Wir fliegen nicht dort hin und dabei bleibt es", befahl ich.

Zwanzig Minuten später flogen wir mit Höchstgeschwindigkeit in Richtung Drachenjägerbasis. Eins stand fest, ich würde nie wieder etwas befehlen. 

Heidrun und Astrid hatten mich so lange genervt, bis ich schließlich nachgegeben hatte. Außerdem wäre es mir selber gegen den Strich gegangen, untätig herumzusitzen, während Drachen in ein Leben in Gefangenschaft verkauft wurden. Trotzdem untergrub es meine Autorität als Anführer. Na ja, wie groß die war, zeigte sich mal wieder in voller Pracht.

Wie stellte man es bloß an, dass die Leute auf einen hörten? Bei meinem Vater schien es immer so einfach, doch aus irgendeinem Grund gelang es mir nicht. Allerdings musste ich ja auch nicht so wie  er werden. Diese Oberhaupt-Kiste lag mir einfach nicht. Da beschäftigte ich mich lieber mit -

"Drachen!" Seit wann konnte Fischbein Gedanken lesen? Erst als mich ein Zipper von Ohnezahns Rücken riss, kapierte ich, dass er uns warnen wollte. Leider zu spät.

Hilflos baumelte ich im Maul des einen Kopfes und wurde vom anderen andauernd in die Seite gepikst. Im Vergleich zu Ohnezahn hatte ich jedoch das bessere Los erwischt, denn er stürzte ab. Panisch flatterte er mit den Flügeln, ohne dass es etwas nützte. Meine Freunde waren zu beschäftigt mit dem Rest des Schwarms, um ihn zu retten, und ich wurde vom Zipper immer weiter weg getragen. Mein Strampeln ignorierte er. Na schön, so wie er es wollte.

Mit heftigen Verrenkungen nahm ich mein Schild aus der Halterung und schoss ein mit Kugeln beschwertes Seil auf den anderen Kopf ab. Sofort ließ der Drache mich fallen, um sich zu befreien. Wie ein Stein stürzte ich nach unten. Noch nicht...noch nicht... Pfeilschnell sauste ich an Ohnezahn vorbei. Jetzt! 

Ich hakte mich in meinen Fluganzug ein und riss die Arme zur Seite. Sofort stieg ich auf eine Höhe mit Ohnezahn. Durch Gewichtsverlagerung gelangte ich nahe genug an ihn heran, um auf den Sattel zu klettern. Fünf Meter bis zur Wasseroberfläche. Ich aktivierte die Steuerung. Drei Meter. Die Schwanzflosse klappte aus. Zwei Meter. Er breitete endlich die Flügel aus und wir rasten über das Meer hinweg. Was das wohl war? Keine Ahnung, aber es wurde noch schräger. 

Vor uns lag die Basis der Drachenjäger, umschwärmt von der größten Horde Drachen, die ich je gesehen hatte. Pfeile und Netze verdunkelten den Himmel und die Zelte brannten lichterloh. Offenbar war uns jemand zuvorgekommen. 

Ein Netz tauchte aus dem Nichts auf und hätte mich beinahe von Ohnezahn geworfen, wenn er nicht im letzten Moment eine Fassrolle gemacht hätte. Fleischklops fraß so viele Felsbrocken, dass sich ihr Bauchumfang schier verdoppelte und dermaßen viele Pfeile spickten die Helme der Zwillinge, dass sie mich an Igel erinnerten, dabei zielten die Drachenjäger nicht einmal auf uns. Bei dem Gewimmel würde es nicht lange dauern, bis einer von uns getroffen werden würde. 

In der Hoffnung, sie würden es sehen und ausnahmsweise auf mich hören, machte ich das Handzeichen für "Sammeln und landen". Thor sei Dank verstanden sie mich. Am Boden angekommen, erklärte ich meinen Plan:

"Wir müssen an den Katapulten vorbeikommen, ohne gesehen zu werden. Das heißt, wir müssen die Drachen alleine losschicken. Sie zerstören die Katapulte, während ihr die Bogenschützen weglockt. Versucht, so viele Drachen wie möglich zu befreien."

"Was ist das denn für ein Plan?", meckerte Rotzbacke, "Wieso können wir nicht bei unseren Drachen bleiben?"

"Das kannst du gerne tun, aber dann kannst du auch gleich zu Viggo spazieren und ihm sagen, dass wir seine Auktion vereiteln wollen. Mit uns fallen die Drachen viel mehr auf", gab ich zurück. Natürlich war diese Erklärung ihm nicht genug, sondern er stichelte weiter:

"Und was macht dein toller Drache? Er kann ja nicht mal fliegen. Mann, ihr zwei passt echt zusammen. Einer unfähiger als der andere. Wird mal Zeit, dass ich hier übernehme." Ich verdrehte die Augen. Bei Thor, womit hatte ich das verdient?

"Wir beiden halten von oben Ausschau nach der Quelle des Chaos. Bevor du fragst: Nein, man wird uns nicht sehen. Die Sonne ist schon untergegangen. Und jetzt keine weiteren Fragen mehr, legen wir endlich los."

Nachdem alle ihren Drachen erklärt hatten, was diese tun mussten, gesellten sich diese zu dem Schwarm, von wo sie hoffentlich die Katapulte und Geschütze zerstören würden. Bei einem hatte ich da so meine Zweifel - nein, ich dachte nicht an Hakenzahn, wie kommt ihr denn darauf? -, aber ich ging davon aus, dass er die Gelegenheit, Sachen kaputt zu machen, nicht auslassen würde. Die anderen schlichen durchs Unterholz davon (manche leise, andere weniger), während Ohnezahn und ich in die Luft stiegen.

Von hier aus hatte man eine einwandfreie Sicht auf das heillose Durcheinander. Der oder die Verantwortliche hatte jedenfalls gründliche Arbeit geleistet. Da die Person vermutlich auf eigene Faust handelte, brauchte sie bestimmt Unterstützung. Allerdings herrschte hier ein dermaßen großes Chaos, dass eine einzelne Person auszumachen an Unmöglichkeit grenzte. 

Vielleicht sollte ich doch besser das tun, wofür wir hergekommen waren und Garff retten. Im Schwarm befand sich kein Todsinger, das sah ich von hier aus. Folglich musste er noch im Lager gefangen sein, andernfalls wäre er schon geflogen, möglicherweise unter der Erde oder -

Da! Ein Bernsteinsplitter! Ein paar Meter weiter klebte ein größerer Klumpen an einem Baum. Ich folgte der Spur und entdecke immer mehr Geschosse. Je weiter ich kam, desto größer wurden die Stücke und dichter der Rauch, sodass ich kaum noch was erkennen konnte. Das letzte, was ich sah, war ein Brocken von der Größe eines Yaks, dann nur noch grauer Nebel. Immerhin wusste ich jetzt, dass er sich ganz in der Nähe aufhielt, aber mit der Rauchwolke unter uns würde ich ihn nie finden.

"Ohnezahn, flieg bitte da runter", bat ich ih. Er grummelte missbilligend.

"Du hast ja  Recht, aber wir müssen Garff unbedingt da rausholen." Sein Antwort klang wie "Ja ja, schon gut, aber es gefällt mir trotzdem nicht." Immerhin stellte er sich nicht an, sondern tauchte durch den Rauch hindurch. 

Ätzender Qualm brannte in meinen Augen und ich kämpfte gegen das Bedürfnis, einzuatmen,  an. Nach zehn Sekunden, die mir wie Stunden vorkamen, landeten wir endlich. Okay, jetzt hieß es schnell sein. Anderthalb Minuten, maximal zwei durfte ich hier verbringen. Per Handzeichen forderte ich Ohnezahn auf, sein Sonar zu aktivieren. Sobald das Echo zurückkam, sprintete er los. Gerade noch rechtzeitig packte ich den Sattel, ansonsten wäre ich nach hinten gekippt.

Wenige Herzschläge später blieb er vor der ehemaligen Auktionsbühne stehen, auf der Garff bewusstlos zusammengebrochen war. Noch eine Minute. Ich schüttelte ihn, stupste ihn in die Seite und als das nicht half, versetzte ich ihm einen Schlag mit der flachen Seite des Schwerts. Keine Reaktion und mir blieben nur noch dreißig Sekunden.

Denk nach, denk nach! Was konnte der Grund für seine Ohnmacht sein? Es gab nur wenige Drachenarten mit stärkeren Lungen als der Todsinger, also fiel der Rauch schon mal weg. Drachenwurz wirkte bei ihnen ebenfalls nicht sehr stark. 

Schwarze Punkte tanzten vor meinen Augen. Meine Lunge fühlte sich an als würde sie gleich implodieren. Nicht mehr lange und ich würde ebenfalls in Ohnmacht fallen. Ohnezahn schien dies zu spüren und versuchte, mich auf seinen Rücken zu zerren.

"Lass mich", murmelte ich schwach, "Ich lasse ihn nicht zurück."

Das war ein Fehler gewesen.. Sobald ich den Mund aufmachte, gelangte der Qualm in meine Luftröhre. Reflexartig hustete ich, wodurch ich nur noch mehr Rauch einatmete. Ich taumelte nach vorne und stützte mich mit einer Hand an Garffs Nacken ab. Unmittelbar darauf öffnete er die Augen, blinzelte verwirrt und flog davon. Ja natürlich, der Nervenpunkt! Warum war ich nicht früher drauf gekommen. Egal, ich musste hier weg.

Mir die Seele aus dem Leib hustend , kletterte ich auf Ohnezahn (keine Ahnung, wie mir dies gelang) und klappte die Prothese aus. Aus irgendeinem Grund erschien mir der Rückweg viel länger als der Weg nach unten. Der Teil meines Gehirns, der noch zu halbwegs vernünftigem Denken in der Lage war, fragte sich, ob wir es überhaupt noch schaffen würden oder ob ich vorher aus dem Sattel rutschte. Na ja, nicht so wichtig. Was war überhaupt noch wichtig? Nichts!

Eine heitere Gelassenheit durchströmte mich. Ja, ich würde wahrscheinlich gleich sterben, aber im Grunde war das auch egal. Es lag sowieso nicht in meinen Händen, viel mehr in Ohnezahns Flügeln. Und selbst wenn er es nicht schaffte, würde es keinen Unterschied machen. Ich hatte Garff ja gerettet. Auftrag erfüllt, wozu also Sorgen machen? Ach, war das Leben nicht schön? Träge lächelte ich dem Licht entgegen. Licht?

In dem Moment durchbrach Ohnezahn endlich die Oberfläche der Qualmwolke. Luft! Saubere, frische Luft! Gierig sog ich sie in mich hinein, bis sich meine Atmung einigermaßen stabilisierte. 

Einen Moment genoss ich einfach nur die Stille hier oben, dann besann ich mich wieder auf meinen Auftrag. Immerhin musste ich noch die Reiterin des Dämmerungsphönixes finden. Jedenfalls nahm ich stark an, dass sie das alles verursacht hatte. Da sie weder auf einem Drachen saß, noch sich im Rauch herumtrieb, musste sie in einem der noch stehenden Gebäude gefangen sein, andernfalls hätte ich sie schon längst entdeckt.

"Hilfe!", erschallte es auf einmal von unten. Die Stimme gehörte zwar zu einem Drachenjäger, aber Mensch war Mensch (oder Drache). Auf keinen Fall würde ich jemanden da unten verbrennen lassen, ganz egal, zu welcher Seite er gehörte. Rasch warf ich Ohnezahn einen bittenden Blick zu.

Nicht gerade begeistert flog er erneut nach unten, diesmal jedoch erst nachdem er den Mann mit seinem Sonar geortet hatte. Blitzschnell brachte er mich nahe genug an ihn heran, damit ich ihn hinter mich auf den Sattel ziehen und festbinden konnte. Ohne Zeit zu verlieren flogen wir zurück in die Frischluftzone.

Langsam begann der Mann, sich zu regen, aber ich fürchtete, er hatte eine Rauchvergiftung und benötigte dringend ärztlich Hilfe. Ich setzte ihn auf einer kleinen Lichtung ab, die abseits genug vom Brandherd lag, um rauchfrei zu sein. Jetzt musste ich nur noch jemanden auf ihn aufmerksam machen.

"Ohnezahn, feuere in die Luft, so hoch und stark wie es geht." Er musterte mich las ob ich verrückt geworden sei. Wahrscheinlich stimmte das auch. Trotzdem schoss er ein starkes Warnsignal ab. In fünf Minuten würden alle verfügbaren Drachenjäger sowie meine Freunde, falls sie es überhaupt mitbekamen, hier sein. Am besten versteckten wir uns in der Nähe und warteten ab, bis jemand hinentdeckte. Danach... Plötzlich sah ich etwas aus dem Augenwinkel auf uns zufliegen. Erschrocken schrie ich:

"Achtung! Felsbrocken!"

Den Bruchteil einer Sekunde bevor das Geschoss uns zerquetscht hätte, warf Ohnezah sich zur Seite. Allerdings nicht genug. Einer der Splitter (und damit meinte ich einen Brocken so groß wie mein Kopf) schmetterte mit voller Wucht gegen die Schwanzflosse, die er schützend vor mich erhoben hatte. Die Wucht des Aufpralls schleuderte mich aus dem Sattel, direkt gegen einen Baum. Kurz blieb mir die Luft weg. Alles gut, ganz ruhig. Nichts gebrochen, höchstens eine Prellung. Ich zog mich am Baumstamm hoch und hastete zu Ohnezahn. Besorgt fragte ich:

"Alles okay bei dir?" Er gurrte zustimmend, klopfte aber mit dem Schwanz gegen den Boden. Schon von hier sprang mir das verbogene Metall ins Auge. Bitte nicht die Umlenkung, bitte nicht die Umlenkung... Es war die Umlenkung.

Super. Wirklich super. Wir saßen hier zwischen Feuer und Meer fest, zusammen mit hunderten Drachenjägern, die nur darauf warteten, Ohnezahn oder mich in die Finger zu bekommen. Zwar hatte ich immer eine Ersatz-Schwanzflosse dabei, doch die Umlenkung gehörte nicht mehr dazu. Außerdem trug ich weder Zahnräder noch Verbindungsstangen bei mir. Mit den benötigten Sachen hätte ich es vielleicht reparieren können, aber ich bezweifelte, dass ich hier  Ersatzteile fand. Wobei, Viggo brauchte bestimmt eine Schmiede. Und ich nahm stark an, dass sie sich unter dieser metallverkleideten Kuppel dort hinten befand.

Das hieß, ich musste mich bloß alleine in ein Gebäude voll mit Drachenjägern schleichen, eine Schmiede suchen, die es vielleicht gar nicht dort gab, eine Ladung Teile unter Viggos Nase  herausschmuggeln und ohne Anleitung oder Skizze die Prothese reparieren. Gefährlich, verrückt, riskant und würde wahrscheinlich nicht funktionieren. Ein typischer Hicks-Plan eben.

"Ich suche jetzt die Schmiede. Du bleibst hier und passt auf den Mann auf. Wenn jemand kommt, versteckst du dich, verstanden?" Könnte Ohnezahn reden, würde seine Antwort "Nicht dein Ernst" lauten.

"Ich weiß, mein Freund, aber anders kommen wir nicht von hier weg. Hör zu, wenn ich in Gefahr gerate, mache ich einfach deinen Ruf. Dasselbe gilt auch für dich, okay?"

Man konnte ihm ansehen, dass ich ihn immer noch nicht ganz überzeugt hatte, doch er drückte seinen Kopf aufmunternd gegen meinen Bauch.

"Ich hab dich auch lieb, Kumpel", lachte ich. Bevor ich ging, steckte ich noch eine Ersatzpatrone mit Alptraum-Gel für mein Schwert, einen Beutel mit Zippergas, das Schwert und meinen Schild ein. 

Nur 15 Meter vom Hauptgebäude entfernt hielt ich inne. Zwei Wachen flankierten das Tor. Ein Schuss aus meinem Schild lockte sie in den Wald. Rasch huschte ich zur Tür und rüttelte daran. Abgeschlossen, was nun? Vielleicht...Das würde doch nie funktionieren! Egal, das Gleiche traf auch auf meinen Plan zu und bezweifelte Situationen erforderten verzweifelte Maßnahmen.

Ich holte das Röhrchen mit dem Gel aus meiner Tasche und goss es in das Schloss. Anschließend entflammte ich es mir meinem Schwert. Innerhalb weniger Minuten schmolz es und die Tür schwang auf.

Geduckt schlich ich mich zu einer Art Knotenpunkt. Von hier führten mehrere Gänge weg, von denen einer mich hoffentlich zur Schmiede bringen würde. Nur welcher? Zu lange durfte ich nicht überlegen. Je länger ich hier rumstand, desto eher würde jemand mich entdecken. Aus einem der Korridore drangen Kampfgeräusche. Was ging hier vor sich?

Ohne nachzudenken, nahm ich die Abzweigung. Später würde ich es bereuen, das wusste ich genau, doch mal wieder erwies sich die Neugier als stärker als jegliche Vernunft. Das Schwert in der Hand und jederzeit bereit, mich zu verteidigen, drückte ich mich an der Wand entlang. Währenddessen betete ich zu Odin, dass keiner meiner Freunde in das Gefecht verwickelt war. Am Ende des Weges wagte ich einen verstohlenen Blick um die Ecke. Was ich sah, gefiel mir ganz und gar nicht.

Zwar musste niemand von meinen Freunden in dieser grotesken Karikatur unserer alten Arena gegen diese Meute an Drachenjägern kämpfen, dafür aber die Unbekannte - fast genauso schlimm, denn es stand ziemlich schlecht um sie. Ihr Drache lag bewusstlos am Boden und sie selbst musste es mit gut 15 Jägern aufnehmen. Eines stand fest, ich musste ihr helfen. Bloß wie?

Schnell ging ich die verschiedenen Möglichkeiten durch. Am besten wäre es, das Dach zu öffnen und der Reiterin das Gegenmittel zu geben, damit sie mit ihrem Drachen abhauen könnte. Allerdings benötigte ich eine Ablenkung, denn der Hebel war ziemlich weit weg. Hatte ich nicht noch etwas Zippergas?  Ich schnitt ein Stück meines Gürtels ab, steckte es in den Beutel, zündete es an an und schleuderte die improvisierte Bombe so weit von mir weg wie nur möglich. Warte...warte...BUMM! Jetzt!

Hinter dem Rücken der Drachenjäger, die sich alle zum Ort der Explosion gedreht hatte, sprintete ich zum Hebel. Auf halbem Weg fiel mir etwas auf. Da stand jemand. Warum hatte ich vorher nichts bemerkt? Vermutlich hatte mein Unterbewusstsein ihn aus dem Geschehen herausgeschnitten, weil es der Mann war, den ich am wenigsten sehen wollte. 

Viggo. Heißer Zorn kochte in mir hoch. Ich hatte die Aktion auf dem Schiff nicht vergessen, genauso wenig wie alle anderen seiner heimtückischen Fallen, die Unschuldige gefährdet hatten. Es wurde Zeit, dass er von der Erdoberfläche verschwand. Und ich würde jetzt dafür sorgen. Was,? nein, ich konnte ihn nicht umbringen, das widersprach allem, wofür ich kämpfte. Aber nun hatte ich die Chance, all das zu beenden, also was sollte ich tun?

Von allen denkbaren Möglichkeiten entschieden meine Beine sich für die Peinlichste: Ich stolperte über einen Unebenheit im Boden und knallte der Länge nach hin. Im Fallen ließ ich das Gläschen mit dem Gegengift los. Es rollte zur Reiterin, die es direkt ihrem Drachen einflößte. Außerdem landete ich direkt auf dem Hebel (lieber nicht nachmachen, ziemlich schmerzhaft), sodass sich das Dach öffnete. 

Augenblicklich  wachte der Drache auf, schnappte sich seine Reiterin - die sich neue Klamotten zugelegt hatte, sie trug jetzt ein dunkelrotes Oberteil mit weiten Ärmeln und ein Kettenhemd , sowie einen Schulterschoner mit einem Sonne-Mond-Symbol darauf - und flog davon. 

Wäre schön, wenn er mich auch mitgenommen hätte, denn ich lag hier unbewaffnet (beim Sturz hatte ich dummerweise Schwert und Schild fallen lassen, um mich abzufangen) direkt vor Viggos Füßen. Der konnte sich einen Kommentar auf meine Kosten natürlich nicht verkneifen.

"Ach Hicks, das ist ja nett von dir, wiederzukommen. Ich hätte wirklich nicht gedacht, dass du mich nach zwei Tagen so sehr vermisst. Aber du brauchst nicht vor mir niederzuknien, ein einfaches 'Viggo, ich schließe mich dir an' reicht vollkommen." 

Feuerrot stand ich auf, begleitet vo hämischem Gelächter der Drachenjäger. Vermutlich hatte ich es verdient, ausgelacht zu werden, schließlich war mein Auftritt alles andere als professionell gewesen.

"Tut mir leid, Viggo, aber mein Aufenthalt hier ist nur von kurzer Dauer. Ich würde ja gerne noch länger bleiben, aber die ganze Bosheit hier macht es mir leider unmöglich", antwortete ich so ruhig wie möglich.

Offenbar ziemlich kontraproduktiv, denn die Männer lachten nur noch lauter. Na schön, ich fände es auch lächerlich, wenn ein halbwüchsiger, schmächtiger Tollpatsch mit Staub im Gesicht  von einer überaus dämlichen Bruchlandung und ohne Waffen Sprüche klopfen würde.

"Du willst nicht bleiben?", fragte Viggo mit einem hinterhältigen Lächeln, "Jammerschade. So wie es aussieht, wirst du nämlich eine ganze Weile hier verbringen."

Ja, was kann man zu so einem Auftritt noch sagen außer "Dumm gelaufen." ? Eigentlich nicht viel, deswegen halte ich es jetzt auch kurz.  Alles, was ich euch noch sagen wollte, ist, dass ihr euch mit der Identität der Reiterin noch ein wenig gedulden müsst. Es wird in Kapitel 14 aufgeklärt. Ach ja, ich wollte mich noch bei euch bedanken. Fast 400 Leute, die das hier gelesen haben, über 40 Votes und vor ein paar Tagen (jetzt nicht mehr, aber das ist auch egal) stand das Ranking in der Kategorie "Zweifel" bei Platz 13 von über 400. Ihr seid die besten! 

Eure Elementara

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