Kapitel 4: Todsinger
Astrid
Erst als sie aus meinem Blickfeld verschwunden waren, löste ich mich aus meiner Starre. War das eben wirklich passiert? Oder - gleich einem Blitz durchfuhr mich der Gedanke - war das alles nur Halluzination, Einbildung? Lag ich womöglich immer noch in meinem Bett? War ich verrückt geworden? Wenn ja, dann hatte ich definitiv eine viel größere Fantasie als ich jemals gedacht hätte. Ein dunkelgrauer und violetter Todsinger, der betäubende Blitze erzeugte? Hätte mir jemand davon erzählt, würde ich glauben, die Person hätte entweder den Verstand verloren oder ihn mit einem Skrill verwechselt. Doch das hier war eindeutig ein Todsinger gewesen.
Egal was das für ein Drache gewesen war, ich musste mich beeilen! Der Todsinger würde Rotzbacke sicherlich zu seinem Zufluchtsort bringen und dort auf die anderen stoßen. Ich musste sie unbedingt warnen! Erneut rannte ich so schnell ich konnte, diesmal in die entgegengesetzte Richtung.
Kurze Zeit später erhaschte ich einen flüchtigen Blick auf Mulch, der Alptraumgel auf einem mächtigen Bernsteinklumpen verteilte. Wild mit den Armen fuchtelnd brüllte ich ihm zu:
"Mulch! Der Todsinger kommt!"
Er drehte sich nicht um. Kein Wunder, schließlich trug er genauso wie ich Ohrstöpsel. Erst als ich ihm heftig - vielleicht ein bisschen zu heftig, denn er griff augenblicklich nach seinem Hammer - gegen die Schulter klopfte, nahm er mich wahr. Fragend musterte er mich, glibberig grünes Alptraumgel hing in seinem Bart. Mit einem aufforderndem Blick pulte ich das Wachs aus den Ohren. Er verstand sofort und entfernte ebenfalls seine Ohrstöpsel.
"Was ist los?"
"Der Todsinger ist im Anmarsch!"
Im Bruchteil einer Sekunde wurde er leichenblass - nein, schlechter Vergleich, nicht an Leichen denken - und beinahe entglitt ihm sein Gefäß mit Alptraumgel. Doch genauso schnell wie er die Kontrolle verloren hatte, gewann er sie wieder zurück und meinte entschlossen:
"Dann müssen wir uns eben beeilen."
"Ich warne alle anderen, befreie du den ... Ohnezahn?"
Tatsächlich, der eingeschlossene Drache war Ohnezahn, völlig entkräftet und kaum bei Bewusstsein. Für einen Schlag blieb mein Herz stehen, nur um anschließend loszurasen. Geschockt kniete ich mich nieder und streichelte über die unterkühlten Schuppen. Er musste unter den ersten gefangenen Drachen gewesen sein, flugunfähig ohne Hicks.
"Oh Ohnezahn ... Es tut mir so leid."
Schwach brummte er und öffnete die Augen einen kleinen Spalt. Es wirkte, als wollte er mir sagen, dass ich mir keine Sorgen um ihn machen müsste, dass es ihm gut ging.
"Ich weiß. Du schaffst das, ganz sicher. Du ... du wirst nicht sterben. Das verspreche ich dir."
Intensiv blickte er mich aus seinen leuchtend grünen Augen an. Nein, er blickte mich nicht einfach nur an. Er blickte in mich hinein. Ich spürte ganz genau, warum Hicks ihn damals nicht töten konnte, hier in diesem Wald. Dann ließ er den Kopf wieder sinken, wissend dass er jetzt beschützt war.
"Ohnezahn? Ohnezahn, warte! Wir brauchen noch deine Hilfe, um dich zu befreien! Du ... du musst das Alptraumgel entzünden!"
Erneut hob er den Kopf, das einzige Körperteil, das er noch bewegen konnte, und feuerte einen gezielten Plasmablitz ab. In Sekundenschnelle entflammte das grüne Gel und ließ den Bernsteinkokon in hunderte Splitter zerspringen. Taumelnd kämpfte Ohnezahn sich hoch. Ein erleichtertes Lächeln huschte über mein Gesicht. Er war frei, frei und am Leben!
Bloß in Sicherheit war er noch nicht. Zum Fliegen fehlte ihm die Kraft, ob er es alleine durch den Wald schaffen würde, war ebenfalls mehr als nur fraglich. Doch wenn ich ihn begleitete, dann konnte ich nicht mehr nach Sturmpfeil suchen. Wohin sollte ich gehen? Mulch war schon weg, die anderen warnen.
Ich konnte Ohnezahn nicht zurücklassen, nicht alleine, das würde er nicht überleben.
Aber wenn ich Sturmpfeil nicht rettete, würde ich es mir nie verzeihen können.
Ich konnte nur mit einem gehen.
Ohnezahn ...
oder Sturmpfeil.
Jetzt wusste ich ganz genau, wie Hicks sich gefühlt haben musste, damals in der Arena. Eine unmögliche, unmenschliche Entscheidung. Wie könnte ich eine Wahl treffen? Doch während mich nur der Zufall oder meinetwegen auch das Schicksal in diese Situation gebracht hatte, war Hicks von einem Menschen vor diese grausame Entscheidung gestellt worden.
Zum tausendsten Mal seit jenem Tag wurde ich von einer wirbelnden, eisigen, gewaltigen Welle aus Hass mitgerissen. Hilflos wurde ich von ihr davongespült, unter Wasser gezerrt, vereinigte mich mit ihr. Und ich hasste, hasste mit meinem ganzen Körper, mit meinem ganzen Geist, mit meiner ganzen Existenz. Wie konnte man so etwas tun? Wie! Wie konnte man jemandem solche Qualen bereiten, und das in voller Absicht? Er sollte es selbst erleben, das, was er getan hatte. Er sollte selbst entscheiden müssen, er musste selbst vor diese Wahl gestellt werden, damit er seine eigene Grausamkeit spüren würde. Und ich würde ihn vor diese Entscheidung stellen, sobald ich ihn in die Finger bekommen würde, ich würde es tun. Hatte ich nicht alles Recht der Welt dazu?
Ein sanfter Stups gegen meinen Arm holte mich wieder zurück in die Realität. In einem halbherzigen Versuch, die rachsüchtigen Gedanken aus meinem Kopf herauszubekommen, kniff ich die Augen zusammen und legte den Kopf in den Nacken. Einatmen. Ausatmen.
Es brachte nichts. Das war auch zu erwarten gewesen, schließlich war Rache ja genau das, was ich wollte. Aber darüber musste ich mir später Gedanken machen, es war dumm, schutzlos hier herumzustehen und zu grübeln. Ohnezahn war bei mir, was bedeutete, dass ich auch die Verantwortung für ihn trug. Und abgesehen davon - es war meine Pflicht Hicks gegenüber, ihn zu beschützen. Sturmpfeil musste warten, so sehr dieser Gedanke auch schmerzte.
-°-°-°-°-°-
Schleppend folgten wir den Fußstapfen, die zurück ins sichere - so sicher Berk eben sein konnte - Dorf führten. Es kostete mich all meine Kraft, den völlig ausgelaugten und schlaffen Ohnezahn zu stützen und zu verhindern, dass er zusammenbrach. Immerhin waren wir dank der Ohrstöpsel vor dem Gesang des Todsingers geschützt, doch falls er zufällig auf uns stieß, hätten wir schlechte Karten. Wir konnten nur hoffen, dass Haudrauf, Grobian und Mulch ihn ausreichend beschäftigten - und dass sie diesem Monstrum und seinen Blitzen gewachsen waren. Aber sie waren schließlich Wikinger und darüber hinaus noch die besten Krieger des Dorfes. Nein, mehr Sorgen machte ich mir im Moment um Ohnezahn. Die heulenden Windböen und der knietiefe Schnee taten ihr Bestes, um uns auf die Geschwindigkeit eines Gronckels nach einem Steinbruchbesuch zu verlangsamen.
Wachsam spähte ich in alle Richtungen, lauerte auf jedes Anzeichen ungewöhnlichen Geschehens. Nichts. Nichts, nichts und nochmal nichts, was zwar eigentlich ein gutes Zeichen darstellte, meine Nervosität allerdings in die Höhe schnellen ließ. Man merkte wohl erst, wie sehr man sich auf seine Sinne verließ, wenn sie einem fehlten, sei es nun der Sehsinn oder das Gehör.
Gute fünfzig Meter vor uns erhob sich auf einmal ein Vogelschwarm und flatterte panisch davon. Alarmbereit tastete ich nach meiner Axt und stellte mich schützend vor Ohnezahn. Zwischen seinen Zähnen glühte blass das violette Leuchten eines Plasmastrahls hervor, das im selben Augenblick allerdings wieder kraftlos erstarb. Na schön, dann nahm ich es eben alleine mit dem Tosinger auf.
Doch die Gestalt, die zwischen den Bäumen erschien, war nicht der Todsinger. Es war nicht einmal ein Drache. Nein, es war Fischbein, die Zwillinge im Schlepptau.
Ein überraschter Ausdruck machte sich auf seinem Gesicht breit, seine Lippen bewegten sich wortlos. Eilig pulte ich mir das Wachs aus den Ohren.
"Ohnezahn?", wisperte er heiser, "Er etwa auch?"
"Könnt ihr ihn ins Dorf bringen? Ich muss zurück, nach Sturmpfeil suchen."
"Mache ich", bot Fischbein sich flüsternd an.
"Nein. Der Drache ist kein gewöhnlicher Todsinger, es kann sein, dass ich deine Hilfe brauche. Raff, Taff," Ernst und nachdrücklich fixierte ich sie mit jenem Blick, den ich mir ausschließlich für sie aufsparte "Das müsst ihr übernehmen. Passt auf, er ist sehr schwach. Kapiert oder ist das zu schwer für euch hohle Nüsse?"
"Voll und ganz."
"Klipp und klar!"
"Wir kümmern uns um Ohni, mach dir keine Sorgen!"
Entnervt verdrehte ich die Augen.
"Fischbein, komm. Wir haben noch einen Todsinger zu verjagen."
Dreimal so schnell wie auf dem Hinweg erreichten wir die Insel. Alles Nötige hatte ich Fischbein beim Laufen erklärt, jetzt verhinderten die obligatorischen Ohrstöpsel jedes Gespräch. Schnell erreichten wir die Stelle, an der ich auf Ohnezahn und Mulch gestoßen war. Von nun an hieß es, wachsam sein, noch wachsamer als vorher. Überall konnte der Todsinger lauern, überall konnte es zu einem Kampf kommen. Und irgendwo brauchten Haudrauf, Grobian und Mulch möglicherweise unsere Hilfe.
Mulchs Spur verlief alles andere als gerade, immer wieder brach sie nach rechts oder links aus, gipfelte in einem Haufen aus Bernsteinsplittern, um sich dann wieder in die entgegengesetzte Richtung zu bewegen. Im Zickzack folgten wir ihr, unsere Blicke huschten über die Felsen, zwischen den kahlen, knorrigen Bäumen hindurch, jede einzelne Bewegung registrierend. Nach einer Weile stießen noch zwei weitere Personen dazu, ich erkannte Grobians Holzbein und Haudraufs mächtige Fußstapfen. Bis die Spur plötzlich aufhörte.
Wie konnte das sein? Ein Fußstapfen war noch zu sehen, danach nur unberührter Schnee. Vielleicht hatte ihn der Todsinger gepackt, doch müsste es dann nicht Anzeichen eines Kampfes geben? Aber hier war nichts, nur eine pulverig weiße Schneedecke, die uns höhnisch anlachte in ihrer Reinheit.
Nein! Nein, nein, nein! Das konnte doch nicht sein! Die Spur konnte doch nicht einfach so aufhören! War das etwa ein Scherz der Götter? Wenn ja, dann war es ein schlechter! Am liebsten hätte ich jedem von ihnen eine gesammelt, bis sie ihn rückgängig machten. Doch mit Göttern konnte ich so etwas leider nicht machen. Aber ich konnte toben, ich konnte auf den Boden stampfen, die übrigen Spuren mit Tritten zerstören und diesen lächerlich unberührten Schnee zerstampfen. Ich konnte mir meinen Frust über die verschwundenen Spuren, über diesen verdammten Todsinger, der Ohnezahn und meine Sturmpfeil weggelockt hatte, über diese verdorbene, bösartige, niederträchtige Grimborn-Familie und vor allen Dingen über die Tatsache, dass Hicks nicht mehr bei mir war, dass man ihn mir weggenommen hatte, rausschreien. Ich schrie und brüllte und fuchtelte mit den Armen durch die Luft, sodass Fischbein angstverzerrt vor mir zurückwich.
Wir hatten sie verloren, ich hatte sie verloren, schon wieder. Was war ich für eine Wikingerin, die niemanden retten konnte? Jeden, der mir wichtig war, brachte ich in Gefahr, jeden! Und niemanden konnte ich retten. Dabei war das doch meine Pflicht! Ich war eine Kriegerin und trotzdem konnte ich niemanden beschützen. Mut- und kraftlos sank ich zu Boden. Doch da war kein Boden. Nur dürre Äste, die unter meinem Gewicht zusammenbrachen.
Einen Augenblick später presste mir der Aufprall die Luft aus den Lungen. Der raue Untergrund hatte meine Handflächen aufgerissen und in eine blutige, brennende Fläche verwandelt. Zwei Meter über mir erschien Fischbeins Gesicht über dem Loch, durch das ich gefallen war. Enthusiastisch winkte ich ihn zu mir herunter. Wir hatten wieder eine Spur! Augenblicklich ließ er sich ebenfalls fallen, landete im Gegensatz zu mir allerdings auf den Füßen.
Offenbar befanden wir uns in einem von Flüsternden Toden geschaffenen Tunnel, der wohl vor langer Zeit aufgegeben sein musste und vom Todsinger als Unterschlupf genutzt wurde. Haudrauf, Grobian und Mulch mussten ihn auch gefunden haben und ihm gefolgt sein. Die Frage war nur, in welche Richtung.
Zaghaft tippte Fischbein gegen meine Schulter und wies mit dem Kopf in den Tunnelabschnitt rechts von uns. Ein bläulich-weißes Leuchten erhellte dessen Wände. Dort war der Todsinger. Dort mussten wir hin.
Ohne auch nur an das Schmieden eines Planes zu denken, hasteten wir in dessen Richtung. Je weiter wir rannten, desto heller wurde das Leuchten und ab und an blitzten kleine Funken an den lehmigen Wänden auf. Wir rannten, ohne zu wissen, wie lange noch oder überhaupt wohin. Nach einer Weile hielt ich es nicht mehr raus und entfernte das Wachs aus meinen Ohren. Sogleich schallten mir Haudraufs zorniges Gebrüll und Grobians Flüche entgegen. Sie mussten in Schwierigkeiten sein!
Ihre verzweifelten Rufe spornten mich noch mehr an, mittlerweile rannte ich so schnell, dass meine Lunge bei jedem Atemzug protestierte. Fischbein hatte Mühe, mit mir Schritt zu halten. Kurze Zeit später weitete sich der Tunnel zu einer Höhle von gigantischen Ausmaßen. Im selben Moment drückten Fischbein und ich uns gegen die Wand und warfen einen vorsichtigen Blick hinein.
Dutzende Bernsteinklumpen reflektierten die Funken und Blitze, die Mehrheit davon barg Drachen, allerdings konnte ich auch einige Menschen erkennen. In der Mitte der Höhle kämpften Haudrauf und Grobian gegen den Todsinger, Mulch lag eingeschlossen in einen Kokon aus Bernstein am Boden. Sogleich wollte ich auf sie zu sprinten und ihnen helfen, doch Fischbein hielt mich fest und zog mich zurück in den Tunnel.
"Was?", fauchte ich ihn an.
"Wir brauchen einen Plan", flüsterte er eindringlich.
"Ich habe einen Plan. Ich gehe da runter und mache den Todsinger fertig. Mehr Plan brauche ich nicht."
Mir war bewusst, dass ich mich albern benahm, doch das war mir egal. Alles, was ich wollte, war ein ordentlicher Kampf.
"Im Moment kommen sie ganz gut zurecht. Lass uns lieber die gefangenen Leute befreien."
"Das kannst du machen", gab ich schnippisch zurück.
"Was ist mit Sturmpfeil?"
Beherrscht atmete ich aus.
"Na schön."
Zwei Minuten später schlichen stahlen wir uns auf Fußspitzen zwischen den Bernsteinklumpen entlang und verteilten das Alptraumgel um die Kokons herum, eine einzige schleimig grüne Spur. Hoffentlich würde die Hitze ausreichen, um alle zu befreien. Bei den Menschen hielten wir kurz an und erklärten ihnen, wohin sie laufen mussten. Die Drachen würden das selber wissen, ihnen verschlossen wir lediglich die Ohren mit Wachs, damit sie nicht wieder den Gesängen des Todsingers erliegen würden.
Immer mal wieder blickte er in unsere Richtung, woraufhin wir uns sofort zu Boden fallen ließen, hoffend, ausreichend verborgen zu sein. Daher warfen wir andauernd flüchtige Blicke zu den immer noch Kämpfenden hinüber. Mit der Macht der Verzweiflung schwangen Haudrauf und Grobian ihre Äxte, wichen den klebrigen Geschossen des Todsingers aus, lockten ihn von dem bewegungsunfähigen Mulch weg. Trotz der Größe ihres Gegners, trotz seiner Blitze und seines Harzes boten sie ihm die Stirn. Nun, sie galten nicht umsonst als die besten Krieger ganz Berks.
Mitten in einem schwungvollen Hieb entdeckte Haudrauf Fischbein und mich inmitten der gefangenen Drachen und Menschen. Einen Augenblick hielt er verdutzt inne, fing sich dann wieder und attackierte den Todsinger mit doppelter Wucht. Auch Grobian hatte uns bemerkt und kämpfte nun noch verbissener als vorher, was uns genügend Zeit verschaffte, um das Alptraumgel zu verteilen. Als auch der letzte Tropfen der glibberigen Masse herausgeträufelt war, entfachte ich einen Funken.
Augenblicklich fingen die grünen Spuren Feuer. Eine gewaltige Hitzewelle brandete mir entgegen, so unerträglich heiß, dass ich mich gegen die Höhlenwand pressen und mein Gesicht abwenden musste. Selbst durch meine zugekniffenen Augen drang der grelle Schein der Flammen, alles um mich herum bestand nur noch aus Hitze. Mit einem Mal ertönte ein Klirren, das wundervollste Geräusch auf Erden. Alle Bernsteinkokons zersprangen in Millionen winziger Stückchen. Und noch im selben Augenblick, als ich meine Augen widerwillig öffnete, brach das Chaos aus.
Flügelschläge zerrissen die Luft, euphorisches Kreischen und abgrundtiefes Grollen machten jede Kommunikation unmöglich, tausend Bewegungen waren auf einmal um mich herum, zu viele, um sie mit dem Auge zu erfassen. Ein jedes Wesen, ob Drache oder Mensch, steuerte auf den viel zu schmalen Tunnel zu. Alle wollten nur noch zum Ausgang gelangen, die Stärkeren oder Kleineren kämpften sich durch, der Rest versuchte es zumindest. Der Todsinger gab sein Bestes, um die Flucht seiner Beute zu verhindern und schoss wahllos Blitze in das Knäuel an Leibern. Die Getroffenen stürzten ab oder sackten zu Boden, je nach Spezies.
An der Grenze zur Panik versuchte ich, mir Gehör zu verschaffen und wenigstens die Menschen zu einem sinnvolleren Verhalten zu bewegen, doch vergebens. Es war einfach zu laut, zu chaotisch, zu ... instinktgesteuert.
Dann sprang mir unter den am Boden liegenden Drachen ein unverwechselbarer blauer Körper ins Auge. Das war der Moment, in dem ich die Kontrolle verlor.
Später würde Fischbein, der das Geschehen vom Rande aus beobachtet hatte, mir erzählen, dass sich von einem Augenblick auf den anderen mein Gesichtsausdruck vollkommen veränderte. Dass ich einen archaischen Schrei ausstieß. Dass ich, immer noch schreiend, mich durch das Getümmel durchdrängte, auch unter Einsatz meiner Fäuste und meiner Axt. Dass ich auf den Todsinger zustürmte, seinen Blitzen und Geschossen schlafwandlerisch auswich und wie von Sinnen auf ihn einhackte. Dass er, völlig verängstigt die Flucht in einen weiteren, durch Felsen getarnten Tunnel ergriff. Dass ich mich nicht beruhigen ließ, bis ich schließlich über Sturmpfeil zusammenbrach. Dass Haudrauf mich getragen hatte, den ganzen Weg bis nach Berk, wo er mich schließlich in Hicks' Bett absetzte.
Und erst am nächsten Morgen, als Sturmpfeil mich mit einem liebevollen Stupser aufweckte, setzte meine Erinnerung wieder ein.
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