Zurück nach Hause

Vorletztes Kapitel, alle miteinander ;/

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Zurück nach Hause

Wir saßen im Turm. Wir alle. Alle Götter, alle, die von den Oldiin noch geblieben waren und Ades. Er stand neben mir und hielt meine eisigen Finger. Doch er vermochte es nicht, meine Hände aufzuwärmen. Es tat mir leid. Für sie alle, weil sie jetzt da saßen und versuchten ein Problem zu ändern, an dem es nicht zu ändern gab, weil sie ein schlechtes Gewissen wegen mir hatten. Lag es an meiner neuen Aufgabe oder wäre ich auch als ein Außenstehender so … hoffnungslos gewesen?

Am schlimmsten fand ich es, dass Jeorelan aufgehört hatte, mir in die Augen zu sehen. Er schämte sich, obwohl ich es eigentlich war, der sich schämen sollte. Kein einziges Mal hatte ich ihn mehr Vater nennen können. Es war wirklich traurig.

Mit ausdrucksloser Stimme trug ich die Geschehnisse vor. Die anderen hörten mit betretenen Mienen zu, manchmal kamen sogar andere Bewohner des Turms und betrachteten unsere kleine Versammlung interessiert. Mir war es gleich, aber die anderen schien es ein wenig zu stören. Ich endete mit meinem Opfer und dem Verschwinden des alten Wächters.

Noch lange nachdem ich geendet hatte, sprach keiner der anderen ein Wort.

„Du hast uns alle gerettet“, stellte Ades leise fest. „Gibt es denn keinen Weg, dich von dieser Bürde wieder zu befreien?“

„WÜRDE ES ETWAS ÄNDERN?“, fragte ich gleichgültig. „ICH HABE GESPÜRT, WIE MEINE VERBINDUNG ZU MEINEM KÖRPER ABGERISSEN IST. ER IST WOHL NOCH VON DER ZERSTÖRUNG ERREICHT WORDEN.“

Jeorelan schüttelte den Kopf. „Karthek hat bis zum letzten Moment ausgeharrt und ist dann mit deinem Körper geflohen.“

„DAS WAR … NETT VON IHM“, erwiderte ich leise, obwohl mich meine kühlen Worte innerlich beinahe um den Verstand brachten. „ABER ICH WÜRDE DEN WEG IN MEINEN KÖRPER NICHT WIEDERFINDEN, GLAUBE ICH.“ Ich verzichtete diesmal bewusst auf eine Formulierung wie 'zweifellos' oder 'ohne Zweifel', denn einige von ihnen zuckte immer zusammen, wenn ich das tat.

Eramon trat vor. „Trotzdem wäre es möglich, dir ein normales Leben zu schenken … hier im Tairasy bis in die Unendlichkeit.“

„ERAMON, ICH WERDE HIER IM TAIRASY SEIN UND DAS VORERST FÜR DIE UNENDLICHKEIT.“

„Ja, aber ich redete vom 'Leben' und nicht vom 'Existieren'.“

„Ist es denn möglich, ihr die Aufgabe abzunehmen?“, fragte Ades mit flehendem Gesichtsausdruck. „Wenn ja, dann nehme ich sie gerne auf meine Schultern.“

Doch Eramon lächelte nur leicht und klopfte ihm auf die Schulter. „Ich schätze deinen Wagemut Ades, aber du bist, auch wenn du vieles bist, am Ende doch nur sterblich. Und kein Sterblicher kann die Aufgabe eines Wächters übernehmen, denn dann besteht das Risiko, dass der Wächter irgendwann stirbt, ohne einen Nachfolger zu hinterlassen. Aber glaube mir eins, Mina, ich habe lange genug gelebt und genug gesehen, um zu sagen, dass ich dir diese Bürde mit einem Lächeln von den Schultern nehmen möchte.“

Ich zögerte. „ABER AUCH DU HAST SICHER DAS VERSPRECHEN DER GÖTTER GEHÖRT. WENN UNSERE AUFGABE ERFÜLLT IST, KÖNNEN WIR DIE STERBLICHKEIT WÄHLEN UND DANACH DIE UNENDLICHKEIT MIT IHNEN TEILEN. WENN DU ALSO GENUG VON DEINEM LEBEN ALS MENSCH HAST ...“

„Mein Leben als Mensch war wunderbar, wunderbarer als jede Unendlichkeit sein kann. Aber ich möchte nicht sterben, Mina, ich möchte am Ende nur das, was immer der Wille meines Vaters war.“ Er warf einen Blick zu Utrias hinüber, der mit trauriger Miene nickte. „Ich will Ausgleich und was wäre ein besserer Weg, diese Aufgabe zu erfüllen? Jeder Wächter ist in sich ausgleichend und alle zusammen halten die Welt im Lot.“

Langsam nickte ich. Ich würde ihm diesen Wunsch nicht versagen. Ich würde es ihm erfüllen. Vielleicht, weil er nicht daran zweifelte, dass ich es tun würde. Ein lächeln stahl sich auf mein Gesicht. Ein zynisches Wächterlächeln und ich ergriff die Hand, die er mir bot.

„Warte!“ Utrias war in den Kreis getreten. Er legte eine Hand auf die Schulter seines über tausend Jahre alten Sohnes. „Du wusstest immer, wie stolz ich auf dich bin. Ich weiß nicht, wie viel du vergessen wirst, also möchte ich es nur nochmal betonen. Ich hätte keinen besseren Sohn als dich haben können.“

Eramon errötete. Der stattlichste, gutmütigste und älteste aller Menschen errötete wie ein kleines Kind und schloss dann seine Finger noch stärker um die meinen. Ich wusste nicht, was ich tun sollte, aber es passierte einfach, was ich als Zeichen nahm, dass es wirklich das Richtige war.

Die schwarze Rune auf meinem Arm verblasste, bis sie nicht mehr war, als eine helle Narbe und als ich den Blick auf Eramon Arm richtete, sah ich wie die schwarze Rune dort erschien und sein Schicksal so besiegelte, so wie er es gewollt hatte.

Erneut stiegen mir Tränen in die Augen und ich umarmte ihn. „Der ehemalige Wächter, er hat mir gesagt, es wäre etwas besonderes, wenn jemand ohne zu zögern solch ein Opfer bringt. Ich habe es gebracht, um die Welt zu retten, ich sah keine andere Wahl. Aber du, du tust es, ohne das Gefahr besteht. Dir gebührt der wahre Respekt.“

Er lachte und noch klang es warm und herzlich. „Ich wurde lang genug respektiert, man muss die Bühne an andere abtreten.“

„Aber ich werde sie niemals wieder betreten können.“

Mein Vater senkte den Blick. „Du wirst bei uns sein.“

„Gibt es denn keine Möglichkeit, dass sie den Körper irgendwie wiederfinden wird?“, fragte Ades. Er sorgte sich wirklich sehr um mich.

Jeorelan runzelte die Stirn. „Sie kann natürlich in die Welt zurückkehren, aber sie wird kaum noch anwesend sein, wird zwischen Tairasy und der Welt der Sterblichen schweben und weder das eine noch das andere für besonders lange betreten können.“ Er räusperte sich und plötzlich erklang eine Stimme zwischen uns.

Die Traumjäger von Oziim-Dwa haben das Phänomen ihrer Zeit beobachten können. Es wirkt, als würden die Personen geistig umnachtet seien. Nur selten sind sie für einige Stunden wieder ansprechbar. Die meisten hängen ihr ganzes Leben in diesem Dämmerzustand.“ ... Vizia.

Ich schluckte. Ein Gedanke hatte sich in mir gebildet. Ich schaute zu Ades hinüber. „Denkst du, Karthek wird sich jemand anderes suchen und glücklich werden?“

Auf seinen Gesichtszügen konnte man deutlich sein Ringen sehen. Er rang zwischen der Wahrheit und dem, was er mir lieber erzählt hätte. Letztendlich entschied er sich aber für die Wahrheit. „Er wird sein ganzes Leben lang neben deinem Körper Wache halten, solange, bis er stirbt.“

Ich nickte. Lange genug hatte ich versucht Karthek von mir abzulenken. „Ich möchte ein sterbliches Leben in der Welt, ehe ich hierher zurückkehre.“

Jeorelan nickte betrübt. „Für uns wird es nur ein Wimpernschlag sein, aber für dich könnten es Jahrhunderte werden. Drachen leben lange.“

Ich lächelte. „Was spricht gegen ein Jahrhunderte langes Leben mit denen, die man gerne hat?“

„Ich möchte auch Sterblichkeit“, erklang es plötzlich von Sovine. „Ich habe auch genug gesehen.“

Eramon lächelte. „Die Welt wird einen weiteren klugen Kopf verlieren.“

Sie zuckte mit den Schultern. „Drei andere kluge Köpfe werden ihr bleiben.“ Sie ließ den Blick über Tekmea, Zitamun und Volkum wandern. „Ich gehe doch richtig in der Annahme, dass ihr bleiben werdet.“

Die Drei nickten. Es würde eine große Veränderung in den Regierungen geben. Ich schaute zu Tekmea hinüber. „Gib auf die Drachen Acht, ja? Wenn niemand auf sie aufpasst, machen sie laufend Dummheiten.“

Die Elfe nickte lachend. „Ich werde sie schon unter Kontrolle haben.“

Als niemand mehr etwas zu sagen hatte, straffte Utrias seine Haltung. „Dann ist hiermit wohl alles beschlossen. Es wird Zeit, zurückzukehren.“ Er betrachtete einige Augenblicke lang traurig seinen Sohn.

Sovine legte mir eine Hand auf die Schulter. „Ich werde vorbeikommen. Haltet einfach nach einer glatzköpfigen alten Frau Ausschau.“

„Insofern ich den Ausschau halten kann, immer gerne.“

Sie lächelte leicht. „Ich werde dir Geschichten erzählen.“

„Erzählst du mir, wie du deine Haare verloren hast?“

„Alles was du hören willst.“

Ich grinste. „Oh, da wäre eine ganze Menge.“

„Bereit?“, fragte Jeorelan neben mir.

„Auf jeden Fall.“

Es war wie es immer war, wenn ich morgens erwachte. Nur, dass ich nicht wirklich erwachte. Es war, als würde ich in einem riesigen Meer treiben. Die meiste Zeit war alles um mich herum dunkel und tosend, nur hin und wieder hörte ich einen regelmäßigen Atem neben mir. Einmal sah ich sogar Kartheks Drachenkörper neben mir. Er hatte sich schlafend neben mir zusammengerollt. Gierig sog ich den Anblick ein. Wer wusste schon, wann ich ihn das nächste Mal zu Gesicht bekommen würde?

Dann tauchte ich wieder ab in die Dunkelheit.In das Tosen um mich herum. Manchmal hörte ich seine Stimme, als würde sie von einer Meeresbrise zu mir herüber getragen. Doch die meiste Zeit war ich gefangen von meinem eigenen Geiste. Oft fragte ich mich, ob es die richtige Entscheidung gewesen war, zurückzukehren. Doch immer, wenn ich soweit aus den Wellen dieses Meeres auftauchte, um ihn zu sehen, wusste ich die Antwort. Ich würde es wieder tun, allein, um ihn von Angesicht zu Angesicht zu sehen.

Und dann, ich wusste nicht nach wie langer Zeit, schien ich aus den Wellen aufzutauchen. Ich schlug die Augen auf und alles war wie früher. Aufgeregt richtete ich mich auf und schaute auf den zusammengerollten Drachenkörper um mich herum hinab. Wir befanden uns in einer dunklen Höhle irgendwo tief in einem Gebirge, doch das nahm ich kaum war. Jede Sekunde war kostbar. Schließlich konnte ich jederzeit wieder in den Welle versinken.

Karthek hob den Kopf. Lächeln fuhr ich mit der Hand über seine schimmernden Schuppen. Ich war zu Hause angekommen.

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