Leere Entschluldigungen
Leere Entschuldigungen
Erst an der Unterkunft der Elfen hielt ich inne. Einige Drachen hatten mich äußerst misstrauisch beäugt, aber das war mir in diesem Moment egal. Als Fero mich sah, grinste er.
„Oh, hallo Mina. Auch schon wach?“
„Ich bin gerade eben aufgewacht. Ist Ades da … ich meine wach?“
Fero nickte. „Er müsste gleich – Ah, da ist er schon.“
Ades kam hinaus auf den kleinen Platz und schaute sich um. „Ich glaube, du machst die Drachen ziemlich nervös“, sagte er leise. Tatsächlich schlichen einige Drachen misstrauisch um uns herum. Ich seufzte. „Gehen wir ein Stück?“ Die beiden Elfen nickten.
„Du hättest ihn gestern Abend sehen sollen, Mina“, raunte Fero mir ins Ohr. „Ich hab noch nie jemanden so fluchend aufwachen sehen. Das ist besonders eindrucksvoll, wenn dieser Jemand in so vielen Sprachen fluchen kann, wie Ades.“
Ich grinste. Die Ereignisse von gestern Abend wirkten so unglaublich weit entfernt. Kaum zu glauben, dass es erst ein paar Stunden her war. „Es tut mir wirklich Leid!“, sagte ich an Ades gewandt. „Auch ich bin nicht besonders … glücklich aufgewacht.“
„Das kann ich mir vorstellen“, erwiderte Fero lachend, während wir gemächlich die letzten paar Meter des Königsberges erklommen.
„Also, wie sieht unser Plan aus?“, fragte ich möglichst unauffällig.
Ades strich sich mit der Hand übers Kinn. „Wir überlegen uns eine Lösung für dein kleines Problem und du sorgst dafür, das niemand misstrauisch wird.“
„Und wie soll ich das bitte machen?“
„Zeig ihnen, dass alles wieder ist wie früher“, schlug Fero vor.
„Aber es ist nichts mehr wie früher!“, erklärte ich aufgebracht. „Und wenn sie endlich aufhören würden, sich selber etwas vorzumachen, würde ihnen das auch endlich klar werden.“
„Darauf können wir aber nicht mehr warten, Mina“, sagte er eindringlich. „Du warst selber der Meinung, dass wir die Zeit nicht mehr haben.“
Ich nickte niedergeschlagen. Es war nicht meine Art, anderen Leuten meine gute Laune vorzugaukeln. Fero legte mir eine Hand auf die Schulter. „Nun komm schon, es ist ja nicht für immer.“
Wir gingen zusammen den Berg hinauf, an den Drachenhöhlen vorbei und versuchten uns über möglichst belanglose Themen zu unterhalten. Als wir an Meladons Höhle angelangt waren, gingen die anderen weiter. Ich hingegen nahm meine Drachengestalt an und betrat nervös die Höhle. „Meladon, seid ihr da?“ Keine Antwort. Ich ging noch einen Schritt weiter und rief noch einmal. Es blieb still. Es war dunkel in der Höhle, doch meinen Augen bereitete das keine Probleme. Ich sah Schriftzeichen an den Wänden, doch ich verstand sie nicht. Ich trat noch weiter hinein. „Meladon?“ Immer noch blieb die Antwort aus. Je weiter ich kam, desto beschmierter waren die Wände. Ich versuchte die Zeichen zu entschlüsseln, aber sie waren mir völlig fremd. Neugierig trat ich noch näher.
„Mina!“ Ich zuckte erschrocken zusammen. Meladon stand direkt hinter mir. „Meladon, ich habe Euch schon gesucht.“ Ich drehte mich langsam zu ihm um. „Ich möchte mit Euch sprechen.“
Meladon senkte den Kopf. „Jeder Zeit, wollen wir nach draußen gehen?“
Ich nickte und wir gingen zurück an die frische Luft. Meladon führte mich durch die breiten Gassen, weg von seiner Höhle.
„Nun den, Mina, du wolltest mit mir reden?“
„Ja genau ...“ Ich zögerte und versuchte mir die Worte zurecht zu legen. „Es ist wegen gestern. Ich hätte nicht so mit Euch reden dürfen, Meladon.“ Ich wandte nervös den Blick ab, damit er die Lüge nicht in meinen Augen sah. „Ich habe heute Nacht nochmal über Eure Worte nachgedacht.“
„Und, zu welchem Schluss bist du gekommen?“, hackte Meladon nach. Ich seufzte innerlich. „Ihr habt wahrscheinlich für's erste Recht. Man sollte mit weiteren Aktionen warten, bis sich die Wogen da draußen wieder geglättet haben.“
Meladon drehte sich überrascht um. „Mina, es freut mich, dass du das sagst. Wir hatten befürchtet, dass dein Eifer dich oder uns noch in Gefahr bringen könnte. Schön, dass wir uns in diesem Punkt getäuscht haben.“
„Ja, wohl war“, sagte ich leise. „Ich war gestern einfach so aufgebracht, wegen all den Ereignissen in Weyena. Wahrscheinlich hätte ich Tekmeas Angebot damals annehmen und hier bleiben sollen.“ - „Nein, aber nein, Mina. Solche Dinge können durchaus lehrreich sein.“
Ich schluckte. Da hatte er tatsächlich Recht, wenn auch auf eine etwas andere Art und Weise. Trotzdem zwang ich mich dazu, ihm in die Augen zu sehen. „Es ist einfach ... Kann einfach wieder alles wie früher sein? Zumindest für ein paar Monate?“
„Auf jeden Fall!“ Meladons Augen leuchteten. „Und ich schlage vor, du gehst und unterrichtest Karthek und Rubeen davon. Die beiden haben sich große Sorgen wegen die gemacht. Und Tukiyan übrigens auch. Du musst Karthek ganz schön vor den Kopf gestoßen haben. Er hat dich wirklich sehr gern.“
Ich schluckte und schüttelte den Kopf. „Nein Meladon, ich ... ich werde mit ihnen reden. Wenn nötig sofort, aber ... das zwischen Karthek und mir ...“ Ich senkte den Blick. „Das hat nichts mehr mit den Ereignissen in Weyena zu tun oder vielleicht doch? Wir ... ich glaube, wir passen nicht mehr richtig zusammen. Es ist besser, wenn ich ihm keine falsche Hoffnungen mache. Irgendwann wird er schon darüber hinwegkommen.“
Meladon sah ernsthaft bestürzt aus. „Nun, wenn das so ist.“ Er seufzte und blieb stehen. „Ich will dich nicht länger aufhalten, Mina“, erklärte er. „Ich würde die gerne bei dieser Sache helfen, aber meine eigene Jugend ist wohl ein paar Jahre zu lang her. Geh und sprich mit Tukiyan und Rubeen und überleg dir das mit Karthek vielleicht noch einmal, wenn er erst einmal ein stattlicher volljähriger Drache ist, werden sich die Drachenweibchen um ihn reißen.“ Damit ging er den Weg wieder zurück, den wir gekommen waren und ich blieb zurück, mitten in der Drachenstadt, die langsam aus ihrem Schlaf erwachte.
„Mina!“ - Na toll, gleich der nächste. Ich drehte mich um und erblickte Tukiyan. Ich zwang mich zu einem fröhlichen Gesichtsausdruck und atmete tief los. Meladon hatte ich schließlich auch erfolgreich eine heile Welt vorgemacht. „Hallo Tuk, wie geht es dir. Wir haben uns lange nicht mehr gesehen.“
„Tatsächlich, es muss schon ein paar Tage her sein, ich komme gerade von meiner Wache in Inanaill“, erwiderte er ein wenig überrascht. Ich suchte nach passenden Worten und senkte den Kopf. „Entschuldige das, was ich damals gesagt habe, Tuk. Ich habe das nicht so gemeint.“
Er nickte. „Ich habe das nicht persönlich genommen, Mina. Ich kann dich ja verstehen. Niemand wird gerne eingesperrt.“
„Aber ich bin ja nicht eingesperrt, ich bin zu Hause“, sagte ich leise und hoffte, dass Tukiyan das Zittern meiner Stimme nicht auffiel. Scheinbar fiel es ihm nicht auf. „Ja, du bist wieder zu Hause.“
Ich atmete tief durch und schaute mich um. „Wo sind eigentlich die Zwillinge? Ich möchte auch mit ihnen ... sprechen.“
„Ich habe sie eben unten am Tor gesehen“, überlegte er. „Warte, ich begleite dich.“
Und so gingen wir nebeneinander weiter nach unten. Ich wäre lieber kurz allein gewesen, bevor ich die beiden, vor allem Karthek, wieder sah, doch ich wollte Tukiyan nicht schon wieder fortschicken. Also blieb ich in seiner Gesellschaft und versuchte mir im Stillen Worte zurecht zu legen. „Womit hast du dir eigentlich in den letzten Tagen so die Zeit vertrieben?“, fragte Tukiyan neugierig. Ein wenig zu neugierig vielleicht.
„Ich hab sie mit Fero verbracht und mit seinem Beuder, hast du Ades schon kennengelernt?“
Überraschenderweise machte der Drache nun ein nachdenkliches Gesicht. „Ja, ich habe diesen Ades schon kennengelernt. Er ist vielleicht ein wenig gewöhnungsbedürftig, aber sicherlich ganz nett ...“ Er zögerte und wich meinem Blick aus.
„Was ist Tuk?“, fragte ich vorsichtig nach. Er seufzte und überlegte sichtlich, wie er es formulieren sollte. „Es geht um Fero ... Er ist anders als früher. Er ... ich habe das Gefühl, er meidet mich, Mina. Er meidet auch die anderen Drachen.“
„Nun ja, er verbringt die Zeit eben mit seinem Bruder.“
„Dieser Ades ...“ Tukiyan verzog das Maul und senkte den Blick. „Mina, ich glaube wirklich, dass dieser Typ irgendwie gefährlich ist. Es ist nicht gut, wenn so viel Götterblut zusammenkommt. Da kommt selten etwas gutes bei raus. Ich hätte nie gedacht, dass Tekmea so ein Fehler unterlaufen würde, aber es ist nun mal passiert ... Er ist passiert.“ - „Tukiyan!“ Ich schaute ihn vorwurfsvoll an. Ich konnte ja viel ertragen, aber seine Formulierungen waren nun wirklich unwürdig.
„Schon gut“, sagte er nervös. Wir hatten schon beinahe den Fuß des Königsberges erreicht. „Es ist ja nur ... Versuch dich bitte von ihnen fernzuhalten. Oder zumindest von diesem Ades. Er ist gefährlich. Und wenn du von irgendwelchen ... seltsamen Plänen erfährst, die die beiden aushecken, dann sag Bescheid.“
Ich schaute ihn bestürzt an. Wusste er von meinem Plan? Wusste er, dass ich fliehen wollte? Ich suchte in seinen Augen nach der Antwort, doch Tukiyan wirkte ganz entspannt. Vielleicht hatte mich einfach nur seine Formulierung etwas alarmiert. Wir erreichten den Vorplatz und ich entdeckte die beiden grünen Drachen in der Nähe des Tors. Als Rubeen mich sah, kam er freudig auf uns zu gelaufen, als wäre ich für ein paar Tage fort gewesen. „Mina!“ Ich brachte etwas zustande, was in meiner Menschengestalt zumindest als gequältes Lächeln hätte durchgehen können und begrüßte ihn, wenn auch nicht ganz so überschwänglich. „Rubeen, schön dich zu sehen.“ Dann glitt mein Blick von ihm zu seinem Bruder. Meine neuen Traumerinnerungen meldeten sich zu Worte. Ich war ihm sooft in meinen Träumen begegnet, hatte jedes Mal erschrocken das Fehlen seiner Augen festgestellt. Konnte das Zufall sein? Ich musste später Ades danach fragen.
Karthek trat nur langsam zu uns und ich wandte mühevoll meinen Blick von ihm wieder auf seinen Bruder. „Und, wie geht es dir? Hast du dich von unserer Reise erholt?“
„Nun ja, ich denke schon“, antwortete er nervös lachend, während er von mir zu seinem Bruder und wieder zurück schaute. „Ich war eigentlich nur froh, wieder einen vernünftigen Schlafplatz zu haben.“
„Du verwohntes Prinzchen!“, scherzte Tukiyan, während er nicht minder nervös wirkte. „Kommst du kurz mit, Rubeen. Ich muss was mit dir besprechen ... oben.“ - „Oh ja, natürlich!“ Hastig folgte Rubeen dem älteren Drachen und die beiden verschwanden wieder in der Gasse. Ich schaute ihnen kopfschüttelnd hinterher.
„Hallo Mina.“ Verflucht, allein schon der Klang seiner Stimme war so vertraut. „Hallo Karthek.“ Wir schauten mühevoll aneinander vorbei. Karthek schaute auf etwas recht über mir und ich starrte einen Felsen links von ihm an. „Sie denken, dass das zwischen uns ... noch was werden kann, Tuk und Rubeen meine ich.“
Ich nickte. „Ja, das denken sie wohl.“
„Und ... was denkst du?“ Er hatte also die Hoffnung noch immer nicht aufgegeben? Ich konnte nicht anders, als ihn dafür noch mehr zu bewundern. „Ich denke, dass es schön geworden wäre.“
Er nickte, als hätte er mit so einer Antwort gerechnet. „Jaaaa, das wäre es wirklich.“
Ich seufzte und schaute auf den staubigen Boden zwischen uns. „Es kann trotzdem schön werden ... für dich, für mich, getrennt von einander meine ich.“ Doch Karthek schüttelte nur den Kopf. „Ich respektiere deine Entscheidung voll und ganz, Mina, aber ich werde mir nicht einfach jemanden anders als Ersatz suchen und wenn ich bis an mein Lebensende alleine bleibe .. Dann ist es halt so.“ Ich riss meinen Blick vom Boden los und starrte ihm direkt in die Augen. „Warum kannst du nicht einfach ... einfach ... Ich weiß es doch auch nicht besser. Kannst du mich nicht einfach vergessen?“
„Nie!“, sagte er fest und ich stöhnte auf. „Du bist verdammt nochmal der störrischste Esel, den ich je kennengelernt habe, Karthek!“, rief ich aus.
„Offenbar nicht störrisch genug für dich!“, konterte er. „Wie muss ich sein, damit du mich endlich nimmst, Mina? Was muss ich machen, damit du endlich verstehst, dass ich niemanden außer dir will!“
„Du machst es alles nur noch schwieriger Karthek!“ Meine Stimme überschlug sich. Als Mensch ständen mir jetzt schon die Tränen in den Augen. „Jeder andere hätte sich damit abgefunden, aber du ... du ... Willst du denn nicht verstehen, warum ich das machen? Denkst du wirklich, ich mag dich nicht so wie du bist?“
„Oh, du magst mich? Dann bin ich wohl einfach nicht gut genug für mehr!“ Er sah mich wütend an und in seinen Augen tobten mir bisher unbekannte Mächte. „Wer ist denn richtig für dich? Dieser Halbwaleen Junge oder eher der Magier? Ach und dann wären da noch Fero und der seltsame Mischtyp, den er seinen Bruder nennt. Ist einer von denen gut genug um geliebt zu werden oder reicht es bei ihnen auch nur zum Mögen?“
Ich schaute ihn verzweifelt an. Vielleicht sollte ich lieber gar nichts sagen. Bis jetzt hatte alles, was ich gesagt hatte, die Situation nur noch schlimmer gemacht. Als ich also nichts erwiderte, fuhr Karthek fort, leiser diesmal. „Ich weiß, dass du dich nicht von einem Tag auf den anderen änderst. Ich weiß, dass du all die Entschuldigungen, die du heute verteilt hast, nicht wirklich ernst gemeint hast. Ich weiß, dass du den Menschen, Elfen und was auch immer da draußen helfen willst und Hey, ich respektiere deine Meinung! Du kannst lieben wen du willst, aber verlange nicht von mir, dass ich mich der nächstbesten an den Hals werfe, nur weil ich dich nicht bekommen kann.“ Ich schaute ihn nur schockiert an, also fuhr er mit ruhigerer Stimme fort. „Keine Angst, niemand wird von mir davon erfahren, eigentlich solltest du das wissen. Ich hab in Weyena schließlich auch das mit dem Magier geheimgehalten.“ Er schluckte und ließ den Kopf hängen. „Ich wünsch dir wirklich Glück, Mina, wirklich!“ Damit schwang er sich in die Luft und ich blieb als ein Häufchen geschupptes Elend zurück.
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SO, das nächste Kapitel für alle, die nicht gerade im Urlaub sind. Es ist nicht so lang wie das letzte, aber ich versuche gerade ein bisschen auf Vorrat zu schreiben, damit ich euch die drei Urlaubswochen, die bald kommen, auch etwas liefern kann.
Schöne Ferien, allen die welche haben,
lg. Magicstarlight
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