Klare Worte

Jaaa, sie lebt noch ... und sie hat ein neues Kapitel mitgebracht. Es tut mir wie immer Leid, dass ihr so lange habt warten müssen, aber ich kann es nun leider nicht mehr ändern.

Vielleicht als grober Überblick: In den vorhergehenden Kapiteln hat sich Sern-Minos von Sovine verabschiedet, bevor er dem Tod entgegengegangen ist und Mina ist mit Karthek nach Iyotea an die Küste gegangen, nach dem der Palast von Oziim-Dwa vor ihren Augen eingestürzt ist. Sie weiß nun, dass sie Solana besiegen muss, wie es bereits die Traumjäger von Oziim-Dwa getan haben. Denn wer im Tairasy stirbt, ist dort für immer gefangen. Nach einiger Zeit in der Stadt treffen sie dort auch Sovine, die Sern-Minos nachtrauert und im Gespräch erfahren Karthek und Mina, dass sich bei den Drachen wohl so einiges regt ...

Und damit sind wir im nächsten Kapitel, Klare Worte werden gewechselt ;)

GANZ LIEBE GRÜẞE UND DANKE FÜR DIE GEDULD,
magicstarlight

_______________________________________________________________________________

Klare Worte

Sovines Haus in Iyotea war nicht übermäßig groß oder prunkvoll und tarnte sich erfolgreich im für meinen Geschmack immer noch zu weißen Meer aus Häusern. Sie öffnete uns schweigend die Tür und ließ uns ein, ehe sie uns folgte und die Tür erst abschloss und dann zusätzlich mit mehreren Zaubern sicherte. Ich warf ihr einen skeptischen Blick zu und sie zuckte mit den Schultern. „Ich habe vor euch Dinge zu erzählen, die der Meinung des Rates nach noch nicht einmal für deine Ohren bestimmt sind, Mina. Ich mag Regeln hin und wieder nicht ganz so ernst nehmen wie die anderen, aber bei solchen Dingen möchte ich wirklich kein Risiko eingehen. Geht schon einmal vor, einfach durch die Tür da. Ich sag Jorra kurz Bescheid und bin dann sofort bei euch.“ Sie schenkte uns ein gezwungenes Lächeln und verschwand durch eine Tür auf der anderen Seite des Eingangsbereich.

Karthek schaute ihr neugierig nach und hielt mir dann die Tür auf, die Sovine uns gezeigt hatte. Sie führte in einen großen hellen Raum mit großen Fenstern. In der Mitte stand ein runder Tisch aus dunklem Holz und an den Wänden standen hohe Regale, die vor Büchern förmlich überquollen. Und nicht nur die Regale quollen über. Überall schienen sich Bücher zu stapeln. Außerdem gab es seltsame Instrumente und Modelle, manche groß und klobig, andere so filigran, dass man befürchten konnte, ein Lufthauch würde sie zerstören. Einige standen ordentlich in den Regalen, die meisten aber schienen einfach dort zu stehen, wo gerade Platz gewesen war. Der grüne Teppich, der bereits den Boden im vorherigen Raum bedeckt hatte, war hier nur an wenigen Stellen noch wirklich zu erahnen. Ebenso übrigens auch die Tapete. Denn dort, wo die Wände nicht von schwer beladenen Schränken und Regalen verstellt waren, hingen große Landkarten, Skizzen oder Pläne. Trotz der allgemeinen Unordnung war der Raum nicht dreckig oder staubig … auf irgendeine verquere Weise schien hinter alle dem ein System zu stecken und der Raum war einfach … voll.

Karthek schaute sich grinsend um. „Also das nenn' ich ein Zimmer.“ Er schien sich wirklich wohl zu fühlen. Vorsichtig arbeiteten wir uns zum Tisch hindurch und wichen auf dem Weg etlichen wackeligen Bücherstapeln aus. „Was denkst du, was jetzt kommen wird?“, fragte mein Drachenbegleiter, während sein Blick noch immer durch den Raum schweifte. „Was stellen Meladon und die anderen jetzt wieder an?“

Ich zuckte mit den Schultern, denn es war wahr. Ich hatte nicht die geringste Ahnung und außer einem unguten Gefühl im Bauch, blieben mir nichts als wage Vermutungen. „Ich habe nicht den geringsten Schimmer … aber, Karthek?“

„Hmm?“ Er drehte den Kopf und schaute wieder zu mir herüber.
„Egal was sie uns jetzt erzählen wird … Ich … bitte … denk einfach daran, was sie gerade verloren hat“, murmelte ich leise, aus Angst, Sovine könnte uns hören. „Sie mag älter sein als man es ihr ansieht und genug Selbstkontrolle haben, um es mehr oder wenige vor uns zu verbergen … aber ich glaube nicht, dass sie so schnell darüber hinweg kommen wird.“

„Natürlich.“ Karthek senkte den Blick auf sein Füße. „Sie kannten sich sicherlich mehrere hundert Jahre … ich meine, ich habe von Drachen gehört … wir leben ja auch mehrere Jahrhunderte, sogar Jahrtausende, wenn wir das Glück haben. Wenn jemand stirbt, den man so lange gekannt hat … es muss mehr als ein Schock sein.“

„Ja schon ...“ Man hörte bereits gedämpfte Schritte, also senkte ich die Stimme rasch. „Aber … stell dir eher vor, wie es wäre, wenn wir beide ein Drachenleben lang zusammen verbracht haben und dann würde einer von uns sterben.“

Er hatte sichtlich mit dieser Vorstellung zu kämpfen. „So nahe standen sie sich?“, fragte er schwach.

Ich nickte. „Ich glaube schon ...“ Sovine betrat den Raum und ich brach ab, bevor sie das Thema unseres Gespräches wirklich erfassen konnte.

„Entschuldigt die Unordnung … hätte ich gewusst, dass ich Besucher haben werde, während meiner Zeit hier … oder … naja, eigentlich sieht es hier immer so aus, egal welcher Besuch ansteht. Ich bin einfach nicht so ordentlich.“ Sie stockte kurz, ehe sie zu uns an den Tisch kam und hastig anfing, etwas Platz auf der vollgestellten Fläche zu machen. „Jorra bringt gleich etwas zu essen vorbei … ihr seit sicherlich hungrig …“ Mit fahrigen Bewegungen ließ sie einige uralt aussehende Pergamentrollen auf den Boden neben den Tisch fallen und stieg dann über sie hinweg, um zu einem der Fenster zu gelangen. Bei einem nach dem anderen zog sie die schweren dunklen Vorhänge zu und sperrte so das fröhliche Sonnenlicht erfolgreich aus. Als Ersatz entzündete sie ein paar Kerzen, die sie auf den nun beinahe sauberen Tisch stellte und dann damit begann, auch die Fenster mit speziellen magischen Schutz Vorrichtungen zu belegen. „Setzt euch ruhig schonmal!“, rief sie über die Schulter hinweg und stolperte infolgedessen beinahe über das Modell einer Stadt, dass auf dem Boden aufgebaut war. Nicht alle Häuser hielten dem unerwarteten Erdbeben stand, doch Sovine zuckte nur mit den Schultern. „Naja, Tadavii hat schon schlimmeres erlebt ...“

„Tadavii?“, fragte Karthek neugierig, während er sich auf einen der Stühle fallen ließ.
„Die Stadt hier … sie liegt an der Küste etwas weiter westlich von hier und hat schon einige Fluten überlebt … wenn auch nur in Trümmern. Haben einfach etwas Pech bei der Ortswahl gehabt, die Bewohner dort … Komplizierte Strömungen sorgen dafür, dass die andauernd nasse Füße haben … Wir haben damals versucht, was dagegen zu unternehmen, deswegen das Modell, war aber nicht sonderlich erfolgreich … aber genug davon.“ Sie hatte nun auch das letzte Fenster verdunkelt und magisch abgeriegelt und kam nun zum Tisch zurück. Sie nahm sich widerstrebend uns gegenüber Platz und senkte den Blick auf die Tischplatte, als wäre sie plötzlich überaus faszinierend. Eine Weile lang saßen wir schweigend da. Karthek wippte ungeduldig mit dem Fuß, aber zumindest konnte er sich jegliche Kommentare erfolgreich verkneifen.

„Sovine?“, fragte ich vorsichtig und sie hob den Kopf, als wäre sie aus einem Traum erwacht. Sie machte ein schuldbewusstes Gesicht.

„Tut mir Leid, Mina, ich meine wirklich … Wir verlangen soviel von dir und dabei bist du noch so jung und weißt erst seit ein paar Jahren, dass du eine Oldiin bist … Und dann verbietet der Rat dir den Zugang zu so wichtigen Informationen, es macht mich immer wieder wahnsinnig. Aber wo soll ich anfangen ...“

„Bei den Drachen ...?“, warf Karthek mit hochgezogenen Brauen ein und Sovine senkte den Blick. Ich verpasste ihm unter dem Tisch einen gut platzierten Tritt gegen das Schienbein und er verzog genervt das Gesicht.
„Vermutlich ... ja … Oh!“ Sie erhob sich wieder, als eine Frau mit schwer beladenen Tellern den Raum betrat. „Danke Jorra“, sagte sie ihr mit gesenkter Stimme, nahm ihr das Essen ab und platzierte es auf dem Tisch. Das Dienstmädchen, Jorra, verließ den Raum augenblicklich wieder und schloss die Tür lautlos hinter sich. Offenbar war sie es gewöhnt, dass Dinge besprochen wurden, die nicht für ihre Ohren bestimmt waren. „Bedient euch!“ Damit nahm Sovine wieder Platz und ihr Blick wanderte zurück auf ihre Hände. „Es ... sind genau gesagt noch keine kriegerischen Handlungen vonseiten der Drachen ...“, begann sie und sofort erfasste mich das ungute Gefühl, dass ich bereits wusste, in welche Richtung das Gespräch gehen würde. „Tekmea und die anderen Diplomaten in Area ... gehen davon aus ... oder besser, sie vermuten ... Ach verflucht, ich bin nicht gut mit Verhandlungen und eine noch schlechtere Rednerin ... Das Problem ist ... unser Problem ist ... das Tekmea vermutet, die Drachen würden in nächster Zeit einen Krieg gegen den ganzen Bösen Rest der Welt von Zaun brechen. Sei es nun, weil sie wirklich auf eine seltsam verquere Weise glauben, du würdest gegen deinen Willen von den Drachen getrennt sein oder weil sie der Meinung sind, sie könnten dich durch kriegerische Handlungen zur Rückkehr zwingen. Vielleicht ist es auch irgendwas daszwischen.“ Ein kurzer Blickwechsel mit Karthek zeigte mir, dass er genau wie ich zu letzterem tendierte. „Das Einzige, was sich mit Sicherheit sagen lässt ist, dass die Drachen alle Elfen vorübergehend aus dem Land verwiesen haben, zu ihrer eigenen Sicherheit, wie Meladon betont hat.“ Sie holte tief Luft und ließ die Wort sinken.
Kartheks Gesicht war wie versteinert und ein Stück zu emotionslos, um seinen wirklichen Gemütszustand widerzuspiegeln. „Gab es weiteren Kontakt zwischen den Elfen und Inur-Entora?“
Sovine schüttelte bedrückt den Kopf. „Area ist seit einigen Tagen völlig abgeschottet, auch gegenüber Ku-Enefk. Tekmeas Prognosen klingen alles andere als berauschend.“
Okenek!Timniria Tortenjek !“, polterte mein Freund urplötzlich und sowohl Sovine als auch ich fuhren zusammen. „Entschuldigung ...“, murmelte er und wischte sich mit der Hand über das müde Gesicht. Ich stellte fest, dass die kleine, gewöhnliche Geste meine Lage besser beschrieb, als alle Worte.

„Das ist einfachstes Kriegsprotokoll. Alle Drachen in Inanaill und Inur kennen es, weil unsere einzige Aufgabe die Verteidigung der Stadt ist. Die Elfen werden nach Ku-Enefk geschickt, außer sie sind direkt involviert. Natürlich immer zu ihrer eigenen Sicherheit ...“ Karthek und ich schnaubten beinahe gleichzeitig. Er warf mir einen kurzen Blick zu und unter dem Tisch fand seine Hand die meine. „Es steht zwar nirgends geschrieben, aber in Wirklichkeit wollen die Mächtigen einfach nicht, dass die Elfen ihnen irgendwie reinreden. Meladon hatte nie eine Schwäche für irgendwelche vernünftigen Phrasen von Tekmea. Über tausend Jahre alt, aber statt weise zu werden, wird er nur sturer … Okenek!“

„Karthek ...“ Es war schlimm, ihn so zu sehen. „Was kommt danach im Protokoll?“

Er atmete tief durch und verbarg das Gesicht in den Händen. Der kleine Kontakt unter dem Tisch war gebrochen. „Die Grenzen werden geschlossen. Alle Grenzen.“ Seine Stimme klang leicht gedämpft durch die Handflächen. „Es wird Tag und Nacht patrouilliert … als ob es jemand wagen würde in ein Land voller Drachen zu rennen, wenn die gerade am Durchdrehen sind …“ Er lachte bitter. „Sie werden alle brauchbaren Drachen in Richtung Inanaill bringen … Also alle Drachen. Ich meine, einem Menschen oder Elfen ist es doch egal, ob der Drache vor ihm männlich, weiblich, steinalt oder jung und unerfahren ist ...“ Er zupfte an seinem Hemd. „In diesem Körper sehen sogar Pferde schon bedrohlich aus … Meladon wird sich mit den Stadtherren und Kartanan in seiner Höhle verkriechen und niemand darf sie dabei stören … Was danach folgt, entscheiden sie. Ich glaube, erst ein oder zwei Mal haben sie danach wirklich einen Krieg angefangen, aber wenn es um dich geht, Mina ...“

„... Sind sie weder vernünftig noch berechenbar ...“, ergänzte Sovine den Satz und nickte mit bitterer Miene. „Das gleiche hat Tekmea auch gesagt, beinahe sogar mit dem gleichen Wortlaut. Und deshalb wollen sie dich aus der Schusslinie haben.“

„Aber das ist doch Schwachsinn!“ Die Worte kamen lauter heraus, als ich es beabsichtigt hatte. „Tut mir Leid, aber wen wollt ihr denn den Drachen entgegenschicken, wenn sie kommen? Menschen? Du hast Karthek gehört. Du kannst einen Drachen nicht mit ein paar Soldaten in die Flucht schlagen, geschweige denn ein verrücktes Drachenheer … Und wer will sonst handeln? Waleen mischen sich nie ein. Die Feuerelfen würde ihre letzten diplomatischen Kontakte zu Inur-Entora in den Sand werfen, wenn sie sich auf die andere Seite schlagen würden ...“

„Tekmea zieht es in Betracht“, kam es kaum hörbar von Sovine.

„Bitte was?“

„Sie würde gegen sie in den Kampf ziehen, sobald die ersten Menschenleben in Gefahr wären“, erklärte Sovine betreten. „Sie hat es offiziell erklärt und ihr Volk folgt ihr blind. Sie meint … sie meint, sie seien die Einzigen, die die Drachen noch empfindlich treffen können, vor allem nach so vielen Jahren des freien Austauschs von Informationen.“

Von Karthek kam ein seltsames Geräusch, das ich nicht wirklich identifizieren konnte. „Verrat … selbst wenn kein so impulsiver Herrscher wie Meladon an der Macht wäre, würde kein Drache es den Elfen jemals verzeihen. Die freundschaftlichen Verhältnisse wären für immer zerstört.“

„Na und?“ Nun wurde auch Sovine lauter. „Dann sind halt die Elfen und die Drachen nicht mehr beste Freunde, wenn die Zerstörung kommt und die Drachen Mina nicht loslassen, dann werden befreundete Völker ebenso sterben wie verfeindete. Es geht um weit wichtigeres!“

„Könnten die Magier nicht versuchen, etwas … irgendwas zu tun? Sie waren bisher immer diejenigen, die noch am ehesten etwas gegen die Drachen ausrichten konnten“, versuchte ich den Konflikt zu klären, doch scheinbar war das keine gute Idee gewesen. Sovines zuvor noch wütendes Gesicht wurde plötzlich bleich und ausdruckslos.

„Die Magier … sind in vielen Dingen den Drachen sehr ähnlich.“ Zu meiner Überraschung kam kein einziges Wort des Widerspruchs von Kartheks Seite. „Sie sind ähnlich mächtig, auch wenn ihre Macht der der Drachen völlig unähnlich ist. Sie haben gerne ihre eigenen Systeme, setzen sich gerne ab.“ Sie schüttelte verständnislos den Kopf. „Sie sind ähnlich stur und besitzergreifend. Wehe, jemand nimmt ihnen etwas weg, das sie als ihr Eigentum bezeichnen. Sern-Minos hatte ein Leben lang damit zu kämpfen.“ Karthek senkte bei der Erwähnung des toten Oldiins den Kopf. „Die politische und militärische Macht liegt in den großen Städten der Magier. Dort sitzen die Räte der Stadt. Die einzige sichere und unabhängige Verbindung, die wir Oldiin in die Netashka-Wüste gehabt haben, ist nicht mehr.“ Ihre Stimme war belegt und man konnte die Tränen, die von Jahrhunderte langer Selbstkontrolle in Schach gehalten wurden, förmlich heraushören. „Ich weiß nicht, wie viel sie bereits wissen, aber in den Räten wird der Teufel los seien. Ihr Oldiin ist tot und sie haben niemanden, dem sie wirklich die Schuld geben können. Zumindest niemanden, dem sie auch nur annähernd gewachsen wären. Sie werden umorganisieren … ohne Sern-Minos. Sie müssen schauen, wer den Posten des offiziellen Repräsentanten einnimmt. In jedem anderen Zeitalter wären die Magier die Ersten gewesen, die mit Freude gegen die Drachen vorgehen würden, aber nicht jetzt. Nicht so kurz nach dem schlimmsten Verlust in ihrer Geschichte.“

„Umso leichtsinniger ist es, mich aus alledem heraus zuhalten“, gab ich mit nun ruhigerer Stimme zu bedenken. „Ich könnte mit ihnen reden.“ Karthek schnaubte ohne das Gesicht aus den Händen zu heben und ich zuckte hilflos mit den Schultern. „Es werden ja nun nicht alle Drachen so verdrehte Ansichten haben wie Meladon. Wenn ich nur mit ihnen Kontakt aufnehmen könnte ...“

„Das Risiko können wir nicht eingehen … Wenn die Drachen dich daran hindern, deine Aufgabe auszuführen ...“

„Die Einzige, die ein Risiko eingehen kann, ist Mina!“, fuhr Karthek scharf dazwischen. „Sie ist genauso wenig euer Eigentum, wie sie das Eigentum der Drachen ist.“ Sovine verstummte und ein kühles Schweigen legte sich über den Raum, nur unterbrochen von Karthek, der tief durchatmete, ehe er zu einer weiteren Entschuldigung ansetzen konnte. „Sovine ...“

„Nein, nein. Verflucht, ja, du hast Recht, Karthek. Natürlich hast du Recht. Niemand besitzt Mina … aber ihr müsst doch auch einsehen … es geht um so viel und die Drachen sind nunmal nicht für ihre Einsichtigkeit bekannt. Nichts für ungut ihr beide, aber so ist es nunmal.“

„Also werden sich die Elfen gegen die Drachen stellen?“, fragte ich bitter. So ungern ich es für wahr haben wollte, aber Sovine erzählte uns hier schließlich nichts Neues. Drachen waren engstirnig und im Zweifelsfall verhielten sie sich auch gerne völlig realitätsfern und ohne jede Vernunft.

„Natürlich werden wir versuchen, unseren Teil dazu beizutragen“, erklärte Sovine rasch, sichtlich froh, dass die allgemeine Stimmung wieder etwas weniger explosiv war. „Die Wildermenschen sind zwar kein Krieg-erprobtes Volk, aber wir wissen uns zu wehren. Und die bisherigen Gespräche haben ergeben, dass die Waldelfen sich ebenfalls bis zu einem bestimmten Maß an einer militärischen Lösung beteiligen würden, wenn auch sehr widerstrebend.“

„Das kann ich mir vorstellen ...“

„So wie es aussieht, haben wir alle unsere Makel.“

„Allerdings …“ Karthek ließ die Hände sinken und ich wusste, was in seinem Kopf vorging. Jemand, dessen Volk gerade zum großen Schlag ausholte, konnte wohl kaum andere Völker für ihre Eigenheiten verdammen.

„Und ich verstecke mich irgendwo möglichst weit weg vom Krisenherd?“ Die Entmutigung schwang mit jedem Wort mit.

„Wenn es nach Eramons Meinung geht, dann ja ...“

„Und es geht immer nach Eramons Meinung, ich weiß, ich weiß ...“ Es war das Schlimmste an der ganzen Situation. Diese ganze aufgezwungene Untätigkeit, die Nutzlosigkeit.

„Mina muss lernen, mit dem Schwert umzugehen!“, kam es plötzlich völlig überraschend von Karthek. Sowohl Sovine als auch ich schauten den Drachen verdutzt an.

„Das hattet ihr bereits erwähnt, ja ...“

„Du hast uns angeboten, dass jemand von euch Ukleenry es ihr beibringen könnte.“
Sie nickte langsam. „Das wäre sicherlich kaum ein Problem, ja. Wir haben Schwertmeister und sie würden sich sicherlich darum reißen, Mina zu unterrichten. Dich übrigens auch, wenn du dich dafür interessierst.“

„Was denkst du?“, fragte er sanft und seine Finger schlossen sich wieder um meine. „Wäre das eine Möglichkeit? Ich weiß, es ist alles andere als zufriedenstellend und die Untätigkeit bringt mich jetzt schon um, aber manchmal muss man anerkennen, dass man keine Kontrolle mehr über die Situation hat.“

„Denkst du, es wäre ein Risiko, Rubeen oder Tukiyan zu kontaktieren?“, wollte ich leise wissen.

Er schluckte und seine Miene verfinsterte sich. „Ich … habe keine Ahnung, ob die beiden noch diejenigen sind, mit denen wir mal befreundet waren. In noch so kurzer Zeit kann manchmal so viel geschehen ...“

„Aber Rubeen ist dein Zwillingsbruder!“

„Umso bedenklicher, dass ich ihm nicht mehr voll vertrauen kann, nicht wahr ...“ Er legte seine andere Hand über unsere verschränkten Finger. „Und das Risiko, dass sie unseren Aufenthaltsort herausfinden könnten ist groß. Ich weiß, am Ende liegt die Entscheidung bei dir ...“

„... Aber es steht so viel auf dem Spiel ...“ Langsam ließ ich den Blick auf unsere Hände sinken. „Ich verspreche dir hiermit, Karthek, dass die Zeit kommen wird, in der du deiner eigenen Familie wieder vertrauen kannst. Und wenn ich selbst dafür Sorgen muss.“

Er lächelte schwach. „Du bist jetzt meine Familie und das ist mehr, als ich mir jemals zu wünschen gewagt habe.“

„Wir gehen mit Sovine in die Wilderlande ...“ Es war keine Frage, aber es war auch nicht selbstsicher genug geäußert, um eine richtige Entscheidung zu sein.
„Das wäre es, was ich vorschlagen würde“, stimmte Karthek zu. „Wie gesagt, es ist nicht zufriedenstellend, aber es ist alles, was wir bis jetzt noch tun können.“

„Wohl wahr ...“ Seufzend wandte ich mich wieder Sovine zu, die die ganze Unterhaltung geduldig beobachtet hatte. „Wir werden mit dir kommen Sovine, aber sollte es auch nur den geringsten Anschein dafür geben, dass wir gebraucht werden … wenn Menschen zu Schaden kommen … dann hält uns nichts, absolut gar nichts dort und wir brechen sofort auf.“

Sie nickte. „Das ist mehr als wir verlangen können. Wenn ihr wollt, können wir so bald wie möglich abreisen. Heute Nacht aber ...“

„Wir sollten die anderen informieren, ich weiß.“ Ein weiterer Seufzer bahnte sich seinen Weg nach draußen. Meine Vorfreude war alles andere als übermäßig.

„Ich kann dich zu nichts verpflichten, dass weiß ich“, fing sie nun vorsichtig an und ich schaute überrascht auf. „Aber wäre es möglich, die anderen über dieses Gespräch erst einmal im Dunklen zu lassen? Diese ganze Thematik ist für uns alle mehr als problematisch und ich will gerade in diesen komplizierten Zeiten den Konflikt nicht noch größer machen, als er eh schon ist.“

„In Ordnung“, stimmte ich schnell zu. Das bisschen lügen war nun wohl auch kein Problem mehr. „Ich weiß von nichts und komme einfach mal mit, um die schöne Landschaft zu bewundern und ein bisschen mit dem Schwert herum zu fuchteln. Ich werde versuchen, so überzeugend wie möglich zu sein.“

„Danke ...“ Sie strich ihr Gewand gerade und lehnte sich in ihrem Stuhl zurück. „Und nun nochmal ganz von vorne … was ist in Oziim-Dwa jetzt genau passiert und warum bei allen Götter seid immer ihr beide in der Nähe, wenn irgendwo irgendwas passiert?“

Bedrücktes Schweigen. Darin waren Politiker immer am besten. Sovine hatte es immer gewusst. Sie wusste auch, dass es nicht richtig war, so über die anderen zu denken. Sie tat es trotzdem. Mina hatte sich nichts anmerken lassen, hatte mit undurchsichtigem Gesichtsausdruck ihre Geschichte erzählt. Von Oziim-Dwa, den Neskevou und von ihrer geplanten Weiterreise.

Die anderen Oldiin hatten in einem Kreis um sie herum gesessen. Im Schneidersitz auf dem seltsamen weißen Untergrund, der aussah wie eine riesige Wolke. Sern-Minos hatte es immer gehasst, den Ort so leer zu sehen. Es erinnerte ihn an die Wüste, so hatte er es ihr einmal erklärt. Das war nun sicher schon zehn, zwanzig Jahre her. Eine viel zu lange Zeit und doch, im Vergleich zu ihrem Leben, nur ein Wimpernschlag. Er hatte den Wald geliebt. Die bunten Laubwälder, in denen Sovine immer zu Hause gewesen war. Die Küste hatte er ebenfalls gemocht, aber mit einem Schiff mitten auf dem Meer zu sein, hatte ihn bedrückt. Er wollte Abwechslung. Der immergleiche Raum des Tairasy war für ihn die schlimmste Folter überhaupt. Sovine hatte diese Eigenschaft übernommen.

Die Neskevou erstatten dem Geist von Oziim-Dwa die letzte Ehre“, hatte Volkum erklärt. Seinen Kopf hatte er gesenkt gehalten. Der Vorfall nahm ihn sehr mit, dass sah jeder sofort.

Wir sollten alle einmal dorthin reisen“, schlug Eramon vor. „Es wäre gut, den Neskevou unser Mitgefühl auszudrücken. Es ist ein unheimlicher Verlust.“

Tekmea nickte, Zitamun stimmte zu. Volkum nahm die Versprechen stumm zur Kenntnis. Eramon richtete seinen fragenden Blick nun auf Sovine. Seine grauen Augen wie immer darauf erpicht, alles und jeden zu durchschauen. Eine ebenso bewundernswerte wie beängstigende Eigenschaft.

Und was ist mit dir, Sovine?“

Vielleicht doch nicht so bewundernswert. Hatte er doch das Wichtige … das Entscheidende völlig übersehen. Minas Blick klebte auf ihr. Mitleid schimmerte in den braunen Augen.

Sern-Minos hat sich letzte Nacht verabschiedet.“ Es waren nur ein paar Worte, die sie ohne jegliche Rücksicht auf Verluste in das Gespräch purzeln ließ. Geschockte Gesichter blickten ihr entgegen. Tekmeas immer-strenge Züge wurden weicher.

Warum sagst du das erst jetzt?“, fragte Zitamun entsetzt.

Es tut mir so Leid, Kleine.“ Volkum richtete sich auf und kam zu ihr hinüber. Nach kurzem Zögern legte er ihr die langen dünnen Arme um die Schultern.
„Wir müssen unbedingt schauen, ob wir die Magier noch darüber in Kenntnis setzen müssen“, gab Zitamun zu bedenken, doch die anderen ignorierten ihn, zumindest für diesen Augenblick.

Wirst du damit klarkommen?“, fragte Tekmea mit ernstem Gesichtsausdruck.

'Was würde sie wohl tun, wenn ich verneinen würde?', fragte sich Sovine einige Augenblicke lang, ehe sie bejahte.

Ich werde erst einmal nach Hause gehen. Ich hab Fuoco schon wieder so lange nicht gesehen“, erklärte sie mit eiserner Miene. Volkums Arme um sie herum versteiften sich.

Während zu planen begannen, wer die Magier informieren sollte und wie man es am besten formulieren könnte, verharrten die beiden Oldiin in der Position.

Versprich mir, dass du nichts dummes tun wirst, Kleine!“, verlangte Volkum so leise, dass nur sie es hören konnte.

Ich schwöre es!“

Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top