Jeorelan, Gott der Drachen

17. Tag der Vizia

Am nächsten Morgen wurde sie von Bynas sanfter Stimme geweckt.

„Wir müssen jetzt los, in zwei Stunden geht die Sonne Galdiin auf.“

Mina setzte sich verschlafen auf und schaute sich in der Höhle um. Sie brauchte ein wenig, bis sie wieder wusste wo sie war. In der Höhle war es noch dunkel. Nur wenige Ysankanirillen brannten noch und der Höhleneingang lag finster da. Schnell stemmte sie sich hoch und schlüpfte in das hellrote Kleid und ihr neuen Schuhe. Das Nachthemd und das blaugrüne Kleid wickelte sie in ihren alten Mantel. Dann warf sie sich den neuen über die Schultern. Byna geleitete sie vor die Höhle. Dort stand Tukiyan und schaute besorgt in den dunklen Himmel. Auch Mina warf einen Blick nach oben, konnte aber nicht erkennen.

„Was ist los?“, fragte sie Fero, der direkt neben dem minzgrünen Drachen stand.

„Das Wetter sieht ziemlich schlecht aus.“, sagte dieser leise. Sie schauderte, auf dem Rücken eines Drachen mitten durch ein Unwetter. Fero nahm ihr Bündel und klopfte ihr sanft auf die Schulter. Tukiyan drehte sich zu ihnen um.

„Kommt wir müssen los.“, er lies sich auf den Boden sinken und Fero half Mina beim Aufsteigen. Dann erhoben sich Tukiyan und seine Schwester in die Luft. Die erste Zeit schwiegen sie. Mina blickte hinab und sah die Ebene. Sie lag dunkel unter ihnen und man konnte wenig erkennen. Der Mond schien silbern auf Gräser und Sträucher doch auch so konnte man die Landschaft nur erahnen. Tukiyans Rücken durchliefen in regelmäßigen Abständen Wellen, die seine Schuppen glitzern ließen. Fero schien tief in Gedanken versunken zu sein. Erst als die Sonne die Ebene zu erleuchten begann, schreckte er wieder aus seinen Gedanken hoch. Er bot Mina etwas Brot an und begann dann ihr von Inur-Entora zu erzählen. „Diese Stadt ist nicht besonders groß, aber sie ist schon sehr alt. Sie liegt mitten im schützenden Paluween, einem riesigen Gebirge, das sich noch bis nach Ku-Enefk fortzieht. Ku-Enefk ist Alael und bedeutet Feuerland. Dort leben wir und bald auch du. Aber nun zu Inur-Entora. Der einzige Weg in diese Stadt zu kommen geht durch die Feste von Inanaill und diese Feste ist gut bewacht. Tukiyans Vater Kartanan selbst ist der Heermeister der Feste. Sie ist um einiges größer als Inur, aber die Höhlen sind wie bei Inur-Entora in den Fels der Berge gehauen. Ach und die Berge sind pures Erias, unzerstörbarer Fels, den es nur hier in Area, in Ku-Enefk und im großen See gibt. Dazu können nur Ysakani und der Feueratem der Drachen dieses Gestein verformen. Inanaill ist so gesehen unzerstörbar und dazu besetzt von mehr als 50 Drachen die den Eingang zu Inur-Entora beschützen.“

Er lachte und der Wind lies sein Lachen durch die Luft schweben.

„Wird Inanaill denn oft angegriffen?“, fragte Mina erschrocken.

„Nein, seit der Vereinigung vor 2344 Jahren ist Inanaill eigentlich überflüssig, aber die Drachen, vor allem die Älteren, die schon vor der Vereinigung gekämpft haben, denken ziemlich konservativ. Die meisten trauen dem Frieden nicht.“

„Drachen werden SO alt?“, fragte Mina erstaunt.

„Ja, ich glaube Avredon, der Drachenmagier ist älter als 3000 Jahre, aber er ist Magier, das zieht die Lebenszeit nochmal ein Bisschen.“

Mina schwieg. Nun konnte sie die Ebene unter sich schon viel besser erkennen. Kleine Bäume glitzerten im Sonnenlicht. Etwas später konnte sie auch Seen erkennen. Erstaunt beobachtete sie wie die Ebene unter ihr immer üppiger und natürlicher wurde. Fero schaute ihr lächelnd zu.

„Kaum ein Mensch hat je mehr als den Norden und den Osten dieses Landes gesehen. Dabei lebt das Land doch erst im Inneren richtig.“

Er lehnte sich zurück und blickte ebenfalls nach unten. Sie überflogen nur wenige kleine Drachensiedlungen. Fero erklärte ihr, dass es nur wenige große Drachenstädte gäbe.

„Die einzigen großen Städte sind Diones mit dem Stadtherrn Umeen, Inanaill mit Kartanan, Tukiyans Vater, Kia mit seiner Stadtherrin Lirea und Ulduin mit Shagon. Inur-Entora wird von König Meladon befehligt.“

Danach erzählte sie ihm von Septim. Sie erzählte ihm von ihrer Mutter und wie sie immer von ihrem Vater geschwärmt hatte. Danach erzählte sie ihm von ihrem Leben als Straßenkind. Wie sie sich um Lana gekümmert hatte und wie sie und Timon einige Dummheiten miteinander angestellt hatten. Die schlimmsten ließ sie allerdings aus.

Es war schon nachmittags, als am Horizont die ersten Berge des Paluweens in Sicht kamen. Nun hatten sie die Reise fast überstanden. Doch auch das Wetter war umgeschlagen. Die Sonnen wurde nun von dicken Wolken verdeckt und der Wind schlug immer fester gegen Tukiyan und Byna. Fero schwieg wieder und blickte immer wieder zum dunklen Himmel hinauf.

Tukiyans müde Stimme wehte zu ihnen nach Hinten: „Morle odeeun ti ary erin weyar te yajun.

Unschlüssig drehte Mina sich zu Fero um. Dieser blickte düster in die dunklen Wolken.

Tiro, merno feduir to cestra nestay.

Mina fragte nicht nach, was Fero ihm geantwortet hatte, doch sie zog ihren Mantel enger um sich und richtete ihren Blick auf die riesige Steinstadt auf die sie zuhielten.

Inanaill war gigantisch. Riesige Mauern umgaben die Stadt und die Berge, die sich dahinter aufbauten waren höher als alles, was Mina je zuvor gesehen hatte. Wahrscheinlich konnte nicht einmal ein Drache sie überfliegen. Die Höhlen von Inanaill waren in die Berge eingelassen. Diese wurden hier und da von ein paar dünnen Steinbrücken verbunden und vor der Feste wachten zwei große kräftige Drachen.

Tukiyan landete vor ihnen. Sie schienen überrascht ihn zu sehen, doch sie ließen ihn hinein. Im Inneren der Feste kam sogleich ein riesiger Drache auf sie zu. Sein Körper war kräftig und seine schwarzen Schuppen glänzten im gedämpften Licht bläulich. Mina schauderte, als sie in seine schwefelgelben Augen blickte. Dieser Drache war ihr unheimlich.

Mit herzlicher Stimme doch ausdruckslosen Augen begrüßte er Tukiyan: „Meranji Tukiyan ino peja. Bintri merno xianen tor wian ule Inanaill.

Fero beugte sich zu Mina vor: „Das ist der Vater von Byna und Tukiyan. Behandele ihn respektvoll, er ist ein recht stolzer Drache.“

Mina besah sich den Drachen noch einmal schüchtern, während Tukiyan seinem Vater ihre Geschichte erzählte. Mina war sogar ein wenig entsetzt, dass jemand wie Tukiyan oder Byna einen so unsympathischen Vater wie Kartanan haben konnte.

„Von den Elfen die vorbei kommen sollten, haben wir noch nichts gehört.“, kam es gerade von Kartanan. „Ihr hättet nicht eilen brauchen. Die Trägerin Tekmea selbst führt die Gruppe an und möchte über die Festtage in Inur-Entora bleiben. Vielleicht hält dieser Sturm sie auf. Ich weiß nicht wann sie eintreffen werden.“

Er schaute mit grimmiger Miene in den wolkenverhangenen Himmel. „Auch weiß ich nicht, wo ich euch unterbringen soll, Elf.“, wandte er sich nun an Fero. „Tukiyan kann bei mir unterkommen und Byna wird von Meladon in Inur erwartet, doch unsere Häuser und Höhlen sind wegen des Festes bereits überfüllt. Ich kann euch nicht in Inanaill unterbringen.“

Fero schwieg nachdenklich. Mina schaute unsicher von ihm zu Kartanan, der Fero mit gleichgültiger Miene beobachtete. Byna brach das schweigen: „Ihr werdet im Haus der Botschafter in Inur unterkommen. Fero ist der Neffe der Elfenbotschafterin von Diones und auch so genießt er ja einige Vorteile.“

Verwirrt blickte Mina zu Fero. Was hatte Byna mit Vorteilen gemeint? Doch ehe sie fragen konnte, nickte Tukiyans Vater.

„Das ist eine gute Lösung. Tukiyan, geleite sie nach Inur-Entora. Beeile dich, nach Mitternacht bleiben die Forten der Feste bis zum Sonnenaufgang geschlossen.“

Tukiyan nickte und lies seine beiden Reiter wieder aufsteigen. Dann schritt er dicht gefolgt von Byna zwischen zwei besonders großen Bergen zu einem zweiten Tor. Hinter diesem Tor lag ein Weg, der direkt in das Gebirge hinein führte. Der Wind konnte sie hier zwischen den Felsen nicht mehr erreichen, doch sein fernes Heulen klang angsteinflößend und gefährlich. Es wurde immer dunkler um sie herum. Sie schwiegen den gesamten Weg und Mina lauschte dem Echo der schweren Drachenschritte. Erst als am Ende des Weges Lichter zu sehen waren, brach Byna das Schweigen.

„Siehst du? Dort hinten liegt Inur-Entora. Inanaill ist vielleicht beeindruckend, aber Inur ist schön. Schön und beeindruckend.“

Und sie hatte recht. Inur-Entora war in zwei Berge gebaut. Der linke war kleiner als der rechte Berg. Dies musste der Königsberg sein. Doch wirkten beide Berge mitgenommen und alt. Der Fels war an manchen Stellen rissig und zerkratzt, außerdem gab es viel weniger Höhlen als in Inanaill. Die beiden Berge wurden von einer schmalen Steinbrücke verbunden. Am Tor wurden sie von einem braunen Drachen erwartet. Dieser lies sie ein und senkte den Kopf vor Byna, die die Stadt als letztes betrat. Dort stiegen sie wieder von Tukiyans Rücken und folgten den beiden Drachen zu Fuß. Fero hatte eine Hand auf Minas Schulter gelegt.

„Die Botschaft liegt ganz oben auf dem Königsberg.“, erklärte er ihr. „Auf dem Weg kommen wir sogar am heiligen Baum vorbei.“

„Der heilige Ort der Drachen?“, fragte Mina erstaunt.

Fero nickte. Sie mussten einige Treppen hinaufsteigen und auf langen Wegen um den Berg herum laufen. Minas Beine waren müde obwohl oder gerade weil sie den ganzen Tag nur auf Tukiyan gesessen hatte. Oft mussten die Drachen auf sie und Fero warten. Dann standen sie vor einem kleinen See. Er war mitten im Fels und auf einer flachen Insel in seiner Mitte stand ein kleiner, zierlicher Baum. Seine Blätter waren golden und glitzerten im Licht des Mondes. Das Wasser um ihn herum glänzte dunkelblau. Tukiyan und Byna senkten kurz den Kopf davor. Ihre Schuppen hatten noch nie so sehr geleuchtet, wie hier. Fero nahm eine Münze aus der Tasche, schloss die Augen und warf sie ins dunkle Wasser. Dann reichte er auch Mina eine Münze.

„Das ist eine Art Gebet. So erweißt du Jeorelan Ehre und wünschst den Drachen Glück.“

Also schloss auch Mina ihre Augen. Sie hatte während der ganzen Reise kein einziges Mal geschlafen. Sie war so müde. Ihre Gedanken schweiften kurz zu Septim zurück. Zu Timon und Berion. Sie warf die Münze ins Wasser und bat den Gott der Drachen auch die Feuermenschen von Septim zu beschützen. Sie hörte das Platschen mit dem die Münze die Wasseroberfläche traf und öffnete die Augen.

Ein Schrei entfuhr ihr. Sie stand nicht mehr auf dem Königsberg. Um sie herum war alles weiß und leuchtend. Es war so hell, dass sie die Augen davor verschließen wollte, aber sie konnte sich nicht bewegen. Um sich hörte sie leises Flüstern. Dann nannte eine männliche, ihr auf irgendeine Weise bekannte Stimme ihren Namen. Sie versuchte sich zu der Stimme umzudrehen, doch sie konnte sich weiterhin nicht rühren. Nun wiederholten andere Stimmen ihren Namen. Erst leise dann immer lauter. Bald war es ein Dröhnen in ihren Ohren. Sie wollte sehen wer da sprach doch da war niemand. Das strahlend weiße Licht blendete sie, es stach in den Augen. Dann spürte sie, wie etwas über ihre rechte Wange strich. Ein stechender Schmerz überkam sie und das weiße Licht um sie herum verblasste. Sie befand sich wieder auf dem Königsberg. Sie saß auf dem Boden zusammen gekauert und Fero hatte sich neben sie gehockt. Tukiyan und Byna schauten sie besorgt an. Ihre Wange brannte wie Feuer. Sie presste ihre Hand auf die Stelle, doch der Schmerz verblasste nur langsam.
„Was ist los?“, fragt Fero erschrocken. „Rede doch mit mir Mädchen, bist du krank?“

Er zog sie auf die Füße. Immer noch rieb sie sich die Wange mit der Hand. Sanft zog er die Hand von der Stelle, atmete erschrocken aus und wich einige Schritte zurück.

„Was ist denn los?“, fragte Byna, dann entdeckte auch sie es. „Bei allen Göttern.“

Hinter ihnen kamen weitere Drachen aus ihren Höhlen und suchten nach dem Grund für diesen Aufruhr.
„Sie ist es.“, begann Fero mit zitternder Stimme. Er schluckte, dann fuhr er mit lauterer Stimme fort. „Sie ist die Trägerin der Drachen. Mina ist die 7. Oldiin.“

Stille breitete sich aus. Mina drehte sich erschrocken zu Fero um, dieser nickte ernst. Die Drachen schienen mindestens genauso überrascht und ein Murmeln erhob sich. Man diskutierte die Aussage. Manche erhoben sich mit kräftigen Flügelschlägen in die Luft, um einen besseren Blick auf Mina zu haben. Im Flüsterton vermittelte man Neuankömmlingen, was soeben geschehen war. Mina wollte am liebsten die Hände vor ihr Gesicht schlagen und irgendwo anders sein. Plötzlich ertönten schwere Schritte hinter ihnen. Mina drehte sich um. Von hinten kam ein weinroter Drache eine Steintreppe von der näachst höheren Ebene herabgestiegen und hinter ihm hielt sich ein azurblauer Drache im Schatten. Mina hörte wie ein junger, smaragdgrüner Drache erschrocken flüsterte: „Meladon!“

Sie wandte sich nocheinmal zu dem roten Drachen um. Seine gelben Augen richteten sich auf Byna und ihren Bruder. Er war riesig.

Bintri yein te wian, Byna?“, und mit einem Blick auf Mina fragte er. „Und was macht ein Mensch hier?“

„Sie ist die Trägerin, die Minya. Sie wurde soeben von Jeorelan anerkannt, ino ikto.“

Der Drachenherrscher wandte sich erstaunt Mina zu. Der blaue Drache stieg langsam die Stufen hinab. Er musste sogar älter sein als Umeen. Seine Schuppen glänzten nicht so sehr, wie die von Byna, doch er sah stark und klug aus. Der Drachenherr warf ihm einen schnellen, warnenden Blick zu, doch der blaue ignorierte die Geste. Langsam schritt er die Stufen hinab. Die Drachen warfen ihm argwöhnische Blicke zu und begannen zu flüstern. Meladon schien das Schauspiel zu missfallen.

„Seid ihr euch sicher Byna?“, diese nickte. „Seht selbst Herr. Sie trägt das Zeichen.“

Der Drache trat auf Mina zu. Seine Schritte ließen den Boden zittern und auch Mina zitterte. Er neigte seinen riesigen Kopf zu ihr hinunter. Der Kopf war größer als sie. Seine gelben Augen glitzerten geheimnisvoll. Sie fixierten ihre Wange. Dann zog er den Kopf ruckartig vor ihr zurück. Er nickte dem blauen zu.

„Geht in meine Höhle, Avredon!“, befahl er mit gebieterischer Stimme. Dann senkte er den Kopf erst vor dem heiligen See, dann vor ihr.

„Folgt mir, Minya.“, er drehte sich um und stieg die Treppe wieder hinauf. Der blaue war bereits in diese Richtung verschwunden. Das war Avredon gewesen, der uralte Drachenmagier? Warum schienen die anderen ihn nicht zu mögen? Als sie sich nicht rührte stupste Fero sie sanft an. Sie wandte sich zu ihm um. Wollte er etwa nicht mitkommen? Er stand stocksteif da und wich ihrem Blick aus. Auch Byna und Tukiyan machten keine Anstalten mit ihr zu kommen. Langsam und mit weichen Knien folgte sie dem Drachen die weiteren gewaltigen Steintreppen hinauf und über den Marktplatz. Sie hörte das Flüstern hinter sich und das Schlagen von Flügeln. Wie in Trance folgte sie Meladon in die gewaltigste Höhle, die sie je gesehen hatte. Der Eingang war mit feinen Ornamenten, kleinen glänzenden Steinen und kunstvollen Zeichnungen verziehrt. Im Inneren der Höhle zogen sich die mit Yisakani gefüllten Rillen in schwungvollen Mustern bis an die hohe Decke. Der Drachenherr saß auf einer Erhöhung am Ende der Höhle und schräg hinter dieser Erhöhung hockte der blaue Drache. Er beobachtete jede ihrer Bewegungen genau. Der Drachenherr schaute sich zu ihm um und schnaubte leise. Zögernd schaute sie zu ihm hinauf.
„Du brauchst mir keine Ehre zu erweisen, Minya. Wir warteten lange auf deine Ankunft und als Tochter Jeorelans bist du höher gestellt als ich.“

Sie nickte zögernd. Der blaue Drache stieß ein kehliges Lachen aus. Meladon drehte sich nicht zu ihm um. „Dies ist Avredon, unser Meister der Magie. Wahrscheinlich der einzigste Drache der diese Gabe je erhalten hat.“, nun lachte er. „Du hast wahrscheinlich schon von den Unstimmigkeiten zwischen uns und den Magiern gehört. Wir hatten selten positiven Kontakt mit ihnen.“

Mina nickte. Davon hatte sie oft genug gehört. Schon vor ihrem Kontakt zu den Drachen. Avredon wandte seinen Kopf dem Höhleneingang zu.

„Ich glaube das Volk verlangt nach Erklärung.“, sagte er nachdenklich.

„Das glaube ich auch.“, stimmte Meladon zu. „Ich werde hinausgehen und einiges erklären müssen. Ich denke ihr bleibt so lange hier.“

Er verließ die Höhle. Mina kam sich plötzlich ziemlich verloren in der Höhle vor. Dazu wusste sie noch immer nichts über das, was soeben am See passiert war. Der Drachenmagier schien ihre Verwirrung zu spüren.

„Hast du Fragen, Minya.“, sie wandte sie zu ihm um, erschrocken über diese Offenheit.

„Viele.“, murmelte sie leise. Er nickte.

„Wenn du sie mir nennst, kann ich versuchen dir die Antworten zu geben.“

Sie zögerte, dann begann sie mit der wichtigsten Frage: „Was war das eben beim See. Und was bedeutet das für mich?“

Der Drachenmagier überlegte kurz, dann begann er zu erklären: „Unser Gott Jeorelan hat dich als seine Tochter gezeichnet. Das Zeichen auf deiner Wange ist der Beweis dafür. Es stellt einen Zweig des heiligen Baumes da und ist seit Urzeiten das Zeichen Jeorelans. Nun hast du die Gabe dich in insgesamt sieben verschiedene Gestalten zu verwandeln. In einen Menschen, einen Drachen, eine Magierin, eine Naturelfe, eine Feuerelfe, eine Ukleen und eine Waleen, also in jedes Volk der Göttlichen Geschwister unserer Welt.“

Erstaunt starrte sie ihn an: „Wie...?“

Er schüttelte den Kopf. „Ich weiß es nicht. Ich bin nur ein einfacher Drache.“

Sie überlegte. Ihre Mutter hatte selten von ihrem Vater geredet, doch wenn sie es getan hatte, hatte sie von ihm geschwärmt. Sie hatte sich ihn immer als hochgewachsenen, muskulösen Feuermenschen vorgestellt und nicht als Gott. Es war zwar lächerlich, aber sie war für einen winzigen Augenblick enttäuscht. Dann fasste sie sich. Sie war das Kind eines Gottes, nun musste sie lernen das auszunutzen. Sie schloss ihre Augen. Sie spürte etwas neues, unbekanntes in sich und ging ohne nachzudenken darauf ein. Es war wie eine Explosion in ihr. Sie versuchte sich auf etwas zu konzentrieren, doch es fiel ihr schwer. Sie versuchte sich das Bild des Drachenmagiers in den Kopf zurufen. Seine Gestalt wurde immer klarer in ihrem Geist. Dann verschwand es in durchgehender, samtener Schwärze. Ihr wurde warm und sie spürte wie ihre Haare mit ihrem Rücken verschmolzen. Dann wuchs sie. Ihr Körper wurde größer und anders. Schwingen brachen aus ihrem Rücken und Hörner wuchsen auf ihrer Stirn. Erschrocken öffnete sie die Augen. Der Drachenmagier starrte sie an. Ein wenig überrascht vielleicht. Aber er war nicht mehr größer als sie, sie war beinahe so riesig wie er. Begeistert stürmte sie aus der Höhle und betrachtete sich in der schimmernden Oberfläche der Felsen. Sie hatte sich in einen Drachen mit silbern glänzenden Schuppen verwandelt. Auf ihrer Stirn trohnten drei leich geschwungene Hörner und ihre Augen waren von einem schönen leuchtendem Braun. Die Nacht um sie herum war verschwunden, sie sah alles in überirdischer Schärfe und mit seltsam vollkommenen Farben und nur der Mond am Himmel konnte ihr beweisen, dass noch Nacht war. Avredon trat neben sie.
„Du bist ein wunderschöner Drache.“, stellte er mit leuchtenden Augen fest. „Mal sehen, wie schön du in der Luft bist.“

Damit erhob er sich in die Luft und blickte herausfordernd zu ihr herab. Sie bewegte probehalber ihre Flügel. Es funktionierte. Sie brauchte ein Bisschen Übung, aber dann erhob sie sich schwankend in die Luft. Avredon brummte erfreut.

„Du bist eine wahrlich passende Trägerin der Drachen.“, stellte er fest.

Hätte sie eine menschliche Gestalt gehabt, wäre sie errötet. Da hörte sie Schritt unter sich und sah hinab. Eine müde Elfengestalt kam die Treppen zum Marktplatz hinauf. Sie sah sofort, dass es Fero war. Vorsichtig schwebte sie hinab und setzte elegant auf. Er wandte sich zu ihr um und brauchte kurz Zeit um sie zu erkennen.
„Mina? Bist du das?“, fragte er erstaunt.

Sie nickte und ihre Augen strahlten. Fero besah sich ihre Gestalt genauer. Dann lächelte er.

„Du bist wunderschön.“, stellte er fest.
Sie lachte. Dann fragte sie: „Wo sind Tukiyan und Byna?“

„Tukiyan ist auf dem Weg nach Inanaill. Er muss vor Mitternacht dort sein. Er wird ihnen von dir erzählen und dann werden sie sich morgen nach Sonnenaufgang alle auf den Weg machen, um dich zu sehen.“, er lachte und sie schluckte. „Byna passt auf, dass alle bis Sonnenaufgang in ihren Höhlen bleiben.“

Sie nickte. Plötzlich hörten die beiden schwere Schritte hinter sich und drehten sich um. Meladon kam die Steinstufen hinauf gestiegen. Fero verneigte sich rasch, erst in seine Richtung dann zu ihr. Dann verschwand er mit raschen Schritten über den Marktplatz. Der Drachenherr musterte sie und nickte.

„Nun siehst du einer Gottestochter würdig aus.“

Sie lachte leise. Dann schloss sie die Augen und errinnerte sich an ihr menschliches Ich. An das dunkle Haar das in ein breites, kindliches Gesicht fiel und warme, dunkelbraune Augen, die im Schmiedefeuer leuchteten. Schmiedefeuer. Schon wieder hatte sie das Schicksal Septims für eine viel zu lange Zeit vergessen. Sie dachte an Timon. Der kleinere war immer gut erzogen gewesen. Sein Gesicht war schmal und sein Haar immer kurz, auch wenn er es lieber lang getragen hätte, wie die anderen Jungen. Und sie dachte an ihren neuen Freund Berion. Er war immer anders gewesen. Mit strohfarbenden Haaren und hellblauen Augen. Außerdem war er groß und dünn gewesen und war noch besser erzogen gewesen als Timon. Als letztes kam ihr Lana in den Sinn. Ihre ruhige, zerbrechliche Gestalt. Mit den glatten rötlichen Haaren und Augen, so leuchtend wie die Schuppen von Tukiyan. Sie öffnete die Augen. Das erste was ihr auffiel war, dass sie wieder ihre menschliche Gestalt angenommen.

„Du bist bestimmt müde.“, sagte Avredon etwas besorgt.

Sie nickte. Sie war wirklich sehr müde. Er führte sie in eine etwas versteckte Nische der Höhle und lies ihr eine Decke aus der Elfenbotschaft holen. Doch sie war bereits eingeschlafen, als ein junger Elf mit der Decke zurück kam.

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Ok, das waren jetzt die Kapitel, die ich schon länger hatte, bitte schreibt in die Kommentare ob ich weiter schreiben soll, ein paar Ideen hätte ich schon :D

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