Hitze, Sand und Furcht

Hitze, Sand und Furcht

Nach zwei Tagen Flug und nahezu keinen Pausen, wurden wir geradezu von der Hitze Netashkas erschlagen. Es war wie eine Wand aus warmer Luft, der man unmöglich ausweichen konnte. Es war ein schweigsamer Flug gewesen, da Karthek und ich kaum ein Wort gewechselt hatten. Sorgen und Vorahnungen hatten unsere Gedanken in Beschlag genommen und was den bevorstehenden Dialog mit den Drachen anging, war uns nur wenig Hilfreiches eingefallen.

Für mich war es nichtsdestotrotz etwas besonderes, weil ich nie zuvor richtig das Land der Drachen betreten hatte. Lange Reisen hatten einen sonst nur flüchtig an der mächtigen Wüste vorbeikommen lassen, dieses Mal war sie zum allerersten Mal unser anvisiertes Ziel.

Doch während die Landschaft heiß war, war der Empfang durch die Magier kühl, in manchen Regionen geradezu panisch. Über diesen Aspekt unserer Reise hatte ich mir offengesagt keinerlei Gedanken gemacht, doch im Nachhinein war die Reaktion der Magier nachvollziehbar und vorhersehbar gewesen.

Sobald wir am Himmel gesichtet wurden, wurde mit Fingern auf uns gezeigt, wie überall sonst auch. Doch hier hatten die Leute Angst, suchten den Schutz ihrer Unterkünfte und räumten die Straßen. Die Kunde vom drohenden Angriff der Drachen hatte offensichtlich bereits den Weg in alle Ecken des Landes gefunden – selbst in die abgelegensten Nomadenlager. Und ich konnte die Angst der Magier verstehen … ihre Panik und wie manchen von ihnen nur stumm da standen, den Kopf in den Nacken gelegt. Nur zu gut erinnerte ich mich an die Reise, die ich vor vielen Jahren in das Land der Drachen gemacht hatte. Zu Fuß und mit nur wenig Verpflegung. Als ich zum ersten Mal die Drachen erblickt hatte, war mir vor Schreck beinahe das Herz stehen geblieben. - Und damals hatte ich nur wegen alten Erzählungen Angst vor den riesigen Wesen. Diese Bewohner der Wüste wussten genau, dass in wenigen Tagen ein ganzes Heer von schuppigen Riesen auf ihrem Wüstenboden einen Krieg von Zaun brechen wollte.

Unser genaues Ziel war der Südosten des Landes, diejenige Region, die die Drachen von Area aus als erstes erreichen würden. Ein gutes Stück vor der Südgrenze dann, landeten wir endlich in einer kleinen Stadt, die – sobald wir am Horizont erschienen waren – wie ausgestorben in der eintönigen Sandlandschaft lag.

„Sie verstecken sich ...“, flüsterte Karthek bedrückt und ich nickte. Es stimmte. Ich spürte sie mit allen Sinnen. Ihre Magie prickelte auf meinen Schuppen und kleinste Geräusche, die von ihnen verursacht wurden, waren für Drachenohren gut zu hören.

„Warte … ich werde mich verwandeln ...“ Mühelos wechselte ich die Gestalt und sah die Stadt plötzlich aus völlig anderen Augen … zum einen, weil es tatsächlich andere Augen waren und zum anderen, weil ich nun um mehrere Meter geschrumpft auf der sandigen Straße stand und zu meinem Drachenfreund hinaufschaute.

Mit einem Mal, konnte ich die anderen Wesen nicht mehr so gut spüren. Nur noch ihre Magie blieb weiter wie ein leichtes Prickeln auf meiner Haut. In dieser neuen Gestalt war ich ihnen nur noch in wenigen Dingen überlegen. Wahrscheinlich war ich so kleiner als die meisten Magier und mitnichten auch nur annähernd so stark wie sie.

Ich hatte mich ihnen ausgeliefert und offenbart … zumindest ein klein wenig.

Karthek hob den Kopf und verengte die Augen. Das war alle Vorahnung die ich bekam, denn im nächsten Augenblick trat aus dem größten Haus vor uns ein hochgewachsener Mann mit schimmernder dunkler Haut und dichten, dunklem Haar. Er trug leuchtend weiße Gewänder, die am Rand etwas abgenutzt und dreckig waren, doch es änderte nichts an seiner eindrucksvollen Gestalt und seiner entschlossenen Haltung.

„Warum?“, fragte er laut und langsam schlichen auch an anderen Stellen die Bewohner aus ihren Verstecken. „Warum stattet uns die Oldiin der Drachen einen Besuch ab zu so ungewöhnlicher Stunde?“ Wut, Hass und ein winziger Hauch von Furcht schwang in seinen Worten mit, während er die Arme ausbreitete uns ein gutes Stück von Karthek und mir entfernt innehielt. „Was sucht jemand wie Ihr in diesem abgelegenen Winkel der Wüste?“

„Das Gespräch!“, antwortete ich … mit beinahe angstfreier Stimme, wie ich fand. Ohne zu zögern machte ich einen Schritt auf den großen Mann zu, auch wenn ich nun den Blick nach oben richten musste, um ihm in die Augen zu sehen. „Ich will weder euch noch irgendwelchen anderen Magier Schaden zufügen.“

Die Lippen des Mannes verzogen sich zu einer ungläubigen Fratze. Man konnte sehen, dass er uns nicht glaubte und uns auch so schnell nicht glauben würde. Nicht ohne Beweise, nicht ohne überzeugende Argumente. „Dann tut es mir Leid für Euch, Oldiin, aber ich möchte kein Gespräch mit euch!“, erwiderte er entschlossen. „Nicht jetzt und nicht später … nicht wenn der drohende Schatten eines Angriffes über unseren Köpfen schwebt und uns alle Hoffnung nimmt!“

Seine Worte schnürten mir die Kehle zu, doch ich zwang mich dazu, dem Mann zu antworten. Sie verdienten Antworten, die Magier … egal wie feindselig man uns empfangen hatte. In gewisser Weise war es unsere eigene Schuld. „Das trifft sich gut … denn auch wir suchen kein Gespräch mit euch, sondern ein Gespräch mit den Drachen, die hier in nächster Zeit eintreffen werden.“ Hier und da zuckten einige der Versammelten zusammen … manche suchten sogar gleich wieder Zuflucht in ihren Verstecken von vorher. „Ich werde alles tun, was in meiner Macht steht, um den Angriff der meinen zu verhindern, noch bevor er begonnen hat!“

„Und wie gedenkst du das zu tun?“ Die Angst war nun viel deutlicher in der Stimme des Sprechers und auch auf seinem Gesicht. „Warum greifen sie uns an, wenn es nicht Euer Wille ist? Warum suchen sie den Konflikt mit unschuldigen Außenstehenden, obwohl ihr es ihnen ausreden möchtet?“

„Wegen mir“, antwortete ich ehrlich. „Weil sie, in ihrem Egoismus, Anspruch auf meine Freiheit erheben, woraufhin ich sie verlassen habe. Aber ich werde nicht zulassen, dass sie anderen Schaden zufügen, weil sie ihre eigenen Angelegenheiten nicht ohne elende Kämpfe klären können. Deshalb bin ich hier …“ Ich schaute in die verängstigten Gesichter von Männern, Frauen und Kindern, die in den Hauseingängen standen oder an Straßenecken vorbeilugten. „Und deshalb werde ich auch nicht gehen … ganz egal, was ihr mir sagen werdet.“

Daraufhin folgte nachdenkliches Schweigen. Ohne Zweifel dachten die Magier nun nach, inwiefern sie meinen Worten Glauben schenken konnten … Sicherlich wägten sie in Gedanken ab, was nun der beste Weg war, um auf meine Worte zu reagieren. Und ich … ich ließ ihnen alle Zeit, die sie brauchten. Ich wartete, warf nur hin und wieder angespannte Blicke zu Karthek hinüber, der diese aus großen, besorgten Drachenaugen erwiderte und – wie alle anderen – schwieg.

„Weißt du schon, wie du diese Aufgabe bewerkstelligen wirst, Oldiin?“, fragte der Magier schließlich ruhig und mit nachdenklichem Blick.

Daraufhin konnte ich nur traurig den Kopf schüttelnd. „Nein … ich habe nicht den blassesten Schimmer. Wenn irgendein kluger Kopf hier also eine gute Idee hat, dann bin ich ich für alle Vorschläge offen.“

Der Mann nickte und überwandt dann den letzten Abstand zwischen uns beiden. „Mein Name ist Zho-Rotim und ich bin das Oberhaupt der Stadt Akhiza. Seid willkommen, Oldiin.“ Er verbeugte sich tief und ich erwiderte die Geste erleichtert. In diesen Worten war kein bisschen Feindseligkeit zu spüren gewesen und das gab mir ein klein wenig Hoffnung.

„Mein Name ist Mina und so dürft ihr mich auch ohne weiteres nennen, Zho-Rotim. Im Moment sind wir beide ähnlich machtlos, was die kommenden Tage angeht.“

 „Solche Worte aus Eurem Munde machen mich noch hoffnungsloser, als ich bereits bin“, gestand der Magier niedergeschlagen und endlich kamen die Umstehenden vollends von ihren Positionen und gesellten sich zu uns auf die Straße. „Wir sind hier draußen auf uns allein gestellt und wenn nicht einmal die Oldiin der Drachen einen Ausweg weiß, dann weiß ich nicht, was ich noch hier mache.“

„Gibt es Niemanden, der euch zu Hilfe eilen wird?“, fragte ich überrascht und alarmiert. Ich hatte mit einigem gerechnet, aber nicht damit, dass die ersten Gegner des Drachenheeres ein paar verängstigte Kleinstädter sein würden.

„Die Streitkräfte der Magier formatieren sich, aber sie stehen ein gutes Stück weiter landeinwärts, wo sie genug Zeit haben, um sich auf den Angriff vorzubereiten.“

„Aber ihr seid hier draußen!“

„Und wir sind ein paar Wenige. Für eine Evakuierung oder eine detaillierte Verteidigung der Stadt gibt es weder Zeit noch Arbeitskraft. So wird es einigen kleinen Siedlungen hier an der Südgrenze gehen und wir können nur versteckt bleiben und abwarten, wenn es letztendlich wirklich erwischen wird.“

„Das ist schrecklich ...“ Ich war schlichtweg fassungslos. Niemand sollte derart hoffnungslos im Stich gelassen werden.
„Das ist die Taktik großer Denker und Kriegsherren. Der Angriff trifft alle hier unvorbereitet und die entscheidenden Heerführer brauchen alle Zeit, die sie ergattern können. Ich wünschte nur, es müsste nicht auf unsere Kosten gehen. Das Gemeinwohl steht immer über dem des Einzelnen … und nun müssen wir mit den logischen Folgen dieser Denkweise leben … und sterben.“

„Uns wird etwas einfallen!“, versicherte ich entschlossen, die nie zuvor hatte ich mich so entschlossen gefühlt.

„Ich hätte vielleicht eine Idee ...“

Alle drehten sich um und binnen weniger Sekunden lagen alle Augen auf einem kleinen Mädchen in leuchtend gelben Kleidern. Zho-Rotims Augen wurden groß und er schüttelte hastig den Kopf. „Neyla … Es tut mir Leid … das ist meine Tochter. Sie ...“

Das kleine Mädchen stieß sich von der Hauswand und kam furchtlos zu mir gelaufen. Kurzentschlossen hob ich die Hand und bewegte das Oberhaupt der Stadt damit zum Schweigen. „Lasst sie sprechen! Jede Idee, die wir ergattern können, ist wertvoll.“

„Als ich klein war, hat man meine Mutter entführt ...“, begann die Kleine unerschrocken und aus dem Augenwinkel sah ich, wie Zho-Rotims Haltung sich urplötzlich zu verkrampfen schien. „Man wollte sie als Druckmittel missbrauchen, als Geisel ...“

Und innerhalb weniger Augenblicke formte Neyla die ersten Grundlagen eines Plans ...

Auch bei den Drachen existierten Pläne. Mehrere, um genau zu sein. Der Weg in die Wüste war so gut wie geschafft. Meladon und Kartanan führten das Drachenheer nach Netashka, ihr Plan war simpel. In den südlichen Magiersiedlungen war die Bevölkerung arm und nicht sonderlich zahlreich. Das Vordringen ins Landinnere würde problemslos vonstatten gehen, dann würden sie auf stärkeren Widerstand stoßen. Nichts, was ihnen ernsthaft Probleme bereiten würde. Genug, um Mina entgültig zurück zu locken.

Spätestens während der ersten ernsthaften Angriffe würde sie auf den Plan kommen. Sie würde sich gezwungen sehen einzugreifen. Sie würde – selbst entgegen aller Empfehlungen – den Dialog suchen und sich ihnen entgegen stellen. Das war das Ziel und keiner zweifelte daran, dass sie es erreichen würden.

Selbst Meladon hatte zugegeben, dass diese Methode nicht gerade ein eleganter Weg zum Ziel war. Ganz im Gegenteil, es war wohl das Gröbste und Vulgärste, was Drachen seit sehr langer Zeit unternommen hatten. In machen Augenblicken gab es keine elegante Lösung. Wenn die Sache eilig war, dann blieb keine Zeit, um detaillierte Pläne auszuarbeiten. Und Zeit war wenig da, wenn das Volk der Drachen Gefahr lief, seine Oldiin zu verlieren.

Diesen Plan versuchten Kartanan und Meladon durchzusetzen, doch unabhängig davon und vor allem insgeheim entstand ein zweiter, alternativer Plan. Und Eile war geboten, nun wo der allseits bekannte Angriff so kurz bevorstand. Rubeen war eigentlich dauerhaft unterwegs und mit den Nerven war er sowieso völlig am Ende.

„Entspann dich“, drängte Tukiyan leise, während sie über die nördlichsten Ausläufer des Drachenreiches flogen. „Ein bisschen Aufregung wird keinem verdächtig vorkommen, aber wenn du den ganzen Tag wie von Magie besessen in der Gegend herum schwirrst, dann wird mein Vater seine Schlüsse ziehen.“ Der smaragdgrüne Drache warf einen flüchtigen Blick auf Kartanan, der weiter vorne flog. „Er leidet immer wieder unter einem unheimlichen Verfolgungswahn, auch wenn man sich darüber streiten kann, ob das etwas Positives oder Negatives ist.“

„Ich weiß ...“ Rubeen versuchte sichtlich, die Aufregung zu verdrängen, doch es gelang ihm nur in Maßen. „Ich weiß, dass wir jetzt auf keinen Fall auffliegen dürfen … Und ich hatte lange genug Unterricht bei deinem Vater, um auch ihn besser zu kennen, als es mir eigentlich lieb ist.“ Er richtete den Blick direkt in das Licht der Sonnen und ächzte. „Aber ich kann nicht ruhig sein! Wir sind auf dem Weg zu Magiern und wenn auch nur ein winziges Detail dieses Planes nicht aufgeht, sterben Unschuldige und wir sind mitschuldig. Außerdem habe ich seit zwei Tagen weder von Karthek noch von Avredon gehört, ich habe also alles Recht mehr als nur ein wenig nervös zu sein.“

„Und wenn du jetzt die Nerven verlierst, dann kann alles andere noch so reibungslos ablaufen … der Plan wäre trotzdem hinüber“, mahnte Tukiyan eindringlich und senkte die Stimme noch ein wenig mehr, als er den Blick seines Vaters auf ihnen beiden spürte.

Noch sind wir nur auf dem Weg. Spare dir deine Sorgen für die Zeit auf, in der wir wirklich handeln müssen.
Rubeen wagte es nicht zu nicken, oder irgendwie anders seine Zustimmung sichtbar zu machen. Da Kartanans Blick noch immer auf ihnen klebte, antwortete er ebenfalls geistig.

Ich hoffe, Karthek und Mina können uns die Zeit verschaffen, die wir brauchen. Wenn ihnen in den nächsten Tagen nichts Brauchbares mehr einfällt, dann müssen wir in der Zeit handeln, die uns in den ersten Städten bleibt.

Die Besorgnis, die durch die gedankliche Verbindung von einem Jungdrachen zum anderen wanderte, war nachvollziehbar. „Das wäre zu wenig Zeit, um alle in Position zu bringen. Wir müssen darauf vertrauen, dass den beiden etwas einfällt, um Meladons Plan zumindest um einige Stunden zu verzögern.

Was machen wir, wenn es schief geht?“ Kartanan wandte den Kopf langsam wieder nach vorne und nahm so ein wenig Druck von Rubeen, der erleichtert ausatmete und dann fragend zu Tukiyan hinüber schaute.

„Dann … wird uns nichts anderes übrig bleiben, als zu improvisieren, befürchte ich!“

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So, ein kleiner Lückenfüller zwischen dem letzten Kapitel und dem Folgenden, auch wenn es eigentlich nicht vorgesehen war, soviel zu den Magierdorf zu schreiben.

Ich hoffe, das Kapitel hat euch gefallen und würde mich riesig über jede Form von Feedback freuen. Der NaNoWriMo ist für mich bereits geschafft, weshalb ich schon bei vielen Kapiteln ein groben Plan habe, was da passieren wird. Außerdem ist das Ende der Geschichte schon so gut wie geschrieben, auch wenn es bis dahin noch ein paar Kapitel sind.

lg. magicstarlight

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