Ein endgültiger Bruch
Hey Leute, jetzt geht es hier endlich mit der Haupthandlung weiter. Ich empfehle euch, das letzte Kapitel 'Freund' nochmal zu lesen, um wieder reinzukommen. Hab ich auch gemacht und entsetzt bemerkt, dass ich es vor 3 Monaten hochgeladen habe :O Auf jeden Fall, viel Spaß beim Lesen,
lg. magicstarlight :D
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Ein endgültiger Bruch
Man brauchte Stunden, um das Feuer zu löschen. Am Ende gelang es den Waleen, indem sie einen Regen heraufbeschworen. Erst fielen vereinzelt ein paar Tropfen und dann wurde es immer heftiger, bis es schließlich regnete, als würden alle Himmelswesen eimerweise Wasser auf Weyena hinab schütten. Doch ich, ich suchte mir keinen trockenen Unterschlupf. Ich ging nicht in die Unterkunft der Gesandten. Ich nahm meine Elfengestalt an, sobald die ersten Tropfen fielen und landete auf einem der unzähligen Hausdächer. Dort verwandelte ich mich zurück, zog die Kapuze tief ins Gesicht und ließ die ganze Wahrheit über mich hinein brechen. Meine Tränen vermischten sich mit dem Regen. Die letzten Tage waren zu viel gewesen, viel zu viel. Ich hatte einen neuen Freund gewonnen und diesen beinahe wieder verloren. Er wäre beinahe verbrannt und daran war ich Schuld, denn ich hatte ihn nicht aufgehalten. Ich hatte von Anfang an das Risiko gespürt und trotzdem hatte ich Ti-Lien nicht aufgehalten. Und da war Karthek. In ihm hatte ich einen Seelenverwandten verloren. Auch wir waren Freunde geworden, doch es gab nichts, was mehr schmerzte. Und so hockte ich weinend, in der verregneten Nacht auf einem Dach. Sicherlich suchten die anderen mich schon. Sie würden alles tun, um mich wieder zu finden, davon war ich überzeugt. Und irgendwo würde auch Karthek durch die Gegend streifen, auf der Suche nach mir. Ich biss mir auf die Lippe und vergrub das Gesicht in den Händen. Ob man vor Scham sterben konnte? Mein Drachenteil schämte sich dafür, dass ich die anderen verraten hatte. Er schämte sich dafür, dass ich Ti-Lien geholfen hatte und der ganze Rest meines Körpers hasste mich für diese Scham. Nun hörte ich auch die Rufe der anderen in meinem Geist und ich vergrub mich noch mehr in meinen üblen Gedanken, um sie auszublenden.
Die Sonnen ging auf, doch die dicken Regenwolken verzogen sich nicht und es drangen kaum Sonnenstrahlen bis nach unten. In wenigen Stunden würde wieder eines von unzähligen Ratstreffen stattfinden. Mein Drachenteil wollte, dass ich dorthin ging, um Tukiyan, Rubeen und Karthek wieder zu sehen, um mich bei ihnen zu entschuldigen. Der Rest von mir wollte dorthin, weil ich es allen anderen schuldig war. Also richtete ich mich langsam auf und schwebte vom Dach herab. Die Straßen waren leer und still. Die kleinen Kanäle waren zu wilden Sturzbächen geworden, die sich schon lange nicht mehr an ihre steinernen Kanäle hielten. Ich zog meine Schuhe aus und watete in einen von ihnen hinein, bis ich knöcheltief darin versank. Langsam spazierte ich den Bach entlang, als würde ich über die sanften Hügel meiner alten Heimat wandern. Trotzdem kam die Kathedrale unaufhaltsam näher und irgendwann war die Straße zu Ende und der Bach endete in einer großen Pfütze. Ich stand auf dem Marktplatz.
Immer noch war die Stadt beinahe wie ausgestorben. Unweit von mir stand das, was von der Bühne geblieben war. Irgendwo dort liegen auch die Rest des Magiers. Mir wurde übel und ich ging weiter.
Plötzlich tat es meinem menschlichen Teil Leid, dass ich während der ganzen Zeit, die ich da oben im Regen gehockt hatte, nie nach Ti-Lien geschaut hatte. Mein Drachenteil triumphierte. Und ich, ich hasste ihn dafür. Ich überquerte den Platz und ging zur Kathedrale. Die Wächter, die davor postiert waren, starrten mit großen Augen auf mich herab. Sie erkannten mich, keine Frage. Hatte die Ereignisse der letzten Nacht so schnell die Runde gemacht, oder … ich sah an mir hinunter.
Ich war triefend nass, meine Sachen waren völlig durchweicht. Ich stand Barfuß auf der nassen kalten Straße und hatte es noch nicht einmal mitbekommen.
Entschuldigend lächelte ich den Männern zu und ließ mich für einen Moment in Drachenflammen aufgehen. Einer der Männer trat entsetzt einen Schritt zurück. Mein Mantel verkohlte in Sekundenbruchteilen. Das Oldiin-Gewand hielt der Drachenflamme problemlos stand. Ich lächelte den Männern noch einmal zu, zog meine Schuhe wieder an und ging an ihnen vorbei ins Gebäude. In der großen Eingangshalle standen Tukiyan, Karthek und Rubeen, sowie Tekmea und Eramon. Als ich den Raum betrat, treten sie sich zu mir herum und Tukiyan flog mit wenigen Flügelschlägen zu mir herüber. „Wo warst du die ganze Zeit? Hast du uns nicht gehört?“, fragte er aufgebracht. Er machte sich nicht die Mühe, diese Worte im Geist zu formen. Er brüllte sie mit seiner kräftigen Drachenstimme heraus. Ich lächelte unbeirrt weiter. „Ich musste den Kopf freibekommen, also habe ich ein wenig die frische Luft genossen.“
Karthek starrte mich an. „Warst du die ganze Nacht draußen im Regen?“, fragte er mich im Geiste. Ich schnaubte, wagte es aber nicht, ihn anzusehen. Ich hatte Angst, die vertraute Sorge in seinen Augen zu sehen. „Es gehen wahrscheinlich tausende von Gerüchten herum. Darüber, was ich mit kleinen Magiern zu schaffen habe und fragst mich, ob ich die Nacht im Regen verbracht habe?“ Jetzt war es raus und Karthek lief nicht Gefahr, von den anderen verdächtigt zu werden. Sie sollten nicht erfahren, dass er von meinen nächtlichen Ausflügen gewusst hatte.
„Und stimmen die Gerüchte?“, fragte Rubeen gedehnt. Ich schaute in spöttisch an. „Natürlich nicht, all diese Leute sind Lügner die mich Magier-freundlich darstellen wollen. In Wirklichkeit war ich nie nachts da draußen und ich habe gestern auch keinen mit mir befreundeten Magier aus den Flammen gerettet.“
„Mina!“ Das Dröhnen Tukiyans Stimme ließ die anderen zusammenzucken.
„Was willst du denn hören, Tukiyan?“ - „ Die Wahrheit!“, sagte er etwas ruhiger.
„Du kennst die Wahrheit doch!“ Ich konnte nur mühsam meine Wut und meine Verbitterung herunter schlucken. „Ich habe mich mit Ti-Lien angefreundet und ihm magische Feuerbändigung beigebracht. Dann ist er letzte Nacht bei diesen verfluchten Wettkämpfen angetreten und sein Gegner hat das Feuer so erzürnt, dass alles in Flammen aufging. Ich habe Ti-Lien gerettet.“
„Aber warum?“, fragte er entgeistert, als wären das alles ganz neue Nachrichten für ihn.
„Was warum? Warum ich mich mit ihm angefreundet habe? Weil er nett ist. Nicht alle Magier sind nett. Aber es sind auch nicht alle Drachen nett. Fakt ist: Ti-Lien ist nett. Warum ich ihm Feuerbändigung beigebracht habe? Weil er mein Freund ist. Und warum ich ihn gestern gerettet habe? Weil ich Freunden nicht so gerne beim Verbrennen zu sehe.“
„Aber er ist ein Magier!“, warf Rubeen ein. Ich schloss die Augen. „Nur weil du die Magier nicht leiden kannst, heißt das nicht, dass ich nicht mit einem freundlichen Magier befreundet seien kann.“
„Kein Drache kann Magier leiden!“, polterte Tukiyan. Wütend drehte ich mich zu ihm um. Ich konnte den sanftmütigen Drachen, der mich damals nach Inur-Entora gebracht hatte einfach nicht wieder erkennen. Er war wie ausgewechselt. „Dann bin ich wohl kein Drache und Avredon genau so wenig. Wie viele von diesen Drachen haben den jemals persönlich Magier kennen gelernt?“
Entrüstet setzte er zu einer Erwiderung an, doch ich ließ ihn nicht zu Wort kommen. „Manchmal widerst du mich an. Du wirst immer mehr wie dein Vater, Tuk“, sagte ich traurig und wandte mich ab. Er schwieg und versuchte offenbar die Worte zu verarbeiten. Ich seufzte. „Das war kein Kompliment, Tuk.“
Damit ging ich an den anderen vorbei in den großen Versammlungssaal. Er war beinahe leer, aber in der ersten Reihe saßen zwei mir bekannte Leute. Ti-Liens Meister und Hara-Taliy. Der alte Meister sprang bei meinem Anblick sofort auf und fiel vor mir auf die Knie. „Gesegnet seid ihr, Oldiin. Ihr habt ihm das Leben gerettet, wir sind euch zu ewigem Dank verpflichtet.“
Ich schüttelte hastig den Kopf ging vor ihm in die Knie. „Bitte Meister. Bedankt euch doch nicht bei mir. Nur durch das, was er von mir gelernt hat, hat er doch an diesem idiotischen Wettkampf teilgenommen. Ich stehe tief, viel tiefer in eurer Schuld.“
Doch Hara-Taliy schüttelte nur den Kopf. „Ti-Lien hätte trotzdem an den Wettkämpfen teilgenommen. Das war sein großer Traum. Und nur durch seine neu erlernten Fähigkeiten konnte er sich lange genug vor den Flammen schützen.“
'Ohne mein Zutun wäre er wohl im Wettkampf nie so weit gekommen', fügte ich im Stillen hinzu. Laut fragte ich: „Wie geht es ihm?“
„Er schläft gerade und ist noch ein wenig benommen, aber im Großen und Ganzen geht es ihm gut.“ Der Meister lächelte und ergriff meine Hand. „Glaubt mir bitte. Ihr tragt keine Schuld.“ Damit stand er auf und ging mit Hara-Taliy zu ihrem Platz in den Rängen der Magier.
Ich spürte gerade zu Tukiyans missbilligenden Blick auf meinem Rücken, als er nach mir den Raum betrat.
„Wir brechen auf. Wir gehen zurück nach Inur-Entora, meine ich“, sagte er bedrohlich.
„Ja, heute Abend direkt nach der Versammlung.“ Ich nickte und drehte mich zu ihm herum. Er schüttelte den riesigen Kopf. „JETZT!“
Ich rang mir ein Lächeln ab, doch es war nunmal nicht Tukiyan, den ich da sah, sondern Kartanan. Es war beinahe, als leuchteten seine opalgrünen Augen schwefelgelb aufblitzen. „Bin ich Oldiin oder bist du es, Tukiyan? Wir reisen heute Abend ab.“
Damit ging ich neben ihm vorbei. „Heute gehe ich als Berater mit, Tuk“, raunte Karthek. „Mina, legst du bitte den Zauber über mich?“ Ich nickte und verwandelte Karthek in einen Menschen. Er nickte und griff nach meiner Hand. „Wir sollten in die Loge gehen, bevor hier unten das Gedränge los geht.“
Tukiyan und Tekmea nickten und wir gingen durch den Geheimgang nach oben. Dort warteten bereits die anderen und ich konnte an ihren Gesichtern erkennen, dass sie alles mit angehört hatten. Ich senkte den Blick und blieb an meiner und Kartheks Hand hängen. So viel zum Thema Freunde.
Wir hörten, wie die Gesandten unten in den Saal strömten. Karthek starrte mich die ganze Zeit lang an, aber ich konnte seinen Blick nicht erwidern. Denn wenn ich es tun würde, so fürchtete ich, würden alle meine guten Vorsätze zunichte gemacht und ich würde ihn auf meine Seite ziehen, koste es was es wolle.
„Ich weiß nicht, ob das, was du da unten gemacht hast, eine gute Idee war, Mina“, flüsterte er leise. Alle Köpfe im Raum drehten sich zu uns herum. Ich lächelte ins Leere. „Nein, es war keine gute Idee. Karthek, aber es war meine einzigste. Tukiyan wird schon drüber hinweg kommen.“
„Aber Meladon nicht.“ Ich konnte mich Kartheks Blick nicht länger entziehen. Langsam schaute ich ihn an. „Ich hab dir schon gesagt, dass der König und ich bereits ein zerrüttetes Verhältnis haben, Karthek. Ich glaube nicht, dass das unsere Beziehung noch großartig verschlechtern kann.“ Er nickte und senkte den Blick. Ich ergriff die Gelegenheit und wandte schnell den Blick ab, bevor er mich nochmal in den Bann seiner Augen ziehen konnte. Ich erblickte Sern-Minos. Er winkte mich mit einer Hand heran, also stand ich vorsichtig auf und setzte mich zu ihm. Der Magier lächelte nicht. „Ich bedanke mich im Namen meines Volkes für die Rettung des Jungen“, sagte er förmlich. Ich nickte und senkte den Kopf. „Hast du damals das gemeint? Damit, dass sie schwer zu bändigen sind?“
Er nickte. „Aber das ist nur der Anfang. Bald wirst du dich endgültig entscheiden müssen, Mina. Ich hoffe, du triffst die richtige Wahl.“
Ich senkte den Blick und rückte noch ein wenig näher zum Magier. „Ich möchte aber nicht, dass er sich wegen meiner Entscheidung von seinem Volk abwenden muss“, flüsterte ich. Sern-Minos musste nicht fragen, wen ich meinte. Es war offensichtlich.
Er schwieg eine Weile und starrte auf die menschliche Fassade des Drachens. „Dann wird es Zeit für einen sauberen Schnitt“, sagte er dann leise. „Pass bloß auf, dass du damit nicht zu spät bist.“
Dann stand er auf und nickte Eramon zu. Damit betraten wir die Loge und sofort klebten alle Blicke auf mir. Ich hätte gerne gesagt, dass mich das völlig kalt ließ, doch ich spürte sofort wie ich errötete und ich senkte den Blick auf meine Hände, während Eramon eine kurze Ansprache hielt, damit die Röte wieder aus meinem Gesicht weichen konnte.
„Willkommen. Heute werden wir uns einem weiteren Thema widmen, das im Süden des Landes unsere Aufmerksam geweckt hat. Es geht um die Ausgestoßenen!“
Im Saal wurden viele Blicke getauscht. Auch ich hob überrascht den Kopf. Neben meinen Problemen waren mir die Ausgestoßenen gerade winzig vorgekommen, aber natürlich waren sie das nicht. Wieder erinnerte ich mich daran, wie ich Anessa, ihre kleine Schwester und Lana in Weyena gesehen hatte.
Die meisten im Saal verspürten beim Erwähnen der Ausgestoßenen Empörung. Seit beschlossen worden war, dass die Verbrecher in die verstoßenen Lande verbannt werden sollten, war dieses Thema ein Tabu-Thema im Rat gewesen. In einer der Reihen ganz hinten erhoben sich drei Gestalten und ich wusste sofort, wer das seien musste. Und ich hatte recht! Da stand die bloden Anessa mit ihren ungleichen Augen und neben ihr die kleine Schwester, die genau die gleichen seltsamen Augen hatte. Ja und neben der kleinen Blonden stand Lana. Ich konnte meiner ehemaligen Freundin nicht in die Augen sehen. Kartheks warme Hand umschloss wieder meine. Er wusste, was ich fühlte. Erst hatte ich in Tukiyan meinen großen Bruder verloren und nun erinnerte mich der Anblick der drei Mädchen daran, dass ich scheinbar auch meine kleine Schwester bereits verloren hatte. Ich beugte mich zu Eramon hinüber. „Die Frauen dort. Zwei von ihnen gehörten der Ausgestoßenen-Truppe an, die Septim überfallen hat.“
Eramon blickte auf und sorgte mit erhobenen Armen für Ruhe. „Sagt, Frau, was warum seid ihr hier?“, fragte er nun direkt an Anessa gerichtet.
Anessa räusperte sich und alle wandten sich überrascht zu ihr herum. „Mein Name ist Anessa und das sind meine Schwester Malena, sowie eine Gesandte der Septimer. Ihr Name ist Lana.“ Sie verbeugte sich kurz. „Mein Mann Marto und mein Schwiegervater haben den Angriff auf die Feuermenschenstadt geleitet“, erklärte sie ungerührt. Erstickte Schreie wurden laut, doch Eramon erstickte sie im Keim. „Erzählt weiter, Anessa.“
„Nun denn, wir haben Septim natürlich nicht grundlos angegriffen. Es ging, wie sollte es anders sein, um das Mädchen.“ Tukiyan knurrte, doch Anessa lächelte weiter. „Wir erfuhren durch eine unserer Seherinnen von der Prophezeiung. Allerdings wurde uns nicht die ganze Prophezeiung mitgeteilt. Wir wussten nicht, dass sie das Kind des Jeorelans ist. Wir wussten nur, dass sie die Gefahr abwenden kann, darum allein ging es.“ Ihr Blick blieb an mir haften. „Aber als wir die Gewalt über die Stadt hatten, hatte der Stadtmusiker sie bereits in Richtung der Drachen geschickt.“
„Was wohl das einzig richtige war, was man tun konnte“, knurrte Tukiyan.
„Natürlich.“ Man sah Anessa an, dass sie eigentlich ganz anderer Meinung war. „In jedem Fall ging es nur darum, das Übel abzuwenden.“
„Welches Übel?“,fragte Sovine leise.
Anessa senkte die Stimme. „Unsere Seherin nannte es Solana. Ich würde euch gerne sagen, wie es aussieht, aber wir fanden niemanden, der das Übel überlebt hat. Ganze Landstriche sind zerstört. Ja, noch zerstörter als zuvor!“, sagte sie auf das Kichern eines Mannes hin. „Wir wissen nicht, welche Art der Macht es hat, aber wir sind überzeugt davon, dass es das Übel ist, von dem auch die Prophezeiung spricht.“
Ein großer dunkelhaariger Mann erhob sich und sprach aus, was viele dachten. „Und wenn es das wirklich seien sollte, dann trifft es doch die Richtigen.“
Nun stand Lana auf. Mir wurde klar, dass sie mittlerweile bestimmt einen Kopf größer als ich war. „Diejenigen, die ihr vor Jahrhunderten in die Verbannung geschickt habt, sind längst tot! Dort wohnen nur noch ihre Verwandten, ihre Frauen, Kinder und Enkel, die gezwungen sind, weiterhin in den verdorbenen Landen zu Hausen, wie Verbrecher!“
„Gut gesagt, doch haben sich die unschuldigen Generationen mit ihrem Angriff auf die Feuermenschenstädte nicht gleich wieder zu Verbrechern gemacht?“, fragte der Mann.
„Seht es als Verzweifelungstat an, guter Herr. Seht uns als verlorene Generation an, eine Generation, die nie lernen durfte, was richtig und was falsch ist. Wir verlangen nicht, dass ihr unsere Beweggründe versteht, aber versteht, dass sich Septimer und Farakehner mittlerweile zu einer Stadt zusammengeschlossen haben. Und wisst, dass das Unheil bereits in vollem Gange ist und dass ihr eure Augen nicht länger vor den verstoßenen Landen verschließen könnt.“ Nun fixierten ihre ungleichen Augen die meinen. „Wir flehen um Gnade und Hilfe bei der Auserwählten, auch wenn wir wissen, dass wir uns nicht gerade im Guten kennengelernt haben.“ Sie senkte den Kopf. Ich biss mir auf die Lippen und starrte hinüber zu Lana. Ich sah die Trauer in ihren Augen. Auch wenn wir alle Zeit der Welt hätten, unsere Freundschaft konnte nie wieder so bestehen, wie sie früher bestanden hatte. Doch hier ging es nicht um Freundschaft, das hier ging über so weltliche Dinge hinaus. Also löste ich meine Hand von Kartheks und stand auf. Meine Finger krallten sich um das Geländer.
„Ich vergebe Euch, Farakehner-Herrin Anessa. Wisst, dass die Nöte eures Volkes mich sehr betrüben. Ich werde noch heute Abend abreisen, aber ich bin nicht aus der Welt. Wendet euch mit euren Sorgen an die Oldiin, denn sie wissen, wo man mich finden kann. Ich werde mir über dieses Unheil weiterhin Gedanken machen. Seid euch dessen gewiss.“ Damit sank ich zurück in meinen Stuhl und sofort schlossen sich Kartheks Finger wieder um die meinen.
Um uns herum ging die Diskussion weiter, doch ich hielt mich gänzlich aus ihr heraus. Der Abend kam schneller, auch wenn ich mir mehr Zeit wünschte. Nur mehr Zeit.
Als Eramon schließlich die Versammlung schloss und ich offiziell verabschiedet wurde, war ich den Tränen nah. Wir traten in das kleine Hinterzimmer und ich verabschiedete mich von meinen neuen und alten Freunden. Berion schloss mich fest in seine Arme, Galeon legte mir eine Hand auf die Schulter, Eramon und Volkum wünschten mir alles Gute auf dem Rückweg, sie würden mit mir Kontakt aufnehmen, sobald es Neuigkeiten gab. Sovine schließlich zog mich ganz nach an sich heran. „Werd nicht allzu verdrießlich, in Ordnung?“ Ich nickte. Tekmea nahm meine Hand und versuchte sich zu einem Lächeln durchzuringen, doch es gelang ihr nicht. „Ich werde nochmal mit Meladon reden“, sagte sie leise, doch ich schüttelte den Kopf. „Du hast lang genug seinen Ärger abgefangen, nun werde ich erstmal sein Sündenbock.“
„Ich werde es trotzdem versuchen.“ Auf Tekmeas Gesicht hatte sich ein grimmiger Ausdruck ausgebreitet. Sern-Minos verabschiedete mich nicht. Stattdessen holte er aus einem der Schränke ein Brot und ein Messer und begann es aufzuschneiden. Ich suchte seinen Blick, doch er zog nur kurz die Augenbrauen hoch und schnitt dann weiter mit dem Messer das Brot in Scheiben … Ach ja, ein sauberer Schnitt. Auch dass noch.
Mit einem letzten Abschied an alle, ging ich in den schmalen Treppengang, der zur Geheimtür führte. Karthek folgte mir und hatte mich mit wenigen Schritten aufgeholt. Er griff nach meiner Hand und drückte sie an sich. Wenn er sich zwischen mir und seiner Überzeugung entscheiden müsste, würde er immer noch mich wählen. Das durfte ich einfach nicht zu lassen. Er durfte für mich nicht alles hinwerfen. Ich schaute auf unsere ineinander verschränkten Finger hinab. Wir hatten versucht eine Beziehung einzugehen, doch sie war an meinem Dickkopf gescheitert. Nun versuchten wir es mit einer Freundschaft und scheiterten an seinem Dickkopf. Wäre mir nicht zum Weinen zu Mute gewesen, hätte ich gelächelt. Doch es gab keinen Grund zur Freude. Wenn wir nicht Freunde seien konnten, ohne mehr zu sein, dann mussten wir das ganze so früh wie möglich beenden. Wir mussten es beenden, denn mit jeder weiteren Minute in der wir uns aneinander klammerten, wurde eine Trennung schmerzhafter und unwahrscheinlicher. Er würde unsere Freundschaft nicht beenden, also würde ich es tun müssen. Eine Erklärung würde er nicht akzeptieren. Und was war der einfachste Weg, um einen Keil zwischen uns zu treiben? Richtig, am besten ich brach ihm das Herz endgültig. Je früher ich es tat, desto länger würde er Zeit haben, um sich davon zu erholen.
Ich entzog meine Hand der seinen. Seinen fragenden Blick auf mir spürend schüttelte ich den Kopf. „Es war ein Traum, nichts weiter.“
Er legte den Kopf schief. „Nein, war es nicht. Es war echt.“
Ich biss mir auf die Lippe, damit diese nicht zu zittern begann. „Verstehst du es denn überhaupt nichts? Wir können nicht. Es ist sinnlos …“
Er griff wieder nach meiner Hand doch ich zog sie weg, so dass er ins Leere griff. „Hör auf Karthek!“ Diesmal sah ich ihm in die Augen. „Hör auf deine Augen vor dem unvermeidbaren zu verschließen. Es ist sinnlos und es war dumm zu denken, dass es funktioniert. Alles was zwischen uns war, war ein Witz, es war falsch zu denken, dass wir es meistern können. Wir wären uns am besten niemals begegnet. Das wäre das beste für dich und mich gewesen.“
Da, jetzt brach ich ihm wirklich das Herz. Ich wusste es genau, denn auch mein Herz brach bei diesen Worten. Ich drehte mich auf dem Absatz herum und verwand. Einige Sekunden lang wünschte ich, er würde mich am Arm packen, festhalten, zurückrufen, mir sagen, dass es für kein Witz war. Doch er tat es nicht und ich richtete mich ein Stück auf, um noch ein letztes bisschen Würde zu bewahren. 'Es ist besser so', sagte ich mir immer und immer wieder. Aber trotzdem fühlte es sich wie der größte Fehler meines Lebens an.
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