Kapitel 10:
Kapitel 10:
Riley drehte sich um und musterte seine Männer. Die meisten waren von der Suche mit leeren Händen zurückgekehrt. Sie waren schon Tage am Suchen, aber es war als wäre die Kette vom Erdboden verschluckt worden. Und je länger sie suchten, desto grösser wurde die Gefahr, die von der Kette ausging.
Riley seufzte und schlug einen weiteren Weg ein, den er noch nicht genommen hatte. Seine Männer folgten ihn und sie begannen die Suche erneut. Irgendwo musste sich ja ein Hinweis finden.
Sie wollten gerade ein neues Dorf betreten, als Riley einen seltsamen Schatten zwischen den Bäumen wahrnahm. Er blickte sich suchend und alarmiert um. Einige seiner Männer taten es ihm gleich und sein Stellvertreter fragte: „Mylord, habt Ihr...?" Riley schüttelte den Kopf, liess den Blick jedoch weiterhin schweifen. Er versuchte einen Geruch wahrzunehmen. Er erstarrte und sah in den Schatten der Bäume. „Komm raus, wir haben dich sowieso schon entdeckt", rief er laut. „Wer hat gesagt, dass ich unentdeckt bleiben wollte?", fragte eine kalte Stimme und Riley wirbelte herum. Sie lehnte lässig am Baum. Ihre schwarzen Haare waren zu einem festen Zopf gebunden und sie hatte die Augen geschlossen. „Ihr sollet nicht hier sein, hier ist es zur Zeit zu gefährlich", erklärte Sezuna und klang viel kälter, als Riley es in Erinnerung hatte. Er schauderte leicht, doch dann richtete er sich zu voller Grösse auf. „Ich habe meine Gründe", sagte er und sah sie an. „Und was machst du hier Schätzchen?" Zu seinem Entsetzen reagierte sie überhaupt nicht drauf. Was war denn das? Wo war die zickige Sezuna hin? „Ich patrouilliere an den Grenzen", antwortete sie kalt und ihre Augen fixierten Riley. „Ich hab den Auftrag die Grenzen zu bewachen", ihr Blick wurde ein wenig kälter. „Ich soll nichts rein und nichts raus lassen." Irgendetwas stimmte nicht mit ihr, das wusste er sofort. „Wir müssen da aber durch", sagte er und verschränkte die Arme. Sezuna verzog keine Miene. „Erlaubnis verweigert", sagte sie kalt. Riley spürte die Blicke seiner Leute auf sich. Er lief leicht rot an vor Wut. „Was glaubst du mit wem du redest, he? Wir gehen da jetzt durch, ob du es willst oder nicht. Wir haben etwas Wichtiges zu erledigen und wenn du mir im Weg stehen willst, dann wirst du es bereuen", knurrte er zornig. Die Kälte die von Sezuna ausging machte ihn rasend. Sezuna stieß sich vom Baum ab und trat auf ihn zu. In der Hand hielt sie ein Schwert mit blutroter Klinge. „Wie gesagt ich habe meine Befehle. Wenn du hier durch willst, musst du an mir vorbei", sagte sie ruhig und stellte sich ihm in den Weg. Ihr Blick noch immer genau so kalt und unnahbar und ihre Lippen zu einem arroganten Lächeln verzogen. Riley kniff die Augen zusammen. Warum sah sie so sehr nach Makoto aus? Riley knurrte und war kurz davor aus der Haut zu fahren als ihm sein Stellvertreter eine Hand auf die Schulter legte. „Mylord, lasst Euch nicht provozieren, sonst..." Riley ballte die Fäuste. Er wusste zu gut was passieren würde. Er würde seine eigentliche Gestalt annehmen und vor einer Kaya wäre das mehr als dumm. „Dann", sagte er und zog sein Schwert, „Hast du ein Problem, Sezuna."
Sezuna lächelte und Riley konnte sehen, wie einer nach dem anderen von seinen Männern zu Boden fiel und liegen blieb. „Sie sind nur ohnmächtig. Leider funktioniert das bei dir ja nicht", sagte sie und hob das Schwert kampfbereit an. Riley knurrte. Wie konnte sie es wagen seine Männer zu verletzen? Er hatte die Verantwortung für sie. Sie würde es bereuen! Er hob das Schwert und trat ihr gegenüber. Im Kampf war er bestens ausgebildet, doch selbst wenn: Seine Herkunft machte ihn stärker als gewöhnliche Menschen. Nicht einmal Sezuna hatte grosse Chancen. Er würde ihr schon zeigen, was er von diesem Auftreten hielt.
Er wollte gerade den ersten Schritt machen, als er sah, wie sie sich bewegte. Sie war verdammt schnell und Riley blockte. Metall krachte auf Metall und der MacRae spürte die Kraft hinter dem Schlag. Das war wirklich faszinierend.
Sezuna machte eine Drehung und schlug erneut mit dem Schwert nach ihm, ehe sie nach ihm trat. Instinkt und Übung retteten ihn und nun griff er seinerseits an. Er holte zu einem Schlag aus und bemerkte, dass sie ihn parierte. Gut, sie machte ihre Hausaufgaben. Er machte einen wich zurück und nutzte das zu einer Drehung, legte dabei all seine Kräfte in den Schlag. Mal sehen wie ihr das schmeckte. Sezuna blockte und spürte, wie das Schwert erzitterte und ihre Arme gleich mit. Sie rutschte ein Stück über den Boden und funkelte ihn dann böse an. Er hatte mehr Kraft, als sie erwartete hatte. Und so wie er kämpfte, war er sicherlich auch ausgebildet. Das könnte spaßig werden.
Sezuna machte einen Ausfallschritt zur Seite, dann einen Salto und blockte einen erneuten Angriff, ehe sie mit einem Bein nach seiner Hand trat.
Riley war überrascht, wie flexibel sie war und senkte die Hand, so dass ihr Bein über seinen Arm schlug. Er hob sie wieder und brachte sie so aus dem Gleichgewicht. Mit der anderen Hand schlug er gegen ihre Schulter und sie fiel hin. Bevor er jedoch das Schwert nutzen konnte, hatte sie sich weggerollt und stand ihm wieder gegenüber. Sie liess sich nicht anmerken, ob es ihr weh tat oder nicht. Sie stand einfach da, als wäre nichts gewesen. Das ärgerte Riley noch mehr. Was war nur mit ihr los? Riley führte erneut einen Angriff und schaffte es, sie zum wanken zu bekommen. Kurz war sie damit beschäftigt ihr Gleichgewicht zu halten und er schaffte es, ihr das Schwert aus der Hand zu schlagen. Er legte ihr seines an die Kehle. „An deiner Stelle würde ich mich nicht rühren", knurrte er, seine Stimme war ungewöhnlich tief. Er strahlte mehr Wildheit aus als sonst. Der ausdruckslose Gesichtsausdruck machte alles nur schlimmer. Das war doch nicht Sezuna! Was war mit ihr geschehen? Sezuna hob die Hand und umfasste das Schwert. Sie schnitt sich die Hand auf, doch es schien sie nicht zu interessieren. Sie drehte sich aus dem Schwert, trat nach Riley und machte einen Salto und packte ihr eigenes Schwert, ehe sie sich Riley wieder gegenüber stellte. Ihre blutende Hand hatte sie zu einer Faus geballt und ihr Blick war weiterhin kalt. Riley war wie vor den Kopf gestossen. Eine Puppe. Sie erinnerte ihn an eine willenlose Puppe. „Was ist passiert?", sagte er ohne zu merken, dass er seine Gedanken laut aussprach. Wut flammte in ihm auf. Wer hatte es gewagt ihr das hier anzutun? Er würde demjenigen alle Knochen einzeln brechen und seinen Kopf so lange gegen eine Wand schlagen, bis er vollständig zertrümmert war. Die Wut floss durch seinen Körper wie Blut durch seine Adern. Er spürte, er war kurz davor sich zu verwandeln.
Sezuna kniff die Augen zusammen. Etwas stimmte mit Riley nicht. Seine Aura... Sezuna riss die Augen auf und machte mehrere Schritte zurück. In ihren Augen flammte etwas auf, das Riley stark an Panik erinnerte und diese Panik veranlasste ihn sich ein wenig unter Kontrolle zu halten. Hatte sie es bemerkt? Er nutzte ihre scheinbare Verwirrtheit und schlug ihr erneut das Schwert aus der Hand, ehe er sie so packte, dass sie ihm nicht wieder entkommen konnte. Er schüttelte sie leicht. „Was ist los mit dir, verdammt nochmal!", knurrte er. Sie gab einen fauchenden Laut von sich. „Was ist los mit dir?", stellte sie die Gegenfrage. Sie konnte an seiner Aura sehen, was los war, doch sie konnnte, nein wollte es nicht glauben. Nicht Riley. Das durfte nicht sein. Wenn dem so wäre, dann hätte Makoto Recht und das durfte nicht sein. Riley schüttelte sie erneut. „Wer hat das mit dir gemacht?", fragte er und sie fauchte und schaffte es sich aus seinem Griff zu befreien. Ihr Blick war noch immer kalt, doch so etwas wie Wut war darin zu lesen. „Musst du das tatsächlich fragen?"
„Würde ich nicht, wenn es mich nicht kümmern würde!", sagte er laut. Er war froh, dass sie wenigstens Anzeichen von Wut zeigte. Das war ihm bei weitem lieber und bekannter als die Kälte. „Es geht dich nichts an", sagte sie. Riley wollte schon widersprechen, als ihm klar wurde, dass es das eigentlich wirklich nicht tat. Sie hatten eine Affäre aber mehr war da nicht... und das ging ihm irgendwie gegen den Strich. Er hielt sie fester, als er spürte, wie sie versuchte aus seinem Griff zu entfliehen. „Du bleibst hier", knurrte er. Riley würde sie so lange festhalten, bis er wusste, was hier los war. „Warum sollst du die Grenzen schützen?", fragte er und Sezuna wand sich noch mehr. „Makoto will es so", sagte sie und versuchte alles, um aus seinem Griff zu entkommen, doch er war zu stark. „Das ergibt keinen Sinn, vor allem da ihr gar keinen Besitzanspruch auf das Land hättet, hätten meine Eltern keine Erlaubnis erteilt", sagte er, „Also kann ich durchaus die Grenzen durchschreiten. Der einzige Grund, warum wirklich NIEMAND hereingelassen werden darf, ist bestimmt, weil sie etwas zu verbergen hat", knurrte er. Sezuna starrte ihn erst an, dann zischte sie: „Und was machst du hier?", wechselte sie das Thema, „Was ist dein Grund, dass du mit einer Gruppe aus fünfzehn Soldaten hierher kommst?" Riley blickte sie nun ebenfalls kalt an. „Umgeh meine Frage nicht", knurrte er wütend. Sezuna verdrehte leicht die Augen. „Ich mache nur meinen Job. Warum Makoto etwas will ist mir vollkommen egal, solange sie mich damit in Ruhe lässt. Also, was willst du jetzt hier?", fragte sie erneut lauernd. Ein kleines bisschen der Kälte schien zu verschwinden und Gefühle traten an die Oberfläche. Es beruhigte Riley genügend, dass er den Griff etwas lockerte - aber nur etwas. „Das ist Familiensache", sagte er und sah sie ruhig an. Sezuna hob eine Braue. „Warum verschweigst du es mir?"
„Weil du nicht befugt bist es zu wissen", sagte er mit zusammengebissenen Zähnen. „Ich kann euch trotzdem nicht gehen lassen", erklärte sie leise. „Wenn ich dich wissentlich hier durch lasse bekomme ich Ärger", erklärte sie und schien gedanklich völlig wo anders. Ihr ganzer Körper verspannte sich. Riley hob eine Augenbraue. Er zögerte kurz, dann sagte er: „Wir suchen etwas, dass unserer Familie gehört. Es wurde gestohlen und ich versuche es wiederzukriegen. Mehr kann ich nicht sagen", meinte er. Er hoffte, das reichte ihr. Warum er ihr einen Teil der Wahrheit erzählte wusste er nicht. Sezuna blieb angespannt. „Wenn ich dich durchlasse, versuch dich unauffällig zu verhalten", sagte sie leise. Dann streckte sie ihre mentalen Fühler aus und versuchte in Rileys Kopf vorzudringen. Wie auch schon beim letzten Mal, stieß sie gegen diese unsichtbare Mauer und sie bekam höllische Kopfschmerzen, doch sie würde so lange weiter veruschen, bis sie zusammenbrach. Die einzige Möglichkeit einer von Makotos Strafen zu entgehen. Wenn sie sich selbst ausschaltete, und Makoto erzählte Riley hätte sie umgehauen, würde sie nachsichtig sein. Hoffte sie.
Leise öffnete Hamish die Tür zum Anwesen und schloss sie. Es war recht spät und er hätte eigentlich längst zu Hause sein sollen, doch er war wieder bei Yuna gewesen und hatte die Zeit vergessen. Er sah sich um. Alles wirkte ruhig... etwas zu ruhig wie ihm vorkam. Er schluckte und lief zur Tür, die zum Saal führte und lauschte. Erst hörte er nichts. Doch dann vernahm er eine Stimme: „Komm rein." Hamish zuckte zusammen. Er hätte wissen müssen, dass es seiner Mutter auffallen würde. Unwohl schob er die Tür auf und betrat den Saal. Seine Mutter saß auf einen der Sessel an der Seite und im Kamin brannte ein warmes Feuer. Sie sah ihn unverwandt an und seine Nervosität stieg. Er blieb vor ihr stehen und wartete. Lange blieb es still, bis sie sagte: „So? Wo warst du?"
„Unterwegs, suchen", wich er aus. Sofort wurde ihre Miene hart. „Lügner, deine Gruppe kam ohne dich an. Vor Stunden. Wo warst du, Hamish?" Hamish biss sich auf die Lippe. Was sollte er ihr sagen? Er konnte ihr doch unmöglich sagen, dass er Yuna unterrichtet hatte, oder? Aber seine Mutter wollte die Wahrheit. Sie würde merken, wenn er sie anlog. Vielleicht konnte er die Wahrheit so formulieren, dass sie nicht alles erfuhr? „Ich habe... jemanden unterrichtet", versuchte er es mit er Halbwahrheit. Rachel hob eine Braue. „Unterrichtet? Anstatt nach der Kette zu suchen hast du jemanden unterrichtet?", fragte sie langsam und starrte ihn an. Er schürzte die Lippen. „Es war wichtig..."
„Wichtiger als die Kette? Hamish, manchmal frag ich mich, was in deinem Kopf vor sich geht!", sagte sie laut und schüttelte fassungslos den Kopf. Hamish warf die Hände in die Luft. „Mutter, du weißt, dass ich kein Krieger bin. Ich stehe meinen Brüdern nur im Weg", erklärte er und war von ihrer Reaktion überhaupt nicht begeistert. Warum nur verstand sie es nicht? Er war nunmal nicht für das Kämpfen geboren.
Rachel winkte ab. „Blödsinn, das bildest du dir ein. Wenn du mit vollem Elan dabei sein würdest, wärst du mindestens genauso hilfreich", sagte sie, „Aber stattdessen gehst du lieber weg und unterrichtest jemanden. Wahrscheinlich tust du das nicht einmal, hab ich recht?" Hamish ballte die Fäuste. Was dachte sich seine Mutter eigentlich? Sie hatte die Wahrheit gewollt und er hatte sie ihr gesagt und jetzt unterstellte sie ihm weiterhin zu lügen? Das tat weh. „Das ist nicht wahr", sagte er mit zusammengebissenen Zähnen, bemüht die Fassung zu bewahren. Seine Mutter schnaubte nur. „Ich bezweifle es. Warum sträubst du dich so dagegen zu helfen? Das wäre allemal nützlicher als die andere Tätigkeit. Das ist Zeitverschwendung. Wenn du mich fragst sollten wir-"
„HALT DEN MUND!!!", brüllte Hamish auf einmal. Seine Mutter starrte ihn entsetzt an. „Hamish..."
„Du hast KEINE Ahnung was hier läuft!!", grollte er, sein wahres Wesen war drauf und dran herauszubrechen, „Du VERSUCHST nicht einmal mir zuzuhören oder mich zu verstehen!!" Er war tief verletzt. Zeitverschwendung. Sie wusste doch gar nicht was er tat! Es war so unfair! Und Yuna war sicher alles andere, als Zeitverschwendung! Wie konnte sie nur denken, dass er immer nur unnütze Sachen tat, nur weil er nicht immer so handelte, wie sie wollte? Und dann versuchte sie ihn immer wieder dazu zu bringen zu kämpfen. Dabei war das völlig gegen seine Natur! Warum hörte sie einfach nicht zu? Er wirbelte auf dem Absatz um und stapfte davon. „Hamish", rief seine Mutter ihm nach, „Hamish bleib stehen!"
„Lass. Mich. IN RUHE!", brüllte er und knallte die Tür so fest zu, dass sie laut aufächzte. Er stürmte an den ängstlichen Dienstmägden vorbei hinaus. Ohne auf die Umgebung zu achten verwandelte er sich. Sein Körper wurde grösser. Sein Hals streckte sich, sein Mund wurde zu einer Schnauze mit spitzen Zähnen, riesige Schwingen wuchsen aus seinem Rücken, seine Haut wurde von indigoblauen Schuppen verdeckt und zwei dünne, elegante Hörner ragten aus seinem Kopf heraus. Er breitete die Flügel aus und mit zwei Schlägen katapultierte er sich hoch in die Luft. Ohne darauf zu achten ob man die Menschen ihn, einen grossen, schlanken Drachen nun sah oder nicht, raste er über die Landschaft Richtung Berge. Er hatte es satt. Endgültig.
Gideon öffnete die Tür zu Großmutter Taras Haus. Hamish war lange weg gewesen und er wollte seinen Bruder suchen. Und da er ihn gut kannte, vermutete er, dass er bei Tara war. Er war recht gerne hier.
Gideon hatte bemerkt, dass sich Hamish während der Patrouille oft weggeschlichen hatte, doch er hatte ihn gelassen. Jeder brauchte einmal eine Auszeit. Vor allem Hamish, der sich noch nie mit dem Kämpfen hatte anfreunden können. Und da er mit Großmutter Tara offenbar gut auskam, war es wahrscheinlich, dass er dorthin war. Doch als er die Tür öffnete, sah er nur seien Großmutter in einem Stuhl sitzen. „Was machst du hier?", fragte sie ruppig, „Wieder Streit mit Rachel?" Gideon blinzelte. „Nein, ich suche Hamish", sagte er.
Tara blickte auf. „Ist er schon wieder weg?", fragte sie und es klang Neugier unter dem scharfen Tonfall mit. Gideon seufzte und ließ die Schultern hängen. „Ja ist er und ich mache mir langsam Sorgen." Tara sah ihn lange mit einem Blick an, der die Sorge grösser werden liess. „Hast du eine Ahnung wo er sein könnte?", fragte er. Tara seufzte. „Nein, Gid, ich glaube, er ist blindlings davon - zumindest wenn er einen Wutanfall hatte."
Gideon seufzte. „Wahrscheinlich hatte er Krach mit Mutter, aber ich weiß es nicht so genau. Wir hatten Patrouille und er ist zwischenzeitlich immer mal wieder weg. Und er kam gestern reichlich spät nach Hause und Mutter hat auf ihn gewartet", murmelte er und strich sich durch die Haare. Tara machte in verärgertes Geräusch. „Dumme Frau! Sie hat ihm sicher einen Vortrag von wegen Kämpfen gehalten! Närrische Frau! Ich wette sie hat ihm wieder mal nicht zugehört." Sie grummelte ungehalten herum. „Ich habs ihm immer und immer gesagt, er soll es endlich erzählen, aber der dumme Junge muss natürlich seinen Eltern gefallen und jetzt haben wir den Salat." Gideon hob ein wenig verwirrt die Augenbraue. Was sollte Hamish erzählen? „Großmutter, was ist los?", fragte er und sah ihr zu, wie sie verärgert im Zimmer auf und ab lief und vor sich hin murmelte. Sie sah zu ihm auf. „Hinsetzen", befahl sie. Sofort tat er wie sie verlangte. Mit seiner Großmutter legte er sich nicht an, dafür hatte sie ihm zu oft den Kopf gewaschen. Tara kam mit etwas Tee wieder und ließ sich ihm gegenüber nieder. „Dadurch, dass ich dir das hier sage, breche ich ein Versprechen Hamish gegenüber", sagte sie ernst, „Aber mein Instinkt sagt mir, dass es an der Zeit ist. Vielleicht hätte ich es sogar viel früher tun sollen." Gideon sah sie gespannt an. Es musste ein gewaltiges Geheimnis sein. „Um was geht es?", fragte er. Tara seufzte. „Du hast sicher bemerkt, dass Hamish nicht der grosse Kämpfer ist, oder?" Er nickte. Das war für ihn nichts Neues. „Dem ist so, weil er ein Heiler ist", erklärte Tara unumwunden. Er blinzelte. „Ein was?", fragte er und bekam eine Kopfnuss. „Heiler, du Dummkopf. Heilerdrachen sind äußerst selten, jetzt noch mehr als früher."
„Es gibt Heiler unter den Drachen?", fragte er verblüfft. Tara nickte und ihr Blick war ernst. „Vor sehr langer Zeit hatten Heilerdrachen sogar eine eigene Schule, an der sie lernen konnten ihre Fähigkeiten zu verfeinern. Das war wichtig, denn unter allen Drachen der Welt, waren sie die einzigen, die als Hüter der Kette in Frage kamen", erklärte sie. Gideon runzelte die Stirn. „Wieso?", fragte er und wartete gespannt auf eine Antwort. „Sie sind immun gegen die Kette und laut der Legenden auch in der Lage diese zu... bändigen. Zumindest steht es so in den alten Schriften. Vielleicht meinen sie auch zerstören, ich weiß es nicht." Sie zuckte mit den Schultern. Gideon jedoch achtete nicht auf ein solches Detail. „Warum ist dann die Kette nicht mehr in Händen der Heiler?", fragte er. Tara schnalzte mit der Zunge. „Hab ich dir nicht beigebracht mir zu zuhören wenn ich rede?", zeterte sie und nur durch weites Zurücklehnen konnte Gideon sich vor einer weiteren Kopfnuss retten. „Etliche Jahre zuvor waren Heiler die Hüter, ja, aber man jagte sie umso mehr - auch weil noch ein Bericht existiert, Heilerblut eines Drachen in wahrer Gestalt macht jünger oder gesünder." Sie sah ihn fest an. „Deshalb gibt es so gut wie keine mehr. Ausgestorben, könnte man fast sagen. Ich selbst kenne nur noch Hamish. Vielleicht hat es noch ein oder zwei auf der anderen Seite der Welt, aber..."
Gideon riss die Augen auf. „Es gibt wirklich Leute, die geglaubt haben, dass Drachenblut jung macht?", fragte er und wirkte entsetzt. Wenn er sich vorstellte, warum die Drachen gejagt wurden, erschauderte er. Und Hamish sollte ein Heiler und Hüter sein? Irgendwie konnte er sich das nicht vorstellen. Aber es würde passen und einiges erklären. Er schluckte. „Dann muss ich ihn erst recht finden", sagte er. Wenn Hamish ausversehen Drachenjägern in die Arme flog... als Heiler.
Tara nickte. „Allerdings, ich werde indes zu deiner törichten Mutter gehen... Ach und Gideon", ihr Blick hielt seinen fest und zum ersten Mal erkannte er Angst darin, „Schütze deine kleinen Bruder." Gideon nickte und eilte hinaus. Blitzschnell verwandelte er sich und flog hinaus in die Nacht.
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