Kapitel 1.2
Unruhig starrte ich den Drachen entgegen und fragte mich, wie es nun weitergehen sollte.
Es drang noch immer nicht in meinen Kopf, dass ich eine Auserwählte sein sollte. Das war irgendwie surreal.
Der Drachenkaiser faltete seine Flügel aus, bevor er plötzlich seinen Kopf vor mich legte. „Hilf ihr aufzusteigen", wies er mich an und für einen Moment verstand ich nicht ganz, bis ich seinem Blick folgte.
Die Tochter des Bäckers saß genauso entsetzt ab Boden wie ich und starrte uns einfach nur an.
Wahrscheinlich war sie gemeint.
Ich erhob mich mit zittrigen Beinen und ging auf sie zu, um ihr aufzuhelfen. Sie wirkte noch verstörter als ich, wenn das überhaupt möglich war.
Es war ein kleiner Kraftakt, sie dazu zu bringen, sich aufzustellen und auf den Drachen zuzulaufen. Sie hatte Angst und stand neben sich. Eine völlig verständliche Reaktion. Hätte mich der Drache nicht direkt angesprochen und mir förmlich befohlen zu helfen, hätte ich mich sicherlich auch nicht gerührt. Aber jetzt blieb mir nichts anderes übrig. Ich wollte mir nicht ausmalen, was er mit mir tat, wenn ich seiner Aufforderung nicht nachkam.
„Komm schon", sagte ich sanft, als sie sich sträubte. Zusätzlich zog ich ein wenig und versuchte sie dazu zu bewegen, irgendwie auf den Drachen zu klettern.
Dieser hatte weiterhin seinen Kopf gesenkt, sodass sie wohl leichter aufsteigen konnte.
„Ich habe nicht den ganzen Tag Zeit", bemerkte der Drache brummend. Erst das veranlasste sie dazu, sich zu bewegen.
Ganz langsam und offensichtlich sehr kraftlos, versuchte sie den Drachenhals zu erklimmen. Ich musste schieben und als Leiter herhalten, doch schließlich war sie oben, wo sie zitternd saß.
„Jetzt du", wies mich der Drache an, was mir Unbehagen verursachte. Dennoch folgte ich vorsichtig.
Es fiel mir schwer mich richtig festzuhalten oder mich mit meinen Beinen abzustemmen. Ich spürte die Wärme unter den Schuppen und auch die Tatsache, dass ich auf etwas Lebendigem kletterte.
Mir war überhaupt nicht wohl dabei, doch schließlich saß ich.
„Haltet euch gut an mir fest", wies der Drache an, was dafür sorgte, dass ich mich anspannte.
Vor mir vernahm ich ein leises Wimmern und fragte mich, ob es vor Angst war oder weil sie bereits ihre Familie vermisste. Sie waren sehr liebevoll.
Zögerlich legte ich ihr einen Arm um, damit ich sie zusätzlich festhalten konnte, aber auch, um sie etwas zu trösten. Es war vielleicht gar nicht so schlecht, dass wir zu zweit waren, dann kannten wir wenigstens schon jemanden. Auch wenn ich davon ausging, dass sie nicht sonderlich viel mit mir sprechen würde. Das hatte sie nie.
Plötzlich breitete der Drache seine Schwingen aus und kurz darauf rauschten mir die Ohren, drückte Wind auf mich und alles bewegte sich.
Ein atemloser Schrei verließ meine Lippen, weil ich Panik bekam. Mein Bauch kribbelte und meine Finger krallten sich in die Schuppen, auch wenn es wehtat. Ich bekam Angst, dass mich der Wind vom Rücken warf, doch dann wurde es plötzlich ruhig.
Der Wind wurde leichter und das Wackeln ließ nach.
Mit klopfenden Herzen öffnete ich zögerlich meine Augen, die ich vor Schreck zugemacht hatte.
Nun musste ich erst einmal ein wenig blinzeln, da mir noch immer Wind ins Gesicht wehte.
Erst, als sich das Bild klärte, schnappte ich nach Luft. Mein Herz klopfte schneller, doch nicht etwa vor Angst, sondern vor Staunen. Das, was sich vor mir aufbaute, war atemberaubend.
Wir waren bereits so hoch, dass wir zwischen den Wolken waren.
Alles war weiß und irgendwie neblig, doch manchmal verließen wir die Wolken und dann bauten sich diese vor uns auf wie wunderschöne Watteberge.
Ich streckte meine Hand aus, um damit durch die Wolken zu fahren und war überrascht, als sie sich weiterhin wie Nebel anfühlte. Irgendwie hatte ich angenommen, dass sie weich waren und man sie berühren konnte.
Es war ein unglaubliches Gefühl. Zudem war es das erste Mal, dass ich unsere kleine Insel verließ.
Ich wusste nicht genau, wie die Welt aussah, doch ein Schiffsfahrer hatte mir einmal erzählt, dass unsere Insel die Insel war, die am weitesten im Südosten lag. Um uns herum war nur Meer, das ich unter mir schimmern sah, als ich mich traute, meinen Blick nach unten zu richten.
Obwohl ich mich noch immer festkrallte und auch Angst hatte, dass ich hinabfiel, entspannte ich mich langsam wieder.
Der Drachen flog sehr gut und es wackelte kaum noch. Der Wind war zwar sehr heftig, doch das lag an der Schnelligkeit, mit der wir uns bewegten. Noch nie habe ich mich so schnell bewegt. Es war atemberaubend.
Selbst Vina vor mir, schien sich so langsam wieder zu entspannen. Allerdings schwieg sie den ganzen Flug über. Ich wollte gern ein Gespräch beginnen, wusste aber nicht über was und auch nicht, wie ich gegen den lauten Wind, der uns wohl beide in den Ohren fauchte, übertönen sollte.
Plötzlich wurde mir ganz flau im Magen, als ich spürte, dass wir uns im Sinkflug befanden.
Ein erstickter Schrei verließ nicht nur meine Lippen. Eine kleine Vorwarnung wäre gut gewesen!
Erschrocken krallte ich mich noch fester und presste meine Beine zusammen, um auch so Halt zu finden. Irgendwie war es wie das Reiten auf einem sehr, sehr großem Pferd.
Plötzlich wurde es langsamer und dann wackelte es extrem, als der Drache aufsetzte. Ich verlor den Halt und rutschte zur Seite, schaffte es aber, mich zu halten und nicht hinunterzufallen.
Hektisch atmend und mit schnell schlagendem Herz, ließ ich mich von dem Drachen gleiten und freute mich sofort, wieder festen Boden unter den Füßen zu haben.
Vina rutschte kurz nach mir herunter und ging erst einmal zu Boden. Sie zitterte am ganzen Leib und ich bemerkte, dass sie weinte.
Als ich sie jedoch in den Arm nehmen und trösten wollte, erklang die Stimme des Drachen. „Du steigst wieder auf", wies er mich an und blickte direkt zu mir.
Mein Mund wurde trocken. Warum sollte ich denn jetzt wieder hoch? „Meine Frauen werden sich um sie kümmern", sprach er weiter mit ruhiger Stimme, die jedoch auffordernd klang.
Ich schluckte und versuchte, mich vorsichtig wieder auf den Drachen zu begeben. Mit meinen zitternden Beinen und Armen war das nicht sonderlich leicht.
Aus den Augenwinkeln bemerkte ich Farbe und erst jetzt sah ich mich um.
Wir befanden uns auf einer Art rundem Platz auf einer Anhöhe. Aus einem Torbogen, der wohl in das Innere des Felsens führte, kamen mehrere Frauen, die alle in schöne Kleider gehüllt waren und elegante Frisuren trugen. Sie alle liefen auf Vina zu. Waren das seine Frauen?
Bevor ich mir mehr Gedanken darum machen konnte, hob der Drache auch schon wieder ab und ich musste all meine Konzentration aufbringen, um nicht hinunterzufallen.
Wo wollte er nur mit mir hin?
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